VwGH 2001/11/0215

VwGH2001/11/021527.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Mag. B in G, vertreten durch Held, Berdnik, Astner & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schlögelgasse 1, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 10. April 2001, Zl. VerkR/Fe-1619/2000, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Führerscheingesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs2;
AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2000 übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen der Bundespolizeidirektion Graz ua. die Kopie eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom selben Tag, in dem der Beschwerdeführer einer am 6. Februar 2000 begangenen Verwaltungsübertretung (§ 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960) schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe verhängt wurde. Der Beschwerdeführer sei am 6. Februar 2000 auf der A 2 schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren, und zwar unter Berücksichtigung einer Verkehrsfehlergrenze 189 km/h.

Mit Schreiben vom 4. Jänner 2001 verständigte die Bundespolizeidirektion Graz den Beschwerdeführer von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen beabsichtigten Entzuges seiner Lenkberechtigung.

Nachdem der Beschwerdeführer zwei Ladungen vom 8. Februar und vom 22. März 2001 entschuldigt nicht gefolgt war, wurde er von der Bundespolizeidirektion Graz mit Ladungsbescheid vom 10. April 2001 für den 24. April 2001 vorgeladen. Als zu bearbeitende Angelegenheit ist auf dem Bescheidformular "Führerscheinangelegenheit" angemerkt. Weiters ist ersichtlich gemacht, dass es notwendig sei, dass der Beschwerdeführer persönlich erscheine. Darüber hinaus ist angegeben, dass er seinen Führerschein mitbringen möge. Schließlich wird für den Fall der Nichtbeachtung der Ladung seine zwangsweise Vorführung angedroht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 20. Juni 2001, B 729/01-5, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine als "Gegenschrift" bezeichnete Äußerung, in der sie ausführlich den Gang des Verwaltungsverfahrens schilderte, aber keine Gründe darlegte, aus denen sich ihrer Auffassung nach die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem

gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 erwogen:

§ 19 AVG lautet (auszugsweise):

"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. ...

(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekannt zu geben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.

(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; ... .

(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."

Aus § 56 AVG ergibt sich, dass die Ladung auch in Bescheidform ergehen kann.

Im Hinblick auf die in der angefochtenen Erledigung enthaltene Androhung der zwangsweisen Vorführung für den Fall des Nichterscheinens vor der Behörde zum angegebenen Zeitpunkt besteht kein Zweifel, dass es sich dabei um einen Ladungsbescheid im Sinne des § 19 AVG handelt (zur Maßgeblichkeit der Androhung vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E. 50 f zu § 19 AVG zitierte hg. Judikatur). Gemäß § 19 Abs. 4 AVG war dagegen kein Rechtsmittel zulässig, weshalb die vorliegende Beschwerde zulässig ist.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Zwar ist der belangten Behörde einzuräumen, dass es grundsätzlich der Behörde obliegt zu beurteilen, ob zur Erreichung des mit einer Ladung verfolgten Zwecks ein Erscheinen des Geladenen nötig ist oder ob dieser Zweck auch auf andere Weise erreicht werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1992, Zl. 91/19/0326). Allerdings ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Erscheinen der geladenen Person "nicht nötig" im Sinne des § 19 Abs. 1 AVG, wenn die Behörde den mit der Ladung verfolgten Zweck auch auf andere Weise (etwa schriftlich oder telefonisch) erreichen kann (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 4. Februar 1994, Zl. 93/02/0215, und vom 11. April 2000, Zl. 98/11/0273). Vor dem Hintergrund dieser Judikatur bietet weder die Aktenlage noch das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass es des persönlichen Erscheinens des Beschwerdeführers vor der Behörde bedurfte, um den von der belangten Behörde mit "Führerscheinangelegenheit" äußerst unpräzise umschriebenen Zweck - allenfalls weitere Ermittlungsschritte zum Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung - erreichen zu können.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. November 2001

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