VwGH 2001/10/0045

VwGH2001/10/004516.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des MMag. Dr. F in Wien, vertreten durch Dr. Georg Kahlig und Mag. Gerhard Stauder, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Siebensterngasse 42, gegen den Bescheid der Studienkommission für das Studium zur Erwerbung des Doktorates der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien vom 22. Dezember 2000, Zl. 0026/09/00, betreffend Anerkennung von Prüfungen und einer Dissertation, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
UniStG 1997 §4 Z9;
UniStG 1997 §43;
UniStG 1997 §62 Abs1;
UniStG 1997 §64;
B-VG Art7 Abs1;
UniStG 1997 §4 Z9;
UniStG 1997 §43;
UniStG 1997 §62 Abs1;
UniStG 1997 §64;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes 3. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Studienkommission für das Studium zur Erlangung des Doktorates der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien vom 22. Dezember 2000 wurden im Einzelnen genannte Leistungen, die der Beschwerdeführer an der Universität Salzburg - Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften - erbracht hatte, zur Erlangung des Doktorates der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien anerkannt (Spruchpunkt 1. und 2.), die approbierte Dissertation mit dem Thema "Europäisches und österreichisches Insiderrecht" (7. November 1994, Note: Sehr gut) jedoch nicht anerkannt (Spruchpunkt 3.). Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften u. a. ausgeführt, es entbehre jeder sachlichen Rechtfertigung und verletze daher den Gleichheitsgrundsatz, wenn ein weiterer akademischer Grad mit minimalem zusätzlichen Studienaufwand erworben werden könne. Dies gelte insbesondere im Rahmen des Doktoratsstudiums, wenn eine Dissertation, die in einer Studienrichtung approbiert worden sei, für eine weitere Studienrichtung und damit für den Erwerb eines weiteren akademischen Grades anerkannt werden könne. Einfache Gesetze seien nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verfassungskonform auszulegen. Im Zweifel dürfe einer gesetzlichen Bestimmung kein verfassungswidriger Inhalt gegeben werden. Die Bestimmung des § 64 Universitäts-Studiengesetz, wonach wissenschaftliche Arbeiten, die an anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtungen positiv beurteilt worden seien, auf Antrag anzuerkennen seien, wenn sie jeweils den Anforderungen an eine Diplomarbeit oder Dissertation entsprächen, nähme darauf, ob es um die Anerkennung einer wissenschaftlichen Arbeit in ein und der selben Studienrichtung oder in einer anderen Studienrichtung gehe, nicht Bezug. Daher sei

§ 64 Universitäts-Studiengesetz einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich, die das eben als gleichheitswidrig, weil sachlich nicht gerechtfertigt, erkannte Ergebnis vermeide.

§ 64 Universitäts-Studiengesetz sei daher in verfassungskonformer Interpretation der Art auszulegen, dass er keine Grundlage für eine doppelte Anerkennung der selben Dissertation für mehrere Studienrichtungen biete. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung sei in Bezug auf Dissertationen auf eine Anerkennung in derselben Studienrichtung, etwa bei Studienortwechsel, beschränkt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage würden zwar betonen, dass im Gegensatz zur bis dahin geltenden differenzierten Regelung mit dieser Bestimmung wissenschaftliche Arbeiten generell anerkennungsfähig gemacht und damit der - angebliche - Wertungswiderspruch, die Anerkennung von Prüfungen für andere Studienrichtungen auf Grund der Gleichwertigkeit zuzulassen, bei wissenschaftlichen Arbeiten jedoch grundsätzlich auszuschließen, beseitigt werden solle. Dies stehe der dargestellten Auffassung aber nicht entgegen, weil, wie aus im Einzelnen genannten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes ersichtlich, eine verfassungskonforme Auslegung auch dann vorzunehmen sei, wenn in den Materialien der Gesetzwerdung entgegenstehende Aussagen enthalten seien. Entsprechend der dargestellten Auslegung des § 64 Universitäts-Studiengesetz sei somit eine Anerkennung einer bereits in einer Studienrichtung approbierten Dissertation für eine weitere Studienrichtung ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Anerkennung einer wissenschaftlichen Arbeit als Dissertation bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 64 Universitäts-Studiengesetz verletzt.

Gemäß § 64 Universitäts-Studiengesetz, BGBl. I Nr. 48/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 167/1999, (UniStG) hat die oder der Vorsitzende der Studienkommission wissenschaftliche Arbeiten, die an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung positiv beurteilt wurden, auf Antrag anzuerkennen, wenn sie jeweils den Anforderungen einer Magisterarbeit, Diplomarbeit oder Dissertation entsprechen.

Den Gesetzesmaterialien (RV 588 BlgNR, 20. GP, 94 f) zufolge sollten durch diese Regelungen wissenschaftliche Arbeiten - im Gegensatz zur (damals) bestehenden Rechtslage - generell anerkennungsfähig gemacht werden. "Der Wertungswiderspruch, die Anerkennung von Prüfungen für andere Studienrichtungen auf Grund der Gleichwertigkeit zuzulassen und bei wissenschaftlichen Arbeiten dies grundsätzlich auszuschließen, wird daher nicht aufrecht erhalten. Die oder der Vorsitzende der Studienkommission hat bei diesem Anerkennungsverfahren Gutachten der Vertreterinnen oder Vertreter der einschlägigen Fächer einzuholen."

Nach der bis zum UniStG geltenden Rechtslage war eine Anerkennung wissenschaftlicher Arbeiten nur für das weitere Studium derselben Studienrichtung an einer anderen inländischen Universität (Hochschule) vorgesehen (vgl. § 21 Abs. 4 und 5 Allgemeines Hochschul-Studiengesetz). Die Anerkennung einer wissenschaftlichen Arbeit, die im Rahmen einer bestimmten Studienrichtung angefertigt und approbiert wurde, für eine andere Studienrichtung, sei - so die Gesetzesmaterialien (RV 455 BlgNR, 18. GP, 15) - "nicht denkbar"; vor dem Hintergrund, dass derselbe akademische Grad (nunmehr) mehrfach erworben werden könne, sei es gänzlich unbillig, mit einer wissenschaftlichen Arbeit, die auf die Besonderheiten der jeweiligen Studienrichtung abzustellen habe, mehrere akademische Grade erwerben zu können. Nur Prüfungen seien nach Maßgabe der Gleichwertigkeit von einer Studienrichtung auf eine andere Studienrichtung anerkennbar.

Weder der Wortlaut noch die Gesetzesmaterialien lassen es zweifelhaft erscheinen, dass § 64 UniStG die Anerkennung einer wissenschaftlichen Arbeit, die an einer anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung positiv beurteilt wurde, ausschließlich davon abhängig macht, dass diese Arbeit den Anforderungen einer Magisterarbeit, Diplomarbeit oder Dissertation entspricht. Eine Einschränkung der Anerkennbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten nur für das weitere Studium derselben Studienrichtung an einer anderen Universität kommt nicht zum Ausdruck. Nach den Gesetzesmaterialien war es im Gegenteil die erklärte Absicht, mit dieser Bestimmung die Anerkennung von wissenschaftlichen Arbeiten für andere Studienrichtungen zuzulassen. Und dies führt zum gegenständlichen Ergebnis.

Demgegenüber liegt dem angefochtenen Bescheid die Auffassung zu Grunde, es sei von Verfassungs wegen eine Auslegung des § 64 UniStG geboten, wonach diese Regelung - in Bezug auf Dissertationen - lediglich die Anerkennung für dieselbe, nicht aber für eine andere Studienrichtung zum Inhalt habe. Die Anerkennung einer Dissertation für eine andere Studienrichtung verletze den Gleichheitsgrundsatz, weil eine Regelung, die den Erwerb eines weiteren akademischen Grades mit minimalem Studienaufwand ermögliche, unsachlich sei. Dieses gleichheitswidrige Ergebnis müsse durch eine einschränkende Auslegung des § 64 UniStG vermieden werden.

Gemäß § 62 Abs. 1 UniStG ist im Doktoratsstudium eine Dissertation abzufassen.

Dissertationen sind gemäß § 4 Z. 9 UniStG wissenschaftliche Arbeiten, die - anders als Diplomarbeiten - dem Nachweis der Befähigung zur selbständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen dienen.

Ebenso wie bei Prüfungen liegt der Zweck der Beurteilung einer Dissertation in der Feststellung des Studienerfolgs (vgl. § 43 UniStG), wobei das Dissertationsthema gemäß § 62 Abs. 1 UniStG einem der im Studienplan der absolvierten Studienrichtung festgelegten Prüfungsfächer zu entnehmen ist oder in einem sinnvollen Zusammenhang mit einem dieser Fächer zu stehen hat.

Von Gesetzes wegen ist an eine Dissertation somit die Anforderung zu stellen, in quantitativer wie qualitativer Hinsicht den Nachweis zu erbringen, dass der Studierende fähig ist, wissenschaftliche Fragestellungen, die aus einem Prüfungsfach der absolvierten Studienrichtung (gemäß dem Studienplan) stammen oder damit in einem (sinnvollen) Zusammenhang stehen, selbständig zu bewältigen. Soweit eine wissenschaftliche Arbeit diesen Anforderungen entspricht, kommt sie als Dissertation in Betracht.

Nun sieht § 64 UniStG die Anerkennung einer wissenschaftlichen Arbeit, die an einer anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung positiv beurteilt wurde, unter der Voraussetzung vor, dass sie den an eine Dissertation zu stellenden Anforderungen entspricht. Die Anerkennung einer approbierten Dissertation kommt daher (nur) in Betracht, wenn sie in quantitativer wie qualitativer Hinsicht den Nachweis der selbständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen aus den Fachbereichen (Prüfungsfach bzw. Zusammenhang mit einem Prüfungsfach) der Studienrichtung, für die sie anerkannt werden soll, erbringt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Dissertation in einer anderen oder in derselben Studienrichtung approbiert wurde. Vermag eine in einer anderen Studienrichtung bereits approbierte Dissertation diesen Nachweis gleich einer in der Studienrichtung, für die sie anerkannt werden soll, anzunehmenden Dissertation zu erbringen, besteht kein Grund, ihr die Anerkennung zu versagen; weist die Arbeit doch inhaltlich keinen Unterschied zu den in dieser Studienrichtung zu approbierenden Dissertationen auf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 98/12/0205).

Es ist auch nicht zu sehen, dass der dadurch ermöglichte Erwerb eines weiteren akademischen Grades "mit minimalem Studienaufwand" den Gleichheitsgrundsatz verletzte.

Die Anerkennung einer wissenschaftlichen Arbeit als Dissertation gemäß § 64 UniStG steht allen Studierenden gleichermaßen offen, die dies anstreben. Der Umstand, dass in fachlich verwandten Studienrichtungen die - wechselseitige - Anerkennung von Dissertationen eher in Betracht kommt, als in fachlich nicht verwandten Studienrichtungen, liegt in der Natur der Sache. Dadurch werden Studierende fachlich verwandter Studienrichtungen allerdings gegenüber Studierenden fachlich nicht verwandter Studienrichtungen nicht ungerechtfertigt begünstigt bzw. letztere nicht ungerechtfertigt benachteiligt. Denn es bestehen diesfalls Unterschiede im Tatsächlichen, eben die Verwandtschaft der Studienrichtungen, die die Anerkennung einer wissenschaftlichen Arbeit als gleichwertig überhaupt erst ermöglichen oder aber ausschließen.

Es ist aber auch nicht zu sehen, dass Studierende, die nur eine Studienrichtung absolvieren, benachteiligt würden. Denn es sind an die zur Anerkennung beantragte Dissertation nicht etwa geringere Anforderungen zu stellen als an die in dieser Studienrichtung anzunehmenden Dissertationen, sondern exakt dieselben.

Auf dem Boden des UniStG kann auch nicht gesagt werden, dass es entscheidend auf den subjektiven Aufwand für den Studierenden ankommt. Wollte man dies annehmen, wäre eine Anerkennung von in anderen Studienrichtungen erbrachten Leistungen, seien es nun Prüfungen oder wissenschaftliche Arbeiten, generell ausgeschlossen. Diesen Standpunkt vertritt die belangte Behörde aber selbst nicht.

Die von der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aufgezeigten Bedenken gegen die Anerkennung einer approbierten Dissertation für eine weitere Studienrichtung bestehen somit nicht zu Recht. Damit erweist sich aber die Annahme, die Bestimmung des § 64 UniStG müsse - verfassungskonform - einschränkend ausgelegt werden, als ebenso unbegründet wie die in der Gegenschrift erstattete Anregung, ein Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG zu beantragen.

Vielmehr hat die belangte Behörde, indem sie entgegen dem aus dem Gesetzeswortlaut und den Gesetzesmaterialien klar erkennbaren Inhalt der Norm dem § 64 UniStG die Bedeutung beimaß, eine Anerkennung der Dissertation des Beschwerdeführers komme nicht in Betracht, weil diese Bestimmung in Ansehung von Dissertationen auf die Anerkennung in der selben Studienrichtung beschränkt sei, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 16. Dezember 2002

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