VwGH 2001/01/0323

VwGH2001/01/032317.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des ZP in K, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. Juni 2001, Zl. 2-11.P/359-98/11, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, beantragte am 18. November 1998 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Die belangte Behörde wies dieses Ansuchen mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 10 Abs. 1 und § 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 idgF (StbG) ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass beim Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung der zehnjährigen Wohnsitzdauer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG erfüllt sei; ebenso seien die allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 erfüllt. Die österreichische Staatsbürgerschaft habe jedoch dem Beschwerdeführer nicht verliehen werden können, weil die belangte Behörde bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens zu berücksichtigen gehabt habe, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von September 1992 bis November 2000 bei insgesamt 17 verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt gewesen und in diesem Zeitraum (also in etwas mehr als acht Jahren) insgesamt vier Jahre und zwei Monate keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen sei bzw. Arbeitslosengeld bezogen habe. Die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse seien oft nur von kurzer Dauer gewesen, das längste Dienstverhältnis habe sechs Monate gedauert und zwischen den einzelnen Beschäftigungsverhältnissen würden länger dauernde Unterbrechungen aufscheinen. Das Arbeitsmarktservice Steiermark habe sich gegen eine Einbürgerung des Beschwerdeführers ausgesprochen, weil aus arbeitsmarktpolitischer Sicht kein Grund für eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorliege und die Qualifikation des Einbürgerungswerbers als Hilfsarbeiter am heimischen Arbeitsmarkt nicht gesucht werde. Darüber hinaus stünden dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht nur inländische, sondern auch ausländische Fachkräfte für diese Tätigkeit arbeitslos zur Verfügung und erhielten Leistungen aus öffentlichen Mitteln. Dem Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 6. Februar 2001 Gelegenheit gegeben worden, zum vorliegenden Sachverhalt eine Stellungnahme abzugeben; von dieser Möglichkeit habe er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Bei der Ermessensübung gemäß § 11 StbG habe die Behörde die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit zehn Jahren in Österreich lebe, die Eltern bereits österreichische Staatsbürger seien und der Beschwerdeführer sonst nicht negativ in Erscheinung getreten bzw. straffällig geworden sei, zu Gunsten des Beschwerdeführers in die Beurteilung seines Gesamtverhaltens miteinbezogen. Zu seinen Lasten habe jedoch berücksichtigt werden müssen, dass auf Grund der überaus häufigen Arbeitsplatzwechsel und der zahlreichen, langdauernden Unterbrechung zwischen den einzelnen Dienstverhältnissen zu erkennen sei, dass die berufliche Integration des Einbürgerungswerbers noch nicht in ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen sei. Auch wenn man berücksichtige, dass der Beschwerdeführer teilweise als Hilfsarbeiter beschäftigt gewesen sei, sei dadurch der Wechsel von 17 verschiedenen Arbeitgebern mit jeweils überaus kurzer Beschäftigungsdauer nicht gerechtfertigt. Erst seit November 2000 sei der Beschwerdeführer beim nunmehr 17. Arbeitgeber beschäftigt. Angesichts dieser Umstände sei "das Gesamtbild des Einbürgerungswerbers noch nicht so einwandfrei, dass die Wahrung des öffentlichen Wohles und der öffentlichen Interessen gewährleistet erscheine bzw. die berufliche Integration des Einbürgerungswerbers in ausreichendem Maße gegeben ist".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z 1 bis 8 StbG gegeben seien. Sie vertrat jedoch die Auffassung, dass sie das ihr - bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen - eingeräumte Ermessen im Grunde des § 11 StbG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers üben könne.

§ 11 StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 lautet:

"Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."

Nach den Erläuternden Bemerkungen zur StbG-Novelle 1998 (1283 BlgNR 20. GP) hat die Behörde bei der Ermessensübung nach § 11 StbG "vor allem die Integration des Fremden und deren Ausmaß zu beachten" (aaO 9).

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt, dass dieser "schon seit zehn Jahren in Österreich lebt, die Eltern bereits österreichische Staatsbürger sind und der Einbürgerungswerber sonst nicht negativ in Erscheinung getreten bzw. straffällig geworden ist". Angesichts des "überaus häufigen Arbeitsplatzwechsels und der zahlreichen, lang dauernden Unterbrechungen zwischen den einzelnen Dienstverhältnissen" sei jedoch "die berufliche Integration des Einbürgerungswerbers", der in etwas mehr als acht Jahren (von September 1992 bis November 2000) über vier Jahre arbeitslos und die übrige Zeit bei siebzehn verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt gewesen sei (wobei das längste Dienstverhältnis sechs Monate gedauert habe) "noch nicht in ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen".

Da nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine fehlerfreie Abwägung der beteiligten Interessen im Zuge der behördlichen Ermessensübung voraussetzt, dass die Entscheidungsgrundlagen vollständig und schlüssig ermittelt und in der Bescheidbegründung festgestellt wurden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1995, Zl. 94/08/0034), hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, indem sie, wie in der Beschwerde teilweise zu Recht aufgezeigt wird, mehrere für die Integration des Fremden und deren Ausmaß durchaus erhebliche Umstände bei ihrer Ermessensübung außer Acht gelassen hat: Der mittlerweile 24 Jahre alte Beschwerdeführer ist nach den Feststellungen der belangten Behörde nämlich bereits mit fünfzehn Jahren - nach den Beschwerdeausführungen sogar noch früher - gemeinsam mit seinen Eltern nach Österreich gekommen; nach seinen Angaben im Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft hat er drei Jahre die Berufsschule besucht und war mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet (wobei die Ehe seit Oktober 1998 allerdings geschieden ist).

Die belangte Behörde hat auch verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wechselnde Beschäftigungsverhältnisse für sich allein nicht gegen die Integration des Einbürgerungswerbers sprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2001, Zl. 2000/01/0156). Eine Betrachtungsweise dergestalt, die Beschäftigungszeiten eines Fremden seiner gesamten Aufenthaltsdauer im Inland gegenüberzustellen, wurde vom Verwaltungsgerichtshof als verfehlt beurteilt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0258, und vom 18. April 2002, Zl. 2000/01/0510).

Der Beschwerdeführer hat zwar die ihm unter Wahrung des Parteiengehörs gegebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem von der belangten Behörde angenommenen Fehlen der "beruflichen Integration" nicht genützt, und es stellt auch die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer sei im Besitz eines Befreiungsscheines nach dem AuslBG, eine nach § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung dar. Dennoch hätte die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigen müssen, dass dieser seit November 1999 zwar mehrmals den Arbeitsplatz wechselte, die zwischen den Arbeitsplatzwechseln liegenden Zeiten ohne Beschäftigung jedoch kein außergewöhnliches Ausmaß erreichten, und dass der Beschwerdeführer seit November 2000 (somit seit mehr als sieben Monaten) in einem bei Bescheiderlassung offenbar noch aufrechten Dienstverhältnis gestanden ist. Insgesamt hat die belangte Behörde ihre Ermessensentscheidung daher einerseits auf eine unvollständige und andererseits auf eine zum Teil unrichtige Grundlage gestellt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- angefallene Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 17. September 2002

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