VwGH 2001/01/0009

VwGH2001/01/000925.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des S in Wien, geboren 1974, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. Oktober 2000, Zl. 213.554/0-IV/10/99, betreffend §§ 7, 8 und 15 AsylG (mitbeteiligte Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §15;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §15;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Entscheidung nach § 7 AsylG) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 908,-- EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein der serbischen Volksgruppe angehörender (ehemaliger) jugoslawischer Staatsangehöriger, reiste am 2. März 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 7. April 1999 die Gewährung von Asyl.

Bei der Einvernahme zu seinen Fluchtgründen am 14. September 1999 brachte er vor, er habe im Kosovo nicht kämpfen wollen. Deswegen werde er als Deserteur betrachtet. Er habe keinen Einberufungsbefehl erhalten, die Militärpolizei habe ihn jedoch zweimal aufgesucht. Im Kriegszustand sei es üblich, dass die Militärpolizei den Einberufungsbefehl direkt ins Haus bringe; er sei jedoch beide Male nicht zu Hause gewesen. Der Beschwerdeführer habe die Militärpolizei erwartet; er habe gehört, dass andere Männer von dieser gleich mitgenommen worden seien. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, ins Gefängnis zu kommen sowie, keine Arbeit zu finden. Er habe nie Probleme mit den Behörden gehabt, gegen ihn liege kein Haftbefehl vor und er sei niemals politisch tätig geworden. Sein Dienstgrad sei einfacher Soldat.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 14. Oktober 1999 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die "BR Jugoslawien" gemäß § 8 AsylG für zulässig. Begründend gab es die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund wieder und fasste diesen dahin zusammen, dass der Beschwerdeführer den Asylantrag aus Angst vor der Militärdienstleistung in Jugoslawien eingebracht habe. Da die Verfolgungsgefahr für den Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu prüfen sei, sei eine solche im konkreten Fall zu verneinen, weil die jugoslawische Bundesarmee nicht mehr in kriegerische Handlungen bzw. völkerrechtswidrige Handlungen involviert sei. Mit dem Ende des Kriegszustandes in der Bundesrepublik Jugoslawien stelle sich bloße Wehrdienstverweigerung grundsätzlich wieder als einfache Verweigerung einer alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise treffenden staatsbürgerlichen Pflicht dar, die keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bilde. Der Asylantrag sei daher abzuweisen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, er habe Serbien verlassen, weil er sich nicht als Soldat am Völkermord im Kosovo habe beteiligen wollen. Der Grund, sich einer Einberufung in die jugoslawische Bundesarmee zu entziehen, sei darin gelegen, dass sich der Einsatz dieser Armee gegen unschuldige Menschen im Kosovo gerichtet habe und im Sinne des Artikels (gemeint: Absatz) 171 des "UNHCR-Handbuches" den "Grundregeln menschlichen Verhaltens" widersprochen habe. Diese Weigerung stelle sich als politisches Handeln dar, dessentwegen er befürchte, "unter Anwendung politischer Gesichtspunkte" bestraft zu werden.

Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 7 AsylG" ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien nicht zulässig sei; gemäß § 15 AsylG werde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 27. Jänner 2001 erteilt. Im Begründungsteil zu § 8 AsylG ging die belangte Behörde davon aus, "dass eine wirksame Zustellung des Einberufungsbescheides (bzw. die Feststellung der Wirksamkeit einer Zustellung auf Grund der großen Bedeutung der Aussage der Zustellorgane) nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann ... Somit kann auch nicht festgestellt werden, ob eine wirksame Vorladung vor dem Krieg oder im Krieg vorlag (oder eben nicht vorlag), was insbesondere vor der Strafbehörde von wesentlicher Bedeutung ist". Es sei nicht auszuschließen - so die belangte Behörde weiter - dass dem Beschwerdeführer allenfalls ein nicht faires Verfahren oder ein allenfalls nicht menschenwürdiger Vollzug bevorstehe, falls er in seine Heimat abgeschoben würde. Die allenfalls verhängten schweren Strafen wegen Wehrdienstverweigerung träfen grundsätzlich jeden jugoslawischen Staatsbürger, der nach dem Krieg zurückkehre, wenn eine Einberufung erfolgt sei, ohne Rücksicht auf Ethik, Religion, oder Gesinnung. Aus diesen Gründen sei keine Asylrelevanz zu erblicken. Die Gefahr aber - bei aller Unsicherheit über die tatsächliche Situation in Rechtsprechung, tatsächlicher Verwaltungsübung und Vollzug in der Bundesrepublik Jugoslawien - im Falle der Rückkehr von Wehrdienstverweigerern in einem nicht unbedingt fairen (Militärstraf-)Verfahren zu schwersten Strafen verurteilt zu werden und diese unter Umständen in einem "menschenwürdigen" (gemeint wohl: menschenunwürdigen) Haftvollzug verbüßen zu müssen, führe zwar nicht zur Asylgewährung, aber zur Gewährung von Abschiebungsschutz.

Über die erkennbar nur die Abweisung des Asylantrages bekämpfende Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer brachte zur Abweisung seines Asylantrages unter anderem vor, es sei nicht nur für die Frage des Abschiebungsschutzes, sondern auch asylrechtlich von Bedeutung, wenn dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Weigerung, an einem verbrecherischen Militäreinsatz teilzunehmen, Strafverfolgung drohe.

Mit diesem Argument zeigt der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in seinem Asylteil auf:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zur Frage der Wehrdienstverweigerung als Asylgrund ausgesprochen, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen auch eine "bloße" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein kann (vgl. auch das Erkenntnis vom 22. November 2001, Zl. 98/20/0261). Vor dem Hintergrund dieser im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht in dieser Form vorliegenden Rechtsprechung war es inhaltlich rechtswidrig, wenn die belangte Behörde bei der Asylfrage davon ausging, dass es für die Gewährung von Asyl nicht relevant sei, wenn der Beschwerdeführer wegen Wehrdienstverweigerung (allenfalls schwerer) bestraft würde, weil dies grundsätzlich jeden jugoslawischen Staatsbürger treffen könnte, der zum Militärdienst einberufen worden und nach dem Krieg zurückgekehrt sei, ohne Rücksicht auf Ethik, Religion oder Gesinnung. Die Asylrelevanz einer (nicht nur unverhältnismäßigen) Strafe im Falle der Weigerung der Teilnahme an einer völkerrechtswidrigen Militäraktion - von einer solchen der (ehemaligen) jugoslawischen Bundesarmee im Kosovo im Frühjahr 1999 geht die belangte Behörde selbst aus - hat der Beschwerdeführer auch schon durch den Hinweis auf "Artikel 171 des UNHCR-Handbuches" im Zusammenhang mit dem serbischen Militäreinsatz im Kosovo und auf die befürchtete politische Komponente der ihm drohenden Bestrafung aufgezeigt.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid in seinem auf § 7 AsylG gestützten Spruchteil wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 25. März 2003

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