Normen
SMG 1997 §27 Abs1;
StGB §207a Abs1 Z2;
StGB §302 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs4;
WaffG 1996 §8 Abs5;
SMG 1997 §27 Abs1;
StGB §207a Abs1 Z2;
StGB §302 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs4;
WaffG 1996 §8 Abs5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 6. Juli 2000 verbot die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), den Besitz von Waffen und Munition. Die Begründung des Bescheides lautete - im Anschluss an eine Wiedergabe des Inhaltes der im Spruch zitierten Gesetzesstelle - wie folgt:
"Sie wurden am 21.1.2000 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wg. § 27/1 SMG u. § 207a/1 Zif. 2 StGB zu 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Weiters weisen Sie noch eine gerichtliche Verurteilung wg. § 302/1 StGB auf.
Aus vorangeführten Gründen ist bei Ihnen ein Persönlichkeitsbild erkennbar, welches die Annahme rechtfertigt, dass Sie durch missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnten.
Die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme ist am 3.5.2000 postamtlich hinterlegt und behoben worden.
Sie gaben keine Stellungnahme ab.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden."
In seiner Berufung gegen diese Entscheidung bestritt der Beschwerdeführer, dass er ein Persönlichkeitsbild aufweise, welches die im Bescheid umschriebene Annahme rechtfertige.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie führte aus, die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien im Ergebnis auch für die Berufungsentscheidung maßgebend, und traf ergänzend folgende Feststellungen zum Sachverhalt:
"Der Berufungswerber wurde am 14.07.1993 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauches zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Berufungswerber am 30.11.1990 als Sicherheitswachebeamter seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtshandlungen vorzunehmen, missbraucht hat. Konkret nahm er von einem behördlich zugelassenen Fahrzeug mit der wissentlich unrichtigen Behauptung, dass das Reifenprofil nicht den gesetzlichen Vorschriften entspreche, die Kennzeichentafeln ab.
Am 21.01.2000 wurde der Berufungswerber vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 27 Abs. 2 Suchtmittelgesetz, § 207a Abs. 1 Z 2 StGB, zu sechs Monaten Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Berufungswerber von Februar 1998 bis 03.09.1999 Kokain erworben, besessen sowie einer anderen Person überlassen hat. Weiters, dass er im Internet Seiten mit pornographischen Inhalten abrief. Dabei handelte es sich unter anderem um Abbildungen von nackten Minderjährigen, wobei auf diversen Fotos bildliche Darstellungen einer geschlechtlichen Handlung an den unmündigen Personen bzw. der unmündigen Personen an sich selbst sowie mit einem Tier zu sehen waren. Dabei wurde dem Betrachter der Eindruck vermittelt, dass es bei der Herstellung der Fotos zu einer geschlechtlichen Handlung gekommen ist. Der Berufungswerber war hinsichtlich der ihm vom Gericht angelasteten Fakten geständig."
In rechtlicher Hinsicht würdigte die belangte Behörde den Fall - im Anschluss an allgemein gehaltene Rechtsausführungen - wie folgt:
"Die den zitierten Strafurteilen zugrunde liegenden Tathandlungen des Berufungswerbers lassen nach Ansicht der erkennenden Behörde die im § 12 Abs. 1 leg. cit. normierte Annahme gerechtfertigt erscheinen, auch wenn der Berufungswerber dabei eine Waffe nicht verwendet hat. Bereits in seinem Urteil vom 11.11.1992 führte das Landesgericht für Strafsachen Wien hinsichtlich der Persönlichkeit des Berufungswerbers aus, dass dieser über ein übersteigertes Selbstwertgefühl verfüge. Weiters verwies das Gericht hinsichtlich der charakterlichen Eigenschaften auf die eigenen Angaben des Berufungswerbers, wonach dieser um seine Freizeit zu überbrücken tagsüber ein Verhältnis mit einer Frau gehabt habe, obwohl er zu diesem Zeitpunkt seit ca. zehn Jahren mit einer Lebensgefährtin zusammen wohnte. Zusammenfassend attestierte das Gericht dem Berufungswerber anlässlich einer Auseinandersetzung mit seiner Person schlechte Charaktereigenschaften. Im Zusammenhang mit der zweiten Verurteilung vom 21.01.2000 ist es für die erkennende Behörde zweifelhaft, ob der Berufungswerber gewillt ist mit jenen Rechtsnormen, die zum Schutz der geschlechtlichen Unversehrtheit Unmündiger und der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität aufgestellt wurden, in Zukunft in Einklang zu leben. Die aufgezeigten Verhaltensweisen zeigen besonders augenscheinlich, die verwerfliche Einstellung des Berufungswerbers zu den Werten unseres Rechtssystems. Gerade das Vorführen bzw. sonst zugänglich machen von pornographischen Darstellungen mit Unmündigen - also besonders schutzbedürftigen Mitgliedern unserer Gesellschaft - lässt auf einen mangelnden Charakter des Berufungswerbers schließen.
Auf Grund des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Berufungswerbers besteht die Besorgnis, dass dieser in Zukunft weitere strafbare Handlungen gegen schutzwürdige Rechtsgüter setzt, wobei nach menschlichem Ermessen nicht ausgeschlossen werden kann, dass er sich dabei einer Waffe bedienen wird.
Entgegen der Meinung des Berufungswerbers kann daher kein Zweifel bestehen, dass auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 leg. cit. vorliegen und die Behörde entsprechend dieser Gesetzesstelle ein Waffenverbot auszusprechen hat, ohne dass ihr hierbei Ermessen zukommt.
Der Berufung war daher keine Folge zu geben."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 12 Abs. 1 WaffG lautet:
"Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."
Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs. 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, durch die die im Gesetz umschriebene Annahme für die Zukunft gerechtfertigt erscheint. Bei der Beurteilung dieser Frage ist nach dem Schutzzweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. in diesem Sinn zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Juli 2002, Zl. 99/20/0189).
Vor diesem Hintergrund wirft der vorliegende Fall die Frage auf, inwieweit schon der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung als solcher die erwähnte Annahme rechtfertigen und somit als "Tatsache" im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG ausreichen kann. Auf das Vorliegen einer Suchtkrankheit des Beschwerdeführers stützte sich die belangte Behörde nicht, sodass auf die damit allenfalls verbundenen Fragen nicht eingegangen werden muss. Die Frage nach der Tragweite von Verurteilungen als "Tatsachen" stellt sich auf zum Teil ähnliche Weise - aber ohne das Erfordernis einer gesonderten Gefährdungsprognose in Bezug auf bestimmte Rechtsgüter - auch bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit. Nach § 8 Abs. 1 Z 1 WaffG ist ein Mensch u.a. nur dann verlässlich, wenn keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde. Zu diesem Tatbestand tritt hier aber - anders als in § 12 Abs. 1 WaffG - eine demonstrative Aufzählung von Verurteilungen, bei deren Vorliegen ein Mensch "als nicht verlässlich gilt" (§ 8 Abs. 3 bis 5 WaffG). Der Katalog die Verlässlichkeit ausschließender Verurteilungen lässt infolge der darin enthaltenen Anforderungen an die Höhe der Strafe oder die Zahl der Verurteilungen erkennen, dass nach Ansicht des Gesetzgebers selbst Personen mit ungetilgten Verurteilungen wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder einer mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffs gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden, wegen Zuhälterei, Menschenhandels und anderer derartiger Delikte verlässlich sein können. Davon ausgehend vertritt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Waffengesetz 1996 die Auffassung, dass es in der Regel eines Abstellens auf konkrete Tatumstände bedürfe und sich aus diesen ein "waffenrechtlicher Bezug" - etwa Verwendung einer Waffe bei der Tat oder aus ihr ableitbares hohes Aggressionspotenzial - ergeben müsse, wenn eine den gesetzlichen Anforderungen an den Ausschluss der Verlässlichkeit nicht jedenfalls genügende Verurteilung zur Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit führen soll (vgl. die zusammenfassende Darstellung in dem hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0139, mit den einschränkenden Hinweisen auf den Fall des Erkenntnisses vom selben Tag, Zl. 97/20/0752, und auf die mögliche Bedeutung von Tathandlungen ohne ausreichenden "waffenrechtlichen Bezug" im Rahmen einer auf die Gesamtpersönlichkeit oder einen anderen, letztlich ausschlaggebenden Vorfall abstellenden Beurteilung; daran anschließend zu § 8 WaffG etwa die Erkenntnisse vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0006, Zl. 99/20/0559 und Zl. 2000/20/0119, und insbesondere vom 22. November 2001, Zl. 99/20/0125).
§ 12 WaffG enthält keine vergleichbare Aufzählung von Verurteilungen, die jedenfalls ausreichend seien, um unabhängig von Einzelheiten der Tat die Verhängung eines Waffenverbotes zu rechtfertigen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist daraus nicht der Schluss zu ziehen, dass Verurteilungen als solche nicht ausreichen könnten, um schon auf Grund ihrer Zahl oder Schwere oder der Art des verwirklichten Deliktstypus als Tatsachen im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG die dort umschriebene Annahme zu begründen. Das Verhältnis der Voraussetzungen des Waffenverbotes zu denen der Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit schließt es aber jedenfalls aus, ein Waffenverbot auf Tatsachen zu stützen, die für die Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit nicht ausreichen würden (vgl. etwa schon das Erkenntnis vom 30. November 2000, Zl. 98/20/0425). In diesem Sinn kommt auch den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 bis 5 WaffG bei der Beurteilung der Voraussetzungen des Waffenverbotes eine gewisse - mittelbare - Bedeutung zu. Liegt eine Verurteilung vor, die nach dem Gesetz und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich genommen nicht ausreichen würde, um ohne Ableitung eines konkreten waffenrechtlichen Bezuges aus den Umständen der Tat die Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit zu begründen, so kann der bloße Hinweis auf diese Verurteilung umso weniger genügen, um darauf in rechtlich schlüssiger Weise die Verhängung eines Waffenverbotes zu stützen. Dies gilt - wie bei der Beurteilung der Verlässlichkeit - auch für die Verbindung eines solchen Hinweises mit allgemein gehaltenen Ausführungen über die Verwerflichkeit von Taten des der Verurteilung zugrunde liegenden Deliktstypus.
Im vorliegenden Fall fehlte der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des am 30. November 1990 begangenen Amtsmissbrauches, die nicht jedenfalls schon den Ausschluss seiner waffenrechtlichen Verlässlichkeit bedeutete, und der ihr zugrunde liegenden Tathandlung jeder waffenrechtliche Bezug. Die Verurteilung und das ihr zugrunde liegende Verhalten hatten auch nicht zur Folge, dass dem Beschwerdeführer der Waffenpass, über den er seit 1988 verfügte, entzogen wurde. Bei Bedachtnahme auf das Fehlen eines waffenrechtlichen Bezuges, die seither verstrichene Zeit und das zwischenweilige langjährige Wohlverhalten ist das 1990 begangene Delikt aber auch im Rahmen einer waffenrechtlichen Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit des Beschwerdeführers oder späterer Vorfälle nicht mehr von Bedeutung. Die neuerliche Verurteilung, die nun die Verhängung des Waffenverbotes zur Folge hatte, war in zweifacher Hinsicht ungeeignet, um für sich genommen die mangelnde Verlässlichkeit des Beschwerdeführers zu begründen. Sie betraf keines der nach § 8 Abs. 3 WaffG hiefür in Frage kommenden Delikte, und die sechs Monate nicht übersteigende Freiheitsstrafe wurde - was von den Verwaltungsbehörden allerdings außer Acht gelassen wurde - bedingt nachgesehen, sodass eine die Verlässlichkeit ausschließende Verurteilung gemäß § 8 Abs. 4 letzter Satz WaffG selbst dann nicht vorläge, wenn es sich im Sinne des § 8 Abs. 3 WaffG etwa um ein Gewaltdelikt gehandelt hätte. Bei dieser Sachlage hätte es im Hinblick auf die nunmehrigen Tathandlungen schon für die Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit des Beschwerdeführers - über die Ausführungen im angefochtenen Bescheid hinaus - des Abstellens auf einen konkreten waffenrechtlichen Bezug bedurft. Für die Verhängung eines Waffenverbotes gilt dies umso mehr.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 12. September 2002
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