VwGH 99/20/0559

VwGH99/20/055927.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des M in A, vertreten durch Mag. Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Burgfriedstraße 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 1. Oktober 1999, Zl. Wa-194/99, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

VwRallg;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs5;
VwRallg;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurde von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten im Juni 1997 eine Waffenbesitzkarte ausgestellt.

Am 14. Dezember 1998 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten eine Anzeige des Gendarmeriepostens Kematen an der Ybbs ein, der im Wesentlichen zu entnehmen war, der Beschwerdeführer sei am 8. Dezember 1998 mit einem Lkw von der Fahrbahn abgekommen und in weiterer Folge über die angrenzende Böschung in den Wald geraten. Er habe die Unfallstelle unmittelbar nach dem Unfall verlassen, ohne sich weiter um den beschädigten Lkw zu kümmern, und unter anderem zwei Jagdgewehre im ungesicherten und unversperrten Lkw zurückgelassen. Bei dem Fahrzeug, das von der Feuerwehr geborgen worden sei, seien mehrere Scheiben zerbrochen gewesen und es habe nicht versperrt werden können. Die Jagdwaffen seien ungesichert im Lkw gelegen, vom einschreitenden Gendarmeriebeamten in Verwahrung genommen und in der Folge an den Vater des Beschwerdeführers, der im Besitz einer Jagdkarte sei, zur Verwahrung ausgefolgt worden. Der Beschwerdeführer habe sich bei der Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden. Die Prüfung der Atemluft habe 0,92 mg/l Alkoholgehalt in der Atemluft ergeben.

Mit Schreiben vom 16. März 1999 verständigte die Bezirkshauptmannschaft Amstetten den Beschwerdeführer vom "Ergebnis der Beweisaufnahme". Dem Beschwerdeführer wurde in diesem Schreiben das Lenken des Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand am 8. Dezember 1998 vorgehalten. Im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung habe der Beschwerdeführer behauptet, er habe wegen seines Schocks und seiner körperlichen Schwäche, resultierend aus dem Verkehrsunfall und seinem Fußmarsch, sowie infolge seines Alkoholkonsums nach dem Unfall bei der anschließenden Durchführung des Alkotests vergessen, anzugeben, dass er nach dem Unfall den Inhalt seiner "Flachmannflasche" ausgetrunken habe. Die Waffenbehörde betrachte dies als unglaubwürdige Schutzbehauptung. Der Beschwerdeführer habe schon am 22. März 1994 ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht, was damals schon seine "vierte Alkoholisierung seit dem Jahre 1981" gewesen sei. Vor dem Unfall vom 8. Dezember 1998 sei dem Beschwerdeführer schon dreimal, nämlich in den Jahren 1986, 1987 und 1988, die Lenkerberechtigung entzogen worden. Bei diesem Sachverhalt erscheine der Beschwerdeführer aufgrund näher dargestellter Überlegungen trotz des Umstandes, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 Waffengesetz nicht erfüllt seien, nicht mehr als verlässlich im Sinne des § 8 WaffG.

Mit Bescheid vom 13. April 1999 entzog die Bezirkshauptmannschaft Amstetten dem Beschwerdeführer - mit im Wesentlichen gleich lautender Begründung - die Waffenbesitzkarte. Auf das Zurücklassen der Jagdwaffen im Unfallfahrzeug oder auch nur darauf, dass sich während der Fahrt Waffen in dem Fahrzeug befunden hätten, wurde weder in der Verständigung des Beschwerdeführers vom Ergebnis der Beweisaufnahme noch im erstinstanzlichen Bescheid Bezug genommen.

Der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 13. April 1999 gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Die belangte Behörde bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid zunächst aus den schon in diesem dargelegten Gründen, stützte ihre Entscheidung aber zusätzlich auch darauf, dass der Beschwerdeführer die zwei Jagdwaffen in dem ungesicherten und unversperrten Lkw zurückgelassen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der vorliegende Fall wirft im Wesentlichen die gleichen Rechtsfragen auf, mit denen sich der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0139, bezogen auf die Bedeutung des Lenkens von Kraftfahrzeugen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand für die waffenrechtliche Verlässlichkeit, ausführlich auseinander gesetzt hat (vgl. zu Verkehrsdelikten auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/20/0006). Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf die Rechtsausführungen in diesem Erkenntnis verwiesen, wobei hervorzuheben ist, dass die in der Beschwerde vertretene Auffassung, die waffenrechtliche Unverlässlichkeit könne bei teilweiser Nichterfüllung des Tatbestandes des § 8 Abs. 5 WaffG nicht auf § 8 Abs. 1 WaffG gestützt werden, ebenso wenig zutrifft wie die Ansicht, es bedürfe jedenfalls der Einholung eines Gutachtens eines Amtssachverständigen und besondere Leistungen des Betroffenen auf dem Gebiet des Jagd- und Schießwesens stünden seiner Beurteilung als unverlässlich entgegen.

Aus den Ausführungen in dem erwähnten Erkenntnis folgt für den vorliegenden Fall, dass die belangte Behörde ihren Bescheid zwar mit den Feststellungen über die Verkehrsdelikte des Beschwerdeführers noch nicht ausreichend begründen konnte, die Entscheidung auf dem Boden der insgesamt getroffenen Feststellungen aber schon deshalb der Rechtslage entspricht, weil das Mitführen von Schusswaffen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in der Regel ausreicht, um die Verlässlichkeit einer Person zu verneinen. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum geltenden Gesetz unterscheidet sich, wie dem schon mehrfach zitierten Erkenntnis zu entnehmen ist, in diesem Punkt von der in der Beschwerde zitierten Vorjudikatur zum WaffG 1986. Befanden sich die Waffen im Fahrzeug, so würde es zur Verneinung der Verlässlichkeit des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt seiner Verwahrungspflichten aber auch ausreichen, wenn er sich im Sinne seiner von der belangten Behörde als Schutzbehauptung eingestuften Verantwortung erst nach dem Unfall seiner "Flachmannflasche" zugewandt und die Waffen unbeaufsichtigt zurückgelassen hätte, statt sich um ihre Sicherung zu kümmern. In diesem Zusammenhang ist zur Klarstellung auch darauf hinzuweisen, dass unter "Waffen" im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG nicht nur Faustfeuerwaffen zu verstehen sind (vgl. dazu etwa Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996, Anm. 5 zu § 8 WaffG, m.w.N.).

Die Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde in Bezug auf die im Fahrzeug zurückgelassenen Waffen sind angesichts des Inhaltes der Anzeige auch nicht, wie der Beschwerdeführer meint, "aktenwidrig". Sie sind ihm im Verwaltungsverfahren allerdings nicht vorgehalten worden, sodass sich der Beschwerdeführer hiezu nicht verantworten konnte. Seine im Konjunktiv gehaltenen Bezugnahmen in der Beschwerde auf den seiner Ansicht nach aus den Akten "in keiner Weise" ableitbaren Vorwurf, dass er die Jagdwaffen im Fahrzeug "zurückgelassen hätte", reichen - gerade noch - aus, um anzunehmen, dass er dies bestreiten will.

Da - wie auch den Beschwerdeausführungen sinngemäß zu entnehmen ist - die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am 27. September 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte