Normen
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer, welcher im Bezug von Arbeitslosengeld stand, wurde seitens der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kirchdorf an der Krems eine Beschäftigung als Elektroinstallateur bei dem Unternehmen T mit Sitz in Linz angeboten.
In den Verwaltungsakten finden sich folgende, auf EDV-Basis erstellte Vermerke der erstinstanzlichen Behörde:
Vom 4. November 1999:
"Bewerbung T: Hr. A (der Beschwerdeführer) wollte nicht wirklich arbeiten; er gab an, dass er nur in seinem Wohnort eine Arbeit möchte. Könnte in Linz ab sofort zu arbeiten beginnen - hat abgelehnt, ist ihm zu weit (obwohl Linz mit Öffis sehr gut zu erreichen ist)."
Vom 10. November 1999:
"Hr. A hat heute wieder bei T angerufen und der Fa. gedroht - er werde mit ein paar Freunden vorbeikommen und 'aufräumen'. Dass er in Linz nicht arbeiten wolle, sage er (Hr. A), nur der Firma, und Hr. K (Fa. T) solle dies nicht dem AMS mitteilen. Hr. A hat übrigens das Stellenangebot für Linz erneut abgelehnt."
Vom 12. November 1999:
"Anruf v. A: interessiert ihn nicht, Fehler der Firma nun persönlich 'ausräumen' zu müssen."
Nach dem Inhalt eines vom Beschwerdeführer nicht unterfertigten Protokolles einer niederschriftlichen Einvernahme vom 19. November 1999 gab dieser gegenüber der erstinstanzlichen Behörde an, das Dienstverhältnis sei auf Grund des Verschuldens der Firma T nicht zu Stande gekommen. Diese habe den Beschwerdeführer ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Der Beschwerdeführer habe bei der Firma T mehrmals angerufen und die Behauptungen K's seien ihm unbekannt. Er habe seine Bewerbung fortgeführt und von der Firma T (von den Herren K und H) die Mitteilung erhalten, dass die Situation auf der Baustelle unklar sei und er momentan noch nicht arbeiten könne.
Nach dem Inhalt einer von ihm ebenfalls nicht unterfertigten Niederschrift betreffend seine Einvernahme vom 22. November 1999 gab der Beschwerdeführer an, er habe sich am 2. November 1999 um 10.00 Uhr bei der Firma T bei Herrn B ordnungsgemäß beworben. Am Beginn der Bewerbung habe er seinen "Coach" erwähnt, welcher ihm seinerseits versichert hatte, mit der Firma T in gutem Kontakt zu stehen und mit dieser bereits über den Beschwerdeführer gesprochen zu haben. Danach sei das Bewerbungsgespräch jedoch ungewöhnlich bis unfreundlich verlaufen. Dem Beschwerdeführer sei seine Langzeitarbeitslosigkeit als Elektriker im Zusammenhang mit dem behaupteten Umstand vorgeworfen worden, dass Leasingfirmen in Linz etwa 80 Stellen frei hätten. Man habe sich gewundert, dass der Beschwerdeführer das Problem der Anreise von seinem Heimatort W nach Linz erwähnt habe. Es sei jedoch erklärt worden, die Firma T hätte eine Baustelle in St. Pölten für den Beschwerdeführer. Man sei dahingehend verblieben, dass die Firma T den Beschwerdeführer verständigen werde, wenn er die Arbeit auf der Baustelle in St. Pölten antreten könne. In der Folge habe der Beschwerdeführer viermal bei der Firma T angerufen und um die Arbeitsaufnahme gebeten.
Zu seiner Überraschung habe dieses Unternehmen jedoch der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mitgeteilt, dass er die Anstellung abgelehnt habe. Der Beschwerdeführer habe daraufhin eine persönliche Aussprache bei der Firma T herbeiführen wollen. B, mit dem er bis dahin ausschließlich Kontakt gehabt habe, habe ihm gegenüber K als "Verursacher" angegeben. Der Beschwerdeführer habe daraufhin K zur Rede gestellt, welcher sich "immer mehr in Widersprüche verwickelt" habe.
Im Protokoll vom 22. November wurde als Stellungnahme des Dienstgebers Folgendes vermerkt:
"Herr A. wollte nicht arbeiten, gab an nur am Wohnort eine Beschäftigung zu suchen. Hätte in Linz ab 8.11.99 die Beschäftigung aufnehmen können. Am 10.11.99 hat A. der Firma gedroht, weil diese Mitteilung an das AMS weitergegeben wurde."
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kirchdorf an der Krems vom 29. November 1999 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG den Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 8. November 1999 bis 19. Dezember 1999 verloren habe. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die ihm zugewiesene zumutbare Beschäftigung bei der Firma T nicht angenommen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin wiederholte er im Wesentlichen seine niederschriftlichen Angaben.
Sodann hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 22. November 1999 aufscheinende Äußerung "der Firma T" vor.
In einer Stellungnahme zu diesem Vorhalt führte der Beschwerdeführer insbesondere aus, er habe das erste Bewerbungsgespräch mit B geführt. In diesem Zusammenhang habe er auch angesprochen, dass er kein Fahrzeug besitze und ein Arbeitsplatz in seiner näheren Umgebung, oder aber ein Quartier, bzw. eine Mitfahrgelegenheit günstig wäre. Das Gespräch habe damit geendet, dass B eine Einstellung auf einer Baustelle in St. Pölten in Aussicht gestellt habe. Einer sofortigen Einstellung habe B jedoch nicht zustimmen wollen. Er habe erklärt, er werde den Beschwerdeführer anrufen, sobald er wisse, wann es losgehe. Die Mitteilung der Einstellung sollte an den Beschwerdeführer per Telegramm erfolgen.
Stattdessen habe Herr C von der Firma T der erstinstanzlichen Behörde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer "benannte Dinge" getan hätte. In einem zweiten Gespräch habe der Beschwerdeführer versucht, das diesbezügliche Missverständnis auszuräumen. Das Gespräch habe jedoch das Ergebnis gehabt, dass der Beschwerdeführer massiv beschimpft und bedroht worden sei. Von einer Bewerbung habe die Firma T nichts mehr wissen wollen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitmarktservice Kirchdorf an der Krems vom 29. November 1999 ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer, der in Bezug von Arbeitslosengeld gestanden sei, sei am 27. Oktober 1999 seitens der erstinstanzlichen Behörde eine Beschäftigung als Elektroinstallateur bei der Firma T in Linz mit einer Entlohnung nach Vereinbarung und möglichem Arbeitsantritt am 8. November 1999 verbindlich angeboten worden.
Sodann schilderte die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen und gab die maßgeblichen Gesetzesstellen wieder.
In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, es stehe außer Streit, dass das dem Beschwerdeführer angebotene Beschäftigungsverhältnis nicht zu Stande gekommen sei. Der Beschwerdeführer habe eingewendet, die Firma T habe von sich aus und ohne Angabe von Gründen eine Einstellung ausgeschlossen.
Nach den Angaben "der Firma" hätte der Beschwerdeführer nicht arbeiten wollen und angegeben, nur an seinem Wohnort eine Beschäftigung zu suchen. Der Beschwerdeführer bestreite zwar, diese Angaben gemacht zu haben. Dies habe er in seiner Stellungnahme vom 19. Jänner 2000 dahingehend abgeschwächt, dass er erklärt habe, kein Fahrzeug zu besitzen und dass ein Arbeitsplatz in seiner näheren Umgebung, oder aber auch ein Quartier, bzw. eine Mitfahrgelegenheit für ihn günstiger wäre.
Die belangte Behörde sehe aber keinen Grund, den Angaben "der Firma T" keinen Glauben zu schenken, zumal beim Dienstgeber im Gegensatz zum Beschwerdeführer ein persönliches Interesse an einer unrichtigen Darstellung des Sachverhaltes jedenfalls nicht erblickt werden könne und ersterer auch keinerlei Interesse am Ausgang dieses Verfahrens habe. Der Beschwerdeführer habe die Firma T anlässlich seiner Vorstellung nicht davon überzeugen können, ein ernsthaftes Interesse an der gebotenen Beschäftigung zu haben. Dieser Eindruck erscheine der Berufungsbehörde im Hinblick auf die Schilderung zum Verlauf des Vorstellungsgespräches und dem sonstigen Verhalten des Beschwerdeführers durchaus verständlich. Die Berufungsbehörde sei in freier Würdigung der Beweis- und Sachlage zu der Auffassung gelangt, der Beschwerdeführer habe die Annahme einer vom Arbeitsmarktservice verbindlich angebotenen zumutbaren Beschäftigung verweigert bzw. vereitelt. § 10 Abs. 1 AlVG sanktioniere ein Verhalten, welches die Beendigung eines Zustandes des Unterhalts- und Vermittlungsbedarfes, sei es durch die Weigerung, eine von der regionalen Geschäftsstelle angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sei es durch die Vereitelung der Annahme einer solchen Beschäftigung, zu verhindern sucht. Die Versagung des Arbeitslosengeldes sei daher zu Recht erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf richtige Anwendung des § 10 AlVG verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 9 Abs. 1 AlVG gilt ein Arbeitsloser nur dann als arbeitswillig, wenn er u.a. bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des AMS vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert u.a. ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Die belangte Behörde ist vorliegendenfalls auf Grund ihrer Beweiswürdigung zur Feststellung gelangt, der Beschwerdeführer habe gegenüber der Firma T die Erklärung abgegeben, er suche nur an seinem Wohnort eine Beschäftigung. Bei der Firma T habe er nicht arbeiten wollen.
Die belangte Behörde folgt in diesem Zusammenhang den Angaben der "Firma T", zumal bei letzterer im Gegensatz zum Beschwerdeführer ein "persönliches Interesse" an einer unrichtigen Darstellung des Sachverhaltes ebenso wenig wie am Ausgang des Verfahrens bestehe.
Der Beschwerdeführer bestreitet die diesbezügliche Feststellung und bringt vor, seine Erklärungen seien seitens der Mitarbeiter der Firma T falsch ausgelegt worden.
Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Dieser Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Diese Regelung schließt keinesfalls eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind aber solche Erwägungen nur dann, wenn sie u.a. den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 1985, Zl. 83/08/0210).
Die belangte Behörde hat ihre oben wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen ausschließlich auf die Vermerke der erstinstanzlichen Behörde vom 4. und vom 10. November 1999 sowie auf den diesbezüglichen Vermerk im Protokoll vom 22. November 1999 gestützt. Diesen Vermerken ist nun aber nicht zu entnehmen, mit welchem Mitarbeiter der Firma T die erstinstanzliche Behörde Kontakt gepflogen hat und ob es sich dabei um denjenigen Mitarbeiter dieses Unternehmens gehandelt hat, gegenüber dem der Beschwerdeführer die festgestellte Äußerung, er wolle lediglich in seinem Heimatort, nicht jedoch bei der Fa. T, arbeiten, getätigt haben soll. Dem Fehlen diesbezüglicher Angaben in diesen Vermerken kommt vorliegendenfalls besondere Bedeutung zu, hat der Beschwerdeführer doch im Verwaltungsverfahren ausdrücklich behauptet, das erste Einstellungsgespräch mit B geführt zu haben, während die diesbezügliche Informationserteilung an die erstinstanzliche Behörde namens der Firma T durch K bzw. durch C erfolgt sei.
In dieser Verfahrenskonstellation hätte die belangte Behörde daher vor Würdigung der Angaben der "Firma T" (in den genannten Vermerken) abzuklären gehabt, ob die diesbezüglichen Informationen auch tatsächlich von jenen Personen herrühren, mit denen der Beschwerdeführer in Kontakt gestanden ist. Erst wenn eine konkrete Schilderung des Verlaufes der Gespräche mit dem Beschwerdeführer durch jene Angestellten der Firma T, die diese Gespräche auch tatsächlich geführt haben, vorgelegen wäre, hätte die belangte Behörde über ausreichende Grundlagen verfügt, um die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Darstellungen in freier Beweiswürdigung beurteilen zu können. Glaubwürdig können nämlich nur die Angaben von physischen Personen sein.
Da die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. März 2001
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