VwGH 2000/12/0201

VwGH2000/12/02014.7.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Bayjones und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der N in G, vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 18/II, als Sachwalter, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 21. Juli 1998, Zl. 4770.301051/1-III/15/98, betreffend Ruhestandsversetzung, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §14 Abs5 idF 1996/201;
VwRallg;
BDG 1979 §14 Abs5 idF 1996/201;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Professorin in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; ihre (letzte) Dienststelle war das Bundesgymnasium R.

Nach häufigen Absenzen der Beschwerdeführerin vom Unterricht in den Schuljahren 1996/97 und 1997/98 und Interventionen des Dienststellenleiters und des Schularztes bei der nachgeordneten Dienstbehörde wurde die Beschwerdeführerin einer "vertrauensärztlichen Untersuchung" unterzogen. Der damit befasste Amtsarzt erstattete über diese "Untersuchung" folgenden Bericht (an Stelle des Namens die Bezeichnung "Beschwerdeführerin"):

"Am 6.5.1998 war die Beschwerdeführerin im Amt zwecks einer amtsärztlichen Untersuchung mit Fragestellung Dienstfähigkeit. Die Beschwerdeführerin erschien pünktlich, war aber in dem kurzen Gespräch sehr auffällig. Sie sah keinen Grund für die Untersuchung und wurde sehr ausfällig. Sie sagte, es bestünde kein rechtlicher Grund für eine Untersuchung und nannte mich die untersuchende Ärztin eine 'Blutegelärztin' und bezeichnete mich als inkompetent.

Daraufhin erklärte ich der Beschwerdeführerin, dass sie unter diesen Bedingungen sich nicht untersuchen lassen müsste und betonte, dass sie gehen könne, was sie dann auch tat.

Diese kurze Unterredung zeigte mir, dass die Beschwerdeführerin in einem sehr kranken Zustand ins Amt gekommen ist. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin einer ihr fremden Person (mir dem Amtsarzt) an den Kopf sagte, dass hinter der Untersuchung der Umstand zu finden sei, dass ich nicht den Mann heiraten hätte können, den ich haben hätte wollen, lässt aus meiner Sicht darauf schließen, dass eindeutig Dienstunfähigkeit gegeben ist."

Mit Schreiben vom 30. Juni 1998 beantragte daraufhin die nachgeordnete Dienstbehörde bei der belangten Behörde die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin mit Ablauf des 31. August 1998, weil die Beschwerdeführerin bereits seit längerer Zeit infolge ihrer geistigen Verfassung ihre dienstlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen könne. Die ihr eingeräumte Möglichkeit zur Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens habe sie nicht wahrgenommen. Offensichtlich sehe sie in ihrer auf ihren psychischen Zustand zurückzuführenden Uneinsichtigkeit wieder keinen Grund für eine ärztliche Untersuchung. "Aus dem sich ergebenden Gesamtbild" sei unzweifelhaft, dass eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliege.

Ohne erkennbare weitere Verfahrensschritte erging der angefochtene Bescheid mit folgendem Spruch:

"Gemäß § 14 Absatz 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/1979, in der geltenden Fassung, werden Sie mit Ablauf des 31. August 1998 in den Ruhestand versetzt.

Wegen der Bemessung und Anweisung des Ruhegenusses wird unter einem durch den Landesschulrat für Steiermark das Erforderliche veranlasst."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BDG 1979 und des vorher bereits dargestellten Verfahrensablaufes im Wesentlichen weiter ausgeführt, die nachgeordnete Dienstbehörde habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Mai 1998 über den Inhalt der "amtsärztlichen Untersuchung" vom 6. Mai 1998 in Kenntnis gesetzt und sie darauf hingewiesen, dass auf Grund ihres bisherigen Verhaltens ihre volle Dienstfähigkeit eindeutig nicht gegeben sei. Dieses Schreiben sei der Beschwerdeführerin in der Direktion ausgehändigt worden, sie habe sich aber geweigert die Ausfolgung zu bestätigen.

Daran knüpft nach der Begründung des angefochtenen Bescheides folgende Schlussfolgerung:

"Da Sie auf grund dieser Ausführungen sohin nicht in der Lage sind, auf Dauer einen sowohl qualitativ einwandfreien als auch einen quantitativ dem normalen Ausmaß der Lehrverpflichtung entsprechenden Unterricht halten zu können, ist Ihre dauernde Dienstunfähigkeit erwiesen.

Es erhebt sich sohin die Frage, ob Ihnen im Wirkungsbereich Ihrer Dienstbehörde ein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann. Geht man von dem eingeholten amtsärztlichen Gutachten vom 6. Mai 1998 aus, so bedeutet dies, dass Sie jedoch zu keinen Tätigkeiten, sei es im Unterrichtsbereich als auch im Verwaltungsbereich, herangezogen werden können.

Es war daher Ihre Ruhestandsversetzung von Amts wegen zu verfügen."

Wie den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens zu entnehmen ist, wurde dieser Bescheid von der belangten Behörde der nachgeordneten Dienstbehörde zur gefälligen Kenntnisnahme und "nachweislichen Ausfolgung" übermittelt.

Mit Begleitschreiben vom 30. Juni 1998 sandte diese den angefochtenen Bescheid mit RSa-Brief an die Privatadresse der Beschwerdeführerin.

Nach erfolglosen Zustellversuchen wurde diese Sendung mit 6. August 1998 beim Zustellpostamt hinterlegt, aber mangels Behebung am 24. August 1998 der nachgeordneten Dienstbehörde rückgemittelt.

Mit Schreiben vom 27. August 1998 teilte die nachgeordnete Dienstbehörde der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die seinerzeit erfolgte "Hinterlegung" mit, dass ihr Ruhestandsversetzungsbescheid an ihrer Dienststelle "zur persönlichen Abholung" bereit sei.

Ohne Bezug auf den vorher dargestellten Verfahrensablauf wurde dann mit Bescheid des Bundespensionsamtes vom 10. September 1998 festgestellt, dass der Beschwerdeführerin ab 1. September 1998 ein betraglich festgesetzter Ruhegenuss gebühre.

Das nächste bei den Verwaltungsakten der Dienstbehörde erster Instanz dokumentierte Schriftstück ist eine an das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen, Graz, gerichtete Erledigung vom 13. April 1999, in der dem genannten Bezirksgericht (im Zusammenhang mit der laufenden Sachwalterbestellung für die Beschwerdeführerin) mitgeteilt wurde, dass der Bescheid der belangten Behörde betreffend die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin (sinngemäß) von ihr noch nicht bei der Direktion ihrer Dienststelle in Empfang genommen worden sei und dass bisher "sämtliche Zustellversuche erfolglos" gewesen seien.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2000 wandte sich der als Sachwalter für die Beschwerdeführerin einschreitende Rechtsanwalt an die belangte Behörde, legte den Beschluss über seine Bestellung vom 10. Februar 2000 vor, nach dem er für die Beschwerdeführerin die Vertretung vor Ämtern und Behörden, insbesondere im Zusammenhang mit ihrer Pensionierung zu besorgen habe, und begehrte unter Hinweis auf die bereits "im Zeitpunkt der Zustellung des Pensionsbescheides" nicht mehr gegebene Geschäftsfähigkeit der Beschwerdeführerin die Zustellung des angefochtenen Bescheides.

Gegen den ihm daraufhin am 5. Juni 2000 zugestellten angefochtenen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde enthält folgende Beschwerdepunkte:

"Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die rechtswidrige Anwendung des § 14 Absatz 1 BDG 1979 verletzt.

Der Bescheid wird wegen seinem gesamten Inhalte nach angefochten und zwar wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften"

In der Begründung der Beschwerde wird im Wesentlichen das durchgeführte Ermittlungsverfahren als unvollständig und mangelhaft bezeichnet. Der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil der Beschwerdeführerin niemals mitgeteilt worden sei, dass die Verweigerung einer Untersuchung zur Beurteilung einer "eindeutigen Dienstunfähigkeit" führe. Weiters sei entgegen § 14 Abs. 4 BDG 1979 weder ein geeignetes medizinisches Gutachten noch ein berufskundliches Gutachten beigeschafft worden.

Nach § 14 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung des Art. I Z. 2 der Novelle BGBl. Nr. 820/1995, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

Nach Abs. 3 der genannten Bestimmung (Stammfassung) ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Mit Art. I Z. 1 der 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 123, wurde dem § 14 BDG 1979 mit Wirkung ab 1. September 1998 folgender Abs. 4 eingefügt:

"(4) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 3 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist vom Bundespensionamt - ausgenommen für die der Post- und Telekom Austria Aktiengesellschaft zugewiesenen Beamten - Befund und Gutachten zu erstatten."

Nach Abs. 5 des § 14 BDG 1979, dieser Absatz in der Fassung des Art. I Z. 1 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, mit Wirkung ab 1. Mai 1996, wird die Versetzung in den Ruhestand mit dem Ablauf des Monates, in dem der Bescheid rechtskräftig wird, oder mit Ablauf des darin festgesetzten späteren Monatsletzten wirksam.

Bei der im Beschwerdefall zu beurteilenden Versetzung in den Ruhestand einer Bundeslehrerin wegen Dienstunfähigkeit handelt es sich um keine im § 1 Abs. 1 Z. 1 ff DVV 1981, BGBl. Nr. 162, - soweit für den Beschwerdefall wesentlich - in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 540/1995, an nachgeordnete Dienstbehörden übertragene Dienstrechtsangelegenheit. Die belangte Behörde hat daher als oberste Dienstbehörde in erster und letzter Instanz entschieden. Der angefochtene Bescheid über die Versetzung der Beschwerdeführerin in den Ruhestand ist daher mit seiner Zustellung rechtskräftig.

Die belangte Behörde hat auf Grund des mit der Geschäftsunfähigkeit der Beschwerdeführerin begründeten Begehrens ihres Sachwalters vom 9. Mai 2000 diesem den angefochtenen Bescheid am 5. Juni 2000 zugestellt. Unter Bezug auf dieses Zustelldatum wurde innerhalb offener Frist die Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG erhoben. In der von der belangten Behörde dazu erstatteten Gegenschrift wurde weder vorgebracht, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin bereits durch Hinterlegung vor dem 1. September 1998 erfolgt sei, noch, dass die Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG vom Verwaltungsgerichtshof zurückzuweisen wäre.

Demnach hat der Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung des Sachwalters hinsichtlich der Geschäftsunfähigkeit der Beschwerdeführerin und geht demnach ebenfalls davon aus, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides rechtswirksam erst an den Sachwalter der Beschwerdeführerin mit 5. Juni 2000 erfolgt ist.

Unter Bezug auf die frühere, mit der geltenden Rechtslage aber diesbezüglich vergleichbaren Fassung des § 14 Abs. 5 BDG 1979 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinen Erkenntnissen vom 22. Mai 1989, Slg. N.F. Nr. 12925/A, vom 18. September 1992, Zl. 91/12/0167, und vom 26. Mai 1993, Zl. 92/12/0145, dargelegt, dass die Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand von der Rechtskraft des Bescheides abhängt, mit dem sie ausgesprochen wird. Wenn die oberste Dienstbehörde über die Versetzung in den Ruhestand entschieden hat, wird diese (erst) mit der Zustellung des Bescheides wirksam.

Im Beschwerdefall ist der angefochtene Bescheid, mit dem die Beschwerdeführerin mit Ablauf des 31. August 1998 in den Ruhestand versetzt worden ist, erst am 5. Juni 2000- also nach dem im Spruch angegebenen Termin der Ruhestandsversetzung - rechtswirksam zugestellt und damit erlassen worden.

Da die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin - wie vorher ausgeführt - nicht hätte rückwirkend ausgesprochen werden dürfen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit zu beheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Zu bemerken ist, dass bei der Sachlage im Beschwerdefall die Beurteilung der Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin von der Beantwortung von Fragen abhängig ist, die in das Gebiet des ärztlichen Fachwissens fallen. Es ist daher die nach § 14 Abs. 4 BDG 1979 ab 1. September 1998 vorgeschriebene Vorgangsweise (Befassung des Bundespensionsamtes) von der belangten Behörde einzuhalten.

Im Übrigen gibt auch das vorliegende Verfahren Anlass zur Bemerkung, dass der angefochtene Bescheid entgegen der Verpflichtung nach § 59 Abs. 1 des nach § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG keine ausreichende Zitierung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen enthält. Der Hinweis auf die angewendeten gesetzlichen Bestimmungen "in der geltenden Fassung" genügt nicht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 2000, Zl. 98/12/0111, vom 21. Feber 2001, Zl. 98/12/0415, oder vom 2. Mai 2001, Zl. 99/12/0223).

Wien, am 4. Juli 2001

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