Normen
SHG Wr 1973 §10 Abs1;
SHG Wr 1973 §13 Abs5;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
SHG Wr 1973 §10 Abs1;
SHG Wr 1973 §13 Abs5;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 30. Dezember 1999 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag der Beschwerdeführerin vom 16. Dezember 1999 auf Zuerkennung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß den §§ 8, 12 und 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG) und den §§ 1, 4 und 5 der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe (Richtsatzverordnung) ab. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe laut Kontoauszug der Bausparkasse am 23. September 1999 ein Guthaben von S 52.661,62 ausbezahlt erhalten. Es könne daher ein ausreichendes Einkommen bis 1. Juli 2000 vorausgesetzt werden.
In der dagegen (von der Sachwalterin der Beschwerdeführerin) erhobenen Berufung wurde vorgebracht, die Sachwalterbestellung sei infolge eines von der Beschwerdeführerin erhobenen Rekurses erst am 22. November 1999 wirksam geworden. Zum Zeitpunkt der Auszahlung des Guthabens am 23. September 1999 sei daher die Sachwalterbestellung noch nicht wirksam gewesen. Die Beschwerdeführerin habe das Geld selbstständig in Verwahrung genommen und es (laut ihren Aussagen) dafür verwendet, Schulden, die sie seinerzeit gemacht habe, als sie zeitweise vom Sozialamt kein Geld bekommen habe, zurückzuzahlen. Die Beschwerdeführerin habe außerdem nur S 47.747,62 erhalten, weil ein Betrag von S 4.914,-- an den Verlassenschaftsnotar Dr. H. bezahlt worden sei. Da das Geld für Schuldenzahlung verwendet worden sei, habe die Beschwerdeführerin keine Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien Schulden kein von der Sozialhilfe zu deckender Bedarf. Der Betrag von S 47.747,62 müsse als verwertbares Vermögen angesehen werden. Der Einwand, der Betrag sei zur Deckung von Schulden verwendet worden, sei insofern unbeachtlich, als Schulden keinen Sozialhilfebedarf begründen könnten. Der Betrag hätte daher zur Deckung des Lebensbedarfes eingesetzt werden müssen. Dieses Gebot könne nicht dadurch umgangen werden, dass Verbindlichkeiten beglichen würden und danach ein Sozialhilfebedarf geltend gemacht werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die für den Beschwerdefall maßgebenden Vorschriften des WSHG
lauten wie folgt:
"Anspruch
§ 8. (1) Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
...
Einsatz der eigenen Mittel
§ 10. (1) Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen der Hilfe Suchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.
...
Geldleistungen
§ 13...
(5) Der Richtsatz kann im Einzelfall unterschritten und auf das zum Lebensunterhalt unerlässliche Maß beschränkt werden, wenn der Hilfe Suchende trotz Ermahnung mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln nicht zweckmäßig umgeht....
...
Ersatz durch den Empfänger der Hilfe und
seine Erben
§ 26. (1) Der Empfänger der Hilfe ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet,
1. soweit er über hinreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt oder hiezu gelangt, oder
2. wenn er innerhalb der letzten drei Jahre vor der Zeit der Hilfeleistung, weiters während der Hilfeleistung oder innerhalb von drei Jahren nach ihrer Beendigung durch Rechtshandlungen oder diesbezüglich wirksame Unterlassungen, wie etwa die Unterlassung des Antrittes einer Erbschaft, die Mittellosigkeit selbst verursacht hat.
Der Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch
der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde.
..."
Die belangte Behörde beruft sich in der Begründung ihres Bescheides auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Schulden keinen von der Sozialhilfe abzudeckenden Bedarf begründen, und leitet daraus ab, der Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe den ihr zugekommenen Betrag von S 47.747,62 zur Zahlung von Schulden verwendet, sei unbeachtlich, weil das Vermögen zur Deckung des Lebensbedarfes hätte eingesetzt werden müssen.
Diese Rechtsansicht ist verfehlt. Entscheidend für die Berechtigung des von der Beschwerdeführerin gestellten Anspruches ist, ob sich die Beschwerdeführerin in der Zeit von der Antragstellung (16. Dezember 1999) bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides in einer aktuellen Notlage befunden hat, nicht aber, ob die Beschwerdeführerin ihre Notlage in dieser Zeit allenfalls dadurch schuldhaft herbeigeführt hat, dass sie die aus der Verlassenschaft nach ihrem Vater ihr zugeflossenen Mittel (aus einem Bausparvertrag) zur Zahlung von Schulden und nicht zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes für die auf das Zufließen der Mittel folgenden Monate verwendet hat. Das WSHG enthält keine Bestimmung, die eine Berücksichtigung des Verschuldens des Hilfe Suchenden an seiner Notlage im Wege der Leistungskürzung schlechthin zulässt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 2000/11/0015). Die Voraussetzungen für die Richtsatzunterschreitung nach § 13 Abs. 5 erster Satz WSHG sind schon mangels der in dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Ermahnung im Beschwerdefall nicht erfüllt.
§ 26 Abs. 1 WSHG, dessen Inhalt in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar wiedergegeben, auf den die Behörde aber ihre Auffassung nicht gestützt hat, bildet keine taugliche Grundlage für den angefochtenen Bescheid, weil es im Beschwerdefall um die Gewährung von Sozialhilfe, nicht aber um einen Ersatzanspruch nach der genannten Gesetzesstelle geht.
Die Behörde hätte demnach die Behauptung der Beschwerdeführerin, mit dem ihr zugeflossenen Betrag von S 47.747,62 Schulden getilgt zu haben, nicht als unbeachtlich abtun dürfen, sondern hätte darüber ein Ermittlungsverfahren durchführen müssen, in dessen Rahmen die Beschwerdeführerin eine erhöhte Mitwirkungspflicht in Ansehung der Entstehung der behaupteten Schulden dem Grunde und der Höhe nach und deren Begleichung trifft. Die Behörde muss sich in diesem Zusammenhang nicht mit den von der Beschwerdeführerin mit der Berufung vorgelegten Bestätigungen vom 2. und 10. Jänner 2000 zufrieden geben, die Monate nach der behaupteten Zahlung ausgestellt wurden, von Personen stammen, deren Identität aus den Bestätigungen nicht hervorgeht, und keinen konkreten Grund für die behaupteten Darlehensgewährungen sowie die dabei errichteten Urkunden und getroffenen Vereinbarungen erkennen lassen.
Die belangte Behörde hat es - ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht - unterlassen, für die Entscheidung wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. Juni 2001
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