VwGH 2000/11/0157

VwGH2000/11/015720.2.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in H, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 12. April 2000, Zl. 5/04- 14/1506/4-2000, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer begleitenden Maßnahme sowie der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §26 Abs2;
FSG 1997 §26 Abs8;
FSG 1997 §27 Abs1 Z1;
FSG 1997 §29 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs8 Z2 idF 1998/I/092;
B-VG Art7 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §26 Abs2;
FSG 1997 §26 Abs8;
FSG 1997 §27 Abs1 Z1;
FSG 1997 §29 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs8 Z2 idF 1998/I/092;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Inhalt der Anzeige des Gendarmeriepostens Neumarkt am Wallersee vom 10. Mai 1999 verweigerte der Beschwerdeführer am 7. Mai 1999 die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt. Der Führerschein wurde ihm bei dieser Gelegenheit vorläufig abgenommen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 14. September 1999 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 und § 26 Abs. 2 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A, B und F für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines entzogen. Weiters wurde gemäß § 26 Abs. 8 FSG die Nachschulung für alkoholauffällige Lenker und die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens angeordnet. Für die Befolgung dieser Anordnung wurde eine Frist von 4 Monaten bestimmt. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In der dagegen erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer den Standpunkt, die Erstbehörde hätte nach dem Wiedereintritt der Verkehrszuverlässigkeit den Entziehungsbescheid nicht mehr erlassen dürfen. Nach dem Inhalt des Entziehungsbescheides sei er ab 8. September 1999 wieder verkehrszuverlässig gewesen, sodass sich auch die Anordnung der Nachschulung und der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens als verfehlt erweise.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides wird im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei auf Grund der Verweigerung der Atemluftuntersuchung rechtskräftig wegen der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 bestraft worden. Im vorliegenden Fall seien die Bestimmungen des § 26 Abs. 2 und 8 FSG anzuwenden. Da der Führerschein vorläufig abgenommen worden sei, sei die Entziehungsdauer gemäß § 29 Abs. 4 FSG ab dem Tag der vorläufigen Abnahme zu berechnen gewesen. Gemäß § 26 Abs. 8 FSG sei die Anordnung der Nachschulung und der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens bei einer Entziehung nach § 26 Abs. 2 leg. cit. zwingend. Aus der im § 26 Abs. 8 FSG verwendeten Formulierung "Bei der Entziehung ..." könne im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden, dass in Fällen wie dem vorliegenden die Anordnung gemäß § 26 Abs. 8 leg. cit. zu entfallen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Der Beschwerdeführer hat eine schriftliche Äußerung im Sinne

des § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid auch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben hat. Dieser hat mit Beschluss vom 4. Oktober 2000, B 890/00-7, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und begründend unter anderem ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 8 StVO 1960

i. d.F. BGBl. I Nr. 92/1998 vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erscheinen lasse, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Für die Beurteilung des Beschwerdefalles sind folgende

Bestimmungen des FSG von Bedeutung:

"Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

...

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. ...

(2)Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.

...

(8) Bei der Entziehung nach Abs. 1 Z. 3 oder Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8.

...

Besondere Verfahrensbestimmungen für die Entziehung

§ 29. ...

(4) Wurde der Führerschein gemäß § 39 vorläufig abgenommen und nicht wieder ausgefolgt, so ist die Entziehungsdauer ab dem Tag der vorläufigen Abnahme zu berechnen."

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil der erstinstanzliche Entziehungsbescheid erst nach Ablauf der (vom 7. Mai 1999 bis 7. September 1999 währenden) Entziehungsdauer erlassen worden sei. Die Bestätigung einer in der Vergangenheit liegenden Entziehungszeit durch die Erstbehörde sei rechtswidrig.

Diesen Ausführungen ist entgegen zu halten, dass im § 26 FSG für verschiedene Fälle fixe Entziehungszeiten bzw. Mindestentziehungszeiten festgesetzt sind, sodass es in diesen Fällen regelmäßig nicht möglich ist, auf Grund der Ergebnisse einer Wertung von der Entziehung der Lenkberechtigung abzusehen. In allen diesen Fällen kann es im Falle der vorläufigen Abnahme des Führerscheines auf Grund der Bestimmung des § 29 Abs. 4 FSG dazu kommen, dass die Entziehungsdauer im Zeitpunkt des Ausspruches der Entziehung durch die Erstbehörde bereits abgelaufen ist, ohne dass deshalb die Entziehung rechtswidrig wäre.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers ist auch die Anordnung der Nachschulung nicht rechtswidrig. Nach § 26 Abs.8 FSG ist die Anordnung von begleitenden Maßnahmen u.a. bei der - im Beschwerdefall gegebenen - Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 2 FSG zwingend vorgesehen. Die Nichtbefolgung einer solchen Anordnung hat gemäß § 25 Abs. 3 zweiter Satz FSG zur Folge, dass die Entziehungsdauer nicht endet, d. h. dass der Betreffende, solange er die Anordnung der Nachschulung nicht befolgt, nicht in den Besitz der Lenkberechtigung gelangt. Dies gilt auch für jene Fälle, in denen trotz gleichzeitigen Ausspruches der Entziehung und der Anordnung die Befolgung der Anordnung innerhalb des festgesetzten Zeitraums, für den die Lenkberechtigung entzogen wird, nicht möglich ist, sodass in solchen Fällen die im Bescheid festgesetzte Entziehungszeit für das Ende der Entziehungsdauer keine praktische Bedeutung hat. Es liegt also im Interesse des Betreffenden, die Anordnung der Nachschulung möglichst rasch zu befolgen. Wenn die belangte Behörde dennoch - möglicherweise in Anlehnung an die Regelung über die Nachschulung bei Probeführerscheinbesitzern (§ 4 Abs. 8 FSG) - eine Frist von vier Monaten für die Befolgung der Anordnung gesetzt hat, war dies zwar verfehlt, doch wurden Rechte des Beschwerdeführers dadurch nicht verletzt.

Das vom Beschwerdeführer in seiner Äußerung vom 13. November 2000 zitierte hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 98/11/0137, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. In jenem Beschwerdefall ging es darum, ob die Anordnung der begleitenden Maßnahme auch nach der Erlassung des Entziehungsbescheides verfügt werden darf und in welchem zeitlichen Abstand nach dem Entziehungsbescheid eine solche Anordnung noch zulässig ist. Die in dem zitierten Erkenntnis enthaltenen Erwägungen kommen im vorliegenden Beschwerdefall nicht zum Tragen, weil die Anordnung der Nachschulung zugleich mit dem Ausspruch der Entziehung der Lenkberechtigung verfügt wurde.

Zur Klarstellung, insbesondere hinsichtlich der Folge des § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG, sei darauf hingewiesen, dass als Entziehungsdauer im Sinne dieser Gesetzesstelle nur die (allenfalls zur Gänze in der Vergangenheit gelegene) festgesetzte Entziehungszeit und die Zeit zwischen der Erlassung des die Nachschulungsanordnung enthaltenden Entziehungsbescheides bis zur Befolgung der Anordnung, nicht aber Zeiten, in denen der Betreffende bloß wegen der vorläufigen Abnahme des Führerscheines keine Kraftfahrzeuge lenken durfte, angesehen werden können.

Die Anordnung der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens ist im § 26 Abs. 8 FSG für die dort genannten Entziehungsfälle zwingend vorgesehen, sodass sich auch der diesbezügliche Ausspruch der belangten Behöre als rechtmäßig erweist. Die Nichtbefolgung dieser Anordnung hat zur Folge, dass die Führerscheinbehörde die Wiederausfolgung des Führerscheines gemäß § 28 Abs. 2 Z. 2 FSG verweigern kann - im vorliegenden Fall kommt diese Rechtsfolge nicht mehr zum Tragen, weil die Erstbehörde den Führerschein bereits ausgefolgt hat -, außerdem hat bei Nichtbefolgung dieser Anordnung innerhalb von vier Monaten ab Rechtskraft der Anordnung die Führerscheinbehörde die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 5 FSG bis zur Beibringung des Gutachtens zu entziehen.

Soweit der Beschwerdeführer sich dagegen wendet, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid auch den erstinstanzlichen Ausspruch gemäß § 64 Abs. 2 AVG bestätigt habe, ist festzuhalten, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid in der Sache abschließend entschieden hat, indem sie den erstinstanzlichen Bescheid insgesamt bestätigt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass durch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Bestätigung des Abspruches gemäß § 64 Abs. 2 AVG Rechte des Beschwerdeführers verletzt wären (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0145, m.w.N.).

Sofern der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, er habe in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, weil eine "Verordnung nach § 4 Abs. 9 und § 36 FSG" durch den zuständigen Bundesminister noch nicht erlassen worden sei, auch die (einfachgesetzliche) Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend zu machen beabsichtigt, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das (im Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes zitierte) hg. Erkenntnis vom 11. April 2000, Zl. 99/11/0338, hinzuweisen. Demnach gilt für Fälle wie den vorliegenden weiterhin § 29b KDV 1967 über die besondere Nachschulung (Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker). Soweit mit dem in der Äußerung des Beschwerdeführers vom 13. November 2000 enthaltenen Hinweis, es gebe im FSG eine Verordnungsermächtigung nur betreffend Nachschulungen von Probeführerscheinbesitzern (§ 4 Abs. 9 FSG) die Richtigkeit der dem zitierten Erkenntnis zu Grunde liegenden Rechtsansicht bekämpft werden soll, ist festzuhalten, dass schon Art. 18 Abs. 2 B-VG die Verwaltungsbehörden zur Erlassung von Durchführungsverordnungen ermächtigt, sodass es einer weiteren einfachgesetzlichen Ermächtigung hiezu nicht bedarf (siehe dazu Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 (2000), Rz 598, und die dort unter Fußnote 127 zitierte Rechtsprechung).

Die vom Beschwerdeführer geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 5 Abs. 8 Z. 2 StVO 1960

i. d.F. BGBl. I Nr. 92/1998 teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht, weil es nicht als unsachlich angesehen werden kann, wenn der Gesetzgeber (nur) eine Regelung zur Widerlegung des Ergebnisses einer Atemluftuntersuchung vorgesehen hat, nicht aber auch jene Fälle erfasst hat, in denen die Atemluftuntersuchung verweigert wurde, zumal die Alkoholbeeinträchtigung kein Tatbestandsmerkmal der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher schon deshalb zu der vom Beschwerdeführer angeregten Antragstellung gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG nicht veranlasst, sodass nicht weiter geprüft zu werden brauchte, ob angesichts der rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers § 5 Abs. 8 Z. 2 StVO 1960 in der zitierten Fassung vom Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdeverfahren überhaupt anzuwenden war. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit im Zusammenhang mit der Verweigerung der Atemluftuntersuchung im Rahmen der Wertung ein positiver Nachweis, nicht durch Alkohol beeinträchtigt gewesen zu sein, zu Gunsten des Betreffenden zu berücksichtigen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0075, m.w.N.).

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz (für die Aktenvorlage) entfällt, weil die (obsiegende) belangte Behörde keinen diesbezüglichen Antrag gestellt hat.

Wien, am 20. Februar 2001

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