Normen
AVG §63 Abs2;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG-GV 1997 §13 Abs1;
AVG §63 Abs2;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG-GV 1997 §13 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalls wird auf das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 98/11/0160, hingewiesen. Mit diesem wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 27. April 1998, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 FSG abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Maßgebend dafür war, dass ihr Antrag auf der Grundlage eines von der Erstbehörde eingeholten Gutachtens eines Amtsarztes vom 4. März 1998 abgewiesen wurde, ihr jedoch im Verfahren keine Gelegenheit gegeben worden war, dazu Stellung zu nehmen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. März 2000 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG - erneut - abgewiesen. In der Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, im fortgesetzten Verfahren sei versucht worden, ein amtsärztliches Gutachten unter Einbeziehung einer entsprechenden fachärztlichen Stellungnahme einzuholen, laut Schreiben der Universitätsklinik für Psychiatrie vom 20. Jänner 2000 sei jedoch die Beschwerdeführerin auch nach zweimaliger Terminvergabe (erster Termin am 22. November 1999, zweiter Termin am 19. Jänner 2000) nicht erschienen. Es habe daher kein Gutachten erstellt werden können. Erst im März 2000 habe die Beschwerdeführerin behauptet, die Ladung für den erstgenannten Termin sei ihr wegen "Übersiedlungsturbulenzen" von ihrem Landhaus nach Wien abhanden gekommen und sie habe dann darauf vergessen, und für den zweiten Termin habe sie sich telefonisch wegen Grippe entschuldigt; dieses Vorbringen ändere jedoch nichts daran, dass gemäß § 8 Abs. 2 zweiter Halbsatz FSG der Antragsteller die Verpflichtung habe, durch Vorlage der erforderlichen Befunde oder Stellungnahmen an der Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens mitzuwirken und die Beschwerdeführerin dafür ausreichend Zeit gehabt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG lauten wie folgt:
"Allgemeine Voraussetzungen
für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen."
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV haben folgenden Wortlaut:
"Allgemeine Bestimmungen über die
gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen
§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
...
Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 FSG vorzulegen.
...
(3) Ergibt sich aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, so ist gegebenenfalls die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen. Diese Stellungnahmen sind bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen und im Gutachten in geeigneter Weise zu bewerten, wobei die zusätzlichen Risiken und Gefahren, die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 verbunden sind, besonders zu berücksichtigen sind.
...
Psychische Krankheiten und Behinderungen
§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.
(2) Personen, bei denen
1. eine angeborene oder infolge von Krankheiten, Verletzungen oder neurochirurgischen Eingriffen erworbene schwere psychische Störung,
- 2. eine erhebliche geistige Behinderung,
- 3. ein schwerwiegender pathologischer Alterungsprozess oder
- 4. eine schwere persönlichkeitsbedingte Störung des Urteilsvermögens, des Verhaltens und der Anpassung
besteht, darf eine Lenkberechtigung nur dann erteilt oder belassen werden, wenn das ärztliche Gutachten auf Grund einer psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme, in der die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt werden, die Eignung bestätigt."
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens die Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme bzw. Untersuchung durch die Universitätsklinik für Psychiatrie erforderlich ist, wendet aber ein, dass sie den ersten Termin (am 22. November 1999) auf Grund ihres Wohnungswechsels vom Burgenland nach Wien vergessen habe und zum zweiten Termin (am 19. Jänner 2000) an Grippe erkrankt gewesen sei, wofür sie sich entschuldigt und gebeten habe, eine Ladung zum Untersuchungstermin zu Handen der Rechtsvertreterin ergehen zu lassen. Die belangte Behörde habe es jedoch unterlassen, Gelegenheit zu einem weiteren Untersuchungstermin zu geben, weshalb das Verfahren mangelhaft geblieben sei.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.
Nach der oben wiedergegebenen Rechtslage hat der um eine Lenkberechtigung Ansuchende eine psychiatrische Stellungnahme beizubringen, wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde (§ 13 Abs. 1 FSG-GV; siehe auch § 8 Abs. 2 FSG). Die Behörde durfte im Hinblick auf den bekannten Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, welcher Grundlage für die seinerzeitige Entziehung der Lenkberechtigung war, davon ausgehen, dass der Verdacht einer psychischen Erkrankung im Sinn des § 13 Abs. 1 zweiter Satz FSG-GV besteht. Die Aufforderung zur Beibringung der zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde bzw. Stellungnahmen hatte im Wege einer Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG zu ergehen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 2001, Zl. 2000/11/0254, und - zur diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage des KFG 1967 - vom 20. November 1981, SlgNF. Nr. 10.598/A, sowie vom 21. März 1995, Zl. 95/11/0054). Auf Grund dieser Rechtslage war somit die belangte Behörde verhalten, die Beschwerdeführerin mittels Verfahrensanordnung unter Setzung einer entsprechenden Frist zur Beibringung einer (psychiatrischen) fachärztlichen Stellungnahme aufzufordern.
Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 8. Juli 1999 den "ergänzten Akteninhalt" - wobei nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten zwischen dem eingangs erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1999 und diesem Schreiben keine weiteren Ermittlungen erfolgten - zur Kenntnis gebracht und sie zur Stellungnahme binnen 2 Wochen aufgefordert. Hierauf teilte die Beschwerdevertreterin der belangten Behörde am 22. Juli 1999 - wie aus einem Aktenvermerk von diesem Tag hervorgeht - mit, dass sie die Beschwerdeführerin (weiterhin) vertrete und um Fristverlängerung bis Ende August ersuche. Eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin langte bis zum 7. September 1999 bei der belangten Behörde nicht ein, worauf diese mit Schreiben vom selben Tag den Amtsarzt (MA 15) unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1999 ersuchte, unter Einholung einer entsprechenden fachärztlichen Stellungnahme die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B zu beurteilen. Eine Verfahrensanordnung der belangten Behörde im Sinn der oben dargestellten Rechtslage, die fachärztliche Stellungnahme beizubringen, ist nicht aktenkundig.
Die belangte Behörde hat auch übersehen, dass die von der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin am 22. Juli 1999 erfolgte Berufung auf ihre Vertretungsmacht die Wirkung hatte, dass sie ab diesem Zeitpunkt gemäß § 9 Abs. 1 ZustG Verfahrensanordnungen gegenüber der Rechtsvertreterin auszusprechen hatte und es ihr nicht mehr freistand, sich diesbezüglich an die Beschwerdeführerin selbst zu wenden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1993, Zl. 93/09/0398). Die belangte Behörde hätte daher die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 1. März 2000, worin diese auf ihre Verhinderung am Erscheinen zu den - offensichtlich von der Universitätsklinik für Psychiatrie vergebenen - Untersuchungsterminen hinweist und ersucht, eine "Ladung zum Untersuchungstermin" zu Handen der Rechtsvertreterin ergehen zu lassen, zum Anlass nehmen müssen, die bis dahin ausstehende Verfahrensanordnung zu treffen.
Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Mai 2002
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)