Normen
AVG §52;
FSG 1997 §8 Abs1;
FSG 1997 §8 Abs2;
KFG 1967 §67 Abs2 impl;
AVG §52;
FSG 1997 §8 Abs1;
FSG 1997 §8 Abs2;
KFG 1967 §67 Abs2 impl;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 26. April 1995 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 entzogen. Ein Antrag der Beschwerdeführerin vom 31. Juli 1995 auf Wiedererteilung der Lenkerberechtigung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. September 1996 wegen Fehlens der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen abgewiesen. Diese Entscheidung stützte sich auf das Gutachten eines Amtsarztes vom 20. Mai 1996 und den diesem zugrunde liegenden psychiatrischen Befund (samt Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin) vom 19. April 1996.
Mit Eingabe vom 14. Jänner 1998 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B. Der Antrag wurde auf der Grundlage eines von der Erstbehörde (der Bundespolizeidirektion Wien) eingeholten Gutachtens eines Amtsarztes vom 4. März 1998, in dem die Beschwerdeführerin als gemäß § 8 FSG zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 nicht geeignet beurteilt wird, mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid abgewiesen.
In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; sie beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin erfolgte die Versagung einer Lenkberechtigung nicht wegen des Fehlens der Verkehrszuverlässigkeit (§ 7 FSG), sondern wegen des Fehlens der erforderlichen gesundheitlichen Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen (§ 8 FSG). Das ergibt sich aus der ausdrücklichen Nennung des § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG in dem von der belangten Behörde bestätigten und damit übernommenen Spruch des erstinstanzlichen Bescheides und auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides. Dem gegenüber kommt der einmaligen Erwähnung des § 7 FSG im Zusammenhang mit der Wiedergabe des § 3 Abs. 1 Z. 2 und 3 FSG in der Begründung des angefochtenen Bescheides keine maßgebliche Bedeutung zu.
Die Beschwerdeführerin rügt mit Recht die Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs. Das der bekämpften Entscheidung zugrunde liegende Gutachten eines Amtsarztes vom 4. März 1998 wurde der Beschwerdeführerin nach der Aktenlage nie zur Kenntnis gebracht (der konkrete Inhalt des Gutachtens war auch der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nicht zu entnehmen). Sie hatte daher im Verfahren keine Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.
Dazu kommt, dass dieses Gutachten keine taugliche Entscheidungsgrundlage darstellt. Es erschöpft sich in der Begründung "Psychose, kraftfahrspez. Leistungsmängel". Im Befundteil finden sich dazu lediglich folgende Bemerkungen: In der Rubrik "Nervensystem": "auffällig", "psychisch auffällig"; in der Rubrik "Klinischer Gesamteindruck": "Psychose". Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist dieses Gutachten für sich keineswegs schlüssig und nachvollziehbar. Erklärlich ist diese Wertung erst durch den in der Gegenschrift der belangten Behörde enthaltenen Hinweis auf den Befund einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien vom 19. April 1996, der auch eine Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin enthält und in dem sie abschließend als "zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Führerscheingruppe B derzeit nicht geeignet" beurteilt wird. Die bekämpfte Entscheidung beruht demnach maßgeblich auf diesem psychiatrischen Befund. Dies widerspricht dem Gebot des § 8 Abs. 1 zweiter Satz FSG, wonach das ärztliche Gutachten im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein darf (was für Gutachten von Amtsärzten nach § 8 Abs. 2 FSG in gleicher Weise zu gelten hat). Der Verwaltungsgerichtshof hat zur gleich lautenden Vorgängerbestimmung des § 67 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass diesem Gebot auch dann nicht entsprochen wird, wenn sich ein ärztliches Gutachten in entscheidenden Punkten auf Unterlagen stützt, die bereits vor mehr als einem Jahr vor der Entscheidung zustande gekommen sind (vgl. die Erkenntnisse vom 17. September 1986, Zl. 86/11/0001, vom 29. Mai 1990, Zl. 89/11/0185, und vom 22. Februar 1996, Zl. 95/11/0308). Es ist kein Grund ersichtlich, der gegen die Übertragung dieser Rechtsprechung auf die gleich lautende Nachfolgebestimmung des § 8 FSG spräche. Auch nach dieser Bestimmung ist es somit nicht zulässig, der behördlichen Entscheidung ein ärztliches Gutachten zugrunde zu legen, das sich in entscheidenden Punkten auf Unterlagen stützt, die bereits vor mehr als einem Jahr vor der Entscheidung zustande gekommen sind.
Aus den dargelegten Gründen ist der angefochtene Bescheid mit Verfahrensmängeln behaftet, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. Mai 1999
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