VwGH 2000/11/0114

VwGH2000/11/011424.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 6. April 2000, Zl. Ib-277-52/2000, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
StVO 1960 §5 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs9;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
StVO 1960 §5 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs9;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Führerscheingesetz (FSG) die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von vier Monaten von der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 5. Dezember 1999 an entzogen (Spruchpunkt I). Gemäß § 26 Abs. 8 in Verbindung mit § 24 Abs. 3 FSG wurde als begleitende Maßnahme die Absolvierung einer Nachschulung für verkehrsauffällige Lenker angeordnet, wobei die Entziehungsdauer gemäß § 25 Abs. 3 FSG nicht vor Befolgung dieser Anordnung ende (Spruchpunkt II). Gemäß § 26 Abs. 8 in Verbindung mit § 28 FSG wurde dem Beschwerdeführer die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen vorgeschrieben, wobei die Wiederausfolgung des Führerscheines nicht vor Beibringung eines positiven Gutachtens erfolgen dürfe (Spruchpunkt III).

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der bekämpften Entziehungsmaßnahme lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 5. Dezember 1999 an einer näher bezeichneten Straßenstelle einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde. Die kontrollierende Gendarmeriebeamtin schöpfte dabei den Verdacht, der Beschwerdeführer befinde sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand. Sie führte den Beschwerdeführer einem in der Nähe befindlichen Amtsarzt vor, der nach der Vornahme einer Untersuchung des Beschwerdeführers von diesem eine Harnprobe verlangte. Dies wurde vom Beschwerdeführer verweigert; eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt war negativ verlaufen (0,00 mg/l). Die belangte Behörde wertete die Weigerung, Harn abzugeben, als Verweigerung der Untersuchung nach § 5 Abs. 9 in Verbindung mit Abs. 5 StVO 1960; dies stelle eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG dar.

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass eine klinische Untersuchung durch einen Amtsarzt wegen Verdachtes der Beeinträchtigung durch Suchtgift die Absolvierung eines negativen Alkotests voraussetze. Dieses auf die Abs. 5 und 9 des § 5 StVO 1960 Bezug nehmende Vorbringen ist schon deshalb unbegründet,

weil - wie der Beschwerdeführer selbst in der Sachverhaltsdarstellung seiner Beschwerde ausführt - ein

derartiger negativer Alkotest stattgefunden hat. Der Beschwerdeführer hat sich nach der Aktenlage jedenfalls sowohl der Aufforderung zur Vornahme einer Atemluftkontrolle als auch der Vorführung vor den Amtsarzt gefügt. Im Übrigen teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Meinung des Beschwerdeführers, auch bei Verdacht der Beeinträchtigung nur durch Suchtgift habe vor der klinischen Untersuchung im Sinne des § 5 Abs. 9 StVO 1960 eine Untersuchung auf Alkoholisierung stattzufinden, weil im Abs. 9 der Verweis auf den Abs. 5 nicht den Ausdruck "sinngemäß" enthalte. Es wäre nicht sinnvoll und ist dem Gesetzgeber nicht zuzusinnen, dass auch Personen, die keinerlei Alkoholisierungssymptome aufweisen, auf Alkoholbeeinträchtigung untersucht würden.

Soweit der Beschwerdeführer weiters behauptet, dass die Vorführung vor den Amtsarzt rechtswidrig gewesen sei, gehen diese Ausführungen schon deswegen fehl, weil sie sich auf eine überholte Rechtslage und auf die zu dieser ergangene Rechtsprechung beziehen. Diese Rechtsprechung (insbesondere das Erkenntnis vom 26. Juni 1981, Slg. Nr. 10 500/A) bezog sich auf die Untersuchung der Atemluft mit den sogenannten Alkoteströhrchen; eine Untersuchung mit Alkomat-Geräten, die den Alkoholgehalt der Atemluft messen und nicht nur den Verdacht einer relevanten Alkoholisierung begründen (§ 5 Abs. 3 StVO 1960 in der Fassung der 19. StVO-Novelle BGBl. Nr. 518/1994), gab es damals noch nicht.

Der Beschwerdeführer ist dagegen mit seiner Behauptung im Recht, die Rechtslage sehe keine Verpflichtung zur Abgabe einer Harnprobe vor, deren Verweigerung der Verweigerung der ärztlichen Untersuchung gleichkomme. Die Verpflichtung, sich einer Untersuchung durch einen Arzt zu unterziehen, schließt ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht die Verpflichtung ein, Harn abzugeben. Solches kann weder dem Wortlaut des § 5 Abs. 9 noch den Erläuternden Bemerkungen (1580 BlgNR 18.GP, S. 21 zum damals vorgesehenen, dem nunmehrigen Abs. 9 entsprechenden § 5 Abs. 8) entnommen werden. Vielmehr handelt es sich bei der Untersuchung nach dem Abs. 9 um die sogenannte klinische Untersuchung durch einen Arzt, bei der der Grad der Beeinträchtigung des Fahrvermögens an Hand von Verhaltensweisen der untersuchten Person (wie die Finger-Finger-Probe, Geradeausgehen auf einem Strich udgl.) eingeschätzt wird.

Einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Verpflichtung zur Abgabe einer Harnprobe im Rahmen der ärztlichen Untersuchung bedürfte es schon aus dem Grunde, weil eine derartige Verpflichtung erheblich über das hinausgeht, was einem zu Untersuchenden bei einer herkömmlichen klinischen Untersuchung abverlangt wird. Eine solche Verpflichtung kann dazu führen, dass die zu untersuchende Person je nach ihrer Fähigkeit, Harn abzugeben, für eine unbestimmt lange Zeit in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, wobei sie ständig unter Überwachung steht. Die Intensität eines solchen Eingriffes kann das übliche Maß des im gegebenen Zusammenhang in Kauf zu Nehmenden bei Weitem übersteigen.

Aus diesem Grund war es rechtswidrig, die Verweigerung der Abgabe einer Harnprobe der Verweigerung der ärztlichen Untersuchung im Sinne des § 5 Abs. 9 StVO 1960 gleichzuhalten und als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 anzusehen. Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass noch auf die Behauptungen des Beschwerdeführers betreffend wesentliche Verfahrensmängel eingegangen zu werden brauchte.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da außer der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG in der Höhe von S 2.500,-- keine weiteren Stempelgebühren zu entrichten waren.

Wien, am 24. Oktober 2000

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