Normen
ABGB §1004;
ABGB §1152;
AHR;
RAO 1868 §16 Abs3;
RAO 1868 §16 Abs4;
RAO 1868 §17;
RAO 1868 §28 Abs1 litf;
RAO 1868 §45;
RAO 1868 §47 Abs1;
RAO 1868 §47 Abs3 Z3;
RAO 1868 §47 Abs5;
RAT;
StPO §41;
ABGB §1004;
ABGB §1152;
AHR;
RAO 1868 §16 Abs3;
RAO 1868 §16 Abs4;
RAO 1868 §17;
RAO 1868 §28 Abs1 litf;
RAO 1868 §45;
RAO 1868 §47 Abs1;
RAO 1868 §47 Abs3 Z3;
RAO 1868 §47 Abs5;
RAT;
StPO §41;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Spruchteiles "Dieser Bescheid gilt in diesem Umfang vorläufig und vorbehaltlich der Anerkennung der Vergütung durch das Bundesministerium für Justiz in zumindest derselben Höhe." wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz wurde dem Beschuldigten L. gemäß § 41 Abs. 2 StPO ein Verteidiger beigegeben. Mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 26. Juni 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 45 RAO zum Verteidiger bestellt. Im betreffenden Strafverfahren verrichtete er in der Zeit vom 3. November 1997 bis 13. November 1997 die Hauptverhandlung. Für die Verrichtung der Hauptverhandlung am 11., 12. und 13. November 1997 sowie für Akteneinsicht (in der Zeit vom 7. Juli 1997 bis 3. September 1997 und am 17. November 1997), einen am 11. Juli 1997 erstatteten Schriftsatz und drei "Auskunftsbegehren" vom 3. September 1997 begehrte er von der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer eine Vergütung von S 879.384,60.
Mit Bescheid vom 24. November 1998 setzte die Abteilung 2 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer die dem Beschwerdeführer gebührende Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO mit S 229.355,54 fest. Dabei wurde die Nebenbestimmung angefügt, dass der Bescheid in diesem Umfang vorläufig und vorbehaltlich der Anerkennung der Vergütung durch das Bundesministerium für Justiz in zumindest derselben Höhe gelte. Die Behörde vertrat die Auffassung, dem Beschwerdeführer gebühre für die nach den ersten fünfzig Verhandlungsstunden erbrachten Leistungen, das seien die Hauptverhandlung am 11. November 1997 in der Dauer von 14 halben Stunden, die Hauptverhandlung am 12. November 1997 in der Dauer von 16 halben Stunden und die Hauptverhandlung am 13. November 1997 in der Dauer von 13 halben Stunden sowie die Akteneinsicht vom 17. November 1997 unter Bedachtnahme auf den Einheitssatz von 50 %, einen Erfolgszuschlag von 50 % und einen Abzug von 25 % sowie die Umsatzsteuer eine Vergütung in der festgesetzten Höhe. Diese könne nur vorläufig festgesetzt werden, weil die Überprüfung, Genehmigung und Auszahlung durch das zuständige Bundesministerium noch abzuwarten sei.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung machte der Beschwerdeführer insbesondere geltend, die Angemessenheit des von ihm geltend gemachten Betrages ergebe sich aus den Autonomen Honorarrichtlinien. Es bestehe keine Grundlage dafür, 25 % abzuziehen. Es seien sämtliche sonstigen Tätigkeiten eines Anwaltes, die neben der Verrichtung der Hauptverhandlung bis zur Dauer von 50 Stunden erbracht würden, gesondert zu vergüten.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab das Plenum des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer der Vorstellung nicht Folge. Begründend wurde nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage insbesondere die Auffassung vertreten, der Anspruch auf Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO entstehe erst, wenn der Rechtsanwalt mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig geworden sei. Für Leistungen, die vor dem Erreichen dieser Verhandlungszeit - auch außerhalb der Verhandlung - erbracht worden seien, könne keine Vergütung zugesprochen werden. § 16 Abs. 4 RAO könne nur im Zusammenhalt mit § 47 RAO gesehen werden. Gemäß § 47 Abs. 5 RAO sei für die nach § 16 Abs. 4 erster Satz erbrachten Leistungen - also für die Tätigkeiten nach mehr als zehn Verhandlungstagen oder mehr als 50 Verhandlungsstunden - eine angemessene Pauschalvergütung gesondert festzusetzen. Diese Sonderpauschalvergütung werde endgültig erst vom Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen festgesetzt (§ 47 Abs. 5 RAO). Die Angemessenheit werde nach für die Festsetzung der Pauschalvergütung im Allgemeinen anzuwendenden Grundsätzen, so insbesondere nach § 47 Abs. 3 Z. 3 RAO, zu bestimmen sein. Ausgehend von den Autonomen Honorarrichtlinien und einem Abzug von 25 % entsprechend der bisherigen Praxis bei Ermittlung der Pauschalvergütung errechne sich daher die angemessene Vergütung mit dem festgesetzten Betrag von S 229.355,54. Auch dieser Betrag gelte nur unter der Voraussetzung und Bedingung, dass diese Kosten in der errechneten Höhe vom Bundesminister für Justiz gemäß § 47 Abs. 5 RAO festgesetzt und an die belangte Behörde überwiesen würden. Im konkreten Fall habe der Bundesminister für Justiz die gemäß § 47 Abs. 5 RAO zu entrichtende angemessene Pauschalvergütung bis jetzt weder festgesetzt noch an die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer überwiesen. Gemäß § 16 Abs. 4 letzter Satz RAO habe der Ausschuss über die Höhe der dem Rechtsanwalt zukommenden Vergütung zu entscheiden. Voraussetzung für diese Entscheidung sei daher, dass dem Ausschuss bereits bekannt sei, in welcher Höhe der Bundesminister für Justiz diese Sonderpauschalvergütung festgesetzt habe und dass diese auch der zuständigen Rechtsanwaltskammer überwiesen worden sei. Diese Voraussetzungen seien aber jetzt nicht gegeben. Dies heiße, dass die endgültige Festsetzung der dem Beschwerdeführer gebührenden Vergütung derzeit noch gar nicht möglich sei. Umso weniger könne eine Zahlung dieser Kosten durch die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer erfolgen, zumal diese über keine Bedeckung einer solchen Auslage verfüge.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 29. Februar 2000, B 528/99, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid wurde am 15. Februar 1999 und somit vor Inkrafttreten der Änderung der RAO durch das Rechtsanwalts - Berufsrecht - Änderungsgesetz, BGBl. I Nr. 71/1999, (am 1. Juni 1999) erlassen. Auch die betreffende Bestellung erfolgte vor dem 1. Juni 1999 (vgl. Art. V Z. 3 Rechtsanwalts - Berufsrecht - Änderungsgesetz). Im Beschwerdefall sind die Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung (§§ 16 und 47) daher in der Fassung BGBl. Nr. 474/1990 anzuwenden.
§ 16 RAO lautet auszugsweise:
"... (3) Für die Leistungen, für die nach dem § 45 oder 45a bestellten Rechtsanwälte zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, haben die in der Liste einer Österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte an diese Rechtsanwaltskammer einen Anspruch darauf, dass sie jedem von ihnen aus dem ihr zugewiesenen Betrag der Pauschalvergütung einen gleichen Anteil auf seinen Beitrag zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung anrechnet, soweit nicht ein Anspruch auf Vergütung nach Abs. 4 besteht.
(4) In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs. 3 für alle darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtsanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuss."
§ 47 RAO lautet auszugsweise:
"(1) Der Bund hat dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag für die Leistungen der nach § 45 bestellten Rechtsanwälte, für die diese zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, jährlich spätestens bis zum 30. September für das laufende Kalenderjahr eine angemessene Pauschalvergütung zu zahlen. Auf die für das laufende Kalenderjahr zu zahlende Pauschalvergütung sind Vorauszahlungen in angemessenen Raten zu leisten.
...
(3) Der Bundesminister für Justiz hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und dem Hauptausschuss des Nationalrates durch Verordnung die Höhe der Pauschalvergütung entsprechend neu festzusetzen, wenn
1. sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben,
2. die Anzahl der jährlichen Bestellungen oder der Umfang der Leistungen im Sinn des Abs. 1 um mehr als 20 v.H. gestiegen oder gesunken ist oder
3. es sich als notwendig erweist, die Vergütung für die Leistungen im Sinn des Abs. 1 dort, wo keine gesetzlichen Tarife bestehen, der Entlohnung anzunähern, die nach den Standesrichtlinien der Rechtsanwälte als angemessen angesehen wird.
...
(5) Für nach § 16 Abs. 4 erster Satz erbrachte Leistungen ist eine angemessene Pauschalvergütung gesondert festzusetzen. Diese Leistungen bleiben bei der Neufestsetzung der Pauschalvergütung nach Abs. 3 außer Betracht. Abs. 3 erster Halbsatz ist anzuwenden."
In Vollziehung der letztgenannten Vorschrift hat der Bundesminister für Justiz jeweils jährlich, zuletzt mit Verordnung BGBl. II Nr. 172/2002, die Höhe der vom Bund nach § 47 Abs. 5 RAO gesondert zu zahlenden Pauschalvergütung für Leistungen der nach § 45 RAO bestellten Rechtsanwälte in überdurchschnittlich lang dauernden Verfahren nach § 16 Abs. 4 RAO jeweils mit einem Gesamtbetrag, zuletzt für das Jahr 2000 mit insgesamt 1,096.270,23 EUR, festgesetzt.
In den Gesetzesmaterialien (Bericht des Justizausschusses, 1380 Blg. NR XVII. GP) wird zur Einführung der §§ 16 Abs. 4, 47 Abs. 5 RAO Folgendes dargelegt:
"Anlässlich des 'Noricum-Prozesses' ist die Forderung laut geworden, neben der herkömmlichen Entlohnung der Verfahrenshilfeleistungen im Rahmen der für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung zu verwendenden Pauschalvergütung eine besondere Entlohnung für diejenigen Verfahrenshilfeanwälte vorzusehen, die in überdurchschnittlich lang dauernden Verfahren herangezogen werden.
Der Justizausschuss hält diese Forderung für gerechtfertigt und schlägt daher vor, dass einem zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt dann eine besondere Vergütung zukommen soll, wenn er innerhalb eines Jahres an mehr als zehn Verhandlungstagen oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig geworden ist und ihm hiefür nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften kein Entlohnungsanspruch zusteht. Diese Vergütung, auf die ihm auf Antrag auch ein angemessener Vorschuss zu gewähren ist, erhält er unmittelbar von der Rechtsanwaltskammer. Ihre Höhe wird sich nach der gemäß § 47 Abs. 5, neue Fassung (siehe die Ausführungen zur Z. 17) gesondert festzusetzenden Pauschalvergütung für solche überlange Verfahren richten. Die Leistung eines Rechtsanwaltes bis zur Dauer von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden wird durch die (allgemeine) Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung berücksichtigt."
"Wie bereits zu Z. 5 (§ 16 Abs. 4) ausgeführt, soll für die so genannten "überlangen" Verfahren eine von der allgemeinen Pauschalvergütung gesondert festzusetzende Pauschalvergütung gewährt werden (Z. 17). Ihre Angemessenheit wird nach den für die Festsetzung der Pauschalvergütung im Allgemeinen anzuwendenden Grundsätzen (siehe insbesondere § 47 Abs. 3 Z. 3) zu bestimmen sein. Diese "Sonder"pauschalvergütung hat der Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und dem Hauptausschuss des Nationalrates festzusetzen (§ 47 Abs. 5 letzter Satz).
Diese Sonderpauschalvergütung hat der Österreichische Rechtsanwaltskammertag derjenigen Rechtsanwaltskammer zu überweisen, der gegenüber der zur Verfahrenshilfe bestellte Rechtsanwalt gemäß § 16 Abs. 4 den Anspruch auf angemessene Vergütung hat (§ 48 Abs. 1).
Die Ergänzung des § 48 Abs. 2 stellt klar, dass nur die "allgemeine" Pauschalvergütung und nicht auch die Sonderpauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der Rechtsanwälte zu verwenden ist."
Im Zusammenhang mit den Anforderungen, die sich von Verfassungs wegen für Regelungen betreffend die Vergütung der Tätigkeit eines gemäß § 45 RAO bestellten Rechtsanwaltes ergeben, ist insbesondere auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991, Slg. 12.638, hinzuweisen. Der Verfassungsgerichtshof hat darin die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 16 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung vom 16. Juli 1868, RGBl. Nr. 96 idF BGBl. Nr. 570/1973, die dem gemäß § 45 RAO bestellten Rechtsanwalt auch im Falle von "überlangen" Verfahren keinen unmittelbaren Vergütungsanspruch einräumte, unter anderem wie folgt begründet:
"Die den Rechtsanwälten gemäß § 16 Abs. 2 RAO obliegende Verpflichtung, im Falle ihrer Bestellung zum Verfahrenshelfer die Vertretung oder Verteidigung einer mittellosen Partei zu übernehmen, besteht auch dann, wenn zufolge besonderer Umstände (z.B. Komplexität des Verfahrensgegenstandes) Prozesse und Strafverfahren eine weit über dem Durchschnitt liegende Dauer erreichen, und wenn eine sorgfältige Vertretung oder Verteidigung einen ungewöhnlich hohen Arbeitsaufwand erfordert.
Solche Fälle besonders umfangreicher und arbeitsintensiver Vertretungen und Strafverteidigungen, die Verfahrenshelfer wochen- und auch monatelang in Anspruch nehmen, stellten - selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie eher selten vorkommen, keine Härtefälle dar, die aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes vernachlässigbar wären.
Die Beigebung eines Verfahrenshelfers dient Interessen der Rechtspflege; bei komplizierten und langdauernden Verfahren besteht ein besonderes Interesse der Rechtspflege daran, dass auch Parteien, die nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Beistandes oder Verteidigers verfügen, ein solcher beigegeben wird. Es ist dem Verfahrenshilfesystem somit immanent, dass Rechtsanwälte als Verfahrenshelfer insbesondere auch in solchen Fällen mit einer Vertretung oder Verteidigung betraut werden, die einen überdurchschnittlich hohen Arbeitsaufwand für sie nach sich ziehen.
Aus der in Prüfung gezogenen Regelung ergibt sich nun, dass Verfahrenshelfer die Vertretung oder Verteidigung der Partei nach Maßgabe des Bestellungsbescheides zu übernehmen haben, ohne dass ihnen gegenüber dieser Partei ein Entlohnungsanspruch zusteht, und zwar auch für den Fall, dass die Bestellung ein wochen- oder monatelanges Einschreiten erfordert. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass die Verpflichtung zur Übernahme einer Verfahrenshilfe in Prozessen von überdurchschnittlich langer Dauer an sich eine große Belastung für den Anwalt darstellt; dies gilt im Besonderen aber dann, wenn Rechtsanwälte erst relativ kurz in die Liste eingetragen sind und (oder) ihren Beruf nicht in einer Kanzleigemeinschaft ausüben. Die Belastungen durch die Bestellung zum Verfahrenshelfer im Rahmen eines Pauschalvergütungssystems, das zudem auch in solchen Fällen kein Recht auf Ablehnung oder Enthebung vorsieht, können sich in wochen- oder monatelangen Verfahren existenzbedrohend auswirken."
Die Beschwerde vertritt im Ergebnis die Auffassung, § 16 Abs. 4 RAO sei (auch in verfassungskonformer, auf das "Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit uvm. Eigentumsverletzung und die Gemeinschaftsgrundrechte" Bedacht nehmender Auslegung) dahin zu interpretieren, dass alle vom Rechtsanwalt erbrachten Leistungen - ausgenommen die Tätigkeit "innerhalb von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden" - zu vergüten seien. In offiziösen Strafsachen seien mangels eines gesezlichen Tarifs "die AHR als angemessene Entlohnung heranzuziehen". Für die Kürzung der "tarifmäßig" verzeichneten Verteidigungskosten um 25 % fehle eine gesetzliche Grundlage. Der Umstand, dass der Bund die Pauschalvergütung noch nicht geleistet habe, dürfe nicht dazu führen, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch "unfreiwillig kreditieren" müsse.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 99/10/0206, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 16 Abs. 4 und § 47 Abs. 5 RAO idF BGBl. Nr. 474/1990 (1380 Blg. NR XVII. GP) dargelegt, dass der individuelle Vergütungsanspruch an das Überschreiten des Schwellenwertes durch den Umfang der Leistungen des betreffenden Rechtsanwaltes anknüpft. Hingegen wird die Leistung eines Rechtsanwaltes in Verfahren, in denen er nicht mehr als zehn Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden tätig wird, durch die "allgemeine" Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung berücksichtigt. Die Überschreitung des erwähnten Schwellenwertes ist aber nicht allein als Voraussetzung für das Entstehen des Vergütungsanspruches zu sehen; es entspricht vielmehr dem Gesetz, dem Schwellenwert auch Bedeutung als Maßstab bei der Bemessung der Vergütung - insbesondere im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden anwaltlichen Leistungen, die nicht in der Verrichtung der Hauptverhandlung als Verteidiger bestehen - einzuräumen. Nach dem System des Gesetzes werden die Leistungen des Rechtsanwaltes, der gemäß § 45 RAO zur Vertretung oder Verteidigung bestellt wurde, im Allgemeinen durch die Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach § 47 Abs. 1 und § 16 Abs. 3 RAO berücksichtigt. Nur in den "überlangen" Verfahren im Sinne des § 16 Abs. 4 RAO besteht ein (individueller) Vergütungsanspruch nach der soeben zitierten Gesetzesstelle. Durch die Festsetzung des "Schwellenwertes" in § 16 Abs. 4 RAO kommt (u.a.) zum Ausdruck, dass mit der individuellen Vergütung nach dieser Gesetzesstelle nur jene Leistungen (angemessen) vergütet werden sollen, die über das - mit der Pauschalvergütung berücksichtigte - "Normalmaß" hinausgehen. Soweit es um die hier in Rede stehenden, nicht in der Verrichtung der Hauptverhandlung bestehenden ("Neben"-)Leistungen des Verteidigers (insbesondere die Akteneinsicht und die Verfassung von Schriftsätzen) geht, ist zu bedenken, dass solche Leistungen typischerweise auch bei nicht "überlangen" Verfahren anfallen und in diesem Fall nicht individuell vergütet werden. Nach dem System des Gesetzes gibt es also - wie in § 16 Abs. 4 RAO zum Ausdruck kommt - einen "vergütungsfreien" Teil der in "überlangen" Verfahren erbrachten Leistungen. Es entspricht einer am Gleichheitssatz orientierten Auslegung, den vergütungsfreien Teil mit dem Ausmaß jener Leistungen in Beziehung zu setzen, der dem typischerweise mit Verfahren, bei denen der Leistungsumfang des Rechtsanwaltes den Schwellenwert nicht überschreitet, verbundenen Ausmaß entspricht. Die Vorgangsweise der belangten Behörde, einen Teil der "Nebenleistungen" bei der Ermittlung der Angemessenheit der Vergütung nicht zu berücksichtigen, entsprach daher dem Gesetz. Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass die bei der Ermittlung des "vergütungsfreien Teils" der Nebenleistungen angewendete Methode der zeitlichen Zuordnung nach dem Zeitpunkt der Erbringung der Nebenleistung vor der 50. Verhandlungsstunde den dargelegten Grundsätzen im Beschwerdefall nicht entsprochen hätte.
Die Beschwerde verkennt auch die Rechtslage, wenn sie die Auffassung vertritt, bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO seien die Ansätze der Autonomen Honorarrichtlinien abzugsfrei heranzuziehen.
§ 16 Abs. 4 RAO spricht von "angemessener Vergütung". "Angemessen" ist jene Vergütung, die sich unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Bedachtnahme darauf, was in gleich gelagerten Fällen geschieht, ergibt. Bei der Bemessung ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Vergütung nicht zuletzt der Abwendung der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis Slg. 12638 dargelegten Auswirkungen der Belastung der Rechtsanwälte durch überlange Verfahren, die bis zur Existenzbedrohung gehen können, dient.
Den von der ständigen Vertreterversammlung der österr. Rechtsanwaltskammern erstellten Honorarrichtlinien (AHR) kommt als kodifiziertem Gutachten über die Angemessenheit der im RATG nicht näher geregelten anwaltlichen Leistungen für die Honorarberechnung Bedeutung zu (AnwBl 1995, 520 mwN; zuletzt 1 Ob 364/99g), sofern zwischen Rechtsanwalt und Mandanten keine Honorarvereinbarung geschlossen wurde und kein gesetzlicher Tarif besteht. In der Präambel zu den AHR wird ausgeführt, die Rechtsanwaltskammern Österreichs werden im Falle einer Begutachtung der Angemessenheit von Entlohnungen für rechtsanwaltliche Tätigkeiten gemäß § 28 Abs. 1 lit. f RAO die Bemessungsgrundlagen und Honoraransätze der AHR als angemessene Entlohnung (§ 17 RAO, §§ 1152, 1004 ABGB) betrachten.
Nach § 16 Abs. 4 RAO hat aber die Kammer nicht etwa die angemessene Entlohnung eines Wahlverteidigers, der auf Grund vertraglicher Vereinbarung mit seinem Klienten tätig wurde, zu bemessen, sondern eine angemessene Vergütung für einen gemäß § 41 StPO vom Gericht beigegebenen und gemäß § 45 RAO von der Rechtsanwaltskammer bestellten Rechtsanwalt, der somit auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Pflichtenverhältnisses im Rahmen der Mitwirkung der Rechtsanwaltschaft an der Rechtspflege tätig wird, festzusetzen.
Maßgeblich ist somit, in welcher Höhe die Vergütungen für gemäß § 45 RAO bestellte Rechtsanwälte in Fällen mit vergleichbarem Leistungsumfang bemessen werden. Die Materialien zu § 16 Abs. 4 RAO (1380 Blg. NR XVII GP) sprechen davon, dass sich die Höhe der besonderen Vergütung nach der gemäß § 47 Abs. 5 RAO neue Fassung gesondert festzusetzenden Pauschalvergütung für solche überlangen Verfahren richten werde. Die Angemessenheit der gesondert festzusetzenden Pauschalvergütung werde nach den für die Festsetzung der Pauschalvergütung im Allgemeinen anzuwendenden Grundsätzen (siehe insbesondere § 47 Abs. 3 Z. 3) zu bestimmen sein. In der zuletzt zitierten Gesetzesstelle ist davon die Rede, "die Vergütung ... der Entlohnung anzunähern (Unterstreichung nicht im Original), die nach den Standesrichtlinien der Rechtsanwälte als angemessen angesehen wird".
Es war somit nicht rechtswidrig, dass die Behörde zum einen die AHR als Richtlinie für die Bemessung der besonderen Vergütung heranzog, zum anderen - im Sinne einer "Annäherung" an die nach den Standesrichtlinien als angemessen anzusehende Entlohnung und auf die allgemeine Übung verweisend - von den Ansätzen der AHR ausgehend einen Abschlag von 25 % vorgenommen hat.
Die Bemessung der Vergütung durch die belangte Behörde entspricht somit dem Gesetz; insoweit war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Hingegen ist die Beschwerde mit ihrer Auffassung im Recht, dass die Festsetzung der Vergütung mangels ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage nicht der "Anerkennung der Vergütung durch das Bundesministerium für Justiz in zumindest derselben Höhe" vorbehalten werden durfte (vgl. hiezu näher das Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 99/10/0206). Dabei wird nicht übersehen, dass die Rechtsanwaltskammer - ausgehend von der gegebenen Rechtslage - im Allgemeinen mit der Vergütung (selbst bei Setzung einer angemessenen Leistungsfrist) in Vorlage wird treten müssen (und sich in weiterer Folge das Problem einer Divergenz zwischen der im Einzelfall von der Rechtsanwaltskammer festgesetzten Vergütung und der Berücksichtigung des betreffenden Einzelfalles bei der Bemessung der "Sonder"-Pauschalvergütung durch den Bundesminister für Justiz gemäß § 47 Abs. 5 RAO stellen könnte). Dies ist aber der gesetzlichen Regelung immanent und vermag nichts daran zu ändern, dass die Festsetzung unter Vorbehalt nur auf der Grundlage einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung erfolgen dürfte. Eine solche Regelung besteht nicht. Vielmehr begründet § 16 Abs. 4 erster Satz RAO den Anspruch des Rechtsanwaltes auf eine angemessene Vergütung gegenüber der Rechtsanwaltskammer; der dritte Satz der zitierten Vorschrift begründet die Zuständigkeit des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer, die Höhe der Vergütung (mit Bescheid) festzusetzen. Das Gesetz ermächtigt die Rechtsanwaltskammer nicht, die Festsetzung oder Leistung der Vergütung einer entsprechenden Vorgangsweise des Bundesministers für Justiz vorzubehalten. Ebenso wenig ermächtigt das Gesetz den Bundesminister für Justiz, die Vergütung im Einzelfall festzusetzen; vielmehr hat der Bundesminister für Justiz nach § 47 Abs. 5 RAO für die Gesamtheit der nach § 16 Abs. 4 erster Satz in einem bestimmten Zeitraum erbrachten Leistungen eine Pauschalvergütung festzusetzen. Die Leistungen der einzelnen Rechtsanwälte, die diesem Tatbestand zuzuordnen sind, bilden dabei lediglich die Berechnungsgrundlage.
Im Umfang der beigefügten Nebenbestimmung war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 4. November 2002
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