VwGH 2000/08/0091

VwGH2000/08/009119.2.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. Februar 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-2975, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §25 Abs1;
ASVG §5 Abs2 litc;
NotstandshilfeV §5 Abs2 idF 1996/240;
AlVG 1977 §25 Abs1;
ASVG §5 Abs2 litc;
NotstandshilfeV §5 Abs2 idF 1996/240;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Rückforderung von Notstandshilfe verfügt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die seit 1997- mit Unterbrechungen - Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, gab in den jeweiligen Antragsformularen ihren Familienstand mit "geschieden" an. Die Beschwerdeführerin erhält auf Grund eines anlässlich der Ehescheidung geschlossenen gerichtlichen Vergleiches von ihrem geschiedenen Ehemann einen monatlichen Unterhalt von S 3.800,--. Die jeweilige Frage im Antragsformular nach den im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen wurde durch Nennung des Namens von Kindern beantwortet. In dem am 4. Jänner 1999 ausgegebenen Antragsformular wurden auf Seite 1 einschließlich Punkt 3. die handschriftlichen Ergänzungen mit schwarzem Stift vorgenommen. Die übrigen Angaben in der Seite 1 sowie die Antworten auf die auf den Seiten 2 und 3 gestellten Fragen wurden mit blauem Stift ausgeführt; die Frage nach einem eigenen Einkommen wurde durch Ankreuzen des hiefür vorgesehenen Kästchens bejaht. Die dazu gestellte ergänzende Frage (wenn ja, welcher Art?, Höhe des Einkommens öS) wurde zunächst beantwortet mit "Unterhaltsleistung vom Ex-Mann, 3.800,--". Diese Ergänzungen sind mit schwarzem Stift durchgestrichen.

Auf Grund dieses Antrages wurde der Beschwerdeführerin die Notstandshilfe vom 4. Jänner 1999 bis 2. Jänner 2000 zuerkannt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe für den Zeitraum 3. Juli 1999 bis 31. Dezember 1999 aus und verpflichtete die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung des empfangenen Betrages von S 29.684,20. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, laut Aktenlage habe die Beschwerdeführerin im Antrag vom 16. November 1997 unter Punkt 8. (Ich habe ein eigenes Einkommen) "Nein" angekreuzt. Im Antrag vom 5. Jänner 1998 habe sie unter diesem Punkt die Alimente für ihre Kinder mit S 3.800,-- angegeben. Im Antrag vom 4. Jänner 1999 sei ein Einkommen wiederum verneint worden. Erst im Antrag vom 29. Dezember 1999 werde erstmals auf einen Scheidungsvergleich verwiesen, auf Grund dessen die Beschwerdeführerin "Anspruch auf S 3.800,-- von Ihrem Ex-Gatten" habe. Es sei daher auf Grund der Aktenlage davon auszugehen, dass sie die Unterhaltsleistung bis zu diesem Zeitpunkt verschwiegen habe.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 16. März 1999, 97/08/0554) seien Unterhaltszahlungen für Beitragszeiträume vor dem 24. Juni 1999 bei Beurteilung der Notlage nicht zu berücksichtigen.

Ab 3. Juli 1999, dem Zeitpunkt des Fortbezuges der Notstandshilfe durch die Beschwerdeführerin, bis zum 31. Dezember 1999 sei der von der Beschwerdeführerin erhaltene Unterhalt auf ihren Anspruch auf Notstandshilfe anzurechnen. Auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführerin wegen dieser Anrechnung die Notstandshilfe nicht in vollem Umfang zustehe, sei der Bezug im angeführten Zeitraum zu widerrufen gewesen. Da die Beschwerdeführerin die Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Ehemannes verschwiegen habe, sei der genannte Betrag zurückzufordern.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde führt die Beschwerdeführerin unter "Beschwerdegegenstand und Beschwerdeantrag" aus, Beschwerde werde insoweit erhoben, als die Beschwerdeführerin zum Rückersatz des Leistungsbezuges von S 29.684,20 verpflichtet werde. Unter "Beschwerdepunkt" wird dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei in ihrem Recht, nicht zur Rückzahlung der im Sinne des AlVG zu Unrecht empfangenen Beträge verpflichtet zu werden, verletzt. Im Übrigen führt die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, sie habe anlässlich der Antragstellungen jeweils der Behörde den Scheidungsvergleich vorgelegt. Der Erhalt der Unterhaltsleistung sei daher nicht verschwiegen worden. Die Beschwerdeführerin sei Analphabetin und der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig. Sämtliche Angaben in den Antragsformularen seien daher von ihrer Tochter vorgenommen worden. Da die Angaben nicht von ihr stammten, habe sie den unberechtigten Bezug nicht herbeigeführt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die oben wiedergegebenen Ausführungen in der Beschwerde lassen erkennen, dass sich die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof lediglich in Ansehung der mit dem angefochtenen Bescheid auch ausgesprochenen Rückforderung von Notstandshilfe, nicht aber auch hinsichtlich des Widerrufs dieser Leistung beschwert erachtet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich daher im Rahmen der solcherart festgelegten Umschreibung des Beschwerdepunktes auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rückforderung zu beschränken. Da der Ausspruch über den Widerruf von der Beschwerde auf Grund ihrer Ausführung nicht erfasst ist, kann die diesem Ausspruch anhaftende Rechtswidrigkeit nicht aufgegriffen werden.

Nach § 5 Abs. 2 der zeitraumbezogen anzuwendenden Verordnung betreffend Richtlinie für die Gewährung der Notstandshilfe (Notstandshilfeverordnung), BGBl. Nr. 352/1973, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 240/1996, ist "ein Einkommen, das den im § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführten Betrag nicht übersteigt, ... auf die Notstandshilfe nicht anzurechnen". Der Ausschluss geringfügiger Einkommen bei der Anrechnung der Notstandshilfe gilt nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung nicht nur für Einkommen, die aus einer Beschäftigung erzielt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1999, 97/08/0153). Der im § 5 Abs. 2 lit. c, seit 1. Jänner 1998 nunmehr § 5 Abs. 2 Z. 2 ASVG, angeführte Betrag lautete im Kalenderjahr 1999 auf S 3.899,-- monatlich (vgl. dazu die Kundmachung BGBl. II Nr. 455/1998). Der von der belangten Behörde angerechnete Unterhaltsbetrag von S 3.800,-- monatlich lag daher unter der Geringfügigkeitsgrenze von S 3.899,--, weshalb nach § 5 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung eine Anrechnung nicht vorzunehmen gewesen wäre.

Gemäß § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger der Notstandshilfe zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die ersten beiden Tatbestände des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG knüpfen an Wissenserklärungen (unwahre Angaben) bzw. deren Unterlassung (Verschweigung maßgebender Tatsachen) an. Die Verbindung der Begriffe "unwahr" bzw. "Verschweigung" in dieser Bestimmung deutet auf eine subjektive Komponente hin, d. h. dass von jenem Arbeitslosen nichts zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv unzutreffende Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat. Aus der Gegenüberstellung der einzelnen Tatbestände des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen, Erkennenmüssen, dass Leistung nicht oder nicht in voller Höhe gebühre) folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die ersten beiden Tatbestände zumindest mittelbaren Vorsatz - dolus eventualis - voraussetzen, während es für die Anwendung des dritten Tatbestandes genügt, dass Fahrlässigkeit gegeben war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, 97/08/0569).

Die belangte Behörde stützte die Rückforderung der empfangenen Notstandshilfe ausdrücklich auf den Tatbestand der Verschweigung. Von einer Verschweigung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn maßgebende Tatsachen nicht gemeldet (§ 50 AlVG) werden. Im vorliegenden Verfahren kann nicht von einer Verschweigung maßgebender Tatsachen gesprochen werden. Die belangte Behörde geht zutreffend davon aus, dass Unterhaltszahlungen erst seit 24. Juni 1999 auf die Notstandshilfe anzurechnen waren. Der gegenständliche Antrag wurde aber am 4. Jänner 1999 (also lange zuvor) gestellt. Zu diesem Zeitpunkt kann der Beschwerdeführerin eine Meldepflichtverletzung nicht vorgeworfen werden, weil der Unterhalt irrelevant war. Gemäß § 50 ASVG sind - abgesehen von hier irrelevanten Meldeverpflichtungen - nur Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse anzuzeigen. Eine solche Änderung ist bei der Beschwerdeführerin auch am 24. Juni 1999 nicht eingetreten. Im Falle der Änderung der Anrechnungsvorschriften während des Leistungsbezuges wäre es daher Sache der Behörde, die Leistungsbezieher davon in Kenntnis zu setzen und sie zu Angaben darüber zu verhalten, ob sie Bezüge im Sinne der neuen Rechtsvorschriften beziehen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die vorliegende Art der Ausfüllung des Formulars den Tatbestand der Verschweigung maßgebender Tatsachen erfüllt.

Da die von der belangten Behörde angenommene Verschweigung maßgebender Tatsachen nicht vorliegt, leidet der angefochtene Bescheid an einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. I Nr. 501/2001. Da die Beschwerdeführerin von der einstweiligen Entrichtung der Pauschalgebühr durch die Bewilligung der Verfahrenshilfe befreit wurde, steht ein entsprechender Ersatz nicht zu. Auch das Begehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., 686).

Wien, am 19. Februar 2003

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