VwGH 2000/07/0054

VwGH2000/07/005418.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der Republik Österreich, vertreten durch das Hauptzollamt Graz in 8020 Graz, Bahnhofgürtel 57, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 9. März 2000, Zl. 03-30.40 404-00/5, betreffend Feststellung gemäß § 10 ALSAG (mitbeteiligte Partei: AS in G, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/1), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
VwRallg;
AVG §56;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1998 bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 10 des Altlastensanierungsgesetzes (ALSAG) betreffend die Auffüllung eines Teiches mit mineralischen Baurestmassen auf Grundstücken der mitbeteiligten Partei.

Nach Weiterleitung dieses Antrages fand vor der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg am 1. März 1999 eine mündliche Verhandlung statt.

Mit Schriftsatz vom 22. November 1999 wandte sich die Beschwerdeführerin an den Landeshauptmann von Steiermark und stellte gemäß § 73 Abs. 2 AVG an diesen als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde den Antrag auf Übergang der Pflicht zur Entscheidung über den Feststellungsantrag vom 23. Dezember 1998. Seit der mündlichen Verhandlung sei es zu keinen weiteren behördlichen Schritten mehr gekommen; es seien der Beschwerdeführerin auch keinerlei Hinderungsgründe bekannt, die der rechtzeitigen Antragserledigung entgegen gestanden seien.

Am 14. Dezember 1999 wandte sich der Landeshauptmann von Steiermark an die Beschwerdeführerin; dieser Schriftsatz hat folgenden Wortlaut:

"An das

(Beschwerdeführerin)

Gz: 03-30.40 404 -99/2

Gegenstand: (mitbeteiligte Partei); Verfahren gemäß § 10 ALSAG

Devolutionsantrag

In Beantwortung des do. Antrages vom 22.11.1999 zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht gem. § 73 AVG wird in der Beilage das Antwortschreiben der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg mit dem Bemerken übermittelt, dass die Verzögerungen im Verfahren nicht im alleinigen Verschulden der Behörde liegen, sodass der Antrag auf Devolution nicht angenommen werden kann. Es wird vorgeschlagen, die Begutachtung durch die Fachabteilung 1a der am 22.11.1999 vorgelegten Unterlagen abzuwarten, da diese Begutachtung in jedem Fall im Ermittlungsverfahren durchzuführen wäre.

Mit freundlichen Grüßen

Für den Landeshauptmann:

Der Abteilungsvorstand:

i.V.: Dr. G."

In weitere Folge übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 27. Dezember 1999 das Gutachten des Sachverständigen der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung 1a, vom 15. Dezember 1999 und räumte ihr eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin erstattete daraufhin an die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg mit Schriftsatz vom 4. Jänner 2000 eine Stellungnahme zum Inhalt des übermittelten Gutachtens.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid stellte der Landeshauptmann von Steiermark gemäß § 10 Abs. 1 ALSAG fest, dass die auf näher bezeichneten Grundstücken der mitbeteiligten Partei abgelagerten Baurestmassen im Sinne der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z. 2 ALSAG im Zusammenhang mit einer übergeordneten Baumaßnahme eine konkrete bautechnische Funktion erfüllten und somit nicht der Beitragspflicht nach dem Altlastensanierungsgesetz unterlägen. Die Begründung dieses Bescheides beinhaltet neben einer Darstellung des Verfahrensganges - allerdings ohne Bezugnahme auf den Devolutionsantrag - die Wiedergabe des Gutachtens des Amtssachverständigen und Ausführungen dazu, dass es auch die Behörde als erwiesen angesehen habe, dass die verwendeten Baurestmassen im Zusammenhang mit einer übergeordneten Baumaßnahme verwendet und zu diesem Zweck auch geeignet gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend, die belangte Behörde habe am 14. Dezember 1999 den Devolutionsantrag abgewiesen. Wenn auch die Entscheidung nicht die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid enthalte, sei dies ohne Bedeutung, weil sich der normative Inhalt aus der Formulierung der Erledigung eindeutig ergebe. Daraus folge, dass die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg als zuständige Behörde die erstinstanzliche Entscheidung zu treffen gehabt hätte. Dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde hafte daher die Rechtswidrigkeit der Unzuständigkeit an.

§ 73 Abs. 1 und 2 AVG lauten:

"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist."

Die Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Antrag geht bereits mit dem Einlangen eines nach § 73 Abs. 2 AVG gestellten Begehrens bei der Oberbehörde auf diese über. Diese Zuständigkeit verliert sie im Falle einer Abweisung eines Devolutionsantrages nach § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG mit der Abweisung; danach trifft die Zuständigkeit zur Sachentscheidung (wieder) die säumige Behörde. Im Falle weiterer Säumnis der erstinstanzlichen Behörde bedürfte es daher für einen neuerlichen Zuständigkeitsübergang auf die Oberbehörde eines neuen Devolutionsantrages.

Entscheidend dafür, ob nun der Landeshauptmann von Steiermark zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig war oder nicht, ist die Beurteilung des Schriftsatzes vom 14. Dezember 1999 hinsichtlich seiner Bescheidqualität. Wurde damit bescheidmäßig über den Devolutionsantrag (im Sinne einer Abweisung nach § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG) abgesprochen, so wäre der Beschwerdeführerin Recht zu geben, dass - mangels Einbringung eines neuen Devolutionsantrages - von der Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg und nicht des Landeshauptmannes von Steiermark zur Erlassung des (erstinstanzlichen) Feststellungsbescheides auszugehen gewesen wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Bescheide alle jene hoheitlichen Erledigungen von Verwaltungsbehörden, durch die in bestimmten einzelnen Angelegenheiten der Verwaltung gegenüber individuell bestimmten Personen in einer förmlichen Weise über Rechtsverhältnisse materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art abgesprochen wird, sei es, dass bestehende Rechtsverhältnisse festgestellt oder neue Rechtsverhältnisse gestaltet werden. Aus der Erledigung muss der objektiv erkennbare Wille der Behörde hervorgehen, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Ob dies der Fall ist, kann sich allenfalls auch daraus ergeben, dass die Behörde von Rechts wegen verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen (vgl. den hg. Beschluss vom 19. April 2001, AW 2001/08/0013, und unter vielen das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1994, VfSlg. 13.968).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung den Bescheidcharakter auch formlos ergangener, nicht als Bescheid bezeichneter Erledigungen anerkannt, sofern ihrem Inhalt zu entnehmen war, dass mit ihnen über ein konkretes Rechtsverhältnis abgesprochen werden sollte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 93/16/0117). Bescheidwille ist immer dann anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt nach seinem Inhalt als Äußerung des autoritativen Behördenwillens zur Regelung einer bestimmten Angelegenheit zu deuten ist.

Vorauszuschicken ist, dass nach § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG die Behörde bei Vorliegen des von ihr genannten Umstandes der nicht im überwiegenden Verschulden der Behörde liegenden Säumnis von Rechts wegen verpflichtet gewesen wäre, einen den Devolutionsantrag abweisenden Bescheid zu erlassen. Der vorliegende Schriftsatz vom 14. Dezember 1999 weist nun hinsichtlich seiner äußeren Form die Bezeichnung der Behörde (der Landeshauptmann von Steiermark), einen Adressaten (die Beschwerdeführerin), eine Unterfertigung eines (unbestritten) zur Genehmigung ermächtigten Organs, sowie das Datum auf. Der im vorliegenden Fall entscheidende Inhalt des Schriftsatzes besteht darin, dass "der Antrag auf Devolution nicht angenommen werden kann, weil die Verzögerungen im Verfahren nicht im alleinigen Verschulden der Behörde liegen."

Das Erfordernis, dass ein Bescheid einen Spruch enthalten muss, ist nun nicht streng formal auszulegen, weil der normative Abspruch auch aus der Formulierung erschließbar ist, doch muss sich der Wille der Behörde, in einer Verwaltungssache hoheitlich abzusprechen, eindeutig aus der Erledigung ergeben. Dieser Wille der Behörde, nämlich den "Antrag auf Devolution nicht anzunehmen", somit die Zuständigkeit zur Sachentscheidung und damit auch für die Durchführung des weiteren Ermittlungsverfahrens jedenfalls für die Zukunft abzulehnen, ist der Erledigung vom 14. Dezember 1999 zweifelsfrei zu entnehmen. Aus dieser Formulierung ergibt sich die Äußerung eines autoritativen Behördenwillens zur Regelung der Frage des Zuständigkeitsüberganges in der Form, dass dieser Zuständigkeitsübergang durch die Behörde aus den genannten Gründen nicht akzeptiert ("nicht angenommen") wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof gelangt daher zur Überzeugung, dass die belangte Behörde - wozu sie nach § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG auch verpflichtet war - mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1999 den Devolutionsantrag bescheidmäßig abgewiesen hat, weil die Verzögerung im Verfahren nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen war. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin (als Antragstellerin) auch zugestellt.

Daraus folgt, dass ab diesem Zeitpunkt die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg (wieder) zur Erlassung des Feststellungsbescheides in erster Instanz zuständig war; das weitere Ermittlungsverfahren wurde auch gänzlich im Bereich der Behörde erster Instanz abgewickelt. Ohne weitere Begründung, insbesondere auch ohne auf die Bestimmung des § 73 AVG im angefochtenen Bescheid in irgendeiner Weise Bezug zu nehmen, nahm die belangte Behörde schließlich die Zuständigkeit zur Erlassung des Feststellungsbescheides in Anspruch. Eine solche Zuständigkeit kam ihr aber nach dem Vorgesagten nicht (mehr) zu.

Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift nun die Ansicht vertritt, die Oberbehörde könne einen Devolutionsantrag bis zur Prüfung der Gründe der Säumnis der Unterbehörde auch "vorläufig nicht annehmen", entbehrt dies jeglicher rechtlicher Grundlage. Insoweit die belangte Behörde mit ihren Ausführungen zu meinen scheint, die Zuständigkeit zur Sachentscheidung käme ihr erst ab dem Zeitpunkt zu, ab dem der Unterbehörde tatsächlich ein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung zukomme und sie dies formlos festgestellt habe, verkennt sie die Rechtslage.

Aus den dargestellten Gründen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG als rechtswidrig aufzuheben war. Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigte sich daher.

Wien, am 18. Oktober 2001

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