Normen
ABGB §297;
ABGB §435;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
UHG 1974 §19;
ABGB §297;
ABGB §435;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
UHG 1974 §19;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Bestandnehmerin (übereinstimmendes Vorbringen der Parteien: "Pächterin") der der mitbeteiligten Stadtgemeinde gehörigen Grundstücke Nr. 152/147 und 152/229 (Mühlgasse 4A), inneliegend der Liegenschaft EZ 451, KG Schwechat. Entlang der nordwestlichen bzw. südwestlichen Grundstücksgrenze ist ein von der Beschwerdeführerin in Massivbauweise ausgeführtes Wohngebäude im Ausmaß von 14,60 m x 10,10 m errichtet. Dieses eingeschossige, nicht unterkellerte Gebäude ist mit einer hölzernen Pultdachkonstruktion abgedeckt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 NÖ Bauordnung 1996 (in der Folge kurz: BO) "als Hauseigentümerin" aufgetragen, das obgenannte Gebäude binnen sechs Monaten unter Einhaltung bestimmter Auflagen abtragen zu lassen. Für das Gebäude liege keine Baubewilligung vor. Im Zuge der Parzellierung der Mühlsiedlung seien die Liegenschaften neu aufgeteilt worden. Die obzitierten Grundstücke seien demnach Ergänzungsflächen für die Liegenschaften Mühlgasse 18 (Grundstück Nr. 152/147) und Mühlgasse 20 (Grundstück Nr. 152/229) und sollen nach erfolgter Räumung diesen zugeschrieben werden. Beide Grundstücke hätten keinen direkten Zugang zu öffentlichen Verkehrsflächen. Das vom Auftrag betroffene Wohngebäude erstrecke sich über die Grenzen der beiden Grundstücke. Laut rechtskräftigem Bebauungsplan der mitbeteiligten Stadtgemeinde sei beidseitig der gemeinsamen Grenze dieser Grundstücke eine seitliche Baufluchtlinie von 3 m festgelegt. Das Wohngebäude verlaufe demnach quer über den jeweils 3 m breiten Bauwich; zusätzlich sei noch eine Grundstücksgrenze überbaut. Dies widerspreche § 49 Abs. 1 BO. Die Ausnahmebestimmungen der §§ 51 und 52 BO kämen im Beschwerdefall nicht in Betracht. Eine nachträgliche Baubewilligung könne nicht erteilt werden.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. Mai 1999 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen, das Ende der Frist für die Durchführung des Abbruchsauftrages jedoch neu bestimmt. In dem gesamten Gebiet der "Mühlsiedlung-Ost" gäbe es keine Baubewilligungen; die damaligen Pächter hätten ohne Zustimmung der Baubehörde ihre Gebäude errichtet. Erst in späterer Zeit sei es durch Vereinbarungen mit dem Siedlerverein zu einer Sanierung in der Form gekommen, dass Grundstücke zusammengelegt, Bauplätze geschaffen und Baubewilligungen nach Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erteilt worden seien. Hiebei sei es zu einer Neuaufteilung der Grundstücke gekommen. Ein derart gelagerter Fall sei auch das Gebäude der Beschwerdeführerin. Die erteilte Baugenehmigung sei jedoch eine bloße Schutzbehauptung. Aus den Archiven der mitbeteiligten Stadtgemeinde sei kein Hinweis zu erkennen, dass das gegenständliche Gebäude jemals baubehördlich positiv beurteilt worden wäre.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Schon in der Bauordnung für Niederösterreich aus 1883 sei angeordnet gewesen, dass Baubewilligungsbescheide schriftlich zu erlassen sind. Erst nach rechtskräftiger Erteilung einer Baubewilligung dürfe mit dem Bau begonnen werden. Unerheblich sei, ob schon eine Bauverhandlung (hier im Jahre 1965) abgeführt worden sei, die aus welchen Gründen auch immer zu keinem Baubewilligungsbescheid geführt habe. An dieser Rechtslage ändere auch nichts, dass Aufzeichnungen über den Baufortschritt von einem ehemaligen Bediensteten der mitbeteiligten Stadtgemeinde geführt worden seien bzw. im Protokollbuch des Siedlervereines Eintragungen bzw. Unterlagen nicht auffindbar seien. Für die "Mühlsiedlung-Ost" seien zwar mehrere Baubewilligungen erteilt worden, eine solche fehle jedoch für das Gebäude der Beschwerdeführerin. Für die Aufsichtsbehörde sei daher nachvollziehbar, dass keine Baubewilligung vorliege und auch der diesbezügliche Bauakt der mitbeteiligten Stadtgemeinde "nicht verschwunden sein kann". Hiefür spreche noch, dass eine nachträgliche Baubewilligung wegen Widerspruches zu gesetzlichen Bestimmungen nicht erteilt hätte werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht "auf richtige Anwendung des § 23 NÖ Bauordnung 1996" verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. In der Beschwerde wird ausgeführt, obwohl die Beschwerdeführerin für die Behauptung, es liege eine Baubewilligung vor, Beweise - insbesondere die Einvernahme von Zeugen - angeboten habe, hätten die Baubehörden die beantragten Beweise nicht durchgeführt. Diesen Verfahrensmangel habe die belangte Behörde nicht aufgegriffen. Fest stehe, dass die Beschwerdeführerin im vom Bauauftrag betroffenen Gebäude seit Jahren mit Wissen und Akzeptanz der mitbeteiligten Stadtgemeinde wohne; diese habe hiefür sogar Grundsteuer eingehoben und als Eigentümerin einen Wasserzähler installiert und die aufgelaufenen Kosten für den Wasserverbrauch der Beschwerdeführerin in Rechnung gestellt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der hier zu beurteilende Bauauftrag wurde auf § 35 Abs. 2 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (BO) gestützt. Ein solcher Auftrag kann - mangels einer ausdrücklich anders lautenden Regelung - nur an den Eigentümer des betroffenen Bauwerkes erteilt werden. Nur diesen trifft die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues unabhängig davon, ob er selbst oder seine Rechtsvorgänger den konsenswidrigen Zustand durch ein schuldhaftes Verhalten herbeigeführt haben (siehe das hg. Erkenntnis vom 24. November 1998, Zl. 98/05/0125, BauSlg. Nr. 284/1998).
Ein Bauauftrag gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 BO kann u. a. nur dann erlassen werden, wenn für das betroffene Bauwerk keine Baubewilligung vorliegt.
Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren stets behauptet, es läge eine Baubewilligung vor; die Errichtung des Gebäudes sei mit Zustimmung und Wissen der Grundeigentümerin (mitbeteiligte Stadtgemeinde) erfolgt. Es habe eine Bauverhandlung mit dem damaligen, von der Beschwerdeführerin namentlich angeführten Bürgermeister stattgefunden. Die Einreichunterlagen seien vom Obmann und dem Schriftführer des Siedlungsvereines unterfertigt worden. Die Beschwerdeführerin legte auch ein "Erinnerungsprotokoll" ihrer Tochter vor, in welchem ausgeführt wird, dass der damals zuständige Vertreter der Baubehörde die Bauarbeiten überwacht habe. Die Baubehörden haben das Vorliegen einer Baubewilligung in den Bescheiden nur mit dem Hinweis verneint, in den Archiven lägen keine Unterlagen auf. Obwohl zur Frage des Bestehens einer Baubewilligung für das beschwerdegegenständliche Gebäude von der Beschwerdeführerin entsprechende Beweise angeboten worden sind, haben die Baubehörden von deren Durchführung Abstand genommen.
Die entscheidungswesentliche Frage, ob für das vom Bauauftrag betroffene Gebäude eine Baubewilligung vorliegt, kann abschließend jedoch erst beurteilt werden, wenn die hiefür maßgeblichen, insbesondere von der Beschwerdeführerin angebotenen Beweise (Einvernahme der Beschwerdeführerin und/oder ihrer Tochter, des damaligen Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei bzw. eines kundigen Vertreters der Baubehörde, sachkundiger Vertreter des Siedlungsvereines; Einsichtnahme in Urkunden wie z. B. Vereinsprotokolle, behördliche Aufzeichnungen und Protokolle) aufgenommen und gewürdigt worden sind.
Sollte das insoweit zu ergänzende Ermittlungsverfahren ergeben, dass tatsächlich eine Bauverhandlung stattgefunden hat, wird - sofern nicht Gegenteiliges hervorkommt - davon auszugehen sein, dass entsprechende Akten von der Baubehörde angelegt und Protokolle erstellt worden sind. Sollten in der Folge derartige Urkunden nicht aufgefunden werden, wird im Beschwerdefall nicht mehr angenommen werden können, dass die Archive vollständig sind. Für die Klärung der Frage, ob eine Baubewilligung vorliegt, wird möglicherweise auch erheblich sein, wann der nunmehr von der Baubehörde zu beachtende Bebauungsplan wirksam geworden ist und ob bei Erstellung desselben auf die tatsächliche Bebauung der vom Bauauftrag erfassten Grundstücke Rücksicht genommen worden ist.
Obwohl das Verfahren vor den Baubehörden aus den vorgenannten Gründen unvollständig geblieben ist, hat die belangte Behörde diesen entscheidungsrelevanten Verfahrensmangel nicht aufgegriffen. Sie belastete damit den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Im fortgesetzten Verfahren wird (werden) die Baubehörde(n) auch Feststellungen zu treffen haben, aus denen geschlossen werden kann, da die Beschwerdeführerin Eigentümerin des vom Bauauftrag erfassten Gebäudes ist, obwohl sie nicht Grundeigentümerin ist. Dabei wird insbes. zu berücksichtigen sein, dass der Bestandnehmer (von den Parteien hier als "Pächter" bezeichnet) in der Regel nicht Eigentümer des von ihm benutzten Bauwerkes (Gebäudes) ist. Gemäß § 297 ABGB gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf Grund und Boden in der Absicht ausgeführt werden, dass sie stets darauf bleiben sollen, insbesonders alles was erd-, mauer-, niet- und nagelfest ist. Für auf Dauer bestimmte Bauwerke werden unselbständige Bestandteile der Liegenschaft. Da die zwingenden Bestimmungen des § 297 ABGB nicht durch Parteienvereinbarung ausgeschaltet werden können und in dem der Beschwerde zu Grunde liegenden Bauauftragsverfahren - mangels näherer Ermittlungen durch die Behörde derzeit - nicht geklärt ist, ob das vom Auftrag erfasste Gebäude ein Superädifikat gemäß § 435 ABGB sein könnte, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, warum die Behörden in rechtlicher Hinsicht zur Schlussfolgerung kommen konnten, dass das vom Bauauftrag erfasste Gebäude im Eigentum der Beschwerdeführerin steht. Ein Superädifikat liegt nur dann vor, wenn dem Erbauer erkennbar die Belassungsabsicht fehlt, welche im Allgemeinen durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerkes hervortritt, aber auch aus anderen Umständen erschlossen werden kann (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 98/05/0236). Die Übertragung des Eigentums an einem Superädifikat bedarf einer Urkundenhinterlegung nach dem Urkundenhinterlegungsgesetz (siehe die hg. Erkenntnisse vom 16. September 1997, Zl. 97/05/0121, BauSlg. Nr. 199/1997, und vom 1. September 1998, Zl. 98/05/0080). Entscheidungserheblich wird daher insbesonders sein, auf Grund welcher Vereinbarung mit dem (damaligen) Grundstückseigentümer die Beschwerdeführerin das gegenständliche Gebäude errichtet hat und ob der Grundeigentümer von der Bauführung Kenntnis hatte.
Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 29. Jänner 2002
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