Normen
11997E220 EG Art220;
11997M006 EU Art6 Abs2;
61995CJ0299 Kremzow VORAB;
KFG 1967 §103 Abs2;
EMRK Art6;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
11997E220 EG Art220;
11997M006 EU Art6 Abs2;
61995CJ0299 Kremzow VORAB;
KFG 1967 §103 Abs2;
EMRK Art6;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeugs unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 5. Dezember 1997, zugestellt am 13. Dezember 1997, innerhalb der Frist von zwei Wochen eine ordnungsgemäße Auskunft zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 15. September 1997 um 02.47 Uhr an einem näher genannten Ort in Wien gelenkt habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begangen, weshalb über ihn gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Aus der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die an ihn gerichtete Anfrage wie folgt beantwortet hat:
"Sehr geehrter Herr M., zu dem von Ihnen benannten Zeitpunkt
war ich, ... (Name des Beschwerdeführers) und Frau G. K., beide
wohnhaft in ... (Anschrift dieser Personen), mit dem von Ihnen
benannten Kfz M.... (Kennzeichennummer) unterwegs. Leider kann ich
mich heute nicht mehr erinnern, wer von uns gefahren ist. Ich möchte Sie bitten, mich über den Grund Ihrer Anfrage aufzuklären."
In der Beschwerde macht der Beschwerdeführer u.a. geltend, er habe bereits in der Lenkerauskunft sowie in der aufgetragenen Stellungnahme vom 18. November 1998 bekannt gegeben, dass er nicht sagen könne, ob nun er oder seine Lebensgefährtin G. K. das Fahrzeug gelenkt habe. Dieses Vorbringen sei eindeutig als Einwand zu verstehen, dass den Beschwerdeführer keinerlei Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG an einer Nichterteilung der Lenkerauskunft treffe. Zum Beweis dieses mangelnden Verschuldens habe der Beschwerdeführer auch die Einvernahme der Zeugin K. beantragt. Diesen Antrag habe der Beschwerdeführer auch vor der belangten Behörde wiederholt. Der Beschwerdeführer sei deutscher Staatsbürger und lediglich durch Österreich gefahren. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer in seiner Lenkerauskunft vom 17. Dezember 1997 um Aufklärung über den Grund der Anfrage ersucht. Aus der Lenkerauskunft sei aber auch abzuleiten, dass Frau G. K. Auskunft erteilen könne, wer das Fahrzeug gelenkt habe. Zum Zwecke der Auskunftserteilung, wer das Fahrzeug seinerzeit gelenkt habe, habe der Beschwerdeführer die Einvernahme der Zeugin G. K. beantragt. Weder die erstinstanzliche Behörde, noch die belangte Behörde habe allerdings diesem Beweisantrag Folge gegeben und die Zeugin einvernommen.
Gemäß § 103 Abs. 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat.
Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der
betreffenden Person enthalten müssen, hat der
Zulassungsbesitzer ..... zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht
erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft
erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; ..... Die
Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht auch für den ausländischen Kraftfahrer die Verpflichtung, sich über die Rechtsvorschriften, die er bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu beachten hat, ausreichend zu unterrichten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 99/03/0294, m. w.N.). Für die Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG genügt fahrlässiges Verhalten (vgl. den hg. Beschluss vom 11. November 1992, Zl. 92/02/0301, m.w.N.).
Da es sich bei der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG handelt, wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 97/02/0249). Mit dem Hinweis, sich nicht mehr erinnern zu können, wer von den beiden namhaft gemachten Personen zum angefragten Zeitpunkt mit dem gegenständlichen Kraftfahrzeug gefahren sei, zeigt der Beschwerdeführer entgegen seiner Auffassung nicht auf, dass ihn "keinerlei Verschulden" im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG trifft. Allenfalls hätte der Beschwerdeführer zwecks Ermöglichung der Auskunftserteilung - wie in § 103 Abs. 2 KFG vorgesehen - entsprechende Aufzeichnungen über die Person des Lenkers zu führen gehabt.
Dass die vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeugin in der Lage gewesen wäre, das behauptete fehlende Verschulden des Beschwerdeführers unter Beweis zu stellen, ist in diesem Zusammenhang nicht einmal ansatzweise erkennbar, hatte es der Beschwerdeführer doch selbst zu verantworten, nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, die von ihm verlangte Auskunft zu erteilen. Der diesbezüglich gerügten unterlassenen Einvernahme dieser Zeugin durch die belangte Behörde fehlt es daher an der Wesentlichkeit.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde die genannte Zeugin in der gegenüber der Behörde erteilten Auskunft auch nicht "als Auskunftsperson" im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG namhaft gemacht. Aus der vom Beschwerdeführer erteilten Beantwortung ergibt sich somit weder - wie dies nach der Regelung des § 103 Abs. 2 KFG erforderlich ist - jene einzelne Person, die das Fahrzeug gelenkt hat (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. November 1992, Zl. 91/03/0294, m.w.N.), noch eine eindeutig bestimmte Person, die die Lenkerauskunft erteilen kann. Der gerügten unterlassenen Einvernahme der namhaft gemachten Zeugin fehlt es daher auch in diesem Zusammenhang an der Wesentlichkeit.
Ferner bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde führe in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, dass es sich der Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs entziehe, ob sich Österreich durch die Verfassungsbestimmung des § 103 Abs. 2 (letzter Satz) KFG konventionswidrig verhalte. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH habe das Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang vor dem gesamten staatlichen Recht einschließlich des staatlichen Verfassungsrechts. Die MRK sei nicht nur eine Konvention, welcher Österreich vor dem Beitritt zur EU beigetreten sei, sondern stelle auch Gemeinschaftsrecht dar. Dass die Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG eine Selbstbezichtigung enthalte, und somit auch den Bestimmungen des Art. 6 MRK widerspreche, habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach festgehalten. Art. 6 MRK widerspreche somit den Bestimmungen des Art. 103 Abs. 2 KFG. Es sei darauf hinzuweisen, dass durch den so genannten Anwendungsvorrang das Gemeinschaftsrecht das innerstaatliche Recht lediglich verdränge. Ein allfälliges innerstaatliches Recht werde hiedurch nicht "verfassungswidrig"; es bedeute dies lediglich, dass Gemeinschaftsrecht anzuwenden sei und nicht das innerstaatliche Recht. Demnach habe auch die belangte Behörde das dem innerstaatlichen Recht widersprechende Gemeinschaftsrecht ohne weitere Überprüfung anzuwenden. Die belangte Behörde hätte bei Beachtung des Anwendungsvorranges die Bestimmung des § 103 Abs. KFG nicht anwenden und den Beschwerdeführer diesbezüglich auch nicht verurteilen dürfen.
Nach Art. 6 Abs. 2 des EU-Vertrages achtet die Union die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Gewähr leistet sind und wie sie sich aus dem gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.
Gemäß Art. 220 des EG-Vertrages (kurz: EG) sichert der Gerichtshof die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrags. Wie bei Lenz, EG-Vertrag, Kommentar, 2. Auflage, RZ 32 zu Art. 220 EG, S. 1626, ausgeführt wird, wird der Ansatz von der Entwicklung gemeinschaftseigener Grundrechte über die Anerkennung allgemeiner Grundsätze im Vertrag über die Europäische Union (kurz: EUV) ausdrücklich aufgenommen (Art. 6 II EUV, ex-Art. F), "ohne dabei allerdings einen über den durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs hinausgehenden Grundrechtsschutz zu begründen."
Unter RZ 35 dieses Kommentars wird zu Art. 220 EG (S. 1627) angemerkt, dass an die Gemeinschaftsgrundrechte neben den Gemeinschaftsorganen auch die Mitgliedsstaaten, "soweit diese das Gemeinschaftsrecht durchführen", d.h. insbesondere bei der Umsetzung von Richtlinienbestimmungen oder beim Verwaltungsvollzug von Verordnungen (m.w.N. betreffend die Judikatur des EuGH), gebunden sind.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-299/95 (Friedrich Kremzow gegen Republik Österreich) u.a. ausgesprochen, dass der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren dann, wenn eine nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben hat, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung der Gerichtshof sichert und die sich insbesondere aus der Konvention ergeben. Dagegen besitzt er diese Zuständigkeit nicht hinsichtlich einer Regelung, die nicht in den Bereich des Gemeinschaftsrechts fällt (vgl. RNr. 15 dieses Urteils).
Es ist daher aus Art. 6 Abs. 2 EUV entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht ableitbar, dass die Rezeption der MRK in das Gemeinschaftsrecht durch den EUV bewirkt hätte, dass es zu einer generellen Verdrängung entgegenstehender nationaler Vorschriften (also über den Bereich der Vollziehung von Gemeinschaftsrecht hinaus) gekommen wäre. Die behauptete Rechtsverletzung liegt daher mangels Zusammenhang mit der Vollziehung von Gemeinschaftsrecht (vgl. in diesem Zusammenhang auch das zur Auskunftspflicht nach dem OÖ. Parkgebührengesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 26. April 1999, Zl. 97/17/0334) nicht vor.
Überdies hat die Europäische Kommission für Menschenrechte in der Entscheidung vom 5. September 1989 über die Beschwerden Nrn. 15.135/89, 15.136/89 und 15.137/89 (siehe ÖJZ 1990, S. 216) festgestellt, dass die Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG nicht gegen Art. 6 MRK (insbesondere nicht gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 MRK) verstößt.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 26. Mai 2000
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