Normen
SPG 1991 §16 Abs2;
SPG 1991 §16 Abs3;
SPG 1991 §74 Abs1;
SPG 1991 §74 Abs2;
SPG 1991 §16 Abs2;
SPG 1991 §16 Abs3;
SPG 1991 §74 Abs1;
SPG 1991 §74 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war im Zuge von gegen ihn insbesondere nach § 126 StGB geführten Ermittlungen - nach der Aktenlage am 15. April 1999 - erkennungsdienstlich behandelt worden. Nach Zurücklegung der im Gefolge der Ermittlungen erhobenen Strafanzeige durch die Staatsanwaltschaft Feldkirch gemäß § 90 Abs. 1 StPO beantragte er die Löschung der erkennungsdienstlichen Daten.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 5. Mai 2000 wurde dieser Antrag "gemäß § 74" Sicherheitspolizeigesetz - SPG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen § 126 StGB und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit angezeigt worden sei, weil er in Verdacht gestanden habe, in den Dieseltank eines Busses Salzsäure geschüttet und dadurch einen Schaden in der Höhe von ca. S 143.000,-- verursacht zu haben. Das Verfahren sei zwar in der Folge von der genannten Staatsanwaltschaft nach § 90 StPO eingestellt worden, doch bedeute diese Einstellung nicht, dass die gegen den Beschwerdeführer bestehende und für die Verarbeitung der Daten erforderliche Verdachtslage entkräftet worden sei, sondern lediglich, dass der Verdacht nicht habe erwiesen werden können. Ebenso wenig könne aus dieser für den Beschwerdeführer günstigen gerichtlichen Entscheidung abgeleitet werden, dass kein Verdacht mehr bestehe, dass er einen gefährlichen Angriff begangen habe. Daran vermöge auch die - im Folgenden die belangte Behörde wörtlich - "von Ihnen vertretene Auffassung vom Untersuchungsergebnis der kriminaltechnischen Zentralstelle nichts zu ändern, weil dies, folgt man Ihrer Meinung, einem Entlastungsbeweis gleichkäme und eventuell zu einem Freispruch geführt hätte, was aber nicht der Fall war". Weiters habe die Sicherheitsdirektion Vorarlberg (die erstinstanzliche Behörde) festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits 1992 vom Bezirksgericht Bregenz wegen Sachbeschädigung rechtskräftig verurteilt worden sei, weil er mit der Faust mehrmals auf die Motorhaube eines Jeep geschlagen und diese dadurch beschädigt habe. Auf Grund dieser konkreten Umstände iS des § 74 Abs. 2 SPG sei nach kriminalpolizeilichen Erfahrungswerten zu befürchten, dass der Beschwerdeführer weitere gefährliche Angriffe begehen werde. Diese Befürchtung basiere auf der allgemeinen (statistischen) Rückfallsvermutung, also dem Wissen darum, dass in einem statistisch nicht unerheblichen Maß einmal straffällig gewordene Personen neuerlich auffällig werden würden und die in Rede stehenden personenbezogenen Daten dazu geeignet seien, bei der Aufklärung strafbarer Handlungen, die derselbe Täter mit statistischer Wahrscheinlichkeit begehen werde, hilfreich zu sein. Hinzu komme das Wissen des Betroffenen, dass er auf Grund der über ihn gespeicherten Daten bei Begehung einer weiteren strafbaren Handlung eher mit einer Ausforschung rechnen müsse, wodurch eine spezialpräventive Wirkung erzielt werde.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 74 SPG lautet wie folgt:
"Löschen erkennungsdienstlicher Daten
auf Antrag des Betroffenen
§ 74. (1) Erkennungsdienstliche Daten, die gemäß § 65 Abs. 1 ermittelt wurden, sind, sofern nicht die Voraussetzungen des § 73 vorliegen, auf Antrag des Betroffenen zu löschen, wenn der Verdacht, der für ihre Verarbeitung maßgeblich ist, schließlich nicht bestätigt werden konnte oder wenn die Tat nicht rechtswidrig war.
(2) Dem Antrag ist nicht stattzugeben, wenn weiteres Verarbeiten deshalb erforderlich ist, weil auf Grund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen.
..."
Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, ob die belangte Behörde schon im Hinblick auf § 74 Abs. 1 SPG einen Löschungsanspruch des Beschwerdeführers verneinte. Völlig unverständlich sind ihre in diesem Zusammenhang in der Gegenschrift angestellten Überlegungen, dass die Ausführungen der kriminaltechnischen Zentralstelle das Gericht offensichtlich nicht zur Fällung eines Freispruches veranlasst hätten, woraus geschlossen werden könne, dass es von der Unschuld des Beschwerdeführers nicht überzeugt gewesen sei. Nach den im bekämpften Bescheid im Einklang mit der Aktenlage getroffenen Feststellungen war das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nach § 90 StPO eingestellt worden, was für weitere Erwägungen darüber, warum es zu keinem Freispruch gekommen sei, keinen Raum lässt.
Jedenfalls geht die belangte Behörde selbst davon aus, dass der der erkennungsdienstlichen Behandlung des Beschwerdeführers zugrunde liegende Verdacht nicht habe erwiesen werden können. Im Hinblick darauf kann nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes kein Zweifel daran bestehen, dass das Löschungsbegehren des Beschwerdeführers - vorbehaltlich des § 74 Abs. 2 SPG - berechtigt ist (vgl. das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 97/01/0623, in dem ausdrücklich festgehalten worden ist, dass bei "Nicht-Erweisbarkeit" des zur erkennungsdienstlichen Behandlung führenden Verdachtes die Löschung erkennungsdienstlicher Daten auf Antrag des Betroffenen vorgesehen ist; siehe zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/01/0233, auf dessen Begründung im Einzelnen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Auch § 74 Abs. 2 SPG steht indes dem gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers nicht entgegen. Dass er 1992 vom Bezirksgericht Bregenz wegen Sachbeschädigung rechtskräftig verurteilt worden ist, weil er - gemäß dem erstinstanzlichen Bescheid und in Übereinstimmung mit der Aktenlage am 24. August 1991 - mit der Faust mehrmals auf die Motorhaube eines Jeep geschlagen und diese dadurch beschädigt habe, kann nämlich in Anbetracht des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides seit der Tatbegehung verstrichenen Zeitraumes von nahezu neun Jahren nicht als konkreter Umstand verstanden werden, der die Befürchtung der Begehung gefährlicher Angriffe (siehe dazu § 16 Abs. 2 und 3 SPG) durch den Beschwerdeführer rechtfertigt; die von der belangten Behörde ins Treffen geführte allgemeine statistische Rückfallsvermutung hat sich beim Beschwerdeführer bislang offenbar gerade nicht verwirklicht, weshalb es einer besonderen Begründung bedürfte, weshalb nunmehr, nach langjährigem strafrechtlichen Wohlverhalten, mit einem derartigen Rückfall zu rechnen wäre. Die von der belangten Behörde herangezogene spezialpräventive Wirkung des Wissens des Beschwerdeführers über die Speicherung seiner Daten stellt für sich allein aber keinen vom Gesetz festgelegten Grund dar, von der Löschung der Daten abzusehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 2000/01/0061). Das hat die belangte Behörde verkannt, sodass der bekämpfte Bescheid auch im Hinblick auf § 74 Abs. 2 SPG keinen Bestand haben kann. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 2. Oktober 2001
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