VfGH V67/2024

VfGHV67/202411.3.2025

Auswerung in Arbeit

Normen

B-VG

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2025:V67.2024

 

Spruch:

I. Die Wortfolge "den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967 nachweist und" in §32 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich in der Fassung vom 1. Juli 2019, kundgemacht auf www.arztnoe.at am 5. Juni 2019, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für das Land Niederösterreich verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, irrtümlich auf Art139 Abs1 Z5 B‑VG, tatsächlich auf Art139 Abs1 Z6 B‑VG gestützten Antrag begehrt die Volksanwaltschaft, die Wortfolge "den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967 nachweist und" in §32 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich, kundgemacht auf www.arztnoe.at , als gesetzwidrig aufzuheben.

 

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (im Folgenden: Satzung WFF), kundgemacht auf www.arztnoe.at , (betreffend den die hervorgehobene angefochtene Wortfolge enthaltenden §32 Abs2 in der am 1. Juli 2019 in Kraft getretenen Fassung des Beschlusses der erweiterten Vollversammlung vom 5. Juni 2019) lautet auszugsweise:

 

"[…]

§32

Kinderunterstützung

(1) Kindern von Beziehern einer Grundrente ist bis zur Erlangung der Volljährigkeit eine Kinderunterstützung zu gewähren.

(2) Über die Volljährigkeit hinaus ist eine Kinderunterstützung zu gewähren, wenn die betreffende Person den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967 nachweist und

a) sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet;

b) wegen körperlicher oder psychischer Krankheiten oder Störungen erwerbsunfähig ist, wenn dieser Zustand seit Erlangung der Volljährigkeit oder im unmittelbaren Anschluss an die Berufs- oder Schulausbildung besteht, solange dieser Zustand andauert.

 

[…]

 

§36

Waisenversorgung

(1) Sind bei Waisen die Voraussetzungen des §32 gegeben, gebührt eine Waisenversorgung.

(2) Die Waisenversorgung beträgt für jede Halbwaise 10% der Alters- oder Invaliditätsversorgung wegen dauernder Berufsunfähigkeit, die dem (der) Verstorbenen im Zeitpunkt seines (ihres) Ablebens gebührt hat oder gebührt hätte.

(3) Entfällt

(4) Die Waisenversorgung für jede Vollwaise beträgt 20% der Alters- oder Invaliditätsversorgung wegen dauernder Berufsunfähigkeit, die dem (der) Verstorbenen im Zeitpunkt seines (ihres) Ablebens gebührt hat oder gebührt hätte.

(5) Sind mehrere Waisen vorhanden, darf die Waisenversorgung insgesamt das Zweifache der Alters- oder Invaliditätsversorgung nicht übersteigen.

 

[…]"

 

2. Das Ärztegesetz 1998, BGBl I 169, idF BGBl I 21/2024 (in der Folge: ÄrzteG 1998) lautet auszugsweise:

 

"[…]

 

§101. (1) Kindern von Empfängern einer Alters- oder Invaliditätsversorgung ist bis zur Erlangung der Volljährigkeit eine Kinderunterstützung zu gewähren.

 

(2) Über die Volljährigkeit hinaus ist eine Kinderunterstützung zu gewähren, wenn die betreffende Person

1. das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, solange sie sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet;

2. wegen körperlicher oder psychischer Krankheiten oder Störungen erwerbsunfähig ist, wenn dieser Zustand seit Erlangung der Volljährigkeit oder im unmittelbaren Anschluss an die Berufs- oder Schulausbildung besteht, solange dieser Zustand andauert."

 

(3) Ein Anspruch auf Kinderunterstützung besteht nicht

1. für Volljährige, die selbst Einkünfte gemäß §2 Abs3 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl Nr 400, - ausgenommen die durch das Gesetz als einkommensteuerfrei erklärten Einkünfte und Entschädigungen aus einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis - beziehen, sofern diese den im §5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl Nr 376, jeweils festgesetzten Betrag übersteigen;

2. bei Verehelichung oder bei Begründung einer eingetragenen Partnerschaft.

 

(4) Das Ausmaß der Kinderunterstützung ist unter Bedachtnahme auf §108a Abs1 in der Satzung festzusetzen.

 

[…]

 

§103. (1) Waisenversorgung gebührt bei Vorliegen der im §101 Abs1 bis 3 festgesetzten Voraussetzungen.

(2) Die Waisenversorgung beträgt

1. für jede Halbwaise mindestens 10 vH,

2. für jede Vollwaise mindestens 20 vH

der Alters- oder Invaliditätsversorgung, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt seines Ablebens gebührt hat oder gebührt hätte.

 

[…]

 

§116. In der Satzung sind auf Grund der §§96 bis 115 nähere Vorschriften über die Verwaltung der Fondsmittel, die Zusammensetzung des Verwaltungsausschusses, die Tätigkeit des Überprüfungsausschusses und schließlich über die Höhe, die Festlegung der Voraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung der vorgesehenen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen zu treffen. Nähere Vorschriften über die Aufbringung der Wohlfahrtsfondsbeiträge sind in der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds zu treffen.

 

[…]"

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Volksanwaltschaft beschloss in ihrer Kollegiumssitzung am 5. August 2024, den mit 8. August 2024 datierten, zur hg. Zahl V67/2024 protokollierten Antrag zu stellen.

1.1. Darin bringt die Volksanwaltschaft folgende Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung vor:

 

"3. Darlegung der Bedenken:

Die angefochtenen Satzungsteile des §32 Abs2 der Satzung WFF in der ab 1. Jänner 2024 gültigen Fassung sind nach Auffassung der Volksanwaltschaft infolge Widerspruchs zu §§103 Abs1 i.V.m. 101 Abs2 Ärztegesetz 1998, BGBl I Nr 169/1998 i.d.F. BGBl I Nr 21/2024, aus folgenden Gründen gesetzwidrig im Sinne des Art139 Abs1 Z5 B‑VG:

3.1. Wie der VfGH mehrfach ausgesprochen hat, darf der Verordnungsgeber nur solche Regelungen treffen, die in der gesetzlichen Ermächtigung Deckung finden (siehe zB VfSlg 20256/2018). Gemäß Art18 Abs2 B‑VG kann jede Verwaltungsbehörde auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. Art18 Abs2 B‑VG unterstreicht diese Gesetzesabhängigkeit (auch) der Verordnungen, indem er betont, dass diese nur 'auf Grund der Gesetze' erlassen werden können, was mit anderen Worten heißt, dass eine Verordnung nur präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen schon im Gesetz vorgezeichnet ist (siehe zB VfSlg 20369/2020).

Das muss selbstredend auch für Verordnungen der Selbstverwaltung gelten. Der Verordnungsgeber ist an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Nach dem Stufenbau der Rechtsordnung vermag eine Verordnung in gesetzeskonformer Weise ein Gesetz lediglich zu konkretisieren, nicht jedoch in dem Gesetz klar und eindeutig enthaltenen Anordnungen zu widersprechen.

3.2. Bei der antragsgegenständlichen Verordnung handelt es sich um eine Durchführungsverordnung. Der erste Satz des §116 Ärztegesetz enthält die ausdrückliche Ermächtigung zur Erlassung einer Durchführungsverordnung, demnach in 'der Satzung auf Grund der §§96 bis 115 nähere Vorschriften über ... die Festlegung der Voraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung der vorgesehenen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen zu treffen [sind]'.

Der Gesetzgeber bestimmt in den §§103 Abs1 i.V.m. 101 Abs2 Z1 Ärztegesetz zunächst grundlegend, 'über die Volljährigkeit hinaus ist eine' Waisenversorgung 'zu gewähren, wenn die betreffende Person das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, solange sie sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet'. Damit sieht der Gesetzgeber ausdrücklich vor, dass ein Anspruch auf Waisenversorgung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres besteht, wenn sich der Betroffene in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet. Das auf dem Boden dieser Gesetzeslage erlassene Statut der WFF hat dieser Altersgrenze vorbehaltlos zu entsprechen, zumal sie der Gesetzgeber im Gesetztext selbst ausdrücklich festgelegt hat.

In §§36 Abs1 i.V.m. 32 Abs2 lita der Satzung des WFF wird jedoch – entgegen dieser klaren gesetzlichen Anordnung – für die Gewährung der Waisenversorgung zusätzlich auf einen Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 abgestellt, wonach die maximale Bezugsdauer für die Familienbeihilfe mit der Vollendung des 24. bzw unter bestimmten Voraussetzungen mit der Vollendung des 25. Lebensjahres begrenzt ist. Die Einschränkung der Gewährung einer Waisenversorgung mit dem Verweis auf den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967 findet weder in den §§103 i.V.m. 101 Abs2 Z1 Ärztegesetz noch einer sonstigen Bestimmung dieses Gesetzes Deckung. Der Satzungsgeber überschreitet durch die Wortfolge 'den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967, nachweist und' in §32 Abs2 der Satzung WFF seine durch die Verordnungsermächtigung des §116 Ärztegesetz gezogenen Grenzen, wenn er – wie hier – die in Rede stehende Verordnungsermächtigung dergestalt (miss)versteht. Die gegenständliche Satzung steht im Hinblick auf den Anspruch auf Waisenversorgung mit der gesetzlichen Grundlage in einem klaren Widerspruch, weil diese in ihrem klaren Wortlaut die Gewährung der Leistung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres (mit Ausnahme der Einschränkungen in §101 Abs3 Ärztegesetz) vorsieht. Die gegenständliche Satzung ist daher gesetzeswidrig, da die im Gesetz selbst festgelegten Anforderungen durch die Satzung nicht erfüllt werden.

[…]

3.4. Nach Auffassung der Volksanwaltschaft ist die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge ausreichend, um eine in Ansehung der vorgetragenen Bedenken – der gesetzwidrigen Beschneidung der normierten Leistungsansprüche – gesetzeskonforme Rechtslage herzustellen. Die Verordnung würde diesfalls zwar keine explizite Altersgrenze betreffend das Höchstalter einer möglichen Leistungsgewährung enthalten, doch könnte diese dem §101 Abs2 Z1 Ärztegesetz entnommen werden.

3.5. Die Volksanwaltschaft beantragt daher im Interesse der Herstellung einer gesetzeskonformen Rechtslage gemäß Art139 Abs1 Z5 B‑VG die Aufhebung der Wortfolge 'den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967, nachweist und' in §32 Abs2 der Satzung WFF wegen Gesetzwidrigkeit infolge Widerspruchs zu den §§103 Abs1 i.V.m. 101 Abs2 Ärztegesetz 1998, BGBl I Nr 169/1998 i.d.F. BGBl I Nr 21/2024."

2. Die erweiterte Vollversammlung der Ärztekammer für Niederösterreich legte den Verordnungsakt vor. Die Ärztekammer für Niederösterreich erstattete eine Äußerung, in der sie den Bedenken der Volksanwaltschaft im Wesentlichen wie folgt entgegentritt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen und Nachweise):

 

"1 ZUR ANTRAGSLEGITIMATION

Die Volksanwaltschaft stützt ihren Normenkontrollantrag auf Art139 Abs1 Z5 B‑VG. Nach dieser Bestimmung erkennt der VfGH über die Gesetzeswidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde auch auf Antrag einer Landesregierung oder der Volksanwaltschaft.

Gemäß §65 Abs1 ÄrzteG ist für den räumlichen Bereich eines jeden Bundeslandes eine Ärztekammer eingerichtet (sog 'Landesärztekammern'). Die Landesärztekammern sind Körperschaften öffentlichen Rechts (Abs2 leg cit), denen im eigenen Wirkungsbereich die Erlassung bestimmter Beschlüsse und Verordnungen, wie eben etwa der Satzung des Wohlfahrtsfonds, obliegt (§66a Abs2 leg cit). Die Landesärztekammern sind kompetenzrechtlich in Art11 Abs1 Z2 B‑VG ('berufliche Vertretungen, soweit sie nicht unter Art10 fallen') und eben gerade nicht in Art10 Abs1 Z8 B‑VG ('Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken') geregelt. Damit sind die Landesärztekammern in Gesetzgebung Bundessache und in Vollziehung Landessache.

Die Landesärztekammern sind sohin im Rahmen der Landesvollziehung eingerichtet und leiten daraus [i]hre Behördeneigenschaft ab.

Die ÄK NÖ stellt daher eine Landesbehörde und somit jedenfalls keine Bundesbehörde iSd Art139 Abs1 Z5 B‑VG dar. Somit handelt es sich bei der Satzung auch um keine Verordnung einer Bundesbehörde, die der Normenkontrolle gemäß Art139 Abs1 Z5 B‑VG unterliegt. Mangels Antragslegitimation ist der Antrag der Volksanwaltschaft daher zurückzuweisen.

Sollte der VfGH hingegen anderer Auffassung sein und den Antrag zulassen, wird in inhaltlicher Sicht wie folgt ausgeführt:

2 ZUM ANTRAG

Die Volksanwaltschaft beantragt die Aufhebung der Wortfolge 'den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967, nachweist und' in §32 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich in der ab 1. Jänner 2024 gültigen Fassung (kurz 'Satzung').

Nach Auffassung der Volksanwaltschaft widerspreche dieser – im eigenen Wirkungsbereich der ÄK NÖ erlassene – Verordnungs- bzw Satzungsteil den §§103 Abs1 iVm 101 Abs2 Z1 ÄrzteG und finde auch sonst in keiner Bestimmung dieses Gesetzes Deckung.

[…]

Aus den dargestellten Verweisnormen ergibt sich, dass die Bestimmungen des §32 Satzung und §101 Abs1 bis 3 ÄrzteG betreffend die Kinderunterstützung auch für die Waisenversorgung gelten. Eine Aufhebung der angefochtenen Wortfolge würde sohin die Kinderunterstützung und die Waisenversorgung gleichermaßen betreffen. Die Ausführungen in dieser Stellungnahme gelten somit für beide Versorgungsleistungen gleichermaßen.

Die Volksanwaltschaft geht davon aus, dass die Satzung durch die Einschränkung der Gewährung der Waisenversorgung auf den Bezug der Familienbeihilfe, die maximal mit Vollendung des 24. bzw unter bestimmten Voraussetzungen mit der Vollendung des 25. Lebensjahres begrenzt sei, in einem klaren Widerspruch zum ÄrzteG stehe, das die Gewährung der Leistung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres (mit Ausnahme der Einschränkungen in §101 Abs3 ÄrzteG) vorsehe. Weiters vermeint die Volksanwaltschaft, dass die ÄK NÖ dadurch die in der Verordnungsermächtigung des §116 ÄrzteG gezogenen Grenzen überschreite.

Dabei verkennt die Volksanwaltschaft jedoch Folgendes:

2.1 GESETZESKONFORME AUSGESTALTUNG DES §32 ABS 2 DER SATZUNG

Stellt man allein auf den Wortlaut des §101 Abs2 Z1 ÄrzteG ab, vermag es zunächst einleuchtend sein, dass der angefochtene Satzungsteil gesetzeswidrig sein könnte. Schließlich knüpft die gesetzliche Bestimmung anders als §32 Abs2 der Satzung den Bezug der Kinderunterstützung über die Volljährigkeit hinaus überhaupt an keine Leistungsnachweise betreffend die ausgeübte Schul- oder Berufsausbildung.

Neben den §103 Abs1 iVm §101 Abs1 bis 3 ÄrzteG enthält jedoch §116 ÄrzteG weitere Vorgaben für die nähere Ausgestaltung der verfahrensgegenständlichen Versorgungsleistungen in der Satzung. Gemäß §116 Satz 1 leg cit sind in der Satzung auf Grund der §§96 bis 115 nähere Vorschriften über die Verwaltung der Fondsmittel, die Zusammensetzung des Verwaltungsausschusses, die Tätigkeit des Überprüfungsausschusses und schließlich über die Höhe, die Festlegung der Voraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung der vorgesehenen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen zu treffen.

Diese Bestimmung sieht also eine umfassende Verordnungsermächtigung vor, die den Satzungsgeber dazu ermächtigt, 'nähere Vorschriften' ua über die Höhe und die Festlegung der Voraussetzungen für die Gewährung von Versorgungsleistungen zu erlassen. Der durch die Verordnungsermächtigung des §116 leg cit eingeräumte Ermessensspielraum lässt der jeweiligen Landesärztekammer innerhalb ihres eigenen Wirkungsbereichs ausreichend Raum, um bei Satzungsbestimmungen auf die innerhalb des Selbstverwaltungskörpers bestehenden Besonderheiten Bedacht zu nehmen. Wenn §116 ÄrzteG auch und ausdrücklich von der Festlegung der Voraussetzungen spricht, wird daraus auch schon ein weiter Spielraum ersichtlich, der auch zusätzliche (im Gesetz nicht ausdrücklich definierte) Voraussetzungen miteinschließt – andernfalls hätte die Verordnungsermächtigung in diesem Teil ja keinen Anwendungsbereich! Schließlich sind die Landesärztekammern von Gesetzes wegen berufen, die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ärzte wahrzunehmen und zu fördern (§66 Z1 ÄrzteG).

Dabei obliegt ihnen im eigenen Wirkungsbereich die Versorgung und Unterstützung der Kammerangehörigen und deren Hinterbliebenen durch Errichtung und Betreibung von Wohlfahrtsfonds (§66a Abs1 Z7 ÄrzteG). Für die finanzielle Sicherstellung der Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds sind unter Berücksichtigung seiner Erfordernisse, seines dauernden Bestandes und seiner Leistungsfähigkeit Wohlfahrtsfondsbeiträge einzuheben (§108a Abs1 leg cit), aus denen dann die Versorgungs- und Unterstützungsleistungen iSd §§98 ff leg cit zu gewähren (vgl §96 Abs3 leg cit) sind.

Die Landesärztekammern haben also bei der Einrichtung ihrer Versorgungssysteme und Erlassung der entsprechenden Satzungsbestimmungen die Bedürfnisse der Kammerangehörigen zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem dann, wenn in den gesetzlichen Regelungen – wie eben hier in §101 Abs2 ÄrzteG – nicht ausreichend Vorsorge getroffen wird. Die ÄK NÖ ist – unter Berücksichtigung der weitreichenden Verordnungsermächtigung des §116 ÄrzteG – der Auffassung, dass die Modalitäten der Festlegung der Kinderunterstützung, wie derzeit in §32 Abs2 der Satzung vorgesehen, aus den folgenden Gründen gesetzeskonform und auch notwendig ist:

Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (kurz 'FLAG') zielt unter anderem darauf ab, Schüler, Studierende und sonstige Auszubildende bzw deren Familien dabei (finanziell) zu unterstützen, ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Diese Hilfe richtet sich jedoch an Personen, die aktiv am Abschluss ihrer Ausbildung arbeiten. Der Gesetzgeber möchte vermeiden, dass die Familienbeihilfe als allgemeines Einkommen betrachtet wird und unbefristet weiterfließt, ohne dass ein Fortschritt bei der Ausbildung erkennbar ist. Entsprechende Leistungsnachweise über den Ausbildungsfortschritt sind eine faire Bedingung, um sicherzustellen, dass die Förderungsleistung ihrem Zweck gerecht wird.

Um ungerechtfertigte Vorteilsgewährungen – zB für erfolglose Studierende, die keinen Studienfortschritt erzielen und anstatt dessen längst einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnten – zu verhindern und damit dem gesetzlichen Auftrag der (insb. wirtschaftlichen) Interessenswahrung sowie Versorgung und Unterstützung der Kammerangehörigen hinreichend nachzukommen, ist es notwendig, die Kinderunterstützung gemäß §32 Abs2 der Satzung an den Bezug der Familienbeihilfe nach dem FLAG zu koppeln. Dies gilt umso mehr auch vor dem Hintergrund, dass die Kinderunterstützung durch die Beitragszahlungen aller Kammerangehörigen finanziert wird; eine leistungsunabhängige Gewährung (über die Volljährigkeit hinaus) würde die beitragszahlenden Kammerangehörigen daher jedenfalls ungebührlich und in unverhältnismäßiger Weise belasten. Im Lichte der weitreichenden Verordnungsermächtigung des §116 ÄrzteG – die die Landesärztekammern ermächtigt, bei der Satzungsgebung auf die Bedürfnisse ihrer Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen – steht daher §32 Abs2 der Satzung in seiner aktuellen Fassung jedenfalls nicht im Widerspruch zu §101 Abs2 ÄrzteG, sondern legt nur weitere Modalitäten für die Gewährung der Kinderunterstützung fest; vielmehr ist die Satzungsbestimmung vom Willen des Gesetzgebers sowie auch des Satzungsgebers (im eigenen Wirkungsbereich der ÄK NÖ) getragen. Die hier angefochtene Satzungsregelung verlässt auch nicht den der ÄK NÖ eingeräumten eigenen Wirkungsbereich der Selbstverwaltung.

Schon aus diesem Grund ist §32 Abs2 der Satzung in seiner ab 1.1.2024 geltenden Fassung gesetzeskonform und folglich die Wortfolge 'den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967, nachweist und' nicht aufzuheben.

2.2 VERSÄUMTE ANPASSUNG DES ÄRZTEG AN DAS FLAG 1967

Der §101 Abs2 ÄrzteG, der einen Bezug der Kinderunterstützung bis zum 27. Lebensjahr vorsieht, ohne neben einer aufrechten Ausbildung weitere Voraussetzungen ausdrücklich vorzusehen, basiert zwar ursprünglich auf den Normen des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG), wurde allerdings an dessen spätere Änderungen offenkundig nicht angeglichen. So bestand nach der Stammfassung des FLAG ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Auszubildende umfassend bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres (ohne die heutigen Einschränkungen in Bezug auf Leistungsnachweise). Die einschlägige Bestimmung des §2 Abs1 litb FLAG 1967 lautete wie folgt: 'Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, ...'

Der Bezug der Kinderunterstützung und der Waisenversorgung ist und wurde schon im ÄrzteG 1984 unter den gleichen Voraussetzungen – nämlich bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres und bei Absolvierung einer Ausbildung (ohne Leistungsnachweise) – ermöglicht. So lautete §67 Abs2 Z1 ÄrzteG 1984 wie folgt:

'Über die Vollendung des 19. Lebensjahres hinaus ist eine Kinderunterstützung zu gewähren, wenn die betreffende Person das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, solange sie sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet; ...'

Historisch betrachtet handelt es sich also um zwei inhaltlich gleichartige bzw sehr ähnliche Bestimmungen, die beide denselben sozialpolitischen Zweck verfolgen. Im FLAG wurde allerdings durch Novellierungen schrittweise das Bezugsalter gesenkt und die Gewährung der Familienbeihilfe an die Erbringung von Leistungsnachweisen nach dem Studienförderungsgesetz geknüpft.

Anderes gilt für das ÄrzteG: Der einschlägige §67 Abs2 Z1 ÄrztG 1984 wurde in §101 Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 übernommen und ist bis heute – von einer geringfügigen formalen Änderung abgesehen – unverändert aufrecht. So wurde insb. die erste (im Rahmen des Strukturanpassungsgesetz 1996 umgesetzte) größere Novelle des FLAG vom (Ärzterechts-)Gesetzgeber bei der Schaffung des ÄrzteG 1998 nicht berücksichtigt; da diese beiden Gesetzgebungsprozesse in etwa zeitgleich stattfanden, ergibt sich der Eindruck, als sei die Nichtanpassung des §101 Abs2 Z1 ÄrzteG an das FLAG allein auf ein Versäumnis des Gesetzgebers zurückzuführen.

Dies widerspricht auch der Gesetzgebungstendenz der letzten Jahrzehnte auf Bundesebene, die durch die Senkung der Volljährigkeitsgrenze und des Wahlalters sowie die aktuelle Diskussion um eine niedrigere Strafmündigkeit darauf abzielt, Verantwortung auf jüngere Altersgruppen zu übertragen.

Somit ist §101 Abs2 Z1 ÄrzteG auch historisch, teleologisch und systematisch – und nicht rein nach seinem Wortlaut – zu interpretieren und folglich im Lichte des aktuellen FLAG auszulegen. Auch hieraus folgt, dass die in §32 Abs2 der Satzung vorgesehenen weiteren Voraussetzungen betreffend Bezug der Familienbeihilfe nicht im Widerspruch zum ÄrzteG stehen, weil sie vom selben Regelungsgedanken getragen sind. Daher ist die Wortfolge 'den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967, nachweist und' nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

[…]"

 

3. Die Niederösterreichische Landesregierung legte den auf die Satzung WFF bezughabenden Akt vor, nahm von der Erstattung einer Äußerung jedoch Abstand.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

Nach Art139 Abs1 Z6 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof auf Antrag der Volksanwaltschaft über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Landesbehörde, wenn landesverfassungsgesetzlich die Volksanwaltschaft auch für den Bereich der Verwaltung des betreffenden Landes für zuständig erklärt wurde (Art148i Abs1 leg. cit.). Für den Bereich des Landes Niederösterreich geschah dies mit §1 des Landesverfassungsgesetzes über die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft für den Bereich der Verwaltung des Landes Niederösterreich, LGBl für Niederösterreich 0003‑0. Da Art139 Abs1 Z5 u. 6 B‑VG sowie Art148i Abs1 leg. cit. in einem funktionellen Sinne zu verstehen sind (vgl VfSlg 14.593/1996; s. auch AB 421 BlgNR 14. GP , 2; vgl auch Kucsko-Stadlmayer, Art148i B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 12. Lfg. 2016, Rz 7), erweist sich Art139 Abs1 Z6 leg. cit. als zutreffende Grundlage für die Anfechtung der Verordnung. Dass die Volksanwaltschaft ihren Antrag dementgegen irrtümlich auf Art139 Abs1 Z5 leg. cit. stützt, führt nicht zu dessen Unzulässigkeit.

Sohin erweist sich – da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind – der Antrag der Volksanwaltschaft als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. In ihrem Antrag äußert die Volksanwaltschaft das Bedenken, §32 der Satzung WFF stehe im Widerspruch zu §101 Abs2 sowie §103 Abs1 ÄrzteG 1998:

Die §§103 Abs1 iVm 101 Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 bestimmten grundlegend, dass über die Volljährigkeit hinaus eine Waisenversorgung zu gewähren sei, wenn die betreffende Person das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, solange sie sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet. Damit sei ausdrücklich vorgesehen, dass bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen ein Anspruch auf Waisenversorgung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres bestehe. Bei der Satzung WFF handle es sich – wie sich aus §116 ÄrzteG 1998 ergebe – um eine Durchführungsverordnung; diese habe daher den Vorgaben des ÄrzteG 1998 vorbehaltlos zu entsprechen. Entgegen diesen Vorgaben werde jedoch in der Satzung WFF für die Gewährung der Waisenversorgung auf einen Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl 376 (im Folgenden: FLAG) abgestellt, der grundsätzlich mit der Vollendung des 24., in besonderen Fällen des 25. Lebensjahres begrenzt sei. Damit überschreite der Verordnungsgeber die ihm vom Gesetz gezogenen Grenzen, da die somit vorgenommene zeitliche Beschränkung eines Anspruches auf Kinderunterstützung und Waisenversorgung in klarem Widerspruch zu §103 Abs1 iVm §101 Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 stehe.

2.3. In ihrer Äußerung hält die Ärztekammer für Niederösterreich diesem Bedenken im Wesentlichen entgegen, dass zum richtigen Verständnis der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nicht isoliert auf den Wortlaut des §101 Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 abgestellt werden dürfe:

Die Landesärztekammern seien von Gesetzes wegen berufen, die gemeinsamen, beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ärzte wahrzunehmen und zu fördern. Dabei obliege ihnen im eigenen Wirkungsbereich die Versorgung und Unterstützung der Kammerangehörigen und deren Hinterbliebenen durch Errichtung und Betreibung von Wohlfahrtsfonds. Die Landesärztekammern hätten bei der Einrichtung ihrer Versorgungssysteme die Bedürfnisse der Kammerangehörigen zu berücksichtigen. Dies gelte vor allem dann, wenn in den gesetzlichen Regelungen – wie im vorliegenden Fall – dafür nicht ausreichend Vorsorge getroffen werde.

Demgemäß enthalte §116 leg. cit. eine umfassende Verordnungsermächtigung, die sich ausdrücklich auch auf die Festlegung von Voraussetzungen für die vorgesehenen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen beziehe und aus der sich ein weiter Ermessensspielraum des Satzungsgebers erschließen lasse, dafür auch zusätzliche, im Gesetz nicht ausdrücklich definierte Voraussetzungen vorzusehen. Im Lichte dieser Ermächtigung stehe §32 Abs2 Satzung WFF nicht im Widerspruch zu §101 Abs2 ÄrzteG 1998. Die angefochtene Satzungsregelung überschreite auch den der Ärztekammer für Niederösterreich eingeräumten eigenen Wirkungsbereich nicht.

Weiters sei darauf hinzuweisen, dass die gegenwärtige Bestimmung des §101 Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 nicht als Ergebnis einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers anzusehen sei. Auch das Bezugsalter der Familienbeihilfe nach dem FLAG sei ursprünglich mit der Vollendung des 27. Lebensjahres begrenzt gewesen, dieses sei aber kontinuierlich gesenkt worden. Dass eine solche Senkung in den Bestimmungen des ÄrzteG 1998 nicht parallel dazu ebenso erfolgte, sei allein auf ein Versäumnis des Gesetzgebers zurückzuführen.

2.4. Das Bedenken der Volksanwaltschaft trifft im Ergebnis zu:

§101 Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 normiert, dass Kindern von Empfängern einer Alters- oder Invaliditätsversorgung Kinderunterstützung dann über die Volljährigkeit hinaus zu gewähren ist, wenn die betreffende Person das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, solange sie sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden. Nach §103 Abs1 ÄrzteG 1998 gebührt Waisenversorgung bei Vorliegen der in §101 Abs1 bis 3 leg. cit. für die Leistung der Kinderunterstützung festgesetzten Voraussetzungen. Daraus folgt, dass – vorbehaltlich des Vorliegens einer Ausnahme gem. §101 Abs3 leg. cit. – volljährigen, in einer Schul- oder Berufsausbildung befindlichen (Halb-)Waisen Waisenversorgung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gebührt. Die Satzung WFF verknüpft die Bestimmungen betreffend die Kinderunterstützung und jene betreffend die Waisenversorgung in einer den dargestellten gesetzlichen Bestimmungen vergleichbaren Weise miteinander. Nach §32 Abs2 Satzung WFF ist Kinderunterstützung über die Volljährigkeit hinaus ua dann zu gewähren, wenn die betreffende Person den Bezug der Familienbeihilfe gemäß FLAG nachweist und sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet. §36 Abs1 Satzung WFF normiert, dass eine Waisenversorgung dann gebührt, wenn die Voraussetzungen des §32 Satzung WFF gegeben sind.

Das FLAG, auf das in den angeführten Bestimmungen der Satzung WFF Bezug genommen wird, begrenzt den Anspruch auf Familienbeihilfe für in Ausbildung befindliche volljährige Kinder grundsätzlich mit der Vollendung ihres 24. (vgl zB §2 Abs1 litb bzw §6 Abs2 lita FLAG), in bestimmten Fällen mit jener des 25. Lebensjahres (vgl zB §2 Abs1 litg bzw §6 Abs2 litf leg. cit.); ausnahmsweise ist eine Leistungsgewährung unter bestimmten Voraussetzungen auch für einen darüber hinausgehenden Zeitraum vorgesehen (vgl zB §2 Abs9 bzw §6 Abs7 leg. cit.).

Die in §32 Abs2 Satzung WFF verankerte Voraussetzung des Nachweises des Bezugs der Familienbeihilfe führt daher im Ergebnis dazu, dass die Leistungen der Kinderunterstützung sowie der Waisenversorgung für volljährige Kinder, die sich noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden, regelmäßig nicht bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gebühren, obwohl §101 Abs2 Z1 bzw §103 Abs1 ÄrzteG 1998 eine Leistungsgewährung bis zum Erreichen dieser Altersgrenze vorsehen.

Wenn die verordnungserlassende Behörde vorbringt, §116 ÄrzteG 1998 ermächtige zu einer solchen Regelung, übersieht sie, dass sich diese Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach lediglich auf die Normierung näherer Vorschriften auf Grund der §§96 bis 115 ÄrzteG 1998 unter anderem über die Festlegung der Voraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung der vorgesehenen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen bezieht. Hingegen lässt sich dieser Bestimmung keineswegs entnehmen, der Gesetzgeber gestehe der verordnungserlassenden Behörde darüber hinaus auch Abweichungen von in den angeführten Bestimmungen ausdrücklich verankerten Vorgaben – wie hier der Begrenzung der Bezugsberechtigung mit der Vollendung des 27. Lebensjahres ‑ im Rahmen der Satzung zu (s zur vergleichbaren Bestimmung des §82 ÄrzteG 1984 bereits VfSlg 14.917/1997; zur ähnlichen Bestimmung des §100 Abs3 ÄrzteG 1998 s. VfSlg 19.923/2014).

Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gesetz zumindest über die Zulässigkeit und die Grundsätze dieser Versorgung Auskunft zu geben hat (vgl dazu etwa VfSlg 16.206/2001, 16.900/2003, 16.902/2003, 18.074/2007, 18.660/2008, 19.579/2011; VfGH 1.12.2023, V211/2022, G260/2022). Solche Grundsätze werden mit §101 Abs2 Z1 bzw §103 Abs1 ÄrzteG 1998 aufgestellt; insoweit ist hier – in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise – der verordnungserlassenden Behörde ein zu beachtender Rahmen vorgegeben.

Schließlich vermag der Verfassungsgerichtshof auch nicht zu erkennen, wie mit der Behauptung, der Gesetzgeber habe es versäumt, die Voraussetzungen für Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds an jene für den Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem FLAG anzugleichen, die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Wortfolge begründet werden könnte, zumal der hier klare Wortlaut des ÄrzteG 1998 jede andere Auslegung verbietet. Im Übrigen kann nicht übersehen werden, dass, selbst wenn eine gewisse Parallelität ärztlicher Versorgungsleistungen zu anderen, ähnlichen Zwecken dienenden Leistungen ursprünglich angestrebt gewesen sein mag (vgl dazu ErläutRV 1261 BlgNR 11. GP , 10), diese Parallelität nach Absenkung der Altersgrenze im FLAG – beginnend mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 201 – durch den Bundesgesetzgeber bis heute und damit über einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren nicht (wieder-)hergestellt wurde. Vielmehr hat dieser im Jahr 1998 – und somit nach Absenkung des maximalen Bezugsalters im FLAG – im Zuge der Erlassung des ÄrzteG 1998 neuerlich eine Begrenzung des Leistungsanspruches mit der Vollendung des 27. Lebensjahres vorgenommen.

2.5. Aus diesen Gründen erweist sich die angefochtene Wortfolge "den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967 nachweist und" in §32 Abs2 Satzung WFF als gesetzwidrig.

V. Ergebnis

1. Die angefochtene Wortfolge "den Bezug der Familienbeihilfe gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376/1967 nachweist und" in §32 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich idF vom 1. Juli 2019, kundgemacht auf www.arztnoe.at am 5. Juni 2019, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Niederösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt für das Land Niederösterreich erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z6 Nö. VerlautbarungsG 2015.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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