VfGH V57/2024

VfGHV57/20243.10.2024

Aufhebung von Teilen eines Flächenwidmungsplans der Landeshauptstadt Graz, soweit damit die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung für ein bestimmtes Grundstück vorgeschrieben wird; Verletzung der Verpflichtung zur Erlassung eines Bebauungsplans binnen 18 Monaten durch den Gemeinderat gemäß dem Flächenwidmungsplan; Beendigung eines Verfahrens zur Erstellung oder Änderung von Bebauungsplänen nur durch Erlassung – nicht durch Verweigerung – eines Bebauungsplanes; langjährige Nichterlassung des Bebauungsplans stellt effektives Bauverbot und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkung dar

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z1
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
Stmk RaumOG 2010 §9 , §26, §40
Flächenwidmungsplan 4.0 der Landeshauptstadt Graz §4, Deckplan1
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:V57.2024

 

Spruch:

I. §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr 04/2018, wird, soweit damit für das Grundstück Nr .180/4, EZ 2952, KG 63125 Webling, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Steiermark verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, der Verfassungsgerichtshof möge "§4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 04/2018, soweit damit für das Grundstück Nr .180/4, EZ 2952, KG 63125 Webling, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird," als gesetzwidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. Die §§5 und 20 des Steiermärkischen Baugesetzes – Stmk BauG, LGBl 59/1995, idF LGBl 73/2023 lauten auszugsweise (ohne Hervorhebungen im Original):

"§5

Bauplatzeignung

 

(1) Eine Grundstücksfläche ist als Bauplatz für die vorgesehene Bebauung geeignet, wenn

1. eine Bebauung nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz zulässig ist,

2. – 6. […]

 

(2) […]

 

[…]

 

§20

Baubewilligungspflichtige Vorhaben im vereinfachten Verfahren

 

Für folgende baubewilligungspflichtige Vorhaben gelten die Bestimmungen des vereinfachten Verfahrens gemäß §33, soweit sich aus §§19 und 21 nichts anderes ergibt:

1. […]

2. die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von

a) – d) […]

e) Werbe- und Ankündigungseinrichtungen (Tafeln, Schaukästen, sonstige Vorrichtungen und Gegenstände, an denen Werbungen und Ankündigungen angebracht werden können, Bezeichnungen, Beschriftungen, Hinweise);

f) – k) […]

3. – 7. […]"

 

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 – StROG, LGBl 49/2010, idF LGBl 73/2023 lauten auszugsweise (ohne Hervorhebungen im Original):

"§26

Inhalt des Flächenwidmungsplans

 

(1) Der Flächenwidmungsplan hat das gesamte Gemeindegebiet räumlich zu gliedern und die Nutzungsart für alle Flächen entsprechend den räumlich-funktionellen Erfordernissen festzulegen. Dabei sind folgende Nutzungsarten vorzusehen:

 

1. Bauland,

2. Verkehrsflächen,

3. Freiland.

[…]

 

(2) – (3) […]

 

(4) Im Flächenwidmungsplan hat die Gemeinde jene Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland sowie jene Verkehrsflächen festzulegen, für die durch Verordnung Bebauungspläne zu erlassen sind (Bebauungsplanzonierung). Die Festlegungen sind bei der nächsten regelmäßigen Revision oder Änderung des Flächenwidmungsplanes im Flächenwidmungsplan zu treffen. Die Gemeinde kann überdies in der Bebauungsplanzonierung festlegen, dass bestimmte bauliche Anlagen bereits vor dem Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes baurechtlich bewilligt werden dürfen, wenn sich diese in die umgebende Bebauung einfügen, der Ensemblekomplettierung dienen und im Einklang mit den mit der Bebauungsplanung verfolgten Zielsetzungen stehen. Dazu sind Festlegungen hinsichtlich Lage, Größe, Höhe, Gestaltung und Funktion zu treffen. Bei jeder weiteren Fortführung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes sind die Bebauungsplanzonierung sowie der Inhalt der Festlegungen zu überprüfen.

 

(5) – (8) […]

 

[…]

 

§40

Bebauungsplanung

 

(1) Jede Gemeinde hat zur Umsetzung der im Flächenwidmungsplan festgelegten Bebauungsplanzonierung durch Verordnung Bebauungspläne zu erstellen und fortzuführen. Der Bebauungsplan besteht aus einer zeichnerischen Darstellung und einem Verordnungswortlaut. Zur Begründung ist ein Erläuterungsbericht zu erstellen.

 

(2) Mit der Bebauungsplanung ist eine den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzungen) anzustreben.

 

(3) […]

 

(4) Die Erlassung von Bebauungsplänen hat jedenfalls zu erfolgen:

1. Nach einer Änderung des Flächenwidmungsplanes zur Vermeidung oder Behebung von Widersprüchen zu übergeordneten Planungen der Gemeinde, zumindest im Anlassfall.

2. Zur Errichtung von Einkaufszentren. Ein begründeter Entfall ist bei bereits abgeschlossen bebauten Gebieten zulässig, wenn keine wesentliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes und der Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Die Aufstellung oder Fortführung eines Bebauungsplanes ist auch Voraussetzung für Änderungen an einem Einkaufszentrum, die eine Baubewilligung erfordern und auf den Flächenwidmungsplan und den Zweck der Bebauungsplanung von Einfluss sind. In der Bebauungsplanung sind unter anderem die gesetzlichen Regelungen für Einkaufszentren in Verbindung mit den Bestimmungen der Einkaufszentrenverordnung umzusetzen.

3. In einem Landschaftsschutzgebiet gemäß den naturschutzrechtlichen Bestimmungen, wenn die als Bauland, Sondernutzungen im Freiland sowie Verkehrsflächen ausgewiesenen, zusammenhängend unbebauten Grundflächen 3 000 m2 übersteigen, sofern kein räumliches Leitbild gemäß §22 Abs7 erlassen wurde.

4. Beim Erfordernis einer Grundumlegung.

5. Für Flächen, die nach den forstrechtlichen und wasserrechtlichen Bestimmungen als Gefahrenzonen ausgewiesen sind, wenn die als Bauland, Sondernutzungen im Freiland sowie Verkehrsflächen ausgewiesenen, zusammenhängend unbebauten Grundflächen 3 000 m² übersteigen.

 

(5) – (7) […]

 

(8) Für die Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland, für die gemäß §26 Abs4 Bebauungspläne zu erlassen sind, haben die Gemeinden spätestens im Anlassfall (z. B. Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen) Bebauungspläne zu erstellen. Dabei ist das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen. Baubewilligungen nach dem Steiermärkischen Baugesetz dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für Zubauten sowie für bauliche Anlagen, die entsprechend einer Festlegung im Flächenwidmungsplan gemäß §26 Abs4 vor der Erlassung eines Bebauungsplanes baurechtlich bewilligt werden dürfen, ist ein Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung ausreichend.

 

§41

Inhalt der Bebauungsplanung

 

(1) In den Bebauungsplänen sind jedenfalls ersichtlich zu machen und festzulegen (Mindestinhalt):

1. Ersichtlichmachungen:

a) – d) […]

2. Festlegungen:

a) Geltungsbereich: Abgrenzung des Planungsgebietes, Abgrenzung von Teilbereichen mit unterschiedlichen Festlegungen;

b) Verkehrsflächen der Gemeinde: Straßenfluchtlinien, Abgrenzung der öffentlichen Verkehrsfläche;

c) Regelungen für den ruhenden Verkehr: Grundsätze zur Art und Lage der Abstellflächen;

d) Freiflächen und Grünanlagen: Grundsätze zur Nutzung und Gestaltung;

e) private Verkehrsflächen: Grundsätze zur inneren Erschließung;

f) Bebauungsweise: offen, gekuppelt, geschlossen;

g) Höhenentwicklung der Gebäude: Maximalwerte zur Gesamthöhe von Gebäuden und/oder zu Gebäudehöhen;

h) Mindestabstand zu öffentlichen Verkehrsflächen;

i) bauliche Ausnutzbarkeit der Grundflächen: Erhöhung oder Verringerung der im Flächenwidmungsplan angegebenen Grenzwerte der Bebauungsdichte, Festlegung des Bebauungsgrades und des Grades der Bodenversiegelung.

 

(2) In den Bebauungsplänen können folgende zusätzliche Inhalte (fließend bis Maximalinhalt) festgelegt werden:

1. – 11. […]

12. Einfriedungen und Werbeanlagen: Vorschriften über Höhe, Ausbildung, Materialien, Beleuchtung;

13. unterirdische Gebäudeteile.

 

(3) Festlegungen in Bebauungsplänen, die Maßnahmen zum Gegenstand haben, die nicht den Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes unterliegen (z. B. Pflanzgebote), sind von den grundbücherlichen Eigentümern der im Planungsgebiet liegenden Grundstücke bis spätestens zum Ablauf eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Erteilung der Benützungsbewilligung betreffend die baulichen Anlagen auf dem jeweiligen Grundstück zu verwirklichen."

 

3. Die maßgebliche Bestimmung des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, beschlossen im Gemeinderat am 11. Mai 2017 und am 8. Februar 2018, genehmigt von der Steiermärkischen Landesregierung mit Bescheid vom 8. März 2018 und kundgemacht im Amtsblatt vom 22. März 2018, ABl. 04/2018, lautet (die gesamte Bestimmung ist als in Bezug auf das betreffende Grundstück angefochten hervorgehoben):

"§4

BEBAUUNGSPLANZONIERUNG

 

(1) Für Flächen, für die gemäß Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) eine Bebauungsplanung erforderlich ist, wird im Anlassfall ein Bebauungsplan erstellt. Baubewilligungen sowie Genehmigungen nach §33 nach dem Steiermärkischen Baugesetz 1995 dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für Zubauten ist ein Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung ausreichend.

 

(2) Gemäß §26 Abs26 des 4.0 Stadtentwicklungskonzeptes der Stadt Graz gilt Abs1 sinngemäß auch für Flächen mit bestehender oder angestrebter Blockrandbebauung in geschlossenen Siedlungsbereichen, für die zum Schutz der Innenhöfe und Vorgärten die Bebauungsplanpflicht festgesetzt ist, mit der Maßgabe, dass bei der Schließung von Baulücken und bei Zubauten ein raumplanerisches Gutachten genügt.

 

(3) Für Flächen mit zeitlich nachfolgend einsetzender Bebauungsplanpflicht gilt ebenfalls Abs1 sinngemäß.

 

(4) Innerhalb der festgelegten bebauungsplanpflichtigen Gebiete ist im Zuge der Bebauungsplanerstellung eine Unterteilung in städtebaulich zweckmäßige Planungsgebiete (Teilbebauungspläne) vorzunehmen.

 

(5) Die in der Bebauungsplanzonierung festgelegte Bebauungsplanpflicht für Vorbehaltsflächen tritt erst mit Einsetzen der zeitlich nachfolgenden Nutzung in Kraft. Für diese gilt dann Abs1 sinngemäß."

 

4. Der maßgebliche Bereich des Deckplanes 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz stellt sich wie folgt dar (das betreffende Grundstück ist türkis umrandet und rot schraffiert):

 

 

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2. Die Partei des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht (im Folgenden: beteiligte Partei), eine juristische Person des Privatrechtes, ist Eigentümerin des Grundstückes Nr .180/4, EZ2952, KG 63125 Webling, in Graz. Mit dem 4.0 Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz wurde ua für dieses, als "Bauland – Kerngebiet + Gewerbegebiet (Einkaufszentren - Ausschlussbereiche in Kerngebieten)" gewidmete Grundstück gemäß §26 Abs4 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 – StROG (im Folgenden: StROG) die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung verordnet (§4 iVm Deckplan 1 [Bebauungsplanzonierungsplan]). Allgemein gilt gemäß §40 Abs8 StROG, dass soweit eine Bebauungsplanpflicht nach §26 Abs4 StROG besteht, die Gemeinden spätestens im Anlassfall Bebauungspläne zu erstellen haben, wobei das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen ist. Baubewilligungen dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden.

3. Mit am 17. Oktober 2022 beim Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz eingelangtem Bauansuchen beantragte die beteiligte Partei die Bewilligung der Errichtung eines neuen, näher projektierten Werbepylons (einer Werbeanlage) und reichte unter einem einen Einreichplan mit planlichen Darstellungen und Abbildungen sowie weitere Unterlagen ein. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2022 teilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz der beteiligten Partei ua mit, dass der Neubau einer Werbeanlage im bebauungspflichtigen Gebiet nicht möglich sei.

4. Mit Bescheid vom 27. Februar 2024 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz das Ansuchen um Bewilligung der Errichtung eines neuen Werbepylons auf dem näher bezeichneten Grundstück ab. Begründend führte dieser im Wesentlichen aus, dass das Baugrundstück auf einer Fläche gelegen sei, für die ein Bebauungsplan erforderlich sei. Gemäß §40 Abs8 StROG sowie §4 Abs1 des 4.0 Flächenwidmungsplanes dürften für Grundstücke, die innerhalb des Bebauungsplanzonierungsgebietes liegen, Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für das Grundstück der beteiligten Partei würde derzeit jedoch weder ein rechtskräftiger Bebauungsplan noch ein Entwurf eines Bebauungsplanes vor- bzw aufliegen. Da es sich beim Bauvorhaben um einen Neubau und nicht um einen Zubau handle, der gemäß §19 Z1 Stmk BauG einer baubehördlichen Bewilligung bedürfe, reiche auch ein positives Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung für die Erteilung der Baubewilligung nicht aus.

5. Aus Anlass der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde stellte das Landesverwaltungsgericht Steiermark am 5. Juli 2024 den vorliegenden Antrag gemäß Art139 Abs1 Z1 B‑VG an den Verfassungsgerichtshof.

6. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt seine Bedenken wie folgt dar:

"[…]

2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 17.604/2005 ausgeführt hat, kann ein Gesetz verfassungswidrig sein, wenn seine Verfassungsmäßigkeit von der Erlassung einer Verordnung abhängt, der Verordnungsgeber jedoch in der Folge untätig bleibt. Angesichts eines gesetzlich angeordneten Ausschlusses der Erteilung einer Baubewilligung, die nur dann möglich sein sollte, wenn entsprechende Bebauungspläne erlassen würden, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass das so effektiv bewirkte Bauverbot eine Eigentumsbeschränkung darstellt, für deren Zulässigkeit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ua im Urteil vom 23.09.1982, Fall Sporrong und Lönnroth, Appl 7151/75, 7152/75, EuGRZ1983, S 523 ff., ein faires Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentums verlangt hat. Ein solches faires Gleichgewicht im Sinne des Art1 1. ZPEMRK liegt nicht mehr vor, wenn in einem unangemessen langen Zeitraum trotz Vorliegens der Voraussetzungen keine Bebauungsplanung vorgenommen wird und dies auch nicht in einem absehbaren Zeitraum der Fall sein wird. Das Verbot der Erteilung der Baubewilligung für Bauland, das seit Jahrzehnten als solches gewidmet war und für das (auf Grund der in jenem Fall geltenden Rechtslage) zwar ein allgemeiner Bebauungsplan, jedoch nicht der notwendige ergänzende Bebauungsplan erlassen worden und dessen Erlassung innerhalb eines absehbaren Zeitraumes auch nicht sichergestellt war, ist – so der Verfassungsgerichtshof – unverhältnismäßig und verstößt gegen das gebotene faire Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentums.

2.1. Diese Überlegungen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 03.03.2022, V249/2021-10, auf das Verhältnis von Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan nach der Rechtslage im Bundesland Steiermark übertragen. Sieht nämlich der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan die Erlassung eines Bebauungsplanes verpflichtend vor, so bewirkt er damit, solange er keinen Bebauungsplan erlässt, ein effektives Bauverbot auf dem betreffenden Grundstück.

Denn §40 Abs8 Stmk ROG 2010 und §4 Abs1 des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz bestimmen, dass Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden dürfen. Sollte eine Baubewilligung dennoch vor rechtswirksamer Erlassung eines Bebauungsplanes erteilt werden, ist diese mit Nichtigkeit gemäß §8 Abs5 Stmk ROG 2010 iVm §68 Abs4 Z4 AVG bedroht.

2.2. Der Landesgesetzgeber sieht daher auch vor, dass die jeweilige Gemeinde spätestens im 'Anlassfall', insbesondere im Falle eines 'Ansuchens um Erstellung des Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen', Bebauungspläne zu erstellen, Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen hat (§40 Abs8 Stmk ROG 2010). Das Gesetz verpflichtet somit dazu, dass ein solches Verfahren mit der Erlassung eines Bebauungsplanes zu enden hat, wobei das 'Abschließen' des Verfahrens zur Bebauungsplanerstellung in der Kundmachung des Bebauungsplanes besteht (vgl VfGH 03.03.2022, V249/2021-10). Aus §40 Abs1 und 8 StROG 2010 ergibt sich demnach, dass die Erstellung eines Bebauungsplanes nicht im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde liegt, sondern diese dazu verpflichtet ist, die Bebauungsplanung innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen. Die 18-monatige Frist zur Erlassung des Bebauungsplanes dient dabei der Rechtssicherheit des Grundstückseigentümers, der im Vertrauen auf die Widmung eines Grundstücks als Bauland seine individuellen Planungsabsichten gestalten möchte (vgl VfSlg 17.604/2005 mwN). Somit ist es gerade der Telos der verpflichtend einzuhaltenden Frist in §40 Abs8 Stmk ROG 2010, den mit der Festlegung der Bebauungsplanpflicht für – wie im vorliegenden Fall – als Bauland gewidmete und erschlossene Grundstücke als Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK und die daraus erfließende Baufreiheit (vgl VfSlg 17.604/2005; 13.282/1992, 11.914/1988, 11.374/1987) abzumindern. Läge hingegen die Erlassung eines Bebauungsplanes vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtslage im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde, könnte die Neubautätigkeit auf einem als Bauland gewidmeten und erschlossenen Grundstück zeitlich unbefristet hintangehalten werden können, was mit Art5 StGG und Art1 1. ZPEMKR unvereinbar wäre (VfSlg 17.604/2005).

2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 03.03.2022, V249/2021-10 (VfSlg 20.527/2022), dargelegt hat, ist dabei gemäß §40 Abs2 Stmk ROG 2010 die 'den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes' mit der Bebauungsplanung anzustreben, weshalb ein Bebauungsplan jedenfalls zu erlassen ist, wenn der Flächenwidmungsplan dies vorsieht. Die Planungsziele sind durch den Bebauungsplan anzustreben und die Erlassung des Bebauungsplanes kann auch nicht mit Verweis auf die Raumordnungsgrundsätze über die Frist von 18 Monaten ab Vorliegen eines Ansuchens um Erstellung eines Bebauungsplanes hinausgezögert werden. Lassen die Raumordnungsgrundsätze nämlich im Einzelfall keine Bebauung zu, dürfte das betreffende Grundstück überhaupt nicht als Bauland gewidmet sein. Hinzu kommt, dass dem Rechtsunterworfenen bei Untätigkeit des Verordnungsgebers über die 18-monatige Frist des §40 Abs8 Stmk ROG 2010 hinaus auch nicht die Möglichkeit zukommt, die Bebaubarkeit des von der Bebauungsplanpflicht betroffenen Grundstücks im Wege eines Verfahrens über die Festlegung der Bebauungsgrundlagen gemäß §18 Stmk BauG 1995 zu erreichen, kommt diese doch nur in Betracht, 'sofern Bebauungspläne nicht erforderlich sind'.

2.4. So hat der Verfassungsgerichtshof in seinem oben bereits angeführten Erkenntnis vom 03.03.2022, V249/2021-10 in einem Fall, in dem die verordnungserlassende Behörde nach Ablauf von 18 Monaten nach Eintreten des Anlassfalls durch ausdrückliche Verweigerung der Erlassung des Bebauungsplanes qualifiziert untätig geblieben ist, in der Bebauungsplanpflicht eines Grundstücks eine Eigentumsbeschränkung angenommen, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen ist, was zur Gesetzwidrigkeit der Bebauungsplanpflicht führte.

3. Der vorliegende Fall ist mit dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 03.03.2022, V249/2021-10, zugrundeliegenden Sachverhalt vergleichbar, sodass das Landesverwaltungsgericht Steiermark Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Bebauungsplanpflicht für das in Rede stehende Grundstück hegt.

3.1. §40 Abs8 Stmk ROG 2010 sieht vor, dass 'die Gemeinde spätestens im Anlassfall (zB Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach Abklärung aller Vorfragen)' einen Bebauungsplan zu erstellen haben, und 'zwar unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles [das entsprechende Verfahren] einzuleiten und innerhalb von 18 Monaten abzuschließen' haben. Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Gesellschaft am 17.10.2022 (bei der Baubehörde einlangend) einen Antrag auf baubehördliche Bewilligung einer näher umschriebenen Werbeanlage gestellt. Nun ist die Baubehörde nicht diejenige Behörde, die für die Erstellung des Bebauungsplanes zuständig ist; diese Zuständigkeit kommt vielmehr dem Gemeinderat zu. Aber bereits der eindeutige Wortlaut von §40 Abs8 Stmk ROG 2010 erster Satz spricht auch nicht vom (zuständigen) Gemeinderat, sondern nur allgemein von der 'Gemeinde'; auch bei der Baubehörde handelt es sich um eine der Gemeinde zuzurechnenden Behörde, vollzieht sie doch im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde die örtliche Baupolizei (iwS), wie sich aus §2 Abs1 Stmk BauG 1995 ergibt. Zudem definiert der Gesetzgeber den 'Anlassfall' in §40 Abs8 erster Satz Stmk ROG 2010 nur durch die Nennung eines Beispiels, nämlich das 'Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach Abklärung aller Vorfragen'. Bereits die Verwendung des Ausdruckes 'z.B.' im Klammerausdruck in §40 Abs8 Stmk ROG 2010 zeigt, dass es jedenfalls alternative 'Anlässe' zu diesem Ansuchen um Bebauungsplanung als Anlassfall geben muss. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern ein Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung kein derartiger Anlassfall sein soll, wird damit doch die Absicht, dass der Bebauungsplanung unterliegende Grundstück im Rahmen seiner Flächenwidmung als Bauland unter Ausübung der aus dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums erfließenden Baufreiheit zu nutzen, dargetan. Auch das Schrifttum vertritt die Ansicht, dass ein Anlassfall iSd §40 Abs8 Stmk ROG 2010, der 'die Gemeinde' (den Gemeinderat) zur Erstellung eines Bebauungsplanes verpflichtet, jedenfalls dann vorliegt, wenn die Bauabsicht durch Vorlage eines konkreten Projektes nachgewiesen wird (vgl Kleewein, Instrumente der Raumordnung – Überblick und Ausblick, bbl 2014, 89 [98]).

Mit dem bei der Baubehörde am 17.10.2022 eingelangten Antrag auf baubehördliche Bewilligung der Werbeanlage unter Anschluss des Formblattes 'Bauansuchen' und unter Beilage von Einreichplänen zum Projekt ist im Ausgangsfall jedenfalls ein hinreichend konkretes Projekt vorgelegt worden, ist daraus doch der ganz konkrete Projektwille eindeutig zu erkennen. Da schon der Wortlaut von §40 Abs8 erster Satz Stmk ROG 2010 nur auf 'die Gemeinde', nicht aber auf eine konkrete Behörde abstellt, ist mit dem Einlangen bei der Baubehörde (hier: Stadtsenat der Stadt Graz), die eine Gemeindebehörde darstellt, die Pflicht zur Erstellung eines Bebauungsplanes (durch die zuständige Behörde) ausgelöst worden.

3.2. In der beispielhaften Nennung des Anlasses für die Pflicht der Erstellung eines Bebauungsplanes wird in §40 Abs8 erster Satz Stmk ROG 2010 das Ansuchen 'nach Abklärung aller Vorfragen' genannt. Dem Wortlaut nach ist damit nur im Fall der Stellung eines Antrages auf Erlassung eines Bebauungsplanes das Erfordernis der 'Abklärung aller Vorfragen' aufgestellt. Sollte die Norm hingegen so zu verstehen sein, dass auch bei allen anderen 'Anlassfällen' der Landesgesetzgeber die 'Abklärung aller Vorfragen' zur Voraussetzung erhebt – wogegen der klare Wortlaut, nämlich die bloß beispielhafte Nennung eines bestimmten Anlassfalles mit dem Zusatz der 'Abklärung aller Vorfragen' spricht – so ist zu erkennen, dass im hier vorliegenden Fall keine 'abklärungsbedürftige Vorfrage' mehr vorliegen kann.

Was eine 'Vorfrage' iSd §40 Abs8 Stmk ROG 2010 ist, wird weder im Gesetz definiert, noch hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 03.03.2022, V249/2021, eine Umschreibung des Begriffes vorgenommen. Im Schrifttum werden darunter Aufschließungserfordernisse verstanden (vgl Katalan/Reitinger, Eigentumsbeschränkung durch nicht erlassenen Bebauungsplan? RFG 2022/22, 104 [106]).

Das antragsgegenständliche Grundstück ist als 'Bauland – Kerngebiet + Gewerbegebiet (Einkaufszentren – Ausschlussbereiche in Kerngebieten), mithin als vollwertiges Bauland gewidmet. Eine Ausweisung als Aufschließungsgebiet (§29 Abs3 Stmk ROG 2010) ist im Flächenwidmungsplan nicht angeordnet worden.

Andere Vorfragen iSd §40 Abs8 Stmk ROG 2010 liegen für das zu bebauende Grundstück nicht vor, zumal dieses nicht nur bereits aufgeschlossen, sondern auch bebaut und verkehrsmäßig erschlossen ist.

Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass andere Vorfragen für die Erlassung eines Bebauungsplanes noch der Klärung bedürften.

Es ist daher davon auszugehen, dass schon zum Zeitpunkt des Einlangens des Bauansuchens sämtliche Vorfragen iSd §40 Abs8 Stmk ROG 2010 geklärt waren. Es sind im gegenständlichen Fall damit keine ungeklärten Vorfragen ersichtlich, die die Auslösung des 18-monatigen Fristenlaufes des §40 Abs8 Stmk ROG 2010 hinderte.

3.3. Da seit dem 17.10.2022 (Einlangen des Bauansuchens bei der Baubehörde) bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über diesen Antrag schon mehr als 18 Monate vergangen sein werden (diese Zeitspanne ist auch bereits im Zeitpunkt der Antragstellung durch das LVwG Steiermark vergangen), liegt, sofern zu diesem Zeitpunkt ein Bebauungsplan nicht rechtsgültig beschlossen und kundgemacht worden sein wird, schon allein dadurch eine qualifizierte Untätigkeit iSd oben angeführten Rechtsprechung vor (vgl VfSlg 8699/1979; 8004/1977, jeweils mwN, wonach für die Beurteilung einer Gesetz- bzw Verfassungsmäßigkeit einer Norm die Sachlage im Zeitpunkt ihrer Prüfung maßgeblich ist).

4. Im Ergebnis handelt es sich bei der Nichterlassung eines Bebauungsplanes binnen achtzehn Monaten ab dem Bauansuchen am 17.10.2022 um eine qualifizierte Untätigkeit der verordnungserlassenden Behörde im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, die dazu führt, dass sich die Bebauungsplanpflicht im 4.0 Flächenwidmungsplan in Bezug auf das Grundstück der beschwerdeführenden Gesellschaft als Eigentumsbeschränkung darstellt, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen wird und sich daher als gesetzwidrig erweist."

7. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz hat keine Äußerung erstattet.

8. Die Steiermärkische Landesregierung hat ebenfalls keine Äußerung erstattet.

9. Auch der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz hat keine Äußerung erstattet.

10. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat dem Verfassungsgerichtshof am 25. Juli 2024 ua eine Stellungnahme des Stadtplanungsamtes der Landeshauptstadt Graz vom 24. Juli 2024 übermittelt, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, dass bereits an der Erstellung eines Bebauungsplanentwurfes gearbeitet und aktuell die "Vorfrage bezüglich der zukünftigen Straßenfluchtlinie mit der Verkehrsabteilung des Landes Steiermark (Abteilung 16) geklärt [werde]". Das Landesverwaltungsgericht Steiermark wies im Rahmen der Übermittlung darauf hin, dass der näher bezeichnete Bebauungsplanentwurf weder im Zeitpunkt der Stellung des Gerichtsantrages noch im Zeitpunkt der Übermittlung der Stellungnahme auf der Homepage der Landeshauptstadt Graz, auf welcher deren Bebauungsplanentwürfe veröffentlicht werden, veröffentlicht worden sei.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Wie das antragstellende Gericht darlegt, stützt die belangte Behörde die Abweisung des Antrages auf Bewilligung der Errichtung einer Werbeanlage ausdrücklich auf die in §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz festgelegte Bebauungsplanpflicht für das Grundstück der beteiligten Partei. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark, wonach es die Bestimmung des §4 sowie Deckplan 1, der die Bebauungsplanpflicht effektuiert, im Beschwerdeverfahren insoweit anzuwenden hätte, als sich diese auf das näher bezeichnete Grundstück beziehen, jedenfalls nicht denkunmöglich. Der Umstand, dass es sich bei Werbeanlagen um Bauvorhaben handelt, deren Regelung im Bebauungsplan iSd §41 Abs1 Z2 lith StROG optional ist, steht der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen nicht entgegen. Im Übrigen ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung zweifeln ließe.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag daher als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.604/2005 ausgeführt hat, kann ein Gesetz verfassungswidrig sein, wenn seine Verfassungsmäßigkeit von der Erlassung einer Verordnung abhängt, der Verordnungsgeber jedoch in der Folge untätig bleibt. Angesichts eines gesetzlich angeordneten Ausschlusses der Erteilung einer Baubewilligung, die nur dann möglich sein sollte, wenn entsprechende Bebauungspläne erlassen würden, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass das so effektiv bewirkte Bauverbot eine Eigentumsbeschränkung darstellt, für deren Zulässigkeit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ua im Urteil vom 23. September 1982, Appl 7151/75, 7152/75, Sporrong und Lönnroth, EuGRZ1983, S 523 ff., ein faires Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentums verlangt hat. Ein solches faires Gleichgewicht im Sinne des Art1 1. ZPEMRK liegt nicht mehr vor, wenn in einem unangemessen langen Zeitraum trotz Vorliegens der Voraussetzungen keine Bebauungsplanung vorgenommen wird und dies auch nicht in einem absehbaren Zeitraum der Fall sein wird. Das Verbot der Erteilung der Baubewilligung für Bauland, das seit Jahrzehnten als solches gewidmet war und für das (auf Grund der in jenem Fall geltenden Rechtslage) zwar ein allgemeiner Bebauungsplan, jedoch nicht der notwendige ergänzende Bebauungsplan erlassen worden und dessen Erlassung innerhalb eines absehbaren Zeitraumes auch nicht sichergestellt war, ist – so der Verfassungsgerichtshof – unverhältnismäßig und verstößt gegen das gebotene faire Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentums.

2.4. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes lassen sich diese Überlegungen auf das Verhältnis von Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan übertragen. Sieht der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan die Erlassung eines Bebauungsplanes verpflichtend vor, so bewirkt er damit, solange er keinen Bebauungsplan erlässt, ein effektives Bauverbot auf dem betreffenden Grundstück (vgl VfSlg 20.527/2022 sowie jüngst VfGH 11.6.2024, V26/2024; 3.10.2024, V51/2024, mwN).

§40 Abs8 StROG und §4 Abs1 des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz bestimmen, dass Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden dürfen. Der Landesgesetzgeber sieht daher vor, dass die jeweilige Gemeinde spätestens im "Anlassfall", insbesondere im Falle eines "Ansuchens um Erstellung des Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen", Bebauungspläne zu erstellen, Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen hat (§40 Abs8 StROG). Das Gesetz verpflichtet somit dazu, dass ein solches Verfahren mit der Erlassung eines Bebauungsplanes – nicht mit deren Verweigerung – zu enden hat: Das "Abschließen" des Verfahrens zur Bebauungsplanerstellung besteht in der Kundmachung des Bebauungsplanes. Aus §40 Abs1 und 8 StROG ergibt sich demnach, dass die Erstellung eines Bebauungsplanes nicht im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde liegt, sondern sie dazu verpflichtet ist, die Bebauungs-planung innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen. Aus §40 Abs2 StROG ergibt sich ferner, dass die "den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzungen)" mit der Bebauungsplanung und nicht durch ihre tatsächliche Verweigerung anzustreben ist. Ein Bebauungsplan ist daher jedenfalls zu erlassen, wenn der Flächenwidmungsplan dies vorsieht; die Planungsziele sind durch den Bebauungsplan anzustreben und die Erlassung des Bebauungsplanes kann nicht mit Verweis auf die Raumordnungs-grundsätze verweigert werden. Lassen diese nämlich im Einzelfall keine Bebauung zu, so dürfte das betreffende Grundstück überhaupt nicht als Bauland gewidmet sein.

2.5. Die beteiligte Partei hat am 17. Oktober 2022 einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer neuen, näher projektierten Werbeanlage am Grundstück Nr .180/4, EZ2952, KG 63125 Webling, gestellt.

Das Vorbringen des Stadtplanungsamtes, wonach zuerst die "Vorfrage" hinsichtlich des zukünftigen Verlaufes einer Straßenfluchtlinie mit der Verkehrsabteilung des Landes Steiermark geklärt werden müsse, teilt der Verfassungsgerichtshof nicht, zumal es sich dabei nicht um eine Vorfrage iSd §40 Abs8 StROG handelt, deren Klärung vor der Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung eines Bebauungsplanes erforderlich ist, sondern vielmehr um eine Frage, die allenfalls im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung eines Bebauungsplanes zu klären ist. In diesem Sinne weist das Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt Graz auch selbst daraufhin, dass nach der Festlegung der Straßenfluchtlinie "der Bebauungsplan-Entwurf fertig gestellt werden [könne]". Auch sonst sind keine ungeklärten Vorfragen iSd §40 Abs8 StROG ersichtlich, welche den Eintritt des Anlassfalles hintangehalten hätten bzw hintanhalten würden.

2.6. Folglich besteht für die beteiligte Partei seit knapp zwei Jahren ein effektives Bauverbot, das die verordnungserlassende Behörde durch Erlassung eines Bebauungsplanes hätte beseitigen müssen. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz hat bisher jedoch keinen Bebauungsplan erlassen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich die Bebauungsplanpflicht im 4.0 Flächenwidmungsplan in Bezug auf das Grundstück der beteiligten Partei im Einzelfall als Eigentumsbeschränkung darstellt, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen ist. Sie ist damit gesetzwidrig.

V. Ergebnis

1. §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 04/2018, ist daher, soweit damit für das Grundstück Nr .180/4, EZ2952, KG 63125 Webling, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches Kundmachungsgesetz, LGBl 25/1999, idF LGBl 84/2022.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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