Normen
B-VG Art139 Abs1 Z1
StGG Art5
Stmk BauG §5, §9
Stmk RaumOG 2010 §8, §26, §30, §40
Flächenwidmungsplan 1.00 des Gemeinderats der Marktgemeinde Scheifling vom 27.06.2019, 17.10.2019, 25.05.2020 und 02.07.2020 §9
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:V51.2024
Spruch:
I. §9 iVm Blatt AA18-3 (Bebauungsplanzonierungsplan) des Flächenwidmungsplanes 1.00 der Marktgemeinde Scheifling, beschlossen im Gemeinderat am 27. Juni 2019, 17. Oktober 2019, 25. Mai 2020 und 2. Juli 2020, genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Juli 2020 und kundgemacht an der Amtstafel der Marktgemeinde Scheifling vom 4. bis 18. August 2020, wird, soweit damit für das Grundstück Nr 269, EZ539, KG 65320 Scheifling, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Steiermark verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, der Verfassungsgerichtshof möge "§9 iVm Blatt AA18-3 (Bebauungsplanzonierungsplan) des Flächenwidmungsplanes 1.00 der Marktgemeinde Scheifling, soweit damit für das Grundstück Nr 269, EZ539, KG 65320 Scheifling, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird," als gesetzwidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. Die §§5 und 19 des Steiermärkischen Baugesetzes – Stmk BauG, LGBl 59/1995, idF LGBl 11/2020 lauteten auszugsweise (ohne Hervorhebungen im Original):
"§5
Bauplatzeignung
(1) Eine Grundstücksfläche ist als Bauplatz für die vorgesehene Bebauung geeignet, wenn
1. eine Bebauung nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz zulässig ist,
2. – 6. […]
(2) […]
[…]
§19
Baubewilligungspflichtige Vorhaben
Folgende Vorhaben sind baubewilligungspflichtig, sofern sich aus den §§20 und 21 nichts anderes ergibt:
1. Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie größere Renovierungen (§4 Z34a);
2. Nutzungsänderungen, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Hygiene, die Sicherheit von baulichen Anlagen oder deren Teilen von Einfluss sein können oder die Nachbarrechte berühren oder wenn Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes berührt werden können;
3. die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von Abstellflächen für Kraftfahrzeuge oder Krafträder, Garagen und der dazu erforderlichen Zu- und Abfahrten;
4. Feuerungsanlagen für feste oder flüssige Brennstoffe von mehr als 400 kW Nennheizleistung einschließlich von damit allenfalls verbundenen baulichen Änderungen oder Nutzungsänderungen sowie deren Brennstofflagerungen;
5. Solar- und Photovoltaikanlagen mit einer Kollektorleistung von insgesamt mehr als 50 kWP (Kilowatt Peak);
6. Lagerung von brennbaren Flüssigkeiten;
7. die ortsfeste Aufstellung von Motoren, Maschinen, Apparaten oder Ähnlichem, wenn hiedurch die Festigkeit oder der Brandschutz von Bauten beeinflusst oder eine Gefährdung herbeigeführt werden könnte und die Aufstellung nicht in einer der Gewerbeordnung oder dem Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen unterliegenden Anlage vorgenommen wird;
8. Projekte gemäß §22 Abs6."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 – StROG, LGBl 49/2010, idF LGBl 73/2023 lauten auszugsweise wie folgt (ohne Hervorhebungen im Original):
"§8
Rechtswirkung der Planungsinstrumente
(1) Verordnungen der Gemeinden auf Grund dieses Gesetzes (Örtliche Entwicklungskonzepte, Flächenwidmungspläne, Bebauungspläne und Bausperren) dürfen Gesetzen und Verordnungen des Bundes und des Landes nicht widersprechen. Zusätzlich dürfen Flächenwidmungspläne nicht dem örtlichen Entwicklungskonzept und Bebauungspläne nicht dem Flächenwidmungsplan und dem örtlichen Entwicklungskonzept widersprechen.
(2) Bewilligungen nach diesem Gesetz, Baubewilligungen nach dem Steiermärkischen Baugesetz dürfen diesem Gesetz und Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes nicht widersprechen.
(3) – (6) […]
[…]
§26
Inhalt des Flächenwidmungsplans
(1) Der Flächenwidmungsplan hat das gesamte Gemeindegebiet räumlich zu gliedern und die Nutzungsart für alle Flächen entsprechend den räumlich-funktionellen Erfordernissen festzulegen. Dabei sind folgende Nutzungsarten vorzusehen:
1. Bauland,
2. Verkehrsflächen,
3. Freiland.
[…]
(2) – (3) […]
(4) Im Flächenwidmungsplan hat die Gemeinde jene Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland sowie jene Verkehrsflächen festzulegen, für die durch Verordnung Bebauungspläne zu erlassen sind (Bebauungsplanzonierung). Die Festlegungen sind bei der nächsten regelmäßigen Revision oder Änderung des Flächenwidmungsplanes im Flächenwidmungsplan zu treffen. Die Gemeinde kann überdies in der Bebauungsplanzonierung festlegen, dass bestimmte bauliche Anlagen bereits vor dem Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes baurechtlich bewilligt werden dürfen, wenn sich diese in die umgebende Bebauung einfügen, der Ensemblekomplettierung dienen und im Einklang mit den mit der Bebauungsplanung verfolgten Zielsetzungen stehen. Dazu sind Festlegungen hinsichtlich Lage, Größe, Höhe, Gestaltung und Funktion zu treffen. Bei jeder weiteren Fortführung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes sind die Bebauungsplanzonierung sowie der Inhalt der Festlegungen zu überprüfen.
(5) – (8) […]
[…]
§30
Baugebiete
(1) Als Baugebiete kommen in Betracht:
1. – 3. […]
4. Gewerbegebiete, das sind Flächen, die für Betriebe und Anlagen aller ArtVerwaltungsgebäude, Handelsbetriebe nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen und die für die Aufrechterhaltung von Betrieben und Anlagen betrieblich erforderlichen Wohnungen, wenn diese mit dem Betriebsgebäude eine bauliche Einheit bilden, bestimmt sind. Diese Nutzungen dürfen keine das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen in benachbarten Baugebieten verursachen. In diesen Gebieten ist die Errichtung und Nutzung von Gebäuden oder Teilen von Gebäuden für Möbel-, Einrichtungs-, Baustoffhandelsbetriebe, Gartencenter sowie Kraftfahrzeug- und Maschinenhandelsbetriebe und deren Ersatzteil- und Zubehörhandel zulässig. Weiters zulässig sind jene Handelsbetriebe, die an diesem Standort ihre Waren selbst erzeugen. Nach Maßgabe des örtlichen Entwicklungskonzeptes kann die Errichtung von solchen Handelsbetrieben auch ausgeschlossen werden.
5. – 10.
(2) – (9) […]
[…]
§40
Bebauungsplanung
(1) Jede Gemeinde hat zur Umsetzung der im Flächenwidmungsplan festgelegten Bebauungsplanzonierung durch Verordnung Bebauungspläne zu erstellen und fortzuführen. Der Bebauungsplan besteht aus einer zeichnerischen Darstellung und einem Verordnungswortlaut. Zur Begründung ist ein Erläuterungsbericht zu erstellen.
(2) Mit der Bebauungsplanung ist eine den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzungen) anzustreben.
(3) […]
(4) Die Erlassung von Bebauungsplänen hat jedenfalls zu erfolgen:
1. Nach einer Änderung des Flächenwidmungsplanes zur Vermeidung oder Behebung von Widersprüchen zu übergeordneten Planungen der Gemeinde, zumindest im Anlassfall.
2. Zur Errichtung von Einkaufszentren. Ein begründeter Entfall ist bei bereits abgeschlossen bebauten Gebieten zulässig, wenn keine wesentliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes und der Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Die Aufstellung oder Fortführung eines Bebauungsplanes ist auch Voraussetzung für Änderungen an einem Einkaufszentrum, die eine Baubewilligung erfordern und auf den Flächenwidmungsplan und den Zweck der Bebauungsplanung von Einfluss sind. In der Bebauungsplanung sind unter anderem die gesetzlichen Regelungen für Einkaufszentren in Verbindung mit den Bestimmungen der Einkaufszentrenverordnung umzusetzen.
3. In einem Landschaftsschutzgebiet gemäß den naturschutzrechtlichen Bestimmungen, wenn die als Bauland, Sondernutzungen im Freiland sowie Verkehrsflächen ausgewiesenen, zusammenhängend unbebauten Grundflächen 3 000 m2 übersteigen, sofern kein räumliches Leitbild gemäß §22 Abs7 erlassen wurde.
4. Beim Erfordernis einer Grundumlegung.
5. Für Flächen, die nach den forstrechtlichen und wasserrechtlichen Bestimmungen als Gefahrenzonen ausgewiesen sind, wenn die als Bauland, Sondernutzungen im Freiland sowie Verkehrsflächen ausgewiesenen, zusammenhängend unbebauten Grundflächen 3 000 m² übersteigen.
(5) – (7) […]
(8) Für die Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland, für die gemäß §26 Abs4 Bebauungspläne zu erlassen sind, haben die Gemeinden spätestens im Anlassfall (z. B. Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen) Bebauungspläne zu erstellen. Dabei ist das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen. Baubewilligungen nach dem Steiermärkischen Baugesetz dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für Zubauten sowie für bauliche Anlagen, die entsprechend einer Festlegung im Flächenwidmungsplan gemäß §26 Abs4 vor der Erlassung eines Bebauungsplanes baurechtlich bewilligt werden dürfen, ist ein Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung ausreichend."
3. Die maßgebliche Bestimmung des am 19. August 2020 in Kraft getretenen Flächenwidmungsplanes 1.00 der Marktgemeinde Scheifling, beschlossen im Gemeinderat am 27. Juni 2019, 17. Oktober 2019, 25. Mai 2020 und 2. Juli 2020, genehmigt von der Steiermärkischen Landesregierung mit Bescheid vom 29. Juli 2020, lautet (inklusive der im Anschluss eingefügten Tabelle; der gesamte Wortlaut der Bestimmung ist als in Bezug auf das betreffende Grundstück angefochten hervorgehoben):
"§9
ZU VERORDNENDE BEBAUUNGSPLÄNE
Die Erlassung von Bebauungsplänen hat gemäß §40 StROG 2010, LGBl, Nr 49/2010 i.d.g.F. zu erfolgen:
Aufgrund der Änderung des Flächenwidmungsplanes zur Vermeidung oder Behebung von Widersprüchen zu übergeordneten Planungen der Gemeinde, zumindest im Anlassfall.
A - Aufgrund der topografischen Verhältnisse (z. B. Steilheit des Geländes, Naturgefahren, ...)
B - Aufgrund der Immissionsbelastung des Gebietes (Lärm, Geruch, ...)
C - Zur Sicherung der Erreichung der angestrebten Entwicklungsziele
D - Zur Errichtung von Einkaufszentren.
Ein begründeter Entfall ist bei bereits abgeschlossen bebauten Gebieten zulässig, wenn keine wesentliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes und der Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Die Aufstellung oder Fortführung eines Bebauungsplanes ist auch Voraussetzung für Änderungen an einem Einkaufszentrum, die eine Baubewilligung erfordern und auf den Flächenwidmungsplan und den Zweck der Bebauungsplanung von Einfluss sind. In der Bebauungsplanung sind unter anderem die gesetzlichen Regelungen für Einkaufszentren in Verbindung mit den Bestimmungen der Einkaufszentren - Verordnung und die Vorgaben umzusetzen.
E - Beim Erfordernis einer Grundumlegung"
4. Der maßgebliche Bereich des Blattes AA18-3 (Bebauungsplanzonierungsplan) des Flächenwidmungsplanes 1.00 der Marktgemeinde Scheifling stellt sich wie folgt dar (das betreffende Grundstück ist durch einen Pfeil hervorgehoben):
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2. Die beschwerdeführende Partei des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht (im Folgenden: beteiligte Partei), eine juristische Person des Privatrechts, ist Eigentümerin des Grundstückes Nr 269, EZ539, KG 65320 Scheifling. Mit dem Flächenwidmungsplan 1.00 der Marktgemeinde Scheifling wurde ua für dieses, als Gewerbegebiet "(Kerngebiet – Sanierungsgebiet Immissionen)" gewidmete Grundstück gemäß §26 Abs4 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 – StROG (im Folgenden: StROG) die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung verordnet (§9 iVm Blatt AA18-3 [Bebauungsplanzonierungsplan]). Allgemein gilt gemäß §40 Abs8 StROG, dass, soweit eine Bebauungsplanpflicht nach §26 Abs4 StROG besteht, die Gemeinden spätestens im Anlassfall Bebauungspläne zu erstellen haben, wobei das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen ist. Baubewilligungen dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden.
3. Mit Eingabe vom 28. September 2020 suchte die beteiligte Partei beim Bürgermeister der Marktgemeinde Scheifling (im Folgenden: belangte Behörde) um Bewilligung für die Errichtung eines näher projektierten Neubaus einer Apotheke und von KFZ-Abstellplätzen an. Dieses Bauansuchen wurde mittels Eingabe vom 27. November 2020 dahingehend präzisiert, dass die Errichtung eines Neubaus einer Apotheke beantragt werde, die die Herstellung und Zubereitung von Arzneimitteln samt Verkauf und Beratung, ausgenommen den Verkauf von Drogerieartikeln, umfasse.
4. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2020 wies die belangte Behörde das mit Eingabe vom 27. November 2020 näher präzisierte Ansuchen vom 28. September 2020 gemäß §8 Abs2 iVm §30 Abs1 Z4 StROG ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Handel mit Arznei- und Heilmitteln als Handelsbetrieb einzustufen sei, weshalb die Vorprüfung des Bauansuchens ergeben habe, dass dieses in Widerspruch zu §8 Abs2 StROG stünde.
5. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde hob das Landesverwaltungsgericht Steiermark den Bescheid der belangten Behörde vom 11. Dezember 2020 mit Beschluss vom 8. September 2021 auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurück. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark im Wesentlichen aus, dass die beteiligte Partei den Antrag mit Schreiben vom 27. November 2020 dahingehend präzisiert habe, dass dieser die Errichtung eines Neubaus einer Apotheke, die die Herstellung und Zubereitung von Arzneimitteln samt Verkauf und Beratung, ausgenommen den Verkauf von Drogerieartikeln, umfasse. Demnach sei die Errichtung der Apotheke als Klein- bzw Mittelbetrieb für Produktion, Dienstleistung und Handel gleichermaßen auf dem näher bezeichneten Grundstück, das im Gewerbegebiet gelegen sei, zulässig. Die Abweisung des Bauansuchens wegen fehlender Widmungskonformität sei folglich nicht zu Recht erfolgt. Dies ergebe sich auch aus dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten.
6. Im fortgesetzten Verfahren forderte die belangte Behörde die beteiligte Partei mit Schreiben vom 15. Dezember 2021 auf, ihre Einreichunterlagen dahingehend zu ergänzen, ob es sich um eine Filiale handle, in welchen Prozentsätzen eine Eigenproduktion der Waren bzw eine Fremdproduktion erfolge und an welchem Standort die Produktion von Eigenwaren erfolgen werde. In der Stellungnahme vom 30. Dezember 2021 führte die beteiligte Partei im Wesentlichen aus, dass die Widmungskonformität des Bauvorhabens auf Grund der Bindungswirkung der zurückweisenden Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark bereits rechtskräftig festgestellt worden sei und der Aufforderung daher keine Relevanz für die Genehmigungsfähigkeit zukommen könne. Die geforderten Ergänzungen reichte sie dennoch nach.
7. Am 3. März 2022 führte die belangte Behörde am Ort der geplanten Bauführung eine Bauverhandlung unter Beiziehung eines bautechnischen Sachverständigen durch. Auf Grund von Bedenken der belangten Behörde hinsichtlich der Umsetzbarkeit des Projektes aus raumordnungstechnischer Sicht beauftragte sie am 7. März 2022 ein näher bezeichnetes Unternehmen mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens.
8. Mit Bescheid vom 17. Mai 2022 wies die belangte Behörde das Ansuchen auf Erteilung einer Baubewilligung neuerlich ab. Begründet wurde die Abweisung erneut mit einem Widerspruch zu §8 Abs2 StROG, weil auf dem näher bezeichneten Grundstück gemäß §30 Abs1 Z4 StROG nur Handelsbetriebe zulässig seien, die ihre Waren an diesem Standort selbst erzeugen würden.
9. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 hob das Landesverwaltungsgericht Steiermark den Bescheid der belangten Behörde auf und verwies diesen erneut zur neuerlichen Entscheidung zurück. Begründet wurde die Aufhebung im Wesentlichen damit, dass die belangte Behörde an die tragenden Gründe der Zurückverweisung gebunden sei und die Frage der Widmungskonformität folglich nicht erneut überprüft hätte werden dürfen.
10. Die dagegen erhobene Amtsrevision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. März 2023 zurück.
11. Auf Grund des Umstandes, dass die belangte Behörde die sechsmonatige Entscheidungsfrist verstreichen ließ, erhob die beteiligte Partei am 28. Juni 2023 Säumnisbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark.
12. Aus Anlass dieser Säumnisbeschwerde stellt das Landesverwaltungsgericht Steiermark am 13. Juni 2024 den vorliegenden Antrag gemäß Art139 Abs1 Z1 B‑VG an den Verfassungsgerichtshof.
13. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt seine Bedenken wie folgt dar:
"[…]
2. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.604/2005 ausgeführt hat, kann ein Gesetz verfassungswidrig sein, wenn seine Verfassungsmäßigkeit von der Erlassung einer Verordnung abhängt, der Verordnungsgeber jedoch in der Folge untätig bleibt. Angesichts eines gesetzlich angeordneten Ausschlusses der Erteilung einer Baubewilligung, die nur dann möglich sein sollte, wenn entsprechende Bebauungspläne erlassen würden, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass das so effektiv bewirkte Bauverbot eine Eigentumsbeschränkung darstellt, für deren Zulässigkeit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ua im Urteil vom 23.09.1982, Fall Sporrong und Lönnroth, Appl 7151/75, 7152/75, EuGRZ1983, S 523 ff., ein faires Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentums verlangt hat. Ein solches faires Gleichgewicht im Sinne des Art11. ZPEMRK liegt nicht mehr vor, wenn in einem unangemessen langen Zeitraum trotz Vorliegens der Voraussetzungen keine Bebauungsplanung vorgenommen wird und dies auch nicht in einem absehbaren Zeitraum der Fall sein wird. Das Verbot der Erteilung der Baubewilligung für Bauland, das seit Jahrzehnten als solches gewidmet war und für das (auf Grund der in jenem Fall geltenden Rechtslage) zwar ein allgemeiner Bebauungsplan, jedoch nicht der notwendige ergänzende Bebauungsplan erlassen worden und dessen Erlassung innerhalb eines absehbaren Zeitraumes auch nicht sichergestellt war, ist - so der Verfassungsgerichtshof - unverhältnismäßig und verstößt gegen das gebotene faire Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentums.
3. Diese Überlegungen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 03.03.2022, V249/2021-10, auf das Verhältnis von Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan nach der Steiermärkischen Rechtslage übertragen. Sieht nämlich der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan die Erlassung eines Bebauungsplans verpflichtend vor, so bewirkt er damit, solange er keinen Bebauungsplan erlässt, ein effektives Bauverbot auf dem betreffenden Grundstück:
3.1. §40 Abs8 Stmk ROG 2010 in Zusammenschau mit §9 des Flächenwidmungsplanes 1.00 der Marktgemeinde Scheifling bestimmen nämlich, dass Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplans erteilt werden dürfen. Sollte eine Baubewilligung dennoch vor einem rechtswirksamen Bebauungsplan erteilt werden, ist diese mit Nichtigkeit gemäß §8 Abs5 Stmk ROG 2010 iVm §68 Abs4 Z4 AVG bedroht.
3.2. Der Landesgesetzgeber sieht daher auch vor, dass die jeweilige Gemeinde spätestens im 'Anlassfall', insbesondere im Falle eines 'Ansuchens um Erstellung des Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen', Bebauungspläne zu erstellen, Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen hat (§40 Abs8 Stmk ROG 2010). Das Gesetz verpflichtet somit dazu, dass ein solches Verfahren mit der Erlassung eines Bebauungsplanes zu enden hat, wobei das 'Abschließen' des Verfahrens zur Bebauungsplanerstellung in der Kundmachung des Bebauungsplans besteht (vgl VfGH 03.03.2022, V249/2021-10). Aus §40 Abs1 und 8 StROG ergibt sich demnach, dass die Erstellung eines Bebauungsplans nicht im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde liegt, sondern sie dazu verpflichtet ist, die Bebauungsplanung innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen. Die 18‑nnonatige Frist zur Erlassung des Bebauungsplans dient dabei der Rechtssicherheit des Grundstückseigentümers, der im Vertrauen auf die Widmung eines Grundstücks als Bauland seine individuellen Planungsabsichten gestalten möchte (vgl VfSlg 17.604/2005 mwN). Somit ist es gerade der Telos der verpflichtend einzuhaltenden Frist in §40 Abs8 Stmk ROG 2010, den mit der Festlegung der Bebauungsplanpflicht für - wie im vorliegenden Fall - als Bauland gewidmete und erschlossene Grundstücke als Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK und die daraus erfließende Baufreiheit (vgl VfSlg 17.604/2005; 13.282/1992, 11.914/1988, 11.374/1987) abzumindern. Läge hingegen die Erlassung eines Bebauungsplans vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtslage im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde, könnte die Neubautätigkeit auf einem als Bauland gewidmeten und erschlossenen Grundstück zeitlich unbefristet hintangehalten werden können, was mit Art5 StGG und Art1 1. ZPEMKR unvereinbar wäre (VfSlg 17.604/2005).
3.3. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 03.03.2022, V249/2021-10, dargelegt hat, ist dabei gemäß §40 Abs2 Stmk ROG 2010 die 'den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes' mit der Bebauungsplanung anzustreben, weshalb ein Bebauungsplan jedenfalls zu erlassen ist, wenn der Flächenwidmungsplan dies vorsieht. Die Planungsziele sind durch den Bebauungsplan anzustreben und die Erlassung des Bebauungsplans kann auch nicht mit Verweis auf die Raumordnungsgrundsätze über die Frist von 18 Monaten ab Vorliegen eines Ansuchens um Erstellung eines Bebauungsplans hinausgezögert werden. Lassen die Raumordnungsgrundsätze nämlich im Einzelfall keine Bebauung zu, dürfte das betreffende Grundstück überhaupt nicht als Bauland gewidmet sein. Hinzu kommt, dass dem Rechtsunterworfenen bei Untätigkeit des Verordnungsgebers über die 18-monatige Frist des §40 Abs8 Stmk ROG 2010 hinaus auch nicht die Möglichkeit zukommt, die Bebaubarkeit des von der Bebauungsplanpflicht betroffenen Grundstücks im Wege eines Verfahrens über die Festlegung der Bebauungsgrundlagen gemäß §18 Stmk BauG zu erreichen, kommt diese doch nur in Betracht, 'sofern Bebauungspläne nicht erforderlich sind'.
3.4. So hat der Verfassungsgerichtshof in der angeführten Entscheidung in einem Fall, in dem die verordnungserlassende Behörde nach Ablauf von 18 Monaten nach Eintreten des Anlassfalls durch ausdrückliche Verweigerung der Erlassung des Bebauungsplans qualifiziert untätig geblieben ist, in der Bebauungsplanpflicht eines Grundstücks eine Eigentumsbeschränkung angenommen, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen ist, was zur Gesetzwidrigkeit der Bebauungsplanpflicht führte.
4. Der vorliegende Fall dürfte mit dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 03.03.2022, V249/2021-10, zugrunde liegenden Sachverhalt vergleichbar sein, sodass das Landesverwaltungsgericht Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Bebauungsplanpflicht für die in Rede stehenden Grundstücke hegt:
5. Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Gesellschaft unbestritten am 28.09.2020 (konkretisiert am 27.11.2021) einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Apotheke gestellt.
5.1. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark stellt ein derartiges Bauansuchen jedenfalls einen Anlassfall iSd §40 Abs8 Stmk ROG 2010 dar, sodass die Gemeinde binnen einer Frist von 18 Monaten das Verfahren zur Erstellung eines Bebauungsplanes einzuleiten und abzuschließen gehabt hätte.
5.2. Daran dürfte auch nichts ändern, dass §40 Abs8 Stmk ROG 2010 als Beispiel für einen die Frist von 18 Monaten zur Erlassung eines Bebauungsplans auslösenden Anlassfall ein 'Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen' anführt.
5.3. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Frage der Widmungskonformität, wie sie das Landesverwaltungsgericht Steiermark in seinem Beschluss vom 08.09.2021, GZ: LVwG 50.21-527/2021-5 beurteilt hat, eine Vorfrage iSd §40 Abs8 Stmk ROG 2010 darstellt, ist seither die Frist von 18 Monaten ebenfalls abgelaufen.
5.4. Andere Vorfragen iSd §40 Abs8 Stmk ROG 2010 dürften für das zu bebauende Grundstück nicht vorliegen, zumal dieses bereits aufgeschlossen, bebaut und verkehrsmäßig erschlossen ist (vgl Kate lan/Reitinger, Eigentumsbeschränkung durch nicht erlassenen Bebauungsplan? RFG 2022/22, 104 [1061).
6. Im Ergebnis dürfte es sich bei der Nichterlassung eines Bebauungsplans binnen der Frist von 18 Monaten ab dem Antrag vom 28.09.2020 (spätestens seit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 08.09.2021) um eine qualifizierte Untätigkeit der verordnungserlassenden Behörde im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs handeln, die dazu führen dürfte, dass sich die Bebauungsplanpflicht in Bezug auf das Grundstück Nr 269, EZ539, KG 65320 Scheifling als Eigentumsbeschränkung darstellt, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen sein dürfte. Sie dürfte damit gesetzwidrig sein."
14. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Scheifling hat eine Kopie des Flächenwidmungsplanes 1.00 der Marktgemeinde Scheifling sowie eine Kopie des Bereiches des Bebauungsplanzonierungsplanes (Blatt AA18-3), in welchem das näher bezeichnete Grundstück gelegen ist, vorgelegt, jedoch keine Äußerung erstattet.
15. Auch die Steiermärkische Landesregierung hat keine Äußerung erstattet.
16. Die beteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark anschließt.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Wie das antragstellende Gericht darlegt, hat es die Zulässigkeit des Bauvorhabens gemäß §5 StROG zu prüfen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark, wonach es dabei auch §9 des Flächenwidmungsplanes 1.00 der Marktgemeinde Scheifling sowie Blatt AA18‑3 (Bebauungsplanzonierungsplan), soweit damit für das näher bezeichnete Grundstück eine Bebauungsplanpflicht verordnet wird, anzuwenden habe, nicht denkunmöglich.
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag daher als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet.
2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.604/2005 ausgeführt hat, kann ein Gesetz verfassungswidrig sein, wenn seine Verfassungsmäßigkeit von der Erlassung einer Verordnung abhängt, der Verordnungsgeber jedoch in der Folge untätig bleibt. Angesichts eines gesetzlich angeordneten Ausschlusses der Erteilung einer Baubewilligung, die nur dann möglich sein sollte, wenn entsprechende Bebauungspläne erlassen würden, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass das so effektiv bewirkte Bauverbot eine Eigentumsbeschränkung darstellt, für deren Zulässigkeit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ua im Urteil vom 23. September 1982, 7151/75, 7152/75, Sporrong und Lönnroth, EuGRZ1983, S 523 ff., ein faires Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentumes verlangt hat. Ein solches faires Gleichgewicht im Sinne des Art1 1. ZPEMRK liegt nicht mehr vor, wenn in einem unangemessen langen Zeitraum trotz Vorliegens der Voraussetzungen keine Bebauungsplanung vorgenommen wird und dies auch nicht in einem absehbaren Zeitraum der Fall sein wird. Das Verbot der Erteilung der Baubewilligung für Bauland, das seit Jahrzehnten als solches gewidmet war und für das (auf Grund der in jenem Fall geltenden Rechtslage) zwar ein allgemeiner Bebauungsplan, jedoch nicht der notwendige ergänzende Bebauungsplan erlassen worden und dessen Erlassung innerhalb eines absehbaren Zeitraumes auch nicht sichergestellt war, ist – so der Verfassungsgerichtshof – unverhältnismäßig und verstößt gegen das gebotene faire Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentumes.
2.4. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes lassen sich diese Überlegungen auf das Verhältnis von Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan übertragen. Sieht der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan die Erlassung eines Bebauungsplanes verpflichtend vor, so bewirkt er damit, solange er keinen Bebauungsplan erlässt, ein effektives Bauverbot auf dem betreffenden Grundstück (vgl VfSlg 20.527/2022 sowie jüngst VfGH 11.6.2024, V26/2024).
§40 Abs8 StROG und §9 des Flächenwidmungsplanes 1.00 der Marktgemeinde Scheifling bestimmen, dass Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden dürfen. Der Landesgesetzgeber sieht daher vor, dass die jeweilige Gemeinde spätestens im "Anlassfall", insbesondere im Falle eines "Ansuchens um Erstellung des Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen", Bebauungspläne zu erstellen, Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen hat (§40 Abs8 StROG). Das Gesetz verpflichtet somit dazu, dass ein solches Verfahren mit der Erlassung eines Bebauungsplanes – nicht mit deren Verweigerung – zu enden hat: Das "Abschließen" des Verfahrens zur Bebauungsplanerstellung besteht in der Kundmachung des Bebauungsplanes. Aus §40 Abs1 und 8 StROG ergibt sich demnach, dass die Erstellung eines Bebauungsplanes nicht im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde liegt, sondern sie dazu verpflichtet ist, die Bebauungs-planung innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen. Aus §40 Abs2 StROG ergibt sich ferner, dass die "den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzungen)" mit der Bebauungsplanung und nicht durch ihre tatsächliche Verweigerung anzustreben ist. Ein Bebauungsplan ist daher jedenfalls zu erlassen, wenn der Flächenwidmungsplan dies vorsieht; die Planungsziele sind durch den Bebauungsplan anzustreben und die Erlassung des Bebauungsplanes kann nicht mit Verweis auf die Raumordnungsgrundsätze verweigert werden. Lassen diese nämlich im Einzelfall keine Bebauung zu, so dürfte das betreffende Grundstück überhaupt nicht als Bauland gewidmet sein.
2.5. Die beteiligte Partei hat am 28. September 2020 einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Neubaus einer Apotheke sowie von KFZ‑Abstellplätzen auf dem Grundstück Nr 269, EZ539, KG 65320 Scheifling, gestellt und diesen mit Schreiben vom 27. November 2020 dahingehend präzisiert, dass die beantragte Errichtung der Apotheke, die Herstellung und Zubereitung von Arzneimitteln samt Verkauf und Beratung, ausgenommen den Verkauf von Drogerieartikeln, umfasse. Im konkreten Fall stellt das beim Bürgermeister der Marktgemeinde Scheifling eingebrachte, näher präzisierte Bauansuchen einen Anlassfall dar, sodass die 18-monatige Frist für die "Gemeinde" (im konkreten Fall für den Gemeinderat der Marktgemeinde Scheifling als zur Verordnungserlassung berufene Gemeindebehörde) zur Erlassung eines Bebauungsplanes in diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen hat.
2.6. Offene Sachverhaltsfragen iSd §40 Abs8 StROG, welche den Eintritt des Anlassfalles hintangehalten hätten bzw hintanhalten würden, sind nicht ersichtlich. Aus den unwidersprochenen Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark ergibt sich, dass das betreffende Grundstück bereits aufgeschlossen, bebaut und verkehrsmäßig erschlossen ist.
2.7. Folglich besteht für die beteiligte Partei seit mehr als drei Jahren ein effektives Bauverbot, das die verordnungserlassende Behörde durch Erlassung eines Bebauungsplanes hätte beseitigen müssen. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Scheifling hat bisher jedoch keinen Bebauungsplan erlassen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich die Bebauungsplanpflicht im Flächenwidmungsplan 1.00 der Marktgemeinde Scheifling in Bezug auf das Grundstück der beteiligten Partei im Einzelfall als Eigentumsbeschränkung darstellt, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen ist. Sie ist damit gesetzwidrig.
V. Ergebnis
1. §9 iVm Blatt AA18-3 (Bebauungsplanzonierungsplan) des Flächenwidmungsplanes 1.00 der Marktgemeinde Scheifling, ist daher, soweit damit für das Grundstück Nr 269, EZ539, KG 65320 Scheifling, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches Kundmachungsgesetz, LGBl 25/1999, idF LGBl 84/2022.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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