VfGH V43/09

VfGHV43/098.10.2010

Keine Gesetzwidrigkeit der in der Satzung 2003 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse festgesetzten Höhe des Kostenzuschusses für Heilmassage durch einen freiberuflichen Heilmasseur

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
ASVG §131, §131a, §131b, §135 Abs1 Z4
Satzung 2003 der Nö Gebietskrankenkasse §37, Anhang 6
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
ASVG §131, §131a, §131b, §135 Abs1 Z4
Satzung 2003 der Nö Gebietskrankenkasse §37, Anhang 6

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit seinem auf Art139 Abs1 und Abs4 B-VG gestützten

Antrag vom 16. Juni 2009 beantragte der Oberste Gerichtshof auszusprechen, dass im Punkt 2a des Anhangs 6 zur "Satzung 2003" der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (im Folgenden: Satzung 2003) in der Fassung ihrer 2. Änderung (Amtliche Verlautbarung im Internet Nr. 28/2004, www.avsv.at ) die der Position "Manuelle Heilmassage" zugeordnete Zeichenfolge "2,00 €" gesetzwidrig war.

Die 2. Änderung der Satzung 2003 wurde von der Generalversammlung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse am 3. März 2004 beschlossen und von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen mit Bescheid vom 17. März 2004, Z96.430/18-I/B/10/04, genehmigt sowie am 24. März 2004, 04.00 Uhr, verlautbart (Amtliche Verlautbarung im Internet Nr. 28/2004, www.avsv.at ; vgl. §455 Abs1 ASVG). Gemäß §53 Abs1 der Satzung ist die 2. Änderung der Satzung 2003 nach Ablauf des fünften Kalendertages ab dem Zeitpunkt der Freigabe der Verlautbarung zur Abfrage im Internet, dh. am 29. März 2004, in Kraft getreten.

In dieser angefochtenen Bestimmung der Satzung 2003 sind die Kostenzuschüsse für die aufgrund ärztlicher Verschreibung erforderlichen Leistungen von freiberuflichen Heilmasseuren nach dem Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz (MMHmG), BGBl. I 169/2002, geregelt. Dabei wird normiert, dass für manuelle Heilmassagen pro Sitzung mit einer Mindestdauer von 10 Minuten ein Zuschuss von € 2,-- geleistet wird.

1.2. Dem Rechtsstreit vor dem antragstellenden Gericht liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin im Anlassverfahren ist Versicherte des beklagten Krankenversicherungsträgers, der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, und hat über ärztliche Verschreibung im Zeitraum vom 26. Mai bis 13. Juli 2004 durch eine freiberufliche Heilmasseurin u. a. 10 Heilmassagen in der Dauer von jeweils 25 Minuten erhalten, wofür sie einen Betrag von € 350,-- bezahlte. Mit Bescheid vom 29. September 2005 hat der beklagte Krankenversicherungsträger ausgesprochen, dass der Klägerin anlässlich der Inanspruchnahme dieser Behandlungen ein Kostenzuschuss von € 45,-- gebührt. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin im Anlassverfahren Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, ihr für die in Anspruch genommenen Heilmassagen einen weiteren Kostenzuschuss in der Höhe von zuletzt € 98,50 zu zahlen. Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht wiesen das Klagebegehren ab. Im Rahmen des Revisionsverfahrens entstanden beim Obersten Gerichtshof Bedenken gegen die nunmehr in Prüfung stehende Wortfolge im Anhang 6 der Satzung 2003 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, die ihn dazu veranlasst haben, einen darauf bezogenen Antrag auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit dieser (mittlerweile außer Kraft getretenen; dazu Pkt. I.2.3.) Bestimmung zu stellen.

1.3. Das antragstellende Gericht legte seine Bedenken gegen die angefochtene Satzungsbestimmung wie folgt dar:

"7.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist die Gebietskrankenkasse nach §131b ASVG iVm §131a ASVG nicht verpflichtet, kostendeckende Leistungen (zu Marktpreisen) vorzusehen (VfSlg 17.518/2005). Der Krankenversicherungsträger ist aber in der Festsetzung der Höhe solcher Kostenzuschüsse, die gemäß §131b ASVG anstelle von gesetzlichen Pflicht(sach)leistungen zu gewähren sind, nicht frei. In dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl VfSlg 15.787/2000) Bestimmung ist nämlich angeordnet, dass solche Zuschüsse nicht nur nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers festzusetzen sind, sondern dass dabei auch das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten mitzuberücksichtigen ist.

7.3. Bei Erlassung der entsprechenden Satzungsregelung kommt dem Krankenversicherungsträger zwar ein weiter rechtspolitischer Spielraum zu (VfSlg 17.518/2005). Dieser ist aber nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs überschritten, wenn - wie hier - der Krankenversicherungsträger für eine Leistung einen Kostenzuschuss von weniger als 10 % des nach den Marktgegebenheiten in Betracht kommenden Aufwands vorsieht und dieser Kostenzuschuss - bezogen auf eine Minute der Leistungserbringung - nur etwa die Hälfte desjenigen erreicht, der gewährt wird, wenn ein Angehöriger einer anderen Berufsgruppe vom Versicherten zur Leistungserbringung in Anspruch genommen wird. Der letztgenannte Umstand zeigt, dass einem höheren Kostenzuschuss für Heilmasseure nicht die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers entgegensteht. In dieser Richtung stellte die beklagte Partei auch keinerlei Behauptungen auf. Dass ein Kostenzuschuss in Höhe von nicht einmal 10 % des in Betracht kommenden Aufwands dem wirtschaftlichen Bedürfnis der Versicherten nicht entspricht, bedarf keiner näheren Ausführung (vgl VfSlg 13.571/1993).

8. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher veranlasst, im Hinblick auf die dargelegten Bedenken an der Gesetzmäßigkeit der präjudiziellen Bestimmung der Satzung 2003 einen entsprechenden Verordnungsprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Da die Satzung 2003 nicht mehr in Kraft ist, war im Sinn des [Art] 89 Abs3 B-VG die Feststellung zu begehren, dass die genannte Satzungsbestimmung gesetzwidrig war."

1.4. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse erstattete eine schriftliche Äußerung; darin tritt sie den dargelegten Bedenken entgegen und begehrt, den vorliegenden Verordnungsprüfungsantrag abzuweisen.

Im Einzelnen führte sie darin u.a. aus:

"Vom Hauptverband wurde im Jahr 2003 ein Arbeitskreis mit der Aufgabe eingesetzt, Vorschläge für Satzungsregelungen (Voraussetzung für Leistungsübernahme und Höhe der Kostenzuschüsse durch die Krankenversicherungsträger) hinsichtlich der Heilmasseurinnen/-masseure nach §46 des Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes (MMHmG) zu erarbeiten. Zu diesem Zweck hat der Arbeitskreis die in Betracht kommenden Leistungen nach den für freiberuflich tätige Heilmasseurinnen/-masseure festgelegten berufsrechtlichen Bestimmungen aufgeschlüsselt und anhand einer bundesweiten Erhebung der 'Marktpreise' für diese Leistungen (vertraglich von Krankenversicherungsträgern vereinbarte tatsächliche Tarife für niedergelassene Ärztinnen/Ärzte, Institute und freiberufliche Physiotherapeutinnen/-therapeuten) die Kostenzuschüsse pro Leistung bestimmt. Die Ermittlung der Kostenzuschüsse erfolgte den Ausführungen des Hauptverbandes zufolge nach folgenden Überlegungen:

* Bestimmung des niedrigsten tatsächlich vereinbarten Tarifes bundesweit pro Leistungsposition (gleichgültig ob durch niedergelassene Ärztin/niedergelassenen Arzt, Institut oder Physiotherapeutin/-therapeut)

* Festlegung der Kostenzuschüsse durch den Arbeitskreis anhand dieser Erhebung; dabei aber Augenmerk auf die Tarifstruktur (z. B. Grundleistungsvergütung bei Vertragsärztinnen/-ärzten), Gewichtung der Leistungen zueinander, Berücksichtigung des 'Handlings' der Leistung (rein manuelle Durchführung oder mit Hilfe von Geräten).

Im Ergebnis wurde die Höhe der Kostenzuschüsse im Verhältnis zu den tatsächlichen Vertragstarifen nicht unter 50% und nicht über 80% festgelegt.

Die vorgeschlagenen Kostenzuschussregelungen seien laut Hauptverband von dessen Geschäftsführung zum Zwecke einer allfälligen Umsetzung in den Satzungen der Krankenversicherungsträger mittels Beschluss zur Kenntnis genommen worden. In der Folge hat die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse - wie auch andere Krankenversicherungsträger - die vom Hauptverband abgegebenen Empfehlungen hinsichtlich der Zuschusshöhe vollinhaltlich umgesetzt.

Das Landesgericht Korneuburg als Erstgericht führte in der Begründung seines (in der Folge zurückgewiesenen) Verordnungsprüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof aus, dass die in Prüfung gezogene Satzungsbestimmung die tatsächlichen Marktverhältnisse verkenne, da lediglich von einer Mindestdauer der Heilmassage von 10 Minuten ausgegangen werde. Demgegenüber existieren im Bundesland Niederösterreich Anbieterinnen/Anbieter für

25 - 30minütige Heilmassagen, jedoch keine Anbieterinnen/Anbieter für

zehnminütige Heilmassagen. Eine Pauschalierung des Kostenzuschusses habe sich an einer Durchschnittsbetrachtung der Marktgegebenheiten zu orientieren und sei der Zuschuss zu einer am Markt angebotenen Leistung in Beziehung zu setzen. Ergänzend dazu führt der Oberste Gerichtshof (OGH) aus, dass der rechtspolitische Spielraum bei der Festsetzung der Kostenzuschüsse nach §131b ASVG überschritten sei, wenn ein Krankenversicherungsträger wie im konkreten Fall einen Kostenzuschuss von weniger als 10 % des nach den Marktgegebenheiten in Betracht kommenden Aufwands vorsieht.

Der Verfassungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis - wie vom OGH zitiert - Zuschusszahlungen für Zahnersatz nach §153 Abs2 ASVG im Ausmaß von nur 10 % des tatsächlichen Aufwands als zu gering qualifiziert (VfSlg. 13.571). Begründet wird dies damit, dass diese Norm von einer Kosten'beteiligung' der Versicherten bei Bestehen von Gesamtverträgen ausgeht und auch die Höhe der Kostenzuschüsse für Leistungen, für die ein vertragsloser Zustand besteht, derart festgelegt werden muss, dass noch von einer Kostenbeteiligung der Anspruchsberechtigten gesprochen werden kann (arg.: 'An Stelle'). Der Terminus einer Kostenbeteiligung fehlt jedoch in §131b ASVG, weshalb ein Vergleich zwischen der letztgenannten Regelung und §153 Abs2 ASVG nach Meinung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse ins Leere geht.

Nach herrschender Judikatur ist ein Krankenversicherungsträger gemäß §131b ASVG i. V. m. §131a ASVG nicht verpflichtet, kostendeckende Leistungen (zu Marktpreisen) vorzusehen. Dies ergibt sich schon aus der Bedeutung des Begriffs des Kostenzuschusses (vgl. VfGH 18.3.2005, V97/03). Daraus folgt unzweifelhaft, dass sich die Höhe des Kostenzuschusses für Heilmassagen keinesfalls an den auf dem freien Markt herrschenden Preisen für derartige Leistungen, sondern an bestehenden Vertragstarifen zu orientieren hat (OGH 21.10.2003, 10 ObS 231/03 y; vgl. auch VfSlg. 17.518). Beispielsweise ist in der Honorarordnung des für die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse geltenden kurativen Gesamtvertrages mit den niedergelassenen Ärztinnen/Ärzten i. S. d. §343 Abs2 ASVG für eine mindestens zehn Minuten dauernde manuelle Massage (Pos. 723) durch die Ärztin/den Arzt bzw. eine/einen qualifizierte/qualifizierten Assistentin/Assistenten ein Tarif von dzt. € 4,08 (€ 3,92 im Jahr 2004) vorgesehen.

§131b ASVG ordnet an, dass sich Kostenzuschüsse u. a. nach dem wirtschaftlichen Bedürfnis der Versicherten zu richten haben. Der Verfassungsgerichtshof hat die zu geringe Höhe des Kostenzuschusses für Pflegeleistungen der medizinischen Hauskrankenpflege (V97/03) damit begründet, dass im Bereich der medizinischen Hauskrankenpflege ein breites Spektrum an einzelnen Behandlungsleistungen mit unterschiedlich hohen Kosten möglich ist und daher eine - an sich zulässige - Pauschalierung der Zuschüsse einer Durchschnittsbetrachtung bedarf. Im Gegensatz zu diesen in Prüfung gezogenen pauschalierten Kostenzuschüssen der Wiener Gebietskrankenkasse beziehen sich die im Anhang 6 Punkt 2a der Satzung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse festgelegten Kostenzuschüsse auf jede einzelne aufgezählte Behandlungsleistung. Das bedeutet, dass eine Versicherte/ein Versicherter Anspruch auf Zahlung eines tarifmäßig vorgesehenen Kostenzuschusses für jede Behandlungsleistung pro Sitzung hat.

Eine allfällige Durchschnittsbetrachtung bzw. stärkere Orientierung am tatsächlichen Aufwand ist daher nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der Patientin/dem Patienten eine Behandlung bei einer/einem Heilmasseurin/Heilmasseur an sich, d.h. unabhängig von der Anzahl der erbrachten Leistungen, pauschaliert vergütet würde. Hinzu kommt, dass sich - wie aus dem vom Erstgericht in Auftrag gegebenen Gutachten ersichtlich - die tatsächlichen Kosten für

20 - 30minütige Heilmassagen im Bundesland Niederösterreich

überwiegend zwischen € 19,00 und € 27,00 bewegen und daher eine wie im Bereich der medizinischen Hauskrankenpflege auf Grund entsprechender Pflegemaßnahmen zu berücksichtigende Kostensteigerung für Anspruchsberechtigte (vgl. V97/03 - Kosten für Hauskrankenpflege: € 5.903,77) nicht zu erwarten ist. Eine mit der Hauskrankenpflege vergleichbare wirtschaftliche Belastung der Anspruchsberechtigten ist daher im Bereich der Heilmassage nicht ersichtlich. Würde eine Durchschnittsbetrachtung bei der Festlegung der Zuschussleistungen gemäß §131b ASVG für manuelle Heilmassagen ins Auge gefasst werden, bedeutet dies - nicht zuletzt wegen der vergleichsweise geringen Preisdifferenz zwischen den einzelnen Heilmasseuren - de facto eine Angleichung der Kostenzuschüsse an tatsächlich vorherrschende Marktpreise mit nur geringen Abweichungen. Wie bereits oben erwähnt, wird eine Verpflichtung zur Angleichung der Tarifhöhe nach herrschender Judikatur jedoch verneint.

Bei der Festlegung der Höhe dieser Zuschüsse, welche an Patienten bezahlt werden, ist gemäß §131b ASVG vom Versicherungsträger auch auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. Da passive Therapien (z. B. Massagen) neben den Physiotherapeutinnen/-therapeuten seit In-Kraft-Treten des Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes auch von freiberuflich tätigen Heilmasseurinnen/-masseuren erbracht werden dürfen, ist durch das verstärkte Angebot an Leistungserbringerinnen/-erbringern ein erheblicher Kostenanstieg in diesem Leistungssegment zu erwarten. Dies deshalb, weil Versicherte, die eine/einen freiberuflich tätige/tätigen Heilmasseurin/-masseur bzw. Physiotherapeutin/Physiotherapeuten aufsuchen und die notwendigen Voraussetzungen für eine zumindest teilweise Kostenrückerstattung erfüllen, einen Anspruch auf Refundierung der satzungsmäßig vorgesehenen Kostenzuschüsse haben. In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Bedarf an Therapeutinnen/Therapeuten nicht gleichzusetzen ist mit dem Bedürfnis von Patientinnen/Patienten, physiotherapeutische Leistungen in Anspruch zu nehmen ('Angebot schafft Nachfrage'). In Anbetracht der finanziellen Situation der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und der dadurch notwendig gewordenen Einsparungen ist die dzt. geltende Höhe der hier in Rede stehenden Kostenzuschüsse unter sachlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt; höhere Zuschüsse würden der Leistungsfähigkeit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse - entgegen der Meinung des OGH - sehr wohl entgegenstehen.

Die dem Beschluss des OGH in gegenständlicher Angelegenheit entnehmbare Rechtsmeinung, dass sich Kostenzuschüsse insoweit an den Marktgegebenheiten zu orientieren haben, als der Zuschuss zu einer am Markt angebotenen Leistung prozentuell in Beziehung zu setzen ist, steht sohin nach Ansicht der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse in Widerspruch zur oben zitierten Rechtsprechung. Eine Orientierung an den Marktgegebenheiten würde nämlich im Lichte dieser Judikatur (10 ObS 231/03 y) im Ergebnis dazu führen, dass vertraglich festgelegte Honorartarife bei der Berechnung von Kostenzuschüssen außer Acht zu lassen sind.

Was die Festlegung der Mindestbehandlungsdauer von zehn Minuten für manuelle Heilmassagen betrifft, ist festzuhalten, dass diese aus medizinischer Sicht im Falle der Durchführung von Massagen gemeinsam mit anderen Therapien als ausreichend gilt und sohin als sachlich gerechtfertigt anzusehen ist. Unter Beachtung des in §133 Abs2 ASVG verankerten Ökonomiegebotes ist daher eine Durchschnittsbetrachtung der tatsächlichen Leistungen nach Ansicht der Kasse dann nicht vorzunehmen, wenn die von den Heilmasseuren erbrachten Leistungen im Ausmaß von durchschnittlich 20 - 30 Minuten das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen überschreiten und eine länger dauernde Behandlung daher unter den Begriff 'Wellness' zu subsumieren ist. Im entgegengesetzten Fall wäre die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse bzw. jeder andere Krankenversicherungsträger angehalten, Behandlungen in Tarifberechnungen einzubeziehen, die sich außerhalb des von §133 ASVG vorgegebenen Rahmens bewegen.

Darüber hinaus werden aktive Therapien, bei denen eine Mitwirkung der/des Patientin/Patienten gefordert ist (Heilgymnastik), im Rahmen einer Krankenbehandlung für zweckmäßiger erachtet. Da passive Therapien einerseits als Sachleistungen in kasseneigenen Ambulatorien, Vertragsinstituten sowie durch Vertragsärztinnen/-ärzte in Anspruch genommen werden können und darüber hinaus derzeit ca. 1280 Physiotherapeutinnen/-therapeuten bzw. 264 Heilmasseurinnen/-masseure in Niederösterreich tätig sind, ist ein weiterer Zugang zu Mitteln der sozialen Krankenversicherung nach erfolgter Behandlung durch Heilmasseurinnen/-masseure aus ökonomischen und gesundheitspolitischen Gründen nicht zielführend. Die unterschiedlichen Therapien, welche Heilmasseurinnen/-masseure im Vergleich zu anderen Leistungserbringerinnen/-erbringern im Rahmen ihrer berufsrechtlichen Vorschriften auszuüben berechtigt sind, führen dazu, dass z. B. Physiotherapeutinnen/-therapeuten auf Grund ihrer Behandlungsmöglichkeiten eine andere Leistungs- und Kostenstruktur als Heilmasseurinnen/-masseure aufweisen.

Eine Steuerung der Kosten ist daher unter Beachtung des in §133 Abs2 ASVG verankerten Grundsatzes einer ausreichenden, zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen nicht übersteigenden Krankenbehandlung für die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse unerlässlich. Der OGH hat in einem Erkenntnis vom 26.4.1994 (10 ObS 48/94) ausgesprochen, dass für die unterschiedliche Behandlung von Leistungserbringerinnen/-erbringern (dort:

Physiotherapeutinnen/-therapeuten und gewerbliche Masseurinnen/ Masseure) im Rahmen der gesetzlichen Krankenbehandlung ausreichende sachliche Gründe bestehen, das sei u. a. '...die Kostensteuerung in der gesetzlichen Krankenversicherung'. Die Zulässigkeit einer Kostensteuerung bzw. erforderlichen 'Hintanhaltung einer übermäßigen Belastung der Krankenversicherungsträger' wurde auch im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18.3.2000 (vgl. VfSlg. 15.787) bestätigt."

1.5. Der Bundesminister für Gesundheit erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der er der Argumentation der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse beitrat.

Im Einzelnen führte er u.a. aus:

"Es blieb den einzelnen Krankenversicherungsträgern im Rahmen ihrer Selbstverwaltung überlassen, sich hinsichtlich der Festlegung der Leistungsspektren und der Höhe der Kostenzuschüsse den Vorgaben und Festlegungen des beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger installierten Arbeitskreises 'Physio' vollinhaltlich anzuschließen oder davon abweichende Regelungen zu treffen. Die von dieser Arbeitsgruppe empfohlenen Kostenzuschüsse für Leistungen von Heilmasseur/inn/en wurden großteils in die Satzungen der Krankenversicherungsträger übernommen.

Für manuelle Heilmassagen wurde als Präferenztarif (gemeint wohl: Referenztarif) der Vergütungssatz für niedergelassene Vertragsärzte/-ärztinnen bei der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen mit einem Tarif von rund 2,90 Euro herangezogen. Nach Maßgabe der einschlägigen Judikatur (V20/99 vom 04.10.2000, V81/97 vom 17.10.1998, V21/92 und V22/92 vom 11.10.1993) ist das prozentuelle Ausmaß eines Kostenersatzes zwischen 50 bis 80 % des Vertragstarifes anzusetzen. Da der vom Arbeitskreis 'Physio' empfohlene und in Anhang 6, Punkt 2a, der Satzung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse übernommene Kostenzuschuss von 2 Euro für manuelle Heilmassage 70 % vom oben genannten Basiswert (2,90 Euro) beträgt, liegt dieser Kostenzuschuss in der judizierten Bandbreite von 50 bis 80 % des Vertragstarifes.

Die von der Klägerin vertretene Ansicht, die Beklagte hätte sich bei der satzungsmäßigen Festsetzung des Kostenzuschusses für Krankenbehandlungen durch freiberufliche Heilmasseure/Heilmasseurinnen an den durchschnittlichen Marktpreisen orientieren müssen, wird bereits in den VfGH-Erkenntnissen V97/03 vom 18.03.2005, V20/99 vom 04.10.2000 und V81/97 vom 17.10.1998 sowie in der OGH-Entscheidung 10 ObS 295/99a vom 30.11.1999 widerlegt. Im Erkenntnis vom 18.03.2005, V97/03, führt der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Gebietskrankenkasse nach §131b ASVG i.V.m. §131a ASVG nicht verpflichtet ist, kostendeckende Leistungen (zu Marktpreisen) vorzusehen, wie sich schon aus der Bedeutung des Begriffes des Kostenzuschusses ergibt. Im Erkenntnis vom 17.10.1998, V81/97, stellt der Verfassungsgerichtshof fest, dass die Kassen von Gesetzes wegen überhaupt nicht gehalten sind, Zuschüsse vorzusehen. Vergleichsmaßstab für Zuschüsse zu vertraglich nicht geregelten Leistungen kann nur der für vergleichbare Pflichtleistungen festgelegte Tarif und nicht der Marktpreis sein, wobei es bei der Bemessung des Kostenzuschusses nicht auf den Vergleich der wirtschaftlichen Belastung des Versicherten, sondern auf jenen der finanziellen Aufwendungen des Krankenversicherungsträgers ankommt (vgl. SoSi 1998, 961 ff mit Anm. Kletter).

Der Verfassungsgerichtshof hat bislang auch nicht auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten abgestellt, sondern dem Kostenzuschuss den finanziellen Aufwand des Trägers für eine vergleichbare Sachleistung gegenübergestellt. Da die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse noch keine Verträge mit Heilmasseur/inn/en abgeschlossen hat, wird hinsichtlich der vergleichbaren Leistungen die vertragliche Regelung der Physiotherapeut/inn/en zugrunde gelegt. Die bloß analoge Heranziehung der Vertragstarife der Physiotherapeut/inn/en lässt sich vorwiegend mit der höherwertigen Ausbildung der Genannten begründen.

Entsprechend den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen umfasst die theoretische und praktische Ausbildung zum/zur Heilmasseur/in ein Stundenausmaß von insgesamt 2490 Stunden (ohne Spezialqualifikationen) und die theoretische und praktische Ausbildung zum Physiotherapeuten/zur Physiotherapeutin ein Stundenausmaß von 4525 Stunden. Nach §29 Abs1 des Med. Masseur- und Heilmasseurgesetz (MMHmG) umfasst der Beruf des Heilmasseurs/der Heilmasseurin die eigenverantwortliche Durchführung von klassischer Massage, Packungsanwendungen, Thermotherapie, Ultraschalltherapie und Spezialmassagen zu Heilzwecken nach ärztlicher Anordnung. Die Ansicht der Klägerin, die Differenzierung der Kostenzuschüsse zwischen Physiotherapeut/inn/en und Heilmasseur/inn/en sei sachlich nicht gerechtfertigt, kann aus ho. Sicht nicht geteilt werden, da die Gesamtausbildung der Physiotherapeut/inn/en wesentlich umfangreicher ist als die der Heilmasseure/Heilmasseurinnen (vgl. die Ausführungen im gegenständlichen Beschluss des Obersten Gerichtshofes sowie auch 10 ObS 48/94 vom 26.04.1994).

Im Übrigen vertritt der Hauptverband die Meinung, dass aus ökonomischen und auch aus gesundheitspolitischen Überlegungen eine 'Krankenbehandlung' durch Heilmasseure/Heilmasseurinnen auf Kosten der sozialen Krankenversicherung so weit wie möglich einzuschränken ist; insbesondere auch aus dem Grund, weil aktive Therapien (Heilgymnastik) als medizinisch sinnvoller erachtet werden, bei den passiven Therapien schon derzeit eine Überversorgung besteht und durch die Zugangsberechtigung für Heilmasseure/Heilmasseurinnen zu Mitteln der sozialen Krankenversicherung (damit weitere Forcierung der passiven Therapien) die falschen Akzente gesetzt wurden."

2. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

2.1. §131, §131a und §131b des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. 189/1955, haben - soweit hier relevant - in der im vorliegenden Zusammenhang anzuwendenden Fassung (BGBl. I 99/2001 bzw. - im Hinblick auf §131b ASVG - BGBl. 676/1991) folgenden Wortlaut:

"Erstattung von Kosten der Krankenbehandlung

§131. (1) Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner (§338) oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung (ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe) in Anspruch, so gebührt ihm der Ersatz der Kosten dieser Krankenbehandlung im Ausmaß von 80 vH des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Wird die Vergütung für die Tätigkeit des entsprechenden Vertragspartners nicht nach den erbrachten Einzelleistungen bestimmt, hat die Satzung des Versicherungsträgers Pauschbeträge für die Kostenerstattung festzusetzen.

(2) - (6) ...

Kostenerstattung bei Fehlen vertraglicher Regelungen mit den Ärzten (Dentisten) oder mit den Gruppenpraxen

§131a. Stehen Vertragsärzte (Vertragsdentisten) oder Vertrags-Gruppenpraxen infolge des Fehlens einer Regelung durch Verträge (§338) nicht zur Verfügung, so hat der Versicherungsträger dem Versicherten für die außerhalb einer eigenen Einrichtung in Anspruch genommene Behandlung (den Zahnersatz) die Kostenerstattung in der Höhe des Betrages zu leisten, der vor Eintritt des vertragslosen Zustandes bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes (Wahldentisten) oder einer Wahl-Gruppenpraxis zu leisten gewesen wäre. Der Versicherungsträger kann diese Kostenerstattung durch die Satzung unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten erhöhen.

Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen

§131b. Stehen andere Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung, so gilt §131a mit der Maßgabe, daß in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Der Versicherungsträger hat das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen."

Gemäß §135 Abs1 Z4 ASVG ist im Rahmen der Krankenbehandlung (§133 Abs2 ASVG) eine aufgrund ärztlicher Verschreibung erforderliche Leistung eines Heilmasseurs, der nach §46 Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz (MMHmG), BGBl. I 169/2002, zur freiberuflichen Berufsausübung berechtigt ist, der ärztlichen Hilfe gleichgestellt. Seit 1. April 2003 besteht die Möglichkeit des Abschlusses von Verträgen gemäß §§338 ff. ASVG (vgl. §602 ASVG). Für den Zeitraum bis zum Abschluss derartiger Verträge gilt die Kostenzuschussregelung des §131b ASVG, die durch die jeweiligen Satzungen der Krankenversicherungsträger näher ausgeführt wird.

2.2. Die Bestimmung des §37 und die einschlägigen Teile des Anhanges 6 der Satzung 2003 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse in der hier maßgeblichen Fassung der mit 29. März 2004 (vgl. §53 Abs1 der Satzung 2003) in Kraft getretenen

2. Änderung lauteten wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen (§131b ASVG)

§37. Stehen Vertragspartner für

auf Rechnung der Kasse nicht zur Verfügung, weil Verträge nicht zu Stande gekommen sind, leistet die Kasse Kostenzuschüsse nach der Regelung im Anhang 6 zur Satzung.

...

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