VfGH V13/2018

VfGHV13/201811.6.2018

Aufhebung von Bestimmungen einer Verordnung betreffend straßenpolizeiliche Maßnahmen als gesetzwidrig mangels ordnungsgemäßer Kundmachung infolge signifikanter Abweichung des Aufstellungsortes der Straßenverkehrszeichen vom räumlichen Geltungsbereich der Verordnung

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z1
B-VG Art 18 Abs2
StVO 1960 §44
V der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 10.07.2009 betr straßenpolizeiliche Maßnahmen in der Gemeinde Kirchberg adR

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:V13.2018

 

Spruch:

I. Der Hauptantrag wird zurückgewiesen.

II. Die Ziffern 3, 4 und 5 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 10. Juli 2009 betreffend straßenpolizeiliche Maßnahmen in der Gemeinde 8324 Kirchberg a.d.R., Z BHFB-11.0-D-154/2009, kundgemacht durch Aufstellen der entsprechenden Verkehrszeichen am 13. Juli 2009, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

III. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark,

"Z3 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 10.07.2009 betreffend straßenpolizeiliche Maßnahmen in der Gemeinde 8324 Kirchberg a.d.R., GZ: BHFB-11.0-D-154/2009, kundgemacht durch Straßenverkehrszeichen gemäß §44 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159 idF BGBl I Nr 68/2017, als gesetzwidrig aufzuheben.

In eventu

Z3, Z4 und Z5 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 10.07.2009 betreffend straßenpolizeiliche Maßnahmen in der Gemeinde 8324 Kirchberg a.d.R., GZ: BHFB-11.0-D-154/2009, kundgemacht durch Straßenverkehrszeichen gemäß §44 Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159 idF BGBl I Nr 68/2017, als gesetzwidrig aufzuheben."

II. Rechtslage

1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 10. Juli 2009 betreffend straßenpolizeiliche Maßnahmen in der Gemeinde 8324 Kirchberg a.d.R., Z BHFB-11.0-D-154/2009, lautet (die eventualiter angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Verordnung

Gemäß §§43 AbsZiffer 1, §44 und §94b der Straßenverkehrsordnung 1960 BGBl Nr 159, idgF wird aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nachstehendes angeordnet:

1.) 'Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) bis zu 80 km/h' gemäß §52a Ziffer 10a StVO. 1960 i.d.g.F. auf der L 201 auf Höhe Strkm 10,700 in Fahrtrichtung Kirchberg a.d.R.

2.) 'Überholen verboten' gemäß §52 a Ziffer 4a StVO. 1960 i.d.g.F. auf der L 201 auf Höhe Strkm 10,700 in Fahrtrichtung Kirchberg a.d.R. mit der Zusatztafel gemäß §54 Abs5 Ziffer i) StVO 1960 idgF

3.) 'Ende von Überholverboten und Geschwindigkeitsbegrenzungen' gemäß §52a Ziffer 11 StVO 1960 idgF 1960 auf der L 201 auf Höhe Strkm 10,700 in Fahrtrichtung Feldbach

4.) 'Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) bis zu 80 km/h' gemäß §52a Ziffer 10a StVO. 1960 i.d.g.F. auf der L 201 auf Höhe Strkm 11,580 in Fahrtrichtung Feldbach

5.) 'Überholen verboten' gemäß §52 a Ziffer 4a StVO. 1960 i.d.g.F für die L 201 auf Höhe Strkm 11,580 in Fahrtrichtung Feldbach mit der Zusatztafel gemäß §54 Abs5 Ziffer i) StVO 1960 idgF

6.) 'Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) bis zu 80 km/h' gemäß §52a Ziffer 10a StVO. 1960 i.d.g.F. auf der L 201 auf Höhe Strkm 8,750 in Fahrtrichtung Kirchberg a.d.R.

7.) 'Überholen verboten' gemäß §52 a Ziffer 4a StVO. 1960 i.d.g.F. auf der L 201 auf Höhe Strkm 8,750 in Fahrtrichtung Kirchberg a.d.R. mit der Zusatztafel gemäß §54 Abs5 Ziffer i) StVO 1960 idgF

8.) 'Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) bis zu 80 km/h' gemäß §52a Ziffer 10a StVO. 1960 i.d.g.F. auf der L 201 auf Höhe Strkm 9,850 in Fahrtrichtung Feldbach

9.) 'Überholen verboten' gemäß §52 a Ziffer 4a StVO. 1960 i.d.g.F. auf der L 201 auf Höhe Strkm 9,850 in Fahrtrichtung Feldbach mit der Zusatztafel gemäß §54 Abs5 Ziffer i) StVO 1960 idgF

10.) 'Ende von Überholverboten und Geschwindigkeitsbegrenzungen'gemäß §52a Ziffer 11 StVO 1960 idgF 1960 auf der L 201 auf Höhe Strkm 9,850 in Fahrtrichtung Kirchberber a.d.R.

Gemäß §44 leg cit tritt die Verordnung am Tage der Kundmachung durch die Aufstellung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen in Kraft."

2. §44 des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159 idF BGBl I 39/2013, lautet auszugsweise:

"§44. Kundmachung der Verordnungen.

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

(1a) – (5) […]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark vom 27. April 2017 anhängig, mit dem der Beschwerdeführer wegen Übertretungen gemäß §52 lita Z10a iVm §99 Abs2d StVO 1960 und §16 Abs2 lita iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 bestraft wurde. Er habe als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges in der Gemeinde Kirchberg an der Raab auf der L 201 bei Straßenkilometer 11.458 in Richtung Feldbach die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 41 km/h überschritten und auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet sei, ein mehrspuriges Fahrzeug überholt. Über den Beschwerdeführer wurden zwei Geldstrafen einerseits in Höhe von € 200,– (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 8 Stunden) und andererseits in Höhe von € 90,– (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 17 Stunden) verhängt.

2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt seine Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

2.1. Zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnungsbestimmung führt das Landesverwaltungsgericht Steiermark aus, der Beschwerdeführer habe das mit den angefochtenen Verordnungsbestimmungen angeordnete Überholverbot missachtet und die Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark habe die angefochtene Bestimmung daher im bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren anzuwenden.

2.2. Seine inhaltlichen Bedenken begründet das Landesverwaltungsgericht Steiermark folgendermaßen:

"Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18.12.2017 wurde der Straßenmeister [*****] von der Straßenmeisterei Feldbach als Zeuge geladen und einvernommen. Hinsichtlich seines Auftrages, die am Tatort maßgeblichen Straßenverkehrszeichen auszumessen, führte er glaubwürdig aus, dass er dies mit einem geeichten Messrad vorgenommen habe, unter Beiziehung des Amtssachverständigen der Baubezirksleitung Feldbach Herrn **** [**].

Die Messung ergab folgendes Ergebnis: von Kirchberg kommend Richtung Feldbach ist der Beginn der 'Geschwindigkeitsbeschränkung 80 km/h' und 'Überholen verboten' auf der L201 bei 11,580 km kundgemacht. Dies entspricht den Angaben der Verordnung, die auf eine Kundmachung bei StrKm 11,580 abstellt. Hingegen ist das Straßenverkehrszeichen 'Ende von Überholverboten und Geschwindigkeitsbeschränkungen' auf der L201 in Fahrtrichtung Feldbach tatsächlich auf Höhe StrKm 10,756 kundgemacht, laut Z3 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 10.07.2009 ist der Standort dieses Straßenverkehrszeichens jedoch bei StrKm 10,700. Das bedeutet, dass sich hinsichtlich des Endes des Überholverbotes und der Geschwindigkeitsbeschränkung eine tatsächliche Abweichung des Standortes des Straßenverkehrszeichens im Ausmaß von 56 Meter vom verordneten Standpunkt ergibt.

[…]

Da im gegenständlichen Fall das 'Ende von Überholverboten und Geschwindigkeitsbegrenzungen' gemäß §52a Z11 StVO auf der L201 in Fahrtrichtung Feldbach auf der Höhe StrKm 10,700 kundgemacht hätte werden müssen, dies jedoch bei StrKm 10,756 tatsächlich erfolgte, weist dieses Straßenverkehrszeichen ein Mindestmaß an Publizität auf, da sie gegenüber einem unbestimmten, externen Adressatenkreis ausreichend allgemein kundgemacht wurde, wenn auch nicht in der laut Verordnung (StrKm 10,700) rechtlich vorgesehenen Weise."

3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und mitgeteilt, dass die Aufstellung der Verkehrszeichen nicht mit der dem verordneten Geltungsbereich der Verordnung übereinstimmen. Es habe bereits eine neue straßenpolizeiliche Verhandlung stattgefunden und die in Frage gestellten Verkehrszeichen seien auch weiterhin aus Verkehrssicherheitsgründen aufzustellen.

4. Die Steiermärkische Landesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung zu Art89 Abs1 B‑VG seit dem Erkenntnis vom 28. Juni 2017, V4/2017, die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Behörden – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (vgl. zB VfSlg 12.382/1990, 16.875/2003, 19.058/2010, 19.072/2010, 19.230/2010 uva.; vgl. auch VfGH 18.9.2015, V96/2015, sowie die Rechtsprechung zu nicht ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzen VfSlg 16.152/2001, 16.848/2003 und die darin zitierte Vorjudikatur). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B‑VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (VfGH 14.3.2018, V114/2017).

1.2. Die angefochtene Verordnung ist durch die Anbringung der Verkehrszeichen am 9. Juli 2009 gemäß §44 Abs1 StVO 1960 jedenfalls kundgemacht worden, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist und in Geltung steht.

1.3. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.4. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.5. Nach dem vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, die Geschwindigkeitsbeschränkung und das Überholverbot der angefochtenen Verordnungsbestimmung missachtet zu haben. Es ist offenkundig, dass das Landesverwaltungsgericht Steiermark in diesem Verwaltungsverfahren die angefochtenen Verordnungsbestimmungen anzuwenden hat.

1.6. Das Landesverwaltungsgericht beantragt zunächst lediglich die Aufhebung der Z3 der angefochtenen Verordnung. Die Aufhebung der Z3 hätte aber zur Folge, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung und das Überholverbot, das in Z4 und 5 der angefochtenen Verordnung normiert ist, nicht beendet werden würde. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist es erforderlich festzulegen, auf welcher Strecke, beginnend und endend mit bestimmten Punkten, die Verkehrsteilnehmer die vorgesehenen Verkehrsbeschränkungen einzuhalten haben (VfGH 14.3.2018, V114/2017). Da die Aufhebung allein der Z3 der angefochtenen Verordnung daher die Unbestimmtheit der Z4 und 5 zur Folge hätte, erweist sich der Hauptantrag als zu eng gefasst und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

1.7. Soweit das Landesverwaltungsgericht in eventu die Aufhebung der Z3, Z4 und Z5 beantragt, ist der Anfechtungsumfang richtig bestimmt und da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Eventualantrag als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.3. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark behauptet die Gesetzwidrigkeit der Verordnung durch die nicht ordnungsgemäße Kundmachung gemäß §44 Abs1 StVO 1960, weil das Verkehrszeichen auf der L 201 bei Straßenkilometer 10,756 angebracht wurde und nicht mit dem in der Verordnung verordneten Geltungsbereich bei Straßenkilometer 10,700 übereinstimmt.

2.4. Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl. VfSlg 18.710/2009, 19.409/2011, 19.410/2011).

2.5. Der Vorschrift des §44 Abs1 StVO 1960 ist immanent, dass die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Zwar ist zur Kundmachung von Verkehrsbeschränkungen keine "zentimetergenaue" Aufstellung der Verkehrszeichen erforderlich (vgl. dazu VwGH 13.2.1985, 85/18/0024; 25.1.2002, 99/02/0014; 10.10.2014, 2013/02/0276), jedoch wird dieser Vorschrift nicht Genüge getan und liegt ein Kundmachungsmangel vor, wenn der Aufstellungsort vom Ort des Beginns bzw. Endes des verordneten Geltungsbereiches einer Geschwindigkeitsbeschränkung signifikant abweicht (vgl. VfGH 14.3.2018, V114/2017 mwN).

2.6. Wie sich aus der Äußerung der verordnungserlassenden Behörde und dem Akteninhalt eindeutig ergibt, wurde das Verkehrszeichen an der L 201 in der Gemeinde Kirchberg an der Raab auf Höhe Straßenkilometer 10,756 angebracht; dies stellt eine signifikante Abweichung gegenüber dem verordneten Geltungsbereich der Verordnung dar. Die Nichtübereinstimmung der verordnungsmäßig festgelegten Grenzen des Überholverbotes und der Geschwindigkeitsbeschränkung mit den tatsächlich kundgemachten Grenzen führt zur Rechtswidrigkeit und zu einer nicht gesetzmäßigen Kundmachung iSd §44 Abs1 StVO 1960 der Ziffern 3, 4 und 5 der angefochtenen Verordnung.

V. Ergebnis

1. Der Hauptantrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

2. Z3, Z4 und Z5 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 10. Juli 2009 betreffend straßenpolizeiliche Maßnahmen in der Gemeinde 8324 Kirchberg a.d.R., Z BHFB-11.0-D-154/2009, sind daher wegen Verstoßes gegen §44 Abs1 StVO 1960 als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches Kundmachungsgesetz.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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