Normen
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
GlücksspielG §1 Abs2, §4 Abs6, §60 Abs36
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:G203.2018
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antragsbegehren
Die antragstellende Gesellschaft stellt den auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge
"1. Das Wort 'Poker' mit dem Beistrich, im §1 Abs2 des Bundesgesetzes zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG), BGBl Nr 620/1989 idF BGBl I Nr 13/2014, §60 Abs36 Glücksspielgesetz, BGBl Nr 620/1989 idF BGBl I Nr 118/2015, sowie den Absatz 6 im §4: '(6) Ausspielungen mit Kartenspielen in Turnierform zum bloßen Zeitvertreib unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes, wenn
1. die Einsätze (alle vermögenswerten Leistungen) pro Teilnehmer und Turnier insgesamt höchstens 10 Euro betragen und
2. nicht mehr als 100 Spieler teilnehmen und
3. die Summe der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinne in Geld, Waren oder geldwerten Leistungen) die Summe aller vermögenswerten Leistungen nach Z1 nicht übersteigt und
4. die Ausspielung im Rahmen einer aufrechten Gastgewerbeberechtigung nach §111 Abs1 Gewerbeordnung 1994 in den Betriebsräumen des Berechtigten stattfindet und sie höchstens einmal im Quartal pro Gastgewerbeberechtigung erfolgt'"
als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. Die §§1, 4, und 60 Abs36 des Glücksspielgesetzes, BGBl 620/1989, idF BGBl I 118/2015 lauten in ihrem Zusammenhang (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Abschnitt I
Glücksspielgesetz
Allgemeiner Teil
Glücksspiele
§1. (1) Ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.
(2) Glücksspiele im Sinne dieses Bundesgesetzes sind insbesondere die Spiele Roulette, Beobachtungsroulette, Poker, Black Jack, Two Aces, Bingo, Keno, Baccarat und Baccarat chemin de fer und deren Spielvarianten. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, aus Gründen der Rechtssicherheit durch Verordnung weitere Spiele als Glücksspiele im Sinne des Abs1 zu bezeichnen.
(3) In Angelegenheiten des Glücksspiels kann der Bundesminister für Finanzen Amtssachverständige bestellen.
(4) Der Bundesminister für Finanzen hat eine Stelle für Spielerschutz einzurichten, deren Aufgabe die inhaltliche, wissenschaftliche und finanzielle Unterstützung des Spielerschutzes ist. Zur Finanzierung der Arbeit dieser Stelle wird ab 1. Jänner 2011 ein Finanzierungsbeitrag von 1 vT der jeweiligen Bemessungsgrundlage nach §28 sowie nach §57 Abs4 gemeinsam mit den jeweiligen Abgaben erhoben.
[...]
Ausnahmen aus dem Glücksspielmonopol
§4. (1) Glücksspiele unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes, wenn sie
1. nicht in Form einer Ausspielung im Sinne des §2 Abs1 und
2. a) bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge oder
b) nur einmalig zur Veräußerung eines körperlichen Vermögensgegenstandes durchgeführt werden.
(2) Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten nach Maßgabe des §5 unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes.
(3) Warenausspielungen mit Glücksspielautomaten unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes, wenn die vermögenswerte Leistung nach §2 Abs1 Z2 den Betrag oder den Gegenwert von 1 Euro nicht übersteigt und es sich um die Schaustellergeschäfte des 'Fadenziehens', 'Stoppelziehens', 'Glücksrades', 'Blinkers', 'Fische- oder Entenangelns', 'Plattenangelns', 'Fische- oder Entenangelns mit Magneten', 'Plattenangelns mit Magneten', 'Zahlenkesselspiels', 'Zetteltopfspiels' sowie um diesen ähnliche Spiele handelt. Eine Warenausspielung liegt nicht vor, wenn die Einlösung des Gewinns in Geld möglich ist.
(4) Lebensversicherungsverträge, nach denen die in Ab- und Erlebensfall zu leistende Versicherungssumme für den Fall der Auslosung vorzeitig zu zahlen ist, unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol.
(5) Glückshäfen, Juxausspielungen und Tombolaspiele unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol, solange das zusammengerechnete Spielkapital solcher Ausspielungen desselben Veranstalters 4 000 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt und wenn mit der Ausspielung nicht persönliche Interessen der Veranstalter oder Erwerbszwecke verfolgt werden.
(6) Ausspielungen mit Kartenspielen in Turnierform zum bloßen Zeitvertreib unterliegen nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes, wenn
1. die Einsätze (alle vermögenswerten Leistungen) pro Teilnehmer und Turnier insgesamt höchstens 10 Euro betragen und
2. nicht mehr als 100 Spieler teilnehmen und
3. die Summe der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinne in Geld, Waren oder geldwerten Leistungen) die Summe aller vermögenswerten Leistungen nach Z1 nicht übersteigt und
4. die Ausspielung im Rahmen einer aufrechten Gastgewerbeberechtigung nach §111 Abs1 Gewerbeordnung 1994 in den Betriebsräumen des Berechtigten stattfindet und sie höchstens einmal im Quartal pro Gastgewerbeberechtigung erfolgt.
Ausspielungen nach diesem Absatz dürfen nur an ortsfesten Veranstaltungsorten und nicht über elektronische Medien durchgeführt werden, wobei an ein und demselben Veranstaltungsort monatlich insgesamt höchstens eine Ausspielung mit Kartenspielen in Turnierform zum bloßen Zeitvertreib durchgeführt werden darf. Eine Durchführung in Turnierform liegt vor, wenn erst nach dem Ausgang mehrerer Spielrunden die Gewinner der Ausspielung feststehen.
Eine Ausspielung mit Kartenspielen in Turnierform zum bloßen Zeitvertreib ist ab 1. Jänner 2011 vor ihrer Durchführung dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in elektronischem Weg anzuzeigen. Der Bundesminister für Finanzen kann dabei im Verordnungsweg nähere Details der elektronischen Übermittlung regeln.
[...]
§60. [...]
(36) §2 Abs4 ist auf Pokerangebote auf Grundlage einer gewerberechtlichen Bewilligung, die zum 31. Dezember 2012 aufrecht war, ab 1. Jänner 2020 anzuwenden."
III. Antragsvorbringen
1. Die antragstellende Gesellschaft ist ein Unternehmen mit Sitz in Wien und verfügt seit 19. Februar 2001 über eine Gewerbeberechtigung für die "Veranstaltung und Organisation des Kartenspieles 'Poker' und anderer erlaubter Kartenspiele, bei denen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig ist, ohne Bankhalter". Auf Grund dieser Gewerbeberechtigung und einer Betriebsstättengenehmigung für die Räume ihres Gastgewerbebetriebes ermögliche es die antragstellende Gesellschaft interessierten Personen, Pokerspiel im Lebendspiel ohne Bankhalter durchzuführen. Die antragstellende Gesellschaft stelle den Spielern in den Räumen ihres Gastronomiebetriebes Dienstleistungen und Sachmittel entgeltlich zur Verfügung (Bedienung, Jetons, Karten, Tische). Die Spieler bildeten ihre Spielrunden autonom und schlössen untereinander Spielverträge ab. Die antragstellende Gesellschaft sei weder Vertragspartner der Spieler noch leiste sie zu den einzelnen Spielen einen finanziellen Beitrag. Die antragstellende Gesellschaft habe aus diesem Grund auch kein Recht auf eine Gewinnbeteiligung.
Die antragstellende Gesellschaft sei durch die seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2010 rechtswirksamen Bestimmungen des "§1 Abs2, §2 Abs4, §4 Abs6 GSpG" unmittelbar betroffen. Durch die "Vorschrift des Art5 Ziff. 1 BGBl I Nr 118/2015" werde der Rechtsbestand der gewerberechtlichen Bewilligung der antragstellenden Gesellschaft bis 31. Dezember 2019 bestätigt. Die Abgabenbehörden subsumierten in ihren Entscheidungen – auf Grund der in sich widersprüchlichen und lückenhaften Bestimmungen des Glücksspielgesetzes – die gemäß der Gewerbeordnung 1994 erworbenen Bewilligungen für Pokerspiele im Lebendspiel ohne Bankhalter in einer verfassungswidrigen Weise unter die Abgabenpflichten des Glücksspielgesetzes für verbotene Glücksspiele. Die Wortfolge "bei Fehlen eines Berechtigungsverhältnisses der Vertragspartner des Spielteilnehmers, der Veranstalter der Ausspielung sowie der Vermittler [...] zur ungeteilten Hand" in §59 Abs2 GSpG sei im Hinblick auf gewerberechtliche Bewilligungen für Pokerspiele im Lebendspiel ohne Bankhalter zu unbestimmt und aus diesem Grund verfassungswidrig. Auf Grund der Einstufung von Poker als Glücksspiel iSd §1 Abs2 GSpG und der fehlenden expliziten Ausnahme im Hinblick auf gewerberechtliche Bewilligungen für Pokerspiele im Lebendspiel ohne Bankhalter in §4 Abs6 GSpG werde ein fehlendes Berechtigungsverhältnis iSd §59 GSpG angenommen. Die abgabenrechtlichen Entscheidungen seien nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 2017, Ro 2015/16/0024-7, endgültig bestätigt worden. Es gebe für die antragstellende Gesellschaft keinen rechtlichen Umweg, um gegen die verfassungswidrigen abgabenrechtlichen Entscheidungen vorzugehen. Die antragstellende Gesellschaft werde in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B‑VG, auf Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG und auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK verletzt. Darüber hinaus trete durch die Vorschrift des §60 Abs36 GSpG die gewerberechtliche Bewilligung der antragstellenden Gesellschaft ab 1. Jänner 2020 ex lege außer Kraft, womit die Ausübung ihrer gewerberechtlichen Pokerspiele verboten werde.
IV. Zur Zulässigkeit
1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
Nach §62 Abs1 VfGG hat ein Antrag auf Normenkontrolle, der von einer Person gestellt wurde, die unmittelbar durch die Rechtswidrigkeit einer Norm in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, demgemäß darzutun, inwieweit die Norm ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Person wirksam geworden ist, inwiefern die Norm also in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar nachteilig eingreift. Das Fehlen dieser Darlegung stellt einen inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel und somit ein Prozesshindernis dar (VfSlg 17.111/2004, 18.187/2007; VfGH 7.10.2009, G142/09; 21.11.2013, G85/2013).
Hiebei kommt es nach der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das angefochtene Gesetz seine Rechtssphäre berührt und allenfalls verletzt. Es ist vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 11.730/1988, 14.338/1995, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001, 17.768/2006, 18.512/2008 uva.); es braucht nicht untersucht zu werden, ob das Gesetz sonstige unmittelbare Wirkungen für den Antragsteller hat.
2. Die antragstellende Gesellschaft bringt hinsichtlich ihrer Legitimation zur Antragstellung vor, sie sei "von den Gesetzesvorschriften de[s] §1 Abs2, §2 Abs4, §4 Abs6, aus dem Jahr 2010 unmittelbar betroffen [...], weil diese Vorschriften [...] für sie ex lege rechtswirksam geworden sind und zuletzt durch den Gesetzgeber mit der Vorschrift des Art5 Ziff. 1 BGBl I Nr 118/2015 [...] der Rechtsbestand ihrer gewerberechtlichen Befugnis für Pokerspiele im Lebendspiel ohne Bankhalter [...] bis 31. Dezember 2019 bestätigt wurde."
3. Die antragstellende Gesellschaft behauptet zwar, dass sie durch die angefochtenen Rechtsvorschriften – ihrer Ansicht nach zu Unrecht – den Abgabenpflichten des Glücksspielgesetzes für verbotene Glücksspiele unterworfen werde; sie tut jedoch nicht in der von §62 Abs1 VfGG geforderten Form dar, inwieweit sie durch die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen ist. Da somit nicht konkret dargetan wird, inwieweit durch das Gesetz ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft erfolgt, leidet der Antrag an einem inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel (vgl etwa VfSlg 14.338/1995, 18.187/2007, 18.512/2008; VfGH 7.10.2009, G142/09; 21.11.2013, G85/2013; 8.10.2014, G51/2014) und ist schon aus diesem Grund zurückzuweisen, ohne dass auf die weiteren Prozessvoraussetzungen einzugehen ist.
Soweit die antragstellende Gesellschaft in ihrem Antrag verfassungsrechtliche Bedenken dagegen äußert, dass die Ausübung ihrer Gewerbeberechtigung für "Pokerspiele im Lebendspiel ohne Bankhalter" ab dem 1. Jänner 2020 verboten sein wird, ist für den Verfassungsgerichtshof darüber hinaus – nicht zuletzt mangels entsprechender Darlegung im Antrag durch die antragstellende Gesellschaft – nicht erkennbar, aus welchen Gründen das Verbot der Ausübung der Gewerbeberechtigung für "Pokerspiele im Lebendspiel ohne Bankhalter" bereits jetzt – fünfzehn Monate vor seinem Inkrafttreten (vgl §60 Abs36 GSpG) – eine aktuelle Wirkung für die antragstellende Gesellschaft entfalten kann (vgl VfGH 2.7.2018, G78/2018).
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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