Normen
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
FremdenpolizeiG 2005 §53 Abs1
Niederlassungs- und AufenthaltsG (NAG) §57
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
FremdenpolizeiG 2005 §53 Abs1
Niederlassungs- und AufenthaltsG (NAG) §57
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1.1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist ein Beschwerdeverfahren
gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. April 2008 anhängig, mit dem ein indischer Staatsangehöriger gemäß §53 Abs1 und §§87 iVm 86 Abs2 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (im Folgenden: FPG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde.
1.2. Der Verwaltungsgerichtshof führt zu dem diesem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt aus:
"Der Beschwerdeführer sei im Dezember 2000 illegal nach Österreich gelangt und habe am 28. Dezember 2000 einen Asylantrag gestellt, der am 31. Juli 2003 gemäß §§7 und 8 AsylG rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 14. Oktober 2003 habe er einen weiteren Asylantrag gestellt. Dieses Asylverfahren sei am 11. Dezember 2003 eingestellt worden. Am 22. April 2004 habe er die österreichische Staatsbürgerin T H. geheiratet und am 23. Juni 2004 einen Erstantrag als begünstigter Drittstaatsangehöriger eingebracht. Er sei 'Familienangehöriger' im Sinn des §2 Abs4 Z. 12 FPG, weil er Drittstaatsangehöriger und Ehegatte einer nicht 'freizügigkeitsberechtigten' österreichischen Staatsbürgerin sei. Daher würden iSd §87 FPG die §85 Abs1 und §86 FPG gelten. Der Beschwerdeführer sei kein 'begünstigter Drittstaatsangehöriger' iSd §2 Abs4 Z. 11 FPG, weil seine österreichische Ehegattin nicht ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. ..."
2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. Oktober 2008 den auf Art140 B-VG gestützten Antrag, die Wortfolge ", sofern diese ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben," in §57 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich, BGBl. I 100/2005, (im Folgenden: NAG) als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Die angefochtene Bestimmung steht mit folgenden Normen im Zusammenhang:
1. §2 Abs4 FPG, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 157/2005, lautet auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§2. (1) - (3) ...
(4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist
1. - 7. ...
8. EWR-Bürger: ein Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist;
9. ...
10. Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger ist;
11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;
12. Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie);
13. - 17. ...
(5) ..."
2. §31 Abs1 FPG, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 157/2005, lautet:
"Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthaltim Bundesgebiet
§31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;
5. soweit sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§19 Abs4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten oder nicht auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§48 Abs1) oder aufgrund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß §67 ARHG eingereist sind;
6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß §3 Abs5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß §18 Abs3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder
7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
(2) - (3) ..."
3. §53 Abs1 FPG, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 99/2006, lautet:
"Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel
§53. (1) Fremde können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2) - (3) ..."
4. Die Abs1 und 2 des §86 FPG, BGBl. I 100/2005, lauten:
"Sonderbestimmungen für den Entzug derAufenthaltsberechtigung und fürverfahrensfreie Maßnahmen
§86. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige sind dann auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des §55 Abs1 NAG das Niederlassungsrecht fehlt.
(3) - (6) ..."
5. §87 FPG, BGBl. I 100/2005, lautet:
"Familienangehörige von nicht freizügigkeitsberechtigtenEWR-Bürgern, Schweizern und Österreichern
§87. Familienangehörige (§2 Abs4 Z12) unterliegen der Sichtvermerkspflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§85 Abs2 und 86."
6. §§51 bis 57 NAG, BGBl. I 100/2005, lauten (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"4. Hauptstück
Gemeinschaftsrechtliches Niederlassungsrecht
Niederlassungsrecht für EWR-Bürger
§51. EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen und sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, sind zur Niederlassung berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über eine ausreichende Krankenversicherung verfügen und nachweisen, dass sie über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfügen, so dass sie während ihrer Niederlassung keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, oder
3. eine Ausbildung bei einer rechtlich anerkannten öffentlichen oder privaten Schule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z2 erfüllen.
Niederlassungsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern
§52. Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§51), die selbst EWR-Bürger sind, sind zur Niederlassung berechtigt, wenn sie
1. Ehegatte sind;
2. Verwandter des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
3. Verwandter des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweist, oder
5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,
a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,
b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen,
und diesen begleiten oder zu ihm nachziehen.
Anmeldebescheinigung
§53. (1) EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen, und deren Angehörige gemäß §52 haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, spätestens nach Ablauf von drei Monaten ab ihrer Niederlassung diese der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen. Diese gilt zugleich als Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthalts des EWR-Bürgers.
(2) Zum Nachweis des Rechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie
1. nach §51 Z1 eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;
2. nach §51 Z2 Nachweise über eine ausreichende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel;
3. nach §51 Z3 Nachweise über eine ausreichende Krankenversicherung und über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung sowie eine Erklärung oder sonstige Dokumente über ausreichende Existenzmittel;
4. nach §52 Z1 ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe;
5. nach §52 Z2 und 3 ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern ab Vollendung des 21. Lebensjahres und Verwandten des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung;
6. nach §52 Z4 ein Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger im Herkunftsstaat;
7. nach §52 Z5 ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates der Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen,
vorzulegen.
Daueraufenthaltskarten
§54. (1) Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§51), die nicht EWR-Bürger sind und die die in §52 Z1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zur Niederlassung berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Daueraufenthaltskarte für die Dauer von zehn Jahren auszustellen. Dieser Antrag ist spätestens nach Ablauf von drei Monaten ab ihrer Niederlassung zu stellen.
(2) Zum Nachweis des Rechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie
1. nach §52 Z1 ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe;
2. nach §52 Z2 und 3 ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung
vorzulegen.
Fehlen des Niederlassungsrechts
§55. (1) Besteht das gemäß §§51, 52 und 54 dokumentierte Niederlassungsrecht nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegt oder weil die Nachweise nach §53 Abs2 oder §54 Abs2 nicht erbracht werden, hat die Behörde den Antragsteller vom Nichtvorliegen der Voraussetzungen schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Die Fremdenpolizeibehörde ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller zu befassen.
(2) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§§53 und 54 FPG), hat die Fremdenpolizeibehörde dies der Behörde mitzuteilen. In diesem Fall hat die Behörde die Dokumentation des Aufenthalts- und Niederlassungsrechts unverzüglich vorzunehmen.
(3) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.
Sonderfälle der Niederlassung vonAngehörigen von EWR-Bürgern
§56. (1) Angehörigen im Sinne des §52 Z4 und 5 von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§51), die selbst nicht EWR-Bürger sind, kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen. Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der zusammenführende EWR-Bürger jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.
(2) Zum Nachweis des Rechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie
1. nach §52 Z4 der Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger im Herkunftsstaat;
2. nach §52 Z5 ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates über die Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen,
vorzulegen.
(3) Angehörigen nach Abs1 kann eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn
1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllt haben,
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und
3. eine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegt.
Schweizer Bürger und deren Angehörige sowieAngehörige von Österreichern
§57. Die Bestimmungen der §§51 bis 56 finden auch auf Schweizer Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, und deren Angehörige sowie auf Angehörige von Österreichern, sofern diese ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, Anwendung."
III. 1. Zur Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge führt der Verwaltungsgerichtshof aus:
"Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §87 iVm §86 Abs2 und §53 Abs1 FPG.
Gemäß §86 Abs2 FPG sind EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige dann auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des §55 Abs1 NAG das Niederlassungsrecht fehlt.
§86 Abs2 FPG trägt bei der Ausweisung gemäß §53 Abs1 FPG von EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern sowie begünstigten Drittstaatsangehörigen dem Umstand Rechnung, dass sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, die einer solchen Ausweisung die Grundlage entziehen würde, unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben kann, ohne dass ein konstitutiver Rechtsakt erforderlich ist. Dies im Unterschied zu sonstigen Aufenthaltstiteln iSd §8 NAG (und auch zum hier in Frage kommenden Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' iSd §8 Abs1 Z. 2 iVm §47 Abs2 NAG), bei denen - selbst wenn alle Voraussetzungen für den Titel objektiv vorliegen sollten - der Aufenthalt so lange unrechtmäßig ist, als der Aufenthaltstitel nicht mit einem (konstitutiv wirkenden) Bescheid der Niederlassungsbehörde erteilt worden ist.
Über das Nichtbestehen eines gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts iSd 4. Hauptstücks des 2. Teils des NAG hat die Fremdenpolizeibehörde gemäß §55 Abs1 NAG im Aufenthaltsbeendigungsverfahren zu entscheiden. Die Anordnung des §87 FPG, der zufolge für Familienangehörige die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§85 Abs2 und 86 FPG gelten, findet im Umfang des §86 Abs2 FPG auf die Familienangehörigen keine Anwendung, weil diese aus den §§51, 52 und 54 NAG kein Niederlassungsrecht ableiten können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/21/0330, und vom 19. Mai 2008, Zl. 2006/18/0390).
...
Bei Erledigung der Beschwerde wird der Verwaltungsgerichtshof diese im Spruch genannte Bestimmung anzuwenden haben, denn aus ihr ergibt sich die Nichtanwendbarkeit der §§51 bis 56 NAG, was sich auf die Beurteilung des Vorliegens eines unrechtmäßigen Aufenthalts iSd §53 Abs1 FPG auswirkt. Die angefochtene Wortfolge ist daher für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes präjudiziell."
2. Die Bundesregierung führt in ihrer Äußerung, in der sie unter anderem die Zulässigkeit des Antrages mangels Präjudizialität der bekämpften Bestimmung bestreitet, aus:
"3.2. Zu der vom antragstellenden Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Präjudizialität der angefochtenen Norm des §57 NAG ist auszuführen, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (§53 Abs1 FPG). Für die Beurteilung des rechtmäßigen Aufenthalts ist primär die Bestimmung des §31 Abs1 FPG heranzuziehen, in welcher die Gesetzgebung jene alternativen Voraussetzungen taxativ aufzählt (Z1 bis 7 leg. cit.), unter denen der Aufenthalt im Bundesgebiet als rechtmäßig zu qualifizieren ist. So halten sich Fremde gemäß §31 Abs1 Z2 leg. cit. insbesondere dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation nach dem NAG zum Aufenthalt berechtigt sind. Konkrete Aufenthaltssachverhalte sind somit im Hinblick auf ihre Rechtmäßigkeit anhand der aufgezählten Voraussetzungen zu prüfen.
Wie sich aus dem vom antragstellenden Verwaltungsgerichtshof geschilderten Sachverhalt ergibt, erfüllt im vorliegenden Anlassverfahren der Beschwerdeführer unbestritten keine der in §31 Abs1 FPG angeführten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Insbesondere verfügt der Beschwerdeführer weder über einen gültigen Aufenthaltstitel (§8 bzw. §81 Abs2 NAG) noch über eine gültige Dokumentation eines gemeinschaftsrechtlichen Aufenthalts- oder Niederlassungsrechts (Daueraufenthaltskarte gemäß §54 NAG).
3.3. Der Beschwerdeführer ist ein mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateter indischer Staatsangehöriger und daher Familienangehöriger im Sinne des §2 Abs4 Z12 FPG. Mangels Vorliegens eines für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts relevanten
Freizügigkeitssachverhaltes ... ist der Beschwerdeführer nicht vom
Begriff des 'begünstigten Drittstaatsangehörigen' gemäß §2 Abs4 Z11 FPG umfasst.
Die im Anlassverfahren ergangene Ausweisungsentscheidung
stützt sich auf §87 iVm §86 Abs2 und §53 Abs1 FPG ... §87 FPG
normiert, dass für Familienangehörige (in der Definition des §2 Abs4 Z12 FPG) von nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizern und Österreichern die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§85 Abs2 und 86 FPG gelten. Begünstigte Drittstaatsangehörige sind gemäß §86 Abs2 FPG auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des §55 Abs1 NAG das Niederlassungsrecht fehlt. Da das in §55 Abs1 NAG genannte Niederlassungsrecht von vornherein nicht für Familienangehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizern und Österreichern in Frage kommt, geht der Verweis des §87 FPG auf §86 FPG, soweit er formal auch §86 Abs2 FPG umfasst, ins Leere (siehe die Erkenntnisse des VwGH vom 30. Jänner 2007, 2006/21/0330 und vom 19. Mai 2008, 2006/18/0390). Somit hätte es nicht des Rückgriffs der ausweisenden Behörde auf §86 Abs2 FPG bei Erlassung des gegenständlichen Bescheides bedurft, obschon dies unschädlich ist.
3.4. Wie aus dem vorliegenden Antrag des Verwaltungsgerichtshofes hervorgeht, enthält der Sachverhalt des Anlassverfahrens weder aus Sicht des Beschwerdeführers noch aus Sicht des antragstellenden Verwaltungsgerichtshofes einen für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts relevanten Freizügigkeitssachverhalt im Sinne der Art18 und 39 ff EG-Vertrag (im Folgenden: EG) iVm mit der Unionsbürger-RL, aus dem der Beschwerdeführer als Ehemann einer Unionsbürgerin, die österreichische Staatsbürgerin ist, ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht ableiten könnte. Die Beurteilung der Frage, ob ein Familienangehöriger eines nicht freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers bzw. Schweizer Bürgers oder Österreichers - und folglich der Beschwerdeführer - unter den Anwendungsbereich des §87 FPG fällt und sohin die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§85 Abs2 und 86 FPG (mit Ausnahme von §86 Abs2 FPG) zur Anwendung kommen, erfolgt nach Ansicht der Bundesregierung - anders als vom Verwaltungsgerichtshof vermeint - nicht aus §57 NAG, sondern aus der Anordnung des §87 FPG selbst in Zusammenschau mit der Begriffsbestimmung des §2 Abs4 Z11 FPG.
Der angefochtene §57 NAG, welcher ausdrücklich nur Fälle mit zugrunde liegendem Freizügigkeitssachverhalt erfasst, und sohin ausschließlich bei Vorliegen eines solchen zur Anwendung kommt, kann daher vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Prüfung des gegenständlichen Anlassfalles nicht zur Anwendung gelangen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich aus der im Beschluss angefochtenen Wortfolge die Nichtanwendbarkeit der §§51 bis 56 NAG ergebe, wird seitens der Bundesregierung nicht geteilt. Vielmehr ergibt sich der auf Freizügigkeitssachverhalte eingeschränkte Anwendungsbereich der §§51 bis 56 NAG schon unmittelbar aus den zitierten Rechtsvorschriften selbst. So normiert '51 NAG die in dieser Bestimmung angesprochene Zielgruppe klar mit 'EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen' und verweist der für das Niederlassungsrecht von begünstigten Drittstaatsangehörigen einschlägige §54 NAG mit der Wendung 'Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§51), die nicht EWR-Bürger sind' auf selbigen Personenkreis. Ebenso ist auch für das gesamte vierte Hauptstück (des zweiten Teils) des NAG - als 'gemeinschaftsrechtliches Niederlassungsrecht' - als Anknüpfungspunkt die Verwirklichung eines Freizügigkeitssachverhaltes erforderlich (siehe dazu die Definition gemäß §2 Abs2 Z14 NAG).
3.5. Die angefochtene Norm erscheint zusammengefasst nach Ansicht der Bundesregierung nicht als präjudiziell, weshalb der Antrag als unzulässig zurückzuweisen ist."
IV. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
2.1. Gemäß §53 Abs1 FPG ist ein Fremder auszuweisen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß §31 Abs1 Z2 FPG halten sich Fremde u.a. dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem NAG zur Niederlassung oder zum Aufenthalt berechtigt sind. Ein Fremder hält sich somit u.a. dann unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn er über keine Aufenthaltsberechtigung oder keine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes verfügt.
§86 Abs2 FPG bestimmt, dass EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige dann auszuweisen sind, wenn ihnen aus den Gründen des §55 Abs1 NAG das Niederlassungsrecht fehlt. Gemäß §87 FPG gilt diese Bestimmung auch für Familienangehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsangehörigen. Besteht das gemäß §§51, 52 und 54 NAG dokumentierte Niederlassungsrecht nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegt oder weil die Nachweise nach §53 Abs2 oder §54 Abs2 NAG nicht erbracht werden, hat die Niederlassungsbehörde gemäß §55 Abs1 NAG den Antragsteller vom Nichtvorliegen der Voraussetzungen schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde.
2.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Fremdenpolizeibehörde bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §53 Abs1 FPG vorliegen, weil ein Fremder sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ausschließlich zu prüfen, ob die Dokumentation (der in §54 NAG geregelte Niederlassungsnachweis) des direkt im Gemeinschaftsrecht begründeten Niederlassungsrechtes vorliegt. Die Ausstellung eines Niederlassungsnachweises obliegt gemäß §3 NAG der Niederlassungsbehörde. Die Fremdenpolizeibehörde hat hingegen nicht zu prüfen, ob der Fremde gemäß §§54 iVm 57 NAG tatsächlich zur Niederlassung in Österreich berechtigt ist. Es ist daher denkunmöglich, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung darüber, ob die Fremdenpolizeibehörde zu Recht eine Ausweisung verhängt hat, §57 NAG anzuwenden hat.
2.3. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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