VfGH B330/90

VfGHB330/9024.9.1990

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines aufgrund eines Meistbotes erteilten Zuschlags; kein in die Verfassungssphäre reichender Verfahrensmangel durch die behauptete Verletzung des Parteiengehörs; keine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt MRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien Nö GVG 1989 §3 Abs2 lita und c AVG §37 AVG §45 Abs3
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt MRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien Nö GVG 1989 §3 Abs2 lita und c AVG §37 AVG §45 Abs3

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirksbauernkammer Baden am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Baden versagte mit Bescheid vom 29. September 1989 dem in einem Zwangsversteigerungsverfahren mit Beschluß des Bezirksgerichtes Baden dem Beschwerdeführer als Meistbietenden erteilten Zuschlag hinsichtlich näher bezeichneter Grundstücke im Gesamtausmaß von

7.521 m2 um das Meistbot von S 165.000,-- unter Berufung auf §17 Abs2 iVm §3 Abs2 lita und g des NÖ Grundverkehrsgesetzes 1989, LGBl. 6800-0 (im folgenden: NÖ GVG 1989), die Zustimmung.

Die dagegen eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers wies die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 5. Februar 1990 ua. gemäß §3 Abs1 und 2 lita, c und g, §11 Abs9 und §17 Abs2 NÖ GVG 1989 ab.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie des durch Art6 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Die Grundverkehrs-Landeskommission als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Gemäß §14 Abs4 NÖ GVG 1989 ist eine Berufung gegen Entscheidungen der - nach §11 Abs9 dieses Gesetzes zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Grundverkehrs-Bezirkskommissionen zuständigen - Grundverkehrs-Landeskommission nicht zulässig. Der Instanzenzug ist daher erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

B. Sie ist jedoch nicht begründet.

1.a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9186/1981, 9727/1983, 10.516/1985) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hat.

b) Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid ua. auf die Vorschriften des §3 Abs1 sowie des §3 Abs2 lita und c NÖ GVG 1989 gestützt. Diese Bestimmungen lauten:

"§3

Voraussetzungen für die Zustimmung

(1) Die Grundverkehrsbehörde hat einem Rechtsgeschäft die Zustimmung zu erteilen, wenn es dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht widerstreitet. Soweit ein solches Interesse nicht besteht, hat die Grundverkehrsbehörde dem Rechtsgeschäft auch dann die Zustimmung zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerstreitet.

(2) Ein solcher Widerstreit ist jedenfalls gegeben, wenn

a) der Erwerber, Pächter oder Fruchgenußberechtigte einer Liegenschaft kein Landwirt ist und ein oder mehrere Interessenten vorhanden sind;

. . .

c) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe das Interesse an der Verwendung aufgrund des vorliegenden Vertrages überwiegt und Interessenten vorhanden sind;

. . ."

c) Der Verfassungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen (s. zB VfSlg. 7775/1976, 8177/1977, 9004/1981, 9128/1981, 9131/1981, 10.687/1985) dargetan, daß gegen die mit §3 Abs1 und Abs2 lita und c NÖ GVG 1989 weitgehend übereinstimmenden Vorschriften des §8 Abs1 und Abs2 lita und d des NÖ Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. 6800, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Gegen die erwähnten, dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Vorschriften des NÖ GVG 1989 sind auch aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken entstanden.

Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, daß eine gleichheitswidrige Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde weder vom Beschwerdeführer behauptet wurde noch im verfassungsgerichtlichen Verfahren hervorgekommen ist, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hätte. Ein willkürliches, das Gleichheitsrecht verletzendes Verhalten der Behörde liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unter anderem auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens (vgl. zB VfSlg. 8808/1980, 9600/1983, 10.942/1986, 11.172/1986). Willkür fällt der Behörde ferner unter anderem dann zur Last, wenn sie anerkannte, tragende Rechtsgrundsätze mißachtet (vgl. VfSlg. 4480/1963, 10.549/1985).

d) Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, in mehrfacher Hinsicht Willkür geübt zu haben, und zwar einmal dadurch, daß sie es in grober Mißachtung der Verfahrensvorschriften verabsäumt habe, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens, insbesondere zu dem von ihr eingeholten Sachverständigengutachten, Stellung zu nehmen (Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs), wodurch sie auch das Vorbringen des Beschwerdeführers ignorierte, zum anderen dadurch, daß sie jede Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der - entscheidungswesentlichen - Frage unterließ, ob der Beschwerdeführer Landwirt iS des NÖ GVG 1989 sei.

e) Beim Recht auf Parteiengehör handelt es sich nur um ein in einem einfachen Gesetz (§37, §45 Abs3 AVG 1950) begründetes, nicht aber um ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht (s. zB VfSlg. 4003/1961, 4394/1963, 6732/1972, 8766/1980, 8828/1980). Die Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör kann daher für sich allein keine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes bedeuten (vgl. etwa VfSlg. 2536/1953, 9411/1982, 9451/1982, 10.194/1984, 10.241/1984, 11.102/1986). Abgesehen von dem Fall, daß es sich um ein Verfahren auf Grund eines Verfassungsgesetzes handelt (s. VfSlg. 1943/1950, 2819/1955), liegt in der Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs nur unter erschwerenden Voraussetzungen, etwa dann, wenn die Behörde die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens überhaupt unterlassen hat (s. zB VfSlg. 8868/1980), ein besonders gravierender, in die Verfassungssphäre reichender Verfahrensmangel (s. etwa VfSlg. 10.549/1985 mwH; s. etwa auch VfSlg. 10.163/1984).

f) Solche Umstände liegen im gegebenen Fall nicht vor.

Der Amtssachverständige, auf dessen Gutachten sich die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides stützte, räumte dem Beschwerdeführer - auch den Beschwerdeausführungen zufolge - die Möglichkeit ein, bei ihm innerhalb einer festgesetzten Frist unter Mitnahme sachdienlicher Unterlagen vorzusprechen, erstattete aber - infolge einer Urgenz der belangten Behörde, die ihre Entscheidung innerhalb der in §17 Abs5 NÖ GVG 1989 festgelegten zehnmonatigen Frist nach dem Einlangen des Ersuchens des Exekutionsgerichtes zu treffen hatte - das Gutachten bereits vor Ablauf dieser Frist, sodaß der Beschwerdeführer sich gegenüber dem Amtssachverständigen nicht äußern konnte. Die belangte Behörde übersandte in der Folge das Gutachten dem Beschwerdeführer mit der Einladung zur Abgabe einer Äußerung innerhalb einer Woche. Sie faßte jedoch bereits am letzten Tag dieser Frist den die Berufung des Beschwerdeführers abweisenden Beschluß, sodaß die am selben Tag zur Post gegebene Stellungnahme des Beschwerdeführers die belangte Behörde erst nach dieser Beschlußfassung erreichte.

Der Beschwerdeführer hatte somit im Berufungsverfahren tatsächlich nicht die Möglichkeit, vor der Beschlußfassung der Berufungsbehörde zu den Ergebnissen des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß sich der Amtssachverständige bei der Abfassung seines Gutachtens (das der belangten Behörde zur Beurteilung der Frage dienen sollte, ob der Beschwerdeführer Landwirt und zur Selbstbewirtschaftung der in Frage stehenden Grundstücke in der Lage ist, ferner ob der aufgetretene Interessent Landwirt und Inhaber eines aufstockungsbedürftigen Betriebes ist) ausdrücklich auch auf die Angaben stützte, die der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz zu Protokoll gegeben hatte. Zu beachten ist ferner, daß der Beschwerdeführer Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt in der Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde darzulegen und daß er in seiner im Zuge des Berufungsverfahrens im Rahmen des Parteiengehörs rechtzeitig erstatteten, von der belangten Behörde aber nicht mehr abgewarteten Äußerung nichts vorbrachte, was wesentlich über sein früheres Vorbringen hinausging.

Unter diesen Umständen bedeutet die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Parteiengehörs jedenfalls keinen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler. Es kann nach dem Dargelegten der belangten Behörde insbesondere nicht mit Recht der Vorwurf gemacht werden, sie habe in einem wesentlichen Punkt, nämlich in bezug auf die Frage, ob der Beschwerdeführer als Landwirt anzusehen sei, das Vorbringen des Beschwerdeführers ignoriert oder jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen.

Der Verfassungsgerichtshof findet auch sonst - wie immer man die Gesetzmäßigkeit des vom Beschwerdeführer kritisierten Vorgehens der belangten Behörde beurteilt - keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer Willkür geübt hätte. Der Beschwerdeführer ist somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

2. Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstößt das von ihm gerügte Verhalten der belangten Behörde auch gegen das durch Art6 MRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren.

Da, wie dargelegt, die vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängel, insbesondere die behauptete Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs, nicht als in die Verfassungssphäre reichende Mängel zu qualifizieren sind, sind sie schon aus diesem Grund nicht geeignet, eine Verletzung des durch Art6 MRK gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren zu bewirken (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 10.923/1986; s. etwa auch VfGH 27. 2. 1989, B1361/88). Es kommt auch aus dieser Sicht nicht darauf an, ob die belangte Behörde den einfachgesetzlichen Vorschriften entsprochen hat (s. zB VfSlg. 9891/1983, 11.414/1987).

Der Beschwerdeführer ist mithin durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden.

3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.

4. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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