Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GewO 1994 §359b
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GewO 1994 §359b
Spruch:
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird daher abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 26. März 2001 hat die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt aufgrund eines Antrages der mitbeteiligten Partei auf Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Bau- und Gartenfachmarktes samt technischer Einrichtungen festgestellt, daß durch die Errichtung und den Betrieb dieser Betriebsanlage aufgrund der Lage im gewidmeten Bauland-Betriebsgebiet sowie Art und Nutzung des Betriebes ein ausreichender Schutz der gemäß §74 Abs2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen gewährleistet ist. Dieser Bescheid gilt gemäß §359b Abs1 und 4 GewO 1994 als Genehmigungsbescheid für die Anlage.
In dem Verfahren, das zur Erlassung dieses Bescheides geführt hat, haben die Beschwerdeführer unter Berufung auf ihre Nachbareigenschaft und der daraus abgeleiteten Parteistellung vorgebracht, daß die begehrte Betriebsanlagengenehmigung nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden dürfe.
2. In weiterer Folge beantragten sie die Zustellung des oben genannten Bescheides. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 17. April 2001, Z12-B-0047/27, im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß wegen der Lage des künftigen Betriebsstandortes im gewidmeten Baulandbetriebsgebiet gemäß §359b Abs4 GewO 1994 ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchzuführen war, in dem den Nachbarn nur ein Anhörungsrecht, aber keine Parteistellung zukomme.
Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung blieb der Erfolg versagt. Mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG bekämpften Bescheid wies der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufung als unbegründet ab und führte dazu im wesentlichen aus:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der herrschenden Lehre richtet sich die Parteistellung im Verfahren nach den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.
Der Genehmigungsbescheid, dessen Zustellung von den Berufungswerbern begehrt wurde, stützt sich auf §359b Abs4 der Gewerbeordnung 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 88/2000.
...
Nach den angewandten Vorschriften, die zur Erlassung des gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheides ... geführt haben, ist ausdrücklich [§359b Abs1 leg.cit.] normiert, dass Nachbarn keine Parteistellung haben. Wenn keine Parteistellung vorliegt, ist daher der Antrag auf Zustellung des Bescheides abzuweisen (vgl. z.B. VwGH 9.2.1990, 89/17/0243, VwGH 8.11.1968, 1091/68). ...
...
Aufgabe der Berufungsbehörde im Berufungsverfahren ist es allerdings, lediglich zu überprüfen, ob Verfahrensmängel vorliegen oder ob die erstinstanzliche Behörde eine falsche rechtliche Beurteilung vorgenommen hat. Diese Überprüfung darf sich dabei lediglich auf die Sache des Berufungsverfahrens, also im vorliegenden Fall auf die Frage, ob die Abweisung des Zustellantrages mangels Parteistellung zu Recht erfolgt ist, beziehen. ..."
2. Die Beschwerdeführer behaupten in ihrer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, und beantragen dessen kostenpflichtige Aufhebung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete aber "im Lichte des Erkenntnisses des VfGH vom 24.09.2001, G98/01" auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der mitbeteiligte Genehmigungsinhaber trat den Beschwerdebehauptungen entgegen und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
II. Die - zulässige - Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet:
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann vorliegen, wenn die belangten Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt (vgl. zB VfSlg. 12.107/1989, 13.730/1994, 15.691/1999).
2. a) Die belangte Behörde begründet ihre abweisliche Entscheidung im wesentlichen damit, daß den Beschwerdeführern als Nachbarn einer Betriebsanlage in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß §359b Abs4 GewO 1994 eine Parteistellung nicht zukomme. Hiebei beruft sie sich unter anderem auch auf das hg. Erkenntnis vom 3. März 2001, G87/00.
b) Wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausführte, würde eine Bestimmung, die den Nachbarn einer Betriebsanlage Parteistellung auch bei Beurteilung der Frage versagt, ob die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren überhaupt vorliegen, und diese Beurteilung allein der Behörde überläßt, mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz in Widerspruch stehen, weil sie letztlich zu einer unsachlichen Ungleichbehandlung gleicher Fälle führen würde (nämlich jener Nachbarn, die im Rahmen eines ordentlichen Genehmigungsverfahrens Parteistellung besitzen, einerseits und jener, die diese Parteistellung nur deswegen nicht besitzen, weil die Behörde zu Unrecht die Voraussetzungen eines vereinfachten Verfahrens angenommen oder behauptet hat, andererseits). Die Bestimmung des §359b Abs1 GewO 1994 (und zwar auch in ihrer für den hier angefochtenen Bescheid maßgeblichen Fassung BGBl. I 88/2000; vgl. dazu VfGH 24.9.2001, G98/01) läßt es durchaus zu, den Nachbarn eine auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens vorliegen, beschränkte Parteistellung zuzugestehen und den Ausschluß der Parteistellung somit (nur) auf die Durchführung des vereinfachten Verfahrens selbst zu beziehen.
c) Für den vorliegenden Fall kommt es entscheidend darauf an, ob der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis G87/00 vom 3. März 2001 aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Parteistellung der Nachbarn bei der Beurteilung der Frage, ob ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren zulässig ist, auch in einem Verfahren über die von den Nachbarn beantragte Zustellung des Genehmigungsbescheides hinreichend Rechnung getragen werden kann. Dies ist zu bejahen. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 20. Dezember 1991, Z90/17/0313, ausgeführt hat, ist ein Antrag auf Zustellung des gegenüber einer (anderen) Partei erlassenen Bescheides als Antrag auf Zuerkennung (Feststellung) der Parteistellung in der betreffenden Angelegenheit zu verstehen (vgl. auch Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts7, 1999, S 187; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 2000, S 97). In dem auf die Frage seiner Parteistellung beschränkten Zwischenverfahren besitzt der Nachbar jedenfalls auch das Recht auf Akteneinsicht, und die Behörde hat mit dem Nachbarn das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung eines vereinfachten Verfahrens gehörig zu erörtern.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde dementsprechend mit ihrem die Abweisung des Zustellungsbegehrens bestätigenden Bescheid materiell über die Parteistellung der beschwerdeführenden Parteien abgesprochen. Sie hat unter Hinweis auf den durch die GewO-Novelle 2000, BGBl. I 88/2000, erneuerten §359b Abs4 GewO 1994 (dessen Aufhebung durch das hg. Erkenntnis vom 24. September 2001, G98/01, wegen der kraft Fristsetzung gemäß Art140 Abs5 B-VG bewirkten Unangreifbarkeit für die belangte Behörde unbeachtlich war) das Vorliegen der Voraussetzungen für ein vereinfachtes Verfahren - auch - den Nachbarn gegenüber geprüft und deshalb deren Parteistellung im Genehmigungsverfahren selbst verneint. Sie hat (anders als in dem mit Erkenntnis vom 24. September 2001, B1593/00, vom Verfassungsgerichtshof aufhebend entschiedenen Fall) daher in ihrem,
die Zustellung des Genehmigungsbescheides abweisenden Bescheid mit den Nachbarn - wenn auch nur kursorisch - die Frage erörtert, ob die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Verfahren gemäß §359b Abs4 GewO 1994 idF BGBl. I 88/2000 vorliegen.
Den Nachbarn ist auch, wie die vorliegende - zulässige - Beschwerde zeigt, die Möglichkeit eröffnet, die Rechtsfrage, ob im konkreten Verfahren (über die beantragte Zustellung des Genehmigungsbescheides) zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen für ihre Parteistellung von der Behörde verneint wurde, von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts überprüfen zu lassen. So hätte der Verfassungsgerichtshof aufgrund der vorliegenden Beschwerde in die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Voraussetzungen für die Verneinung der Parteistellung gemäß §359b Abs4 GewO 1994 idF BGBl. I 88/2000 einzugehen, wäre diese Bestimmung in ihrem hier maßgeblichen Teil nicht schon mit Erkenntnis vom 24. September 2001, G98/01, unter Fristsetzung aufgehoben worden. Da es sich bei der vorliegenden Beschwerde um keinen Anlaßfall handelt, sind die beschwerdeführenden Parteien weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz noch im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die beschwerdeführenden Parteien in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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