Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art90 Abs1
StGG Art5
Bgld GVG 1955 §5
MRK Art6 Abs1
MRK österr Vorbehalt zu Art6
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art90 Abs1
StGG Art5
Bgld GVG 1955 §5
MRK Art6 Abs1
MRK österr Vorbehalt zu Art6
Spruch:
Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der bf. Verein erwarb mit Kaufvertrag vom 28./29. August 1985 vom Zweitbeschwerdeführer und vom Drittbeschwerdeführer das Grundstück 1971/4 EZ 298 KG Apetlon im Ausmaß von 59.550 m2 um den Kaufpreis von S 2,380.000.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid versagte die Grundverkehrslandeskommission beim Amt der Burgenländischen Landesregierung dieser Eigentumsübertragung unter Berufung auf §3 Abs1, §4 Abs1 lita und §5 des (burgenländischen) Landesgrundverkehrsgesetzes, LGBl. 11/1955 idgF (im folgenden: LGVG), die Zustimmung.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein öffentliches Verfahren, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die Grundverkehrslandeskommission als bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde und für den Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem VfGH die Zuerkennung eines Kostenersatzes von S 4.700,-- beantragt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a) Die Bf. räumen zwar ausdrücklich ein, daß die bel. Beh. als "Tribunal" im Sinne des Art6 Abs1 MRK eingerichtet ist, sie erachten sich jedoch dadurch beschwert, daß die bel. Beh. entgegen der Vorschrift des Art6 Abs1 MRK keine öffentliche Verhandlung durchgeführt habe. Sie treten dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Falle Ringeisen eingenommenen und im Falle Ettl aufrecht erhaltenen Standpunkt entgegen, der von Österreich anläßlich der Ratifikation der MRK zu dessen Art6 erklärte Vorbehalt gelte auf Grund eines Größenschlusses auch für das Verfahren vor Verwaltungsbehörden, die als Tribunale im Sinne des Art6 MRK anzusehen sind. Nach Ansicht der Bf. müsse selbst dieser Größenschluß zu dem Ergebnis führen, daß die Grundsätze des Art90 B-VG auch für das Verfahren vor "Tribunalen" im Sinne des Art6 Abs1 MRK gelten, sofern der Ausgang solcher Verfahren für zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen entscheidend ist. Demnach müsse in solchen Verfahren die Öffentlichkeit die Regel, die Nichtöffentlichkeit aber die nur unter bestimmten Voraussetzungen von der Behörde im Einzelfall zu verfügende Ausnahme sein.
b) Der Vorbehalt, den die Republik Österreich anläßlich der Ratifikation der MRK zu deren Art6 erklärt hat, besagt,
". . . daß . . . die Bestimmungen des Artikels 6 der
Konvention mit der Maßgabe angewendet werden, daß die in
Artikel 90 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929
festgelegten Grundsätze über die Öffentlichkeit im gerichtlichen
Verfahren in keiner Weise beeinträchtigt werden, . . . ".
Der VfGH hat bereits im Erkenntnis VfSlg. 7208/1973 in Übereinstimmung mit der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Ringeisen (16. 7. 1971, Serie A 13, §98) geäußerten Rechtsansicht die Auffassung vertreten, Art6 MRK enthalte nicht das Gebot der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung in Verwaltungsangelegenheiten, weil der von Österreich hiezu bezüglich des gerichtlichen Verfahrens gemachte Vorbehalt auch für Verfahren gilt, die vor einem Tribunal im Sinne des Art6 MRK durchgeführt werden.
In seinem Erk. VfSlg. 11569/1987, sah der VfGH keinen Anlaß, von dieser Judikatur abzugehen, zumal sie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte neuerdings im Fall Ettl (23. 4. 1987, 12/1985/98/146, §§42, 43) ausdrücklich bestätigt wurde (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis des VwGH Zl. 87/07/0161 vom 8. 3. 1988).
c) Auch das gegenständliche Beschwerdevorbringen enthält keine Argumente, die ein Abgehen vom bisherigen Rechtsstandpunkt nahelegen würden. Es bedarf keiner näheren Begründung, daß der österreichische Vorbehalt zu Art6 MRK keine Ausdehnung des sachlichen Geltungsbereiches des Art90 Abs1 B-VG ("Die Verhandlungen in Zivil- und Strafsachen vor dem erkennenden Gericht sind mündlich und öffentlich. Ausnahmen bestimmt das Gesetz.") auf Verwaltungsverfahren bewirkt hat. Der aus diesem Vorbehalt gezogene Größenschluß besagt lediglich, daß Art6 MRK, wenn er schon der gesetzlichen Normierung von Ausnahmen vom (verfassungsgesetzlich festgelegten) Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen in gerichtlichen Verfahren betreffend Zivilund Strafsachen nicht entgegensteht, umsoweniger gesetzliche Regelungen ausschließt, die für Verwaltungsverfahren (auch vor "Tribunalen" im Sinne des Art6 MRK) den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit festlegen. Da somit Art6 Abs1 MRK im Zusammenhang mit dem dazu von der Republik Österreich erklärten Vorbehalt nicht den von den Bf. angenommenen Inhalt hat, liegt der von ihnen behauptete Verstoß gegen diese Vorschrift nicht vor.
2.a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zur Übertragung des Eigentums an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken vom bisherigen Eigentümer an den Erwerber wird sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber in der Ausübung privater, den Schutz des Art5 StGG genießender Rechte beschränkt und somit ein Eingriff in das Eigentum bewirkt (vgl. etwa VfSlg. 7539/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur, ferner etwa VfSlg. 10565/1985).
Ein solcher Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte.
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §3 Abs1, §4 Abs1 lita und §5 LGVG. Er ist also nicht ohne jede gesetzliche Grundlage erlassen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmungen wurden weder in der Beschwerde vorgebracht, noch haben sich solche im Verfahren vor dem VfGH ergeben.
Eine Verletzung des Eigentumsrechtes der Bf. könnte somit nur durch eine denkunmögliche Anwendung der gesetzlichen Vorschriften bewirkt worden sein. Dies wäre nur der Fall, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 8266/1978, 9765/1983); einem solchen Verhalten käme auch gleich, wenn sich die Behörde auf eine gesetzliche Bestimmung berufen hätte, der der Sachverhalt unter keinen Umständen unterstellt werden durfte, oder wenn sie den maßgeblichen Sachverhalt denkunmöglich angenommen oder gewürdigt hätte (vgl. etwa VfSlg. 8512/1979).
b) Die Bf. bringen zur Stützung ihres Vorwurfes, die bel. Beh. habe das Gesetz denkunmöglich angewendet, der Sache nach im wesentlichen vor: Die bel. Beh. habe angenommen, daß an der Absicht des bf. Vereines, das erworbene Grundstück mit für den Naturschutz wichtigen Flächen zu tauschen, kein Zweifel bestehe und daß ein solcher Tausch als eine "Erfüllung gemeinnütziger Aufgaben" im Sinne des §5 LGVG, nämlich (im öffentlichen Interesse liegender) Aufgaben des Naturschutzes, anzusehen sei. Demnach hätte die bel. Beh. die Zustimmung zum gegenständlichen Kaufvertrag gemäß §5 LGVG erteilen müssen, zumal auch die weiteren dort umschriebenen Voraussetzungen hiefür vorlägen. Sie habe jedoch insofern einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen, als sie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung nach §5 LGVG mit der Begründung verneint habe, die Bf. hätten nicht glaubhaft gemacht, daß die durch diese Vorschrift geforderte Erfüllung einer gemeinnützigen Aufgabe möglich sei.
c) Nach §5 LGVG ist (unter anderem) der Übertragung des Eigentums an Grundstücken zur Erfüllung gemeinnütziger Aufgaben zuzustimmen, wenn nicht mehr Grund und Boden als notwendig in Anspruch genommen wird und dabei das Interesse an der Erhaltung der bisherigen Nutzung des Grundstückes das Interesse an der neuen Verwendung offenbar nicht überwiegt.
Die bel. Beh. ging in Übereinstimmung mit der Auffassung der Bf. davon aus, daß der Erwerb des gegenständlichen Grundstückes durch den bf. Verein (nur dann) der Erfüllung einer gemeinnützigen Aufgabe dienen könnte, wenn die erworbene Grundfläche mit Grundstücken in einem bestimmten, für den Naturschutz bedeutsamen Gebiet getauscht werden könnte. Die bel. Beh. war des weiteren der Auffassung, daß das im §5 LGVG unter anderem normierte Zustimmungserfordernis der Erfüllung einer gemeinnützigen Aufgabe nur dann verwirklicht sei, wenn der Erwerber über die bloße Absicht der Erfüllung einer gemeinnützigen Aufgabe hinaus auch die Möglichkeit der Erfüllung dieser Aufgabe wenigstens glaubhaft mache. Sie zog im vorliegenden Fall aus dem - von den Bf. nicht widerlegten Umstand, daß es den Bf. - aus welchem Grund auch immer - im Verlauf eines Jahres nicht möglich war, entsprechende Tauschverträge oder Absichtserklärungen vorzulegen oder auch nur Namen von Tauschwilligen zu nennen, der Sache nach den Schluß, es sei nicht (einmal) wahrscheinlich, daß die vom bf. Verein ins Auge gefaßte gemeinnützige Aufgabe werde erfüllt werden können.
Wenn die bel. Beh. auf Grund der wiedergegebenen Erwägungen zum Ergebnis gelangte, es seien die Voraussetzungen des §5 LGVG für die Erteilung der Zustimmung zum gegenständlichen Kaufvertrag nicht gegeben, so ist ihr dabei kein mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellender Fehler unterlaufen. Ihre Auffassung, die Erteilung der Zustimmung nach dieser Vorschrift setze voraus, daß die Möglichkeit der Erfüllung einer gemeinnützigen Aufgabe (wenigstens) glaubhaft gemacht werde, daß also die Erfüllung dieser Aufgabe zumindest wahrscheinlich sei, ist vertretbar. Ob das Gesetz auch richtig angewendet wurde, hat der VfGH nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des VwGH nicht zulässig ist (§16 LGVG iVm Art133 Z4 B-VG; VfSlg. 6877/1972, 8317/1978).
3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte - bei der hier gegebenen, auch von den Bf. nicht in Zweifel gezogenen Unbedenklichkeit der angewendeteten gesetzlichen Bestimmungen - nur vorliegen, wenn die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hätte (vgl. zB VfSlg. 10565/1985). Ein willkürliches Verhalten der Behörde liegt insbesondere auch dann vor, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (vgl. etwa VfSlg. 9726/1983).
Die behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes stützt sich allein auf die Vorwürfe einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung und eines gehäuften Verkennens der Rechtslage. Diese Vorwürfe werden mit denselben (unter 2.b wiedergegebenen) Argumenten begründet wie die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums. Wie bereits unter 2.c dargelegt, ist die bel. Beh. in vertretbarer Weise zu dem Ergebnis gekommen, daß im gegebenen Fall die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung nach §5 LGVG nicht vorliegen. Es kann ihr nach dem bereits Dargelegten weder eine denkunmögliche - Willkür indizierende - Gesetzesanwendung noch ein in die Verfassungssphäre reichendes gehäuftes Verkennen der Rechtslage vorgeworfen werden.
Da die Erfüllung der vom bf. Verein angestrebten gemeinnützigen Aufgabe nur möglich ist, wenn der geplante Grundtausch zustande kommt, beruht es weder auf einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung noch auf einem gehäuften Verkennen der Rechtslage, wenn die bel. Beh. nicht auf die von den Bf. als ausschlaggebend hingestellte "objektive Erfüllbarkeit des gemeinnützigen Zweckes" abstellte, sondern angesichts des Fehlens von Tauschinteressenten davon ausging, daß die Erfüllung der gemeinnützigen Aufgabe zumindest nicht wahrscheinlich sei. Die Bf. sind somit durch den angefochtenen Bescheid auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.
4. Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Bf. in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wären, hat das Beschwerdeverfahren nicht ergeben.
Die Beschwerde war somit abzuweisen.
5. Da die bel. Beh. den Antrag auf Ersatz von Kosten lediglich für den Fall gestellt hat, daß eine mündliche Verhandlung anberaumt wird, eine solche Verhandlung aber nicht durchgeführt wurde, konnte ein Ausspruch über den Kostenersatz entfallen.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
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