VfGH A10/09

VfGHA10/0917.12.2009

Abweisung einer Staatshaftungsklage gegen den Bund wegen behaupteten Fehlverhaltens des Verwaltungsgerichtshofes durch Ablehnung einer Beschwerde gegen das über einen Unionsbürger verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot; kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht im Hinblick auf die Verurteilung des Klägers wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger; keine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Klage wegen behaupteten Fehlverhaltens von Verwaltungsbehörden

Normen

B-VG Art131 Abs3
B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
FremdenpolizeiG 2005 §86
Unionsbürger-Richtlinie 2004/38/EG Art27 , Art28, Art31
VwGG §33a
B-VG Art131 Abs3
B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
FremdenpolizeiG 2005 §86
Unionsbürger-Richtlinie 2004/38/EG Art27 , Art28, Art31
VwGG §33a

 

Spruch:

I. Das Begehren festzustellen, dass die beklagte Partei für alle Folgen des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates Niederösterreich vom 19. März 2007 (Senat-AB-06-0005) und des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 10. Mai 2005 (WBS3-F-05) hafte, wird zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Kläger, ein 1941 geborener britischer Staatsangehöriger,

begehrte in seiner gegen den Bund gerichteten Klage nach Art137 B-VG aus dem Titel der Staatshaftung zunächst die Zahlung von € 100.000,-- samt 4 % Zinsen seit 12. Februar 2008 und die Feststellung, dass der Bund "für alle Folgen des Beschlusses des VwGH vom 17.07.2008 (2007/21/0294), des Bescheides des UVS NÖ vom 19.03.2007 (Senat-AB-06-0005) und des Bescheides der BH Wr. Neustadt vom 10.05.2005 (WBS3-F-05) haftet, die sich beim K[läger] eingestellt haben oder noch einstellen werden" sowie den Ersatz der Verfahrenskosten. Seinen Anspruch begründete der Kläger wie folgt:

1. Der Kläger sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Prag vom 15. März 2000 wegen Sexualstraftaten zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Diese Strafe sei vom Stadtgericht Prag in Folge der Berufung des Klägers mit Urteil vom 29. Mai 2000 auf dreieinhalb Jahre reduziert worden. Zugleich sei gegen ihn ein Aufenthaltsverbot für die tschechische Republik verhängt worden. Großbritannien habe bereits zum damaligen Zeitpunkt die Auslieferung des Klägers verlangt. Da die ihm zur Last gelegten Taten aber bereits vor vierzig Jahren begangen worden sein sollen, habe die tschechische Republik seine Auslieferung wegen Verjährung verweigert. Der Kläger habe sich auch in Österreich vor der Auslieferung geschützt gesehen, weshalb er sich nach Strafverbüßung in Tschechien nach Österreich begeben habe.

2. Nachdem die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (im Folgenden: BH Wr. Neustadt) von der tschechischen Vorstrafe erfahren habe, habe sie mit Beschluss vom 10. Mai 2005 einen "Festnahmeauftrag" erlassen. Der Kläger sei am selben Tag auf Grund dieses Festnahmeauftrages in seiner Wohnung in 2413 Edelstal verhaftet worden. Mit Beschluss vom 11. Mai 2005, Z11/6-140522/4-2005, habe die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (im Folgenden: BH Neusiedl) die Schubhaft verhängt. Der Kläger sei am 23. Mai 2005 nach Großbritannien abgeschoben worden, wo er wegen der auch in Österreich verjährten Straftaten verurteilt worden sei und die Strafe bis 12. Februar 2008 verbüßt habe.

3. Der Kläger habe "gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und die Versagung des Durchsetzungaufschubs Berufung" an den Unabhängigen Verwaltungssenat Niederösterreich (im Folgenden: UVS Niederösterreich) erhoben, die dieser aber mit Bescheid vom 19. März 2007 "abgewiesen und die Entscheidung der BH Wr. Neustadt vollinhaltlich bestätigt" habe. Der Kläger habe daraufhin sowohl beim Verfassungsgerichtshof als auch beim Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zur Beschwerdeerhebung beantragt. Der Verfassungsgerichtshof habe diesen Antrag zu B687/07 protokolliert, jedoch die Verfahrenshilfe nicht bewilligt, da sekundäres Gemeinschaftsrecht kein Maßstab der verfassungsgerichtlichen Kontrolle im Bescheidbeschwerdeverfahren sei. Hingegen habe der Verwaltungsgerichtshof zwar die Verfahrenshilfe zunächst bewilligt, jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 17. Juli 2008, Z2007/21/0294, abgelehnt.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hätte die Beschwerdebehandlung nicht ablehnen dürfen, vielmehr wäre der Beschwerde stattzugeben gewesen, da der Bescheid des UVS Niederösterreich gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen habe und deswegen aufzuheben gewesen wäre. Da er dies nicht getan habe, habe er "selbst die im Gemeinschaftsrecht wurzelnden Rechte" des Klägers verletzt.

4.1. Im Einzelnen führte der Kläger zur behaupteten Verletzung des Gemeinschaftsrechts aus (Hervorhebungen im Original):

"Der K ist ein EU-Bürger, der fast 1 1/2 Jahre legal im Bundesgebiet aufhältig war und sich in dieser Zeit nichts zu schulden kommen hat lassen und dem nicht einmal vorgeworfen wird, während dieses doch geraumen Aufenthalts strafgesetzwidrige Handlungen auch nur intendiert zu haben.

Der UVS Nö hat seine Entscheidung auf Bestätigung des Aufenthaltsverbotes einzig und allein auf die 5 Jahre vor dem Aufenthaltsverbot und 7 Jahre vor seiner Entscheidung erfolgte Verurteilung und die dieser zu Grunde gelegenen, 8 Jahre vor dem Aufenthaltsverbot und 10 Jahre (!) vor der Entscheidung des UVS Nö gesetzten Taten gestützt.

Der UVS Nö hat dabei keine Rücksicht genommen auf das aktuelle persönliche Verhalten des Beschwerdeführers und auch nicht auf die abschreckende Wirkung der in Tschechien verbüssten und vom tschechischen Gericht hiefür ausreichend erachteten langjährigen Freiheitsstrafe, in grober Verkennung der Anforderungen des innerstaatlichen und des Gemeinschaftsrechts für ein Aufenthaltsverbot gegen einen EU-Bürger (!). Diese Anforderungen zitiert er zwar, wendet sie aber nicht an.

In gesteigerter Weise gilt dies für die Bestätigung eines gar unbefristeten (!) Aufenthaltsverbots sowie für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung und für den gar erfolgten Ausschluss des für EU-Bürger obligatorischen Durchsetzungsaufschubs. Diese sind mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar und nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich (Art1 Abs1 7. ZP EMRK).

Für den UVS Nö folgt (wie für die Erstbehörde) die gegenwärtige schwere und tatsächliche Gefährdung eines Grundinteresses des Staates (!) (vgl. auch Blg. ./F; siehe EuGH: Case C-50/06 Commission v. NL). bereits aus den der Verurteilung zu Grunde liegenden (8 Jahre vor Verhängung des Aufenthaltsverbotes und 10 Jahre vor der Entscheidung des UVS Nö begangenen) Straftaten.

Eine individuelle personenbezogene Prognose, geschweige denn eine aktuelle, findet sich an keiner Stelle des Bescheides des UVS Nö oder des erstinstanzlichen Bescheides. Keine der beiden Behörden setzt sich mit dem persönlichen Verhalten des K seit den 1997 begangenen Taten oder seit der Haftentlassung oder zumindest seit seiner Einreise in das Bundesgebiet auseinander. Hätten sie dies getan, hätten sie feststellen müssen, dass der K nichts getan hat, was die Befürchtung rechtfertigte, er würde solche oder andere Straftaten setzen oder beabsichtigen. Der K hat sich seit der Verurteilung, ja seit dem Jahr 1997, nicht das Geringste zu schulden kommen lassen, schon gar nichts in Richtung eines Kriminalstraftatbestandes.

Der UVS Nö behauptet auch gar nichts dergleichen. Eine auf das aktuelle Verhalten des K bezogene Argumentation findet sich nicht.

Die beiden Behörden (UVS Nö und Erstbehörde) hätten freilich solche Feststellungen und Erörterungen auch gar nicht tätigen können, verfügten sie doch nicht einmal über die tschechischen Urteile. Im fremdenrechtlichen Akt der BH Wr. Neustadt, wie er dem KV im September 2005 von der SIDNö als damaliger Berufungsbehörde in Kopie übermittelt wurde (= Blg. /E), finden sich lediglich Fragmente einer angeblichen deutschen Übersetzung des Berufungsurteils.

Abgesehen davon, dass völlig unklar ist, woher die Übersetzung stammt und wer sie (und daher mit welcher Richtigkeitsgarantie) angefertigt hat, besteht die 'Übersetzung' lediglich aus willkürlichen Auszügen, die lediglich 5 Seiten umfassen (eine Seite unbekannter Nummerierung überschrieben mit 'Teil2', dann folgend Seiten 11A, 11b, 12, und 13, wobei die Seite 13 mitten im Satz abbricht). Die 'Übersetzung' beinhaltet im Wesentlichen nur den Spruch erster und zweiter Instanz. Die für eine Zukunftsprognose wesentlichen Feststellungen zur Tatbegehung und deren Umstände sowie zur Persönlichkeit des K konnten ebenso wenig vollständig geprüft und beurteilt werden wie die Strafzumessungserwägungen, die wohl auch spezialpräventive Erwägungen massgebend beinhalten.

Der UVS Nö und die Behörde erster Instanz machten auch nicht den leisesten Versuch, ihre Entscheidungsgrundlagen, etwa durch Beischaffung einer vollständigen amtlichen oder beglaubigten Übersetzung, der beiden Urteile zu erweitern.

Besser und deutlicher kann es nicht mehr gemacht werden, dass es einer Behörde nur um die Tatsache der Verurteilung geht.

Den beiden Behörden genügte der (bzw. die angebliche \bersetzung des) Spruch(es) der beiden Urteile zur Erlassung und Begründung des Aufenthaltsverbots völlig. Tatbegehung und deren Umstände, die Persönlichkeit des K oder die Strafzumessungserwägungen der tschechischen Strafgerichte interessierten ebenso wenig wie das persönliche (Wohl)Verhalten des K nach seiner Verurteilung (die ja auch spezialpräventiven Gründen diente).

Die formularhafte rezidivierende Zitierung der gegenteiligen gesetzlichen (im Gemeinschaftsrecht wurzelnden) Anforderungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (schwere und nachhaltige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch persönlich-individuelle Verhaltensprognose über die blosse Tatsache der Verurteilung hinaus) im bekämpften Bescheid ändert daran nichts, sondern macht das Fehlen der essentiellen individuell-personenbezogenen Begründung noch deutlicher sichtbar.

Sollte der UVS Nö (oder zuvor die SID-Nö, die jedoch das Berufungsverfahren mit Bescheid vom 30.08.2005 ausgesetzt hatte) seit der Übermittlung der Aktenkopie an den KV die tschechischen Strafurteile in vollständiger und beglaubigter Übersetzung beigeschafft haben (was aber nie behauptet wurde), so läge in der Unterlassung des Vorhalts an den K eine grobe Verletzung seines rechtlichen Gehörs.

Schliesslich ist zu beachten, dass aus dem Fremdenakt der Erstbehörde hervorgeht, dass die Erstbehörde tätig wurde, als sie durch Nachforschungen britischer Polizeibeamter auf den K aufmerksam wurde. Diese suchten den K wegen des Verdachts eines 40 Jahre zurückliegenden Missbrauchsdeliktes. Da diese dem K in GB vorgeworfenen Taten nach österreichischem Recht längst verjährt waren, war eine Auslieferung oder Überstellung jedoch unzulässig (Art10 EuAusliefÜb; §10 EU-JZG iVm §65 Abs1. Z. 2 StGB). Sie darf auch (welchen Effekt das verhängte Aufenthaltsverbot hatte) nicht durch den Umweg über das Aufenthaltsverbot dennoch bewerkstelligt werden. Das ist grob (gemeinschafts)rechtswidrig.

Die Erstbehörde hat mit dem Aufenthaltsverbotsbescheid auch die aufschiebende Wirkung der dagegen erhobenen Berufung aberkannt. Damit hätte sie aber vorher die Stellungnahme einer zuständigen Stelle im Sinne des Art9 RL 64/221/EWG einholen müssen (Art9 Abs1). Ohne solche vorherige Stellungnahme verstiess das Aufenthaltsverbot gegen Art9 1) RL 64/221/EWG .

Selbst wenn man den Ausführungen oben nicht folgen wollte, so kann wohl im vorliegenden Fall niemals ein dringender Fall angenommen werden, der keine Verzögerung durch Anhörung einer solchen Stelle zuliesse.

Die nachträglich geschaffene Möglichkeit einer Überprüfung des Aufenthaltsverbots durch den UVS betrifft das Recht gem. Art9 Abs2 RL 64/221/EWG , konnte daher an der bereits erfolgten und bereits zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung und -aufrechterhaltung offenkundigen Verletzung des Art9 Abs1 nichts mehr ändern.

Die Unzulässigkeit des verhängten Aufenthaltsverbots ist auch deshalb gegeben, weil die RL 64/221/EWG einen Durchsetzungsaufschub zwingend vorschreibt (Art7).

Art 7 der RL lässt zwar in dringenden Fällen eine Unterschreitung der Einmonatsfrist zu, jedoch keinen gänzlichen Entfall. Eine (wenn auch noch so kurze) Frist muss nach dem eindeutigen Wortlaut einem EU-Bürger immer gewährt werden (Art7:

'dabei ist anzugeben, innerhalb welcher Frist... Hoheitsgebiet zu

verlassen'). Einem EU-Bürger muss nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut immer die Möglichkeit der (wenn auch, gem. Art7 letzter Satz, allenfalls kurzfristigen) freiwilligen Ausreise gewährt werden.

§48 (3) FrG wäre in diesem Sinne richtlinienkonform auszulegen gewesen.

Dazu kommt, dass selbst wenn man den Ausführungen oben nicht folgen wollte, wohl im vorliegenden Fall gar niemals ein dringender Fall angenommen werden kann, der eine Unterschreitung (oder gar einen Entfall) der Monatsfrist des Durchsetzungsaufschubs zuliesse.

Insgesamt hatte die massive Verletzung der (innerstaatlichen und) gemeinschaftsrechtlichen Rechtslage durch die österreichischen Behörden gegenüber einem sich rechtmässig in Österreich aufhaltenden Unionsbürger erkennbar den Zweck, das gesetzliche Verbot einer Auslieferung an Grossbritannien und die gesetzlich unzulässige Auslieferung des K auf dem Umweg über das Fremdenrecht doch noch zu bewerkstelligen (vgl. in diesem Zusammenhang auch EGMR: Bozano vs. France 18.12.1986, par. 54).

Schliesslich ist zu beachten, dass aus dem Fremdenakt der BH Wr. Neustadt hervorgeht, dass sie tätig wurde, als sie durch Nachforschungen britischer Polizeibeamter auf den K aufmerksam wurde. Diese suchten den K wegen des Verdachts eines 40 Jahre zurückliegenden Missbrauchsdeliktes, das in Österreich längst verjährt war.

Dass dies die wahre Motivation für die Festnahme und die Abschiebung war, zeigt sich auch daran, dass der UVS Burgenland entlarvend in seiner Bescheidbegründung im Schubhaftverfahren dem K vorwarf, sich dem Verfahren in Grossbritannien nicht zu stellen, was sein fremdenrechtliches Wohlverhalten in Österreich aufwiegen würde (!!) (Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats Burgenland vom 24.06.2005, E 013/10/2005.014/01, BS 18).

Der Fall des K gleicht frappierend dem Fall Bozano vs. France (EGMR 18.12.1986). Auch im Falle des K handelt es sich bei der Schubhaft in Wahrheit um eine verdeckte Auslieferung an die britischen Behörden, die den K dann auch bereits in London erwarteten und in Haft nahmen. Auch im Falle des K erfolgte die Festnahme abrupt und gewaltsam. Nicht einmal der Erfolg des Versuchs, den K listig unter einem Vorwand (tote Katze!) zur Polizeistation zu locken, wurde abgewartet. Auch im Falle des K wurde der Erfolg seiner Rechtsmittel nicht abgewartet und er innerhalb von nur 12 Tagen mit besonderer Eile abgeschoben und damit, selbst im Falle des Erfolgs seiner Rechtsmittel, vollendete Tatsachen geschaffen, nämlich jener einer faktischen verdeckten Auslieferung an Grossbritannien. Auch im Falle des K wurde ihm nicht gestattet, freiwillig und/oder in ein Land seiner Wahl auszureisen.

Da der K britischer Staatsbürger (war und) ist, verletzt ein derartiges Vorgehen nicht nur die EMRK (Bozano vs. France 18.12.1986, par. 60), die als Ausdruck gemeinsamer europäischer Rechtsgrundsätze nicht nur bei der Auslegung innerstaatlichen Rechts sondern auch des Gemeinschaftsrechts zu beachten ist, sondern auch eklatant das Gemeinschaftsrecht, insb. die Grundfreiheit des K auf Freizügigkeit.

Hätte die BH Wr. Neustadt gemeinschaftsrechtskonform entschieden, wäre der K nicht festgenommen und nicht abgeschoben worden und müsste kein unbefristetes Aufenthaltsverbot dulden. Es wäre ihm die Haft vom 10.05.2005 bis 12.02.2008 (siehe oben A.) ebenso erspart geblieben wie die durch Festnahem, Abschiebung und Aufenthaltsverbot erlittenen Vermögensschäden (siehe oben A.).

Hätten zumindest der UVS Nö bzw. der VwGH gemeinschaftsrechtskonform entschieden, so hätte der der K vordem VwGH zumindest Vertretungskosten idHv EUr 991,20 ersetzt erhalten und hätte er in der Folge vor den ordentlichen Gerichten den Ersatz der übrigen Schäden (an Vermögen und Freiheit) geltend machen und erlangen können.

Für die erlittene Haft von 10.05.2005 bis 12.02.2008 erscheinen EUR 100.000,-- als jedenfalls angemessen (vgl. EGMR:

H.G. & G.B. gg. Österreich 2005).

Durch die Festnahme, die Abschiebung und das Aufenthaltsverbot erlitt und erleidet der K einen erheblichen Vermögensschaden (insb. durch Verdienstentgang und den Verlust seiner in Österreich verbliebenen Fahrnisse), dessen genaue Höhe er infolge der langjährigen Haft und des nach wie vor andauernden Aufenthaltsverbots noch nicht zu beziffern bzw. abzuschätzen vermag. Der K hat daher Anspruch auf Feststellung der Haftung der Republik Österreich dem Grunde nach.

...

Die Verletzung des Gemeinschaftsrechts ist evident (siehe oben). Siehe Europäische Kommission (Blg. ./F):

'As far as your deportation from Austria in 2005 is concerned, it would appear to be contrary to Community Law that prohibits expulsion measures taken solely on the gruund of previous criminal convictions.' (Blg. ./F, .2)

Sollte der angerufene Gerichtshof jedoch Zweifel haben, so wird eine Klärung der aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen durch ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH angeregt. Davon 'dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts' durch die Verwaltungsbehörden und den VwGH 'derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt' (Case 283/81, Srl CILFIT v. Ministry of Health, [1982] European Court Reports (ECR) 3415, paragraph 21; Case C-224/01 , Gerhard Köbler v. Republik Österreich, [2003] ECR 1-10239, paragraph 119) kann wohl keine Rede sein."

5. Schließlich regte der Kläger an, dass der Verfassungsgerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH richten möge, obwohl seiner Ansicht nach die Verletzung des Gemeinschaftsrechts evident sei.

6. Mit Schriftsatz vom 29. November 2009 dehnte der Kläger seine Klage dahingehend aus, dass er nun neben der Feststellung der Haftung des Bundes die Zahlung des Betrages von insgesamt € 102.464,56 samt Anhang forderte. Mit demselben Schriftsatz legte er weiters eine englische Übersetzung eines Urteils des "District Court of Bratislava V" vom 8. Oktober 2008 gegen den Kläger vor, mit dem er für schuldig befunden wurde, minderjährigen Personen Zugang zu Pornographie ermöglicht, Minderjährige zur Herstellung von pornographischem Material missbraucht und kinderpornographisches Material besessen zu haben.

7. Dieses Vorbringen hielt der Kläger in der Verhandlung vom 3. Dezember 2009 vollinhaltlich aufrecht.

II. Der Bund erstattete eine Gegenschrift, in welcher er die Zurückweisung des Klagebegehrens hinsichtlich der Haftung des Bundes für Bescheide des UVS Wr. Neustadt und der BH Wr. Neustadt beantragte. Im Übrigen bestritt der Bund das Klagebegehren der Höhe und dem Grunde nach. Der Bund legte den Akt des UVS Niederösterreich, Senat-AB-06-0005 sowie den Akt des Beschwerdeverfahrens beim Verwaltungsgerichtshof zu 2007/21/0294 vor und führte im Wesentlichen dazu aus:

1. Die beantragte Zurückweisung eines Teiles des Klagebegehrens begründete der Bund damit, dass der Verfassungsgerichtshof nicht für allfällige Gemeinschaftsrechtsverstöße von Unterinstanzen zuständig sei.

2. Das Europäische Auslieferungsübereinkommen, BGBl. 320/1969 idF BGBl. 309/1985 (im Folgenden: EuAusliefÜb), sowie §10 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union BGBl. I 36/2004 (im Folgenden: EU-JZG) und §65 Abs1 Z2 StGB seien weder gemeinschaftsrechtliche Normen noch auf den Fall des Klägers angewendet worden. Nach Auskunft der zuständigen Abteilung im Bundesministerium für Justiz (im Folgenden: BMJ) sei zu keiner Zeit ein Auslieferungsbegehren Großbritanniens eingelangt, sodass auch kein Auslieferungsverfahren stattgefunden habe.

Selbst bei Vorliegen eines solchen Auslieferungsersuchens hätte die Verjährung eine Auslieferung nur verhindern können, wenn hinsichtlich der - einer Auslieferung zugrunde liegenden - Taten inländische Gerichtsbarkeit bestanden hätte. Hiefür gebe es aber keine Anhaltspunkte (vgl. §64 Abs1 Z4a und §65 Abs1 Z2 StGB). Ebenso sei das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) vom 18. Dezember 1996 in der Rechtssache Bozano gegen Frankreich (EGMR 18.12.1986, Fall Bozano, Appl. 9120/80) nicht auf den Fall des Klägers anwendbar, da dort dem Fall ein Auslieferungsersuchen zugrunde gelegen sei.

3. Die vom Kläger angesprochene Richtlinie 64/221/EWG zur Koordinierung der Sondervorschrift für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. 1964

L 056, S 0850 (im Folgenden: RL 64/221/EWG) , sei mit Wirkung vom 30. April 2006 durch die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. 2004 L 229,

S 35 (im Folgenden: Unionsbürger-RL) ersetzt worden. Nach beiden Richtlinien sei es möglich (gewesen), Unionsbürgern den Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu verbieten, vorausgesetzt es würde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt und nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen abgestellt. Dieses müsse eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren.

Eine entsprechende, ordnungsgemäße Umsetzung in innerstaatliches Recht sei durch §86 Fremdenpolizeigesetz 2005, Art3 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I 100/2005 (im Folgenden: FPG), wie in der Entscheidung des UVS Niederösterreich zitiert, erfolgt. Es sei auch nicht der Schutzzweck dieser Richtlinien, die Strafverfolgung eines Unionsbürgers in seinem Heimatland zu vereiteln.

4. Zur Vertretbarkeit der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs führte die beklagte Partei aus:

"Nach Ansicht des Bundes hat der Unabhängige Verwaltungssenat das innerstaatliche wie auch das Gemeinschaftsrecht richtig angewendet, sodass der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls vertretbarer Weise die Behandlung der Beschwerde ablehnen durfte.

Der Kläger bringt vor, dass er in Österreich nicht straffällig geworden sei. Dies ist im gegenständlichen Fall jedoch nicht relevant, da gemäß §73 StGB ausländische Verurteilungen inländischen gleichzuhalten sind.

Nach der österreichischen Gesetzeslage war im Zeitpunkt der Begehung der dem Kläger angelasteten Straftaten und wird auch gegenwärtig der sexuelle Missbrauch von unmündigen Minderjährigen gemäß §206 StGB (Schwerer sexueller Mißbrauch von Unmündigen) und §207 StGB (Sexueller Mißbrauch von Unmündigen) unter Strafe gestellt. Die Verurteilung des Klägers in der Tschechischen Republik steht daher einer inländischen Verurteilung gleich.

Gemäß §7 in Verbindung mit §3 Abs1 des Tilgungsgesetzes beträgt die Tilgungsfrist bei einer Verurteilung (wie der gegen den Kläger erfolgten) von drei Jahren und sechs Monaten 15 Jahre, so dass keinesfalls von einer bereits eingetretenen Tilgung ausgegangen werden kann.

Gegen einen freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß §86 FPG 2005 nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Sein persönliches Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Diese Vorschrift setzt die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben insbesondere der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, bzw. der 'Vorgänger'-Richtlinie 64/221/EWG zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, in der Auslegung der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. dazu insbesondere EuGH, verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 , Orfanopoulos und Oliveri, Slg. 2004, S. I-5257) um.

Der vom Kläger wiederholt gesetzte sexuelle Missbrauch von Minderjährigen und die Herstellung von Kinderpornografie stellen äußerst verwerfliche strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeit dar, wodurch sich eine schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, an der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit, am Schutz der Rechte und Freiheit anderer und am Schutz der Gesundheit (vgl. Art8 Abs2 EMRK) ergibt.

Es kann im Hinblick auf die Tathandlungen des Klägers kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die von ihm ausgehende Gefahr (besonders für die Jugend) dergestalt ist, dass sie im Sinne der zitierten Rechsprechung (Rs. Orfanopoulos und Oliveri Rz. 66) und des nunmehrigen Art27 Abs2 der erwähnten Richtlinie 2004/38/EG 'ein Grundinteresse der Gesellschaft' berührt.

Ausgehend davon, dass der Kläger zahlreiche Sexualstraftaten wiederholt gegenüber Minderjährigen gesetzt hat, kann unzweifelhaft die Auffassung vertreten werden, dass der Kläger eine Neigung zur Setzung derartiger sexueller Straftaten hat. Es kann vertretbarer Weise davon ausgegangen werden, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht anzunehmen ist, dass eine derartige Neigung und die damit verbundene konkrete Gefahr in einem anderen Staat plötzlich nicht mehr bestehen würde, auch wenn in diesem Staat bislang keine konkreten Straftaten gesetzt wurden.

Nachdem nach ständiger Rechtsprechung die Zeiten, die in Strafhaft verbracht wurden, nicht für eine Prognose betreffend eines langen Wohlverhaltens herangezogen werden dürfen, war der Beobachtungszeitraum von nicht einmal (laut Klage, S. 5) eineinhalb Jahren (Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der BH Wiener Neustadt) jedenfalls viel zu kurz, um zu einer positiven Prognose für den Kläger zu gelangen (vgl. auch Seite 11 des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 95/21/0938 bereits einen Zeitraum von drei Jahren seit der letzten strafbaren Handlung als viel zu kurz eingestuft, um bei der gegebenen Neigung des Fremden, minderjährige Kinder sexuell zu belästigen, verlässliche Schlüsse auf ein künftiges Wohlverhalten des Fremden ziehen zu können.

Es war daher zum Zeitpunkt der Entscheidungen der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt und des Unabhängigen Verwaltungssenats Niederösterreich davon auszugehen, dass das persönliche Verhalten des Klägers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde gegen den abweislichen Bescheid des Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich mit der Begründung ab, dass die Beschwerde keine für die Entscheidung des Falles maßgeblichen Rechtsfragen aufwerfe, denen im Sinne des Art131 Abs3 B-VG und §33a VwGG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, lägen nicht vor, zumal die im Einzelnen vorgenommene Prüfung des Beschwerdefalles keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende und für das Verfahrensergebnis entscheidende Fehlbeurteilung durch die belangte Behörde ergeben habe.

Diese Rechtsansicht ist nach Auffassung des Bundes zutreffend, jedenfalls aber vertretbar. Damit stellt der in Klage gezogene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes keinesfalls einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht dar.

Insbesondere kann der Kläger aus dem, der Klage unter ./F beigelegten (und auf Seite 9 der Klage auszugsweise zitierten) Schreiben der Kommission nichts ableiten, da ja schon die Sachverhaltsannahme falsch ist, dass der Kläger nur auf Grund seiner strafrechtlichen Verurteilung in Prag mit Aufenthaltsverbot belegt und abgeschoben worden wäre. Wie sich aus der ausführlichen Begründung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates ergibt, wurde nicht bloß auf Grund der Verurteilung in der Tschechischen Republik der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt bestätigt, sondern auf Grund einer Würdigung der Umstände, die das die öffentliche Ordnung gefährdende persönliche Verhalten der Klägers erkennen lassen. So heißt es etwa auf Seite 10 wörtlich:

'Vor dem Hintergrund der Art und Schwere der vom Berufungswerber begangenen strafbaren Handlungen sowie angesichts der Vielzahl und der wiederholt vom Berufungswerber gegenüber Minderjährigen gesetzten Sexualdelikte, die im Persönlichkeitsbild des Berufungswerbers auf eine Neigung zur Setzung solcher sexueller Handlungen gegenüber (unmündigen) Minderjährigen schließen lässt, und da auch kein Umstand ersichtlich ist, der diesbezüglich auf eine Änderung der Situation hindeuten würde, ist auch aktuell von einer - vom Berufungswerber ausgehenden - unmittelbar gegenwärtigen, fortwirkenden Gefahr für das Grundinteresse der Gesellschaft auszugehen [...]. Zusammengefasst ergibt sich aus dem bisherigen Gesamtfehlverhalten des Berufungswerbers bei Betrachtung der Gesamtumstände eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr iSd §86 FPG, die eine Grundinteresse der Gesellschaft berührt.'

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat gerade nicht allein auf Grund der Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung die Berufung abgewiesen, sondern aus den der Verurteilung zugrundeliegenden Umständen auf das persönliche Verhalten und die Neigungen des Klägers abgestellt. Dies entspricht den Vorgaben der Rechtsprechung des EuGH, wie sie etwa im vom Kläger zitierten Urteil des EuGH, Rs. C-50/06 , Kommission gegen Niederlande, insb. Rn. 41, genannt sind.

...

Zusammenfassend folgt aus all dem, dass das Gemeinschaftsrecht richtig angewendet worden ist. Jedenfalls liegt kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor, weshalb schon aus diesem Grund die Klage unbegründet ist."

Weiters führte der Bund aus, dass der Kläger sich nunmehr wegen weiterer Vergehen gegen dieselben Rechtsgüter in der Slowakei in Strafhaft befinde und man vor diesem Hintergrund nicht von einem Wohlverhalten des Klägers ausgehen könne. Vielmehr sei dadurch die Behauptung, der Kläger habe sich seit 1997 nicht mehr das Geringste zu Schulden kommen lassen, widerlegt.

5. Der geltend gemachte Schaden sei zudem mit Ausnahme des Vertretungsaufwandes vor dem Verwaltungsgerichtshof bereits verjährt, denn "der auch mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht

abwendbare Schaden ... [sei] schon mit Beginn des Freiheitsentzugs am

10. Mai 2005 eingetreten". Jedenfalls werde auch eine Verzinsung ab dem 12. Februar 2008 bestritten.

6. Schließlich sprach sich der Bund gegen die Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens aus.

7. Der Bund hielt sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2009 vollinhaltlich aufrecht.

III. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Die RL 64/221/EWG enthielt u.a. Bestimmungen, welche es den Mitgliedstaaten erlaubten, die Aufenthaltserlaubnis von Unionsbürgern, deren Aufenthalt in einem Mitgliedstaat aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit nicht mehr möglich war, zu beenden oder diese Personen aus dem Inland zu entfernen. Im Jahr 2004 ersetzte die Unionsbürger-RL die RL 64/221/EWG . Auch sie bietet in ihrem Art27 die Möglichkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit. Nach Art28 besteht kein Schutz vor einer Ausweisung von EU-Bürgern, wenn diese aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verfügt wird. Art31 der Richtlinie enthält Verfahrensgarantien. Diese Bestimmungen lauten:

"Artikel 27

Allgemeine Grundsätze

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.

(2) Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

(3) Um festzustellen, ob der Betroffene eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, kann der Aufnahmemitgliedstaat bei der Ausstellung der Anmeldebescheinigung oder - wenn es kein Anmeldesystem gibt - spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt der Einreise des Betroffenen in das Hoheitsgebiet oder nach dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene seine Anwesenheit im Hoheitsgebiet gemäß Artikel 5 Absatz 5 gemeldet hat, oder bei Ausstellung der Aufenthaltskarte den Herkunftsmitgliedstaat und erforderlichenfalls andere Mitgliedstaaten um Auskünfte über das Vorleben des Betroffenen in strafrechtlicher Hinsicht ersuchen, wenn er dies für unerlässlich hält. Diese Anfragen dürfen nicht systematisch erfolgen. Der ersuchte Mitgliedstaat muss seine Antwort binnen zwei Monaten erteilen.

(4) Der Mitgliedstaat, der den Reisepass oder Personalausweis ausgestellt hat, lässt den Inhaber des Dokuments, der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit aus einem anderen Mitgliedstaat ausgewiesen wurde, ohne jegliche Formalitäten wieder einreisen, selbst wenn der Personalausweis oder Reisepass ungültig geworden ist oder die Staatsangehörigkeit des Inhabers bestritten wird.

Artikel 28

Schutz vor Ausweisung

(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

...

Artikel 31

Verfahrensgarantien

(1) Gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit müssen die Betroffenen einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können.

(2) Wird neben dem Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, mit der die Ausweisung verfügt wurde, auch ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, um die Vollstreckung dieser Entscheidung auszusetzen, so darf die Abschiebung aus dem Hoheitsgebiet nicht erfolgen, solange nicht über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz entschieden wurde, es sei denn,

(3) Im Rechtsbehelfsverfahren sind die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen. Es gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Artikel 28 nicht unverhältnismäßig ist.

(4) Die Mitgliedstaaten können dem Betroffenen verbieten, sich während des anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens in ihrem Hoheitsgebiet aufzuhalten, dürfen ihn jedoch nicht daran hindern, sein Verfahren selbst zu führen, es sei denn, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit können durch sein persönliches Erscheinen ernsthaft gestört werden oder der Rechtsbehelf richtet sich gegen die Verweigerung der Einreise in das Hoheitsgebiet."

Die Richtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 30. April 2006 umzusetzen (Art40 Unionsbürger-RL).

2. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids richtete sich die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes und einer Ausweisung nach dem FPG, dessen §86 in der anzuwendenden Fassung den Änderungen auf Gemeinschaftsebene Rechnung trägt und lautet:

"§86.

(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige sind dann auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des §55 Abs1 NAG das Niederlassungsrecht fehlt.

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Die Zurückweisung eines EWR-Bürgers, Schweizer Bürgers oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ist zulässig, wenn

1. Zweifel an ihrer Identität bestehen oder sie der Pass- und gegebenenfalls der Sichtvermerkspflicht nicht genügen;

2. gegen sie ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot besteht und keine Wiedereinreisebewilligung erteilt wurde;

3. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, sie werden im Bundesgebiet Schlepperei begehen oder an ihr mitwirken;

4. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, sie wollten den Aufenthalt im Bundesgebiet zur vorsätzlichen Begehung von Finanzvergehen, mit Ausnahme von Finanzordnungswidrigkeiten, oder zu vorsätzlichen Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften benützen oder

5. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

(5) Die Zurückweisung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen ist ferner dann zulässig, wenn ein Vertragsstaat mitgeteilt hat, dass sein Aufenthalt im Gebiet der Vertragsstaaten die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, es sei denn, er hätte einen Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates oder einen von Österreich erteilten Einreisetitel.

(6) Auf EWR-Bürger und Schweizer Bürger finden die §§39 Abs2 Z2, 43 und 45 keine Anwendung."

Nach den Übergangsbestimmungen des §125 FPG war im Verfahren vor dem UVS Niederösterreich bereits §86 FPG auf den Fall des Klägers anzuwenden.

§125 Abs1 FPG lautet:

"Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, sind nach dessen Bestimmungen weiterzuführen."

IV. Der Verfassungsgerichtshof geht bei seiner rechtlichen Beurteilung von folgendem, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus:

1. Der 1941 geborene Kläger ist britischer Staatsbürger. Er wurde mit Urteil des Stadtgerichtes Prag als Berufungsgericht vom 29. Mai 2000, rechtkräftig am 22. Juni 2000, wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen sowie wegen der Bedrohung der moralischen (sittlichen) Erziehung der Jugend zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Darüber hinaus verhängte die tschechische Republik ein unbefristetes Aufenthaltsverbot über den Kläger.

2. Nach Verbüßung seiner Strafhaft begab sich der Kläger im Jänner 2004 nach Österreich. Im Hinblick auf seine rechtskräftige Verurteilung verhängte die BH Wr. Neustadt mit Bescheid vom 11. Mai 2005 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot über ihn, wobei die aufschiebende Wirkung einer (allfälligen) Berufung ausgeschlossen und auch kein Durchsetzungsaufschub erteilt wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der nunmehrige Kläger Berufung an den UVS Niederösterreich, der diese mit Bescheid vom 19. März 2007, Z Senat-AB-06-0005, abwies.

Der Kläger stellte in weiterer Folge einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verfassungsgerichtshof zum Zwecke der Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des UVS Niederösterreich vom 19. März 2007, welchen der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 20. Juni 2007, B687/07, abwies. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 17. Juli 2008, 2007/21/0294-5, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde ab.

3. Ferner ordnete die BH Neusiedl mit Bescheid vom 11. Mai 2005 die Anhaltung des nunmehrigen Klägers in Schubhaft an. Der UVS Burgenland wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 24. Juni 2005, Z E 013/10/2005.014/14, ab. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12. Juni 2006, B3249/05, ab.

4. Der Kläger war bereits am 23. Mai 2005 nach Großbritannien abgeschoben worden. Bei seiner Ankunft in Großbritannien wurde er festgenommen, da er in Großbritannien mittels britischen Haftbefehls wegen des Vorwurfes des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen gesucht wurde.

5. Mittlerweile befindet sich der Kläger in slowakischer Strafhaft. Er wurde am 8. Oktober 2008 vom "District Court of Bratislava V" wegen mehrerer Delikte wie Zugängigmachung von Pornographie für Minderjährige, mehrfachem Missbrauch von Kindern zur Herstellung von Kinderpornographie und Besitz von Kinderpornographie zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

V. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Klage

erwogen:

1. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind zum Ersatz jener Schäden verpflichtet, die den Bürgern durch - den Mitgliedstaaten zurechenbare - "qualifizierte Verstöße" gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, und zwar auch dann, wenn die behaupteten Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht einem Höchstgericht eines Mitgliedstaates anzulasten sind (vgl. EuGH 30.9.2003, Rs C-224/01 , Köbler, Rz 30 ff.; etwa auch EuGH 13.06.2006, Rs C-173/03 , Traghetti gg. Italien). Zur Entscheidung über Klagen wegen qualifizierten Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht durch Höchstgerichte ist gemäß Art137 B-VG der Verfassungsgerichtshof berufen (VfSlg. 17.019/2003, 17.095/2003, 17.330/2004 uva.).

2. Insoweit der Kläger die behaupteten Ansprüche auf ein Fehlverhalten des Verwaltungsgerichtshofs, nämlich dessen Ablehnung der Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 17. Juli 2008, Z2007/21/0294, stützt, ist der Verfassungsgerichtshof zuständig.

3. Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch nicht für eine Klage, die sich auf ein behauptetes Fehlverhalten der BH Wr. Neustadt und des UVS Niederösterreich stützt, zuständig. Insoweit sich die Klage auf ein Fehlverhalten der beiden Verwaltungsbehörden stützt, ist sie daher zurückzuweisen.

VI. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache - soweit er zuständig ist - erwogen:

1. Der Kläger begründet seinen Staatshaftungsanspruch damit, dass der UVS Niederösterreich und ihm folgend der Verwaltungsgerichtshof folgende Bestimmungen unrichtig angewendet habe: Das Europäische Auslieferungsübereinkommen, BGBl. 320/1969 idF BGBl. 309/1985 (EuAuslÜb), das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I 36/2004, Art1 Abs1 des

7. ZPEMRK, sowie Bestimmungen des Strafgesetzbuches. All diese Bestimmungen sind nicht Teil des Gemeinschaftsrechts, sodass sich der Verfassungsgerichtshof in einem Staatshaftungsverfahren schon aus diesem Grunde mit der Auslegung dieser Normen nicht zu befassen hat.

Dazu kommt, dass diese Bestimmungen das Auslieferungsverfahren betreffen. Der Bescheid des UVS Niederösterreich ist jedoch in keinem solchen Verfahren ergangen, sondern in einem Verfahren betreffend die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes. Hiefür relevant ist daher bloß die Unionsbürger-RL, sodass sich der Verfassungsgerichtshof auch nur mit dieser zu befassen hat.

2. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, in einem Staatshaftungsverfahren - ähnlich einem Rechtsmittelgericht - die Richtigkeit des als staatshaftungsbegründend gerügten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs zu überprüfen.

Im Fall Lyckeskog (EuGH 04.06.2002, C-99/00 , Lyckeskog) wurde jedoch festgehalten, dass eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit in der zu überprüfenden Entscheidung der untergeordneten Instanz in jedem Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt (vgl. VfSlg. 17.214/2004 ua.). In VfSlg. 17.865/2005 bestätigte der Verfassungsgerichtshof dies für den Fall der Ablehnung einer Beschwerde nach Art131 Abs3 B-VG iVm §33a VwGG durch den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof ist nun berufen zu beurteilen, ob - unter Bedachtnahme auf die Ablehnungstatbestände des Art131 Abs3 B-VG iVm §33a VwGG - ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliegt:

2.1. Der UVS Niederösterreich stützte die Ausweisung auf §86 FPG, mit welchem die Art27 und 28 der Unionsbürger-RL umgesetzt worden waren, wonach ein Aufenthaltsverbot auch gegen Unionsbürger verhängt werden darf, "wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist". Das Gesetz sieht vor, dass das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, darstellen muss. Bei der Prüfung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren und es darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein.

2.2. Der Kläger ist von tschechischen Gerichten wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger verurteilt worden und befand sich erst seit 2004 in Österreich. Der UVS Niederösterreich setzte sich in seinem Bescheid vom 19. März 2007, Z Senat-AB-06-0005, eingehend mit der Situation des Klägers auseinander und kam zu dem Schluss, dass es gerade das persönliche Verhalten des Klägers war, welches eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellte, die ein Grundinteresse der Gesellschaft betreffe. Die Ausweisung sei, im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch Unmündiger, unbedingt erforderlich; der Kläger sei erst kurz in Österreich aufhältig, habe in Österreich keine familiären Bindungen, es bestehe keine intensive Integration und die seit der Verurteilung vergangene Zeit sei relativ kurz.

Die Verfahrensgarantien des Art31 der Unionsbürger-RL wurden gewahrt.

2.3. Diese vom UVS Niederösterreich geäußerte Rechtsansicht ist zumindest vertretbar. Der Verfassungsgerichtshof vermag deshalb angesichts der Umstände des Falles im Hinblick auf die Ablehnungstatbestände gemäß Art131 Abs3 B-VG iVm §33a VwGG in der Ablehnung der Behandlung der Beschwerde gegen diese Entscheidung des UVS durch den Verwaltungsgerichtshof keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht zu erkennen.

Angesichts dieses Ergebnisses kann auch die Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung und eines Durchsetzungsaufschubs keinen Schaden verursacht haben, sodass schon deshalb auf die Garantien des Art31 der Unionsbürger-RL betreffend den vorläufigen Rechtsschutz nicht einzugehen ist.

3. Die Klage war daher - soweit zulässig - abzuweisen.

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