VwGH Ra 2023/07/0090

VwGHRa 2023/07/009019.12.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Haunold, Mag. Stickler, Dr. Himberger und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision der W R in A, vertreten durch Mag. Kaspar Strolz, Rechtsanwalt in 6130 Schwaz, Münchner Straße 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. April 2023, LVwG‑2022/26/2445‑5, betreffend Übertretung des AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz, zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §15 Abs4a idF 2019/I/071
AWG 2002 §15 Abs4a idF 2019/I/71
AWG 2002 §2 Abs4 Z1 idF 2021/I/200
AWG 2002 §5 Abs1 idF 2021/I/200
AWG 2002 §5 Abs1a idF 2021/I/200
EURallg
VwGG §42 Abs1
VwRallg
32008L0098 Abfall-RL
32008L0098 Abfall-RL Art6
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs1
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs1 lita
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs1 litb
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs1 litc
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs1 litd
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs2
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs2 lita
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs2 litb
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs2 litc
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs2 litd
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs3
32008L0098 Abfall-RL Art6 Abs4
32018L0851 Nov-32008L0098
62017CJ0691 PORR VORAB
62018CJ0060 Tallinna Vesi VORAB
62019CJ0629 Sappi Austria Produktion und Wasserverband "Region Gratkorn-Gratwein" VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023070090.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis bestrafte das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) die Revisionswerberin ‑ in teilweiser Abänderung eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 30. Juni 2022 ‑ wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 2 Z 3 iVm. § 15 Abs. 3 zweiter Satz AWG 2002 mit einer Geldstrafe in Höhe von € 2.100 (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Stunden), weil sie es als Gewerbetreibende zu verantworten habe, dass im Zeitraum 20. bis 30. April 2021 konsenslos Bodenaushubmaterial im Ausmaß von rund 7.000 m³ bis 7.500 m³ auf dem Grundstück Nr. 712, KG A., ohne die erforderliche abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung und außerhalb hierfür genehmigter Anlagen bzw. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehener geeigneter Orte abgelagert worden sei.

2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, die Revisionswerberin verfüge über eine Gewerbeberechtigung mit dem Wortlaut „Baugewerbetreibende, eingeschränkt auf Erdbau“. Sie betreibe ein Erdbauunternehmen, wobei sie für Kunden den Bodenaushub auch von Baustellen entgeltlich mit der Zusage der „Entsorgung“ verbringe. Im Zeitraum 20. bis 30. April 2021 sei vom Unternehmen der Revisionswerberin Bodenaushubmaterial im Ausmaß von rund 7.000 m³ bis 7.500 m³ auf dem landwirtschaftlich genützten Grundstück Nr. 712, KG A., abgelagert worden. Auf diesem Grundstück habe keine genehmigte Deponie bestanden. Auch sei keine behördliche Bewilligung für die Ablagerung erteilt worden.

3 Hinsichtlich der Maßnahme sei keine Dokumentation erstellt worden; insbesondere auch nicht die „Einbauinformation“ nach dem BAWP 2017. Es sei also weder der Ort noch der Zweck des Einbaus dokumentiert worden. Auch sei keine Begründung der Nützlichkeit der Maßnahme erfolgt sowie keine Einbauskizze mit Regelprofil erstellt oder der Ausgangszustand dokumentiert worden. Eine Abgrenzung zwischen dem von der Revisionswerberin aufgeschütteten Material und bereits zuvor vom Eigentümer des Grundstückes durchgeführten Aufschüttungen sei daher nunmehr nicht mehr möglich. Mangels Dokumentation der Maßnahme sei auch die genaue Menge des Materialauftrags nicht mehr feststellbar. Die Annahme, dass es sich um Bodenaushubmaterial im Ausmaß von rund 7.000 m³ bis 7.500 m³ gehandelt habe, stütze sich nur auf (vage) Zeugenaussagen. Auch sei daher nicht mehr feststellbar, ob hinsichtlich der Menge der Aufbringung das unbedingt erforderliche Ausmaß nicht überschritten worden sei. Eine Prüfung des Bodenaushubmaterials sei ‑ über einen bloßen Augenschein hinaus ‑ vor dem Einbau nicht erfolgt. Erst nach der Aufbringung am Gelände (und nach Beginn des Verwaltungsstrafverfahrens) sei eine Probe des aufgeschütteten Materials entnommen und von der Revisionswerberin einer analytischen Untersuchung zugeführt worden.

4 Unter Beachtung, dass das Bodenaushubmaterial der Revisionswerberin von den Bauherrn der Baustellen ‑ ihren Auftraggebern ‑ in Entledigungsabsicht übergeben worden sei, ergebe sich in rechtlicher Hinsicht, dass der subjektive Abfallbegriff nach § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 erfüllt sei. Das Vorliegen von Abfall sei auch nicht nach § 3 Abs. 1 Z 8 AWG 2002 ausgeschlossen, weil das Material von dem Ort, an dem es ausgehoben worden sei, verbracht worden sei. Es bleibe sohin die Frage zu klären, ob ‑ wie von der Revisionswerberin behauptet ‑ eine zulässige Verwertungsmaßnahme vorliege. Nach § 15 Abs. 4a AWG 2002 seien insoweit aber ‑ wie mit der AWG‑Novelle BGBl I Nr. 71/2019 festgelegt ‑ die Vorgaben des BAWP 2017 zu beachten. Danach sei ‑ soweit die Sonderregelungen für Kleinmengen nicht zur Anwendung kämen ‑ eine Verwertungsmaßnahme im Zuge einer Untergrundverfüllung oder Bodenrekultivierung mit einer Einbauinformation zu dokumentieren, wobei (näher genannte) Angaben erforderlich seien. Im vorliegenden Fall sei ‑ im Hinblick auf die Menge des Bodenaushubmaterials ‑ nach dem BAWP 2017 eine Einbauinformation zu erstellen gewesen. Tatsächlich sei jedoch keinerlei Dokumentation hinsichtlich der Aufbringung erfolgt. Da somit den Vorgaben des BAWP 2017 nicht entsprochen worden sei, liege schon deshalb keine zulässige Verwertungsmaßnahme vor, die im Sinn von § 15 Abs. 4a AWG 2002 zum Ende der Abfalleigenschaft geführt hätte. Auf das weitere Vorbringen der Revisionswerberin ‑ so auch darauf, ob die Verfüllung mit Bodenaushubmaterial einer Agrarstrukturverbesserung gedient habe ‑ komme es nicht an. Die Revisionswerberin habe die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung somit in objektiver Hinsicht verwirklicht. Da sie die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen habe, sei ihr die Übertretung auch subjektiv vorwerfbar.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, nach der eine Verwertungsmaßnahme nach § 15 Abs. 4a AWG 2002 vorliege, wenn keine Beeinträchtigung umweltrelevanter Schutzgüter nach § 1 Abs. 3 AWG 2002 erfolge. Insoweit sei die tatsächliche Qualität des verwendeten Bodenaushubmaterials vom Verwaltungsgericht nicht untersucht worden. Zu Unrecht habe sich das Verwaltungsgericht daher überhaupt nicht mit der Qualität des Materials auseinandergesetzt und unbeachtet gelassen, dass nach dem ‑ nach der Aufbringung erstellten und von der Revisionswerberin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten ‑ Inspektionsbericht vom 30. August 2022 (Datum der Beprobung 29. Juli 2022) diese Qualität dem BAWP 2017 entsprochen habe. Auch mit den weiteren Voraussetzungen einer Verwertung nach § 15 Abs. 4a AWG 2002 habe sich das Verwaltungsgericht nicht beschäftigt; so auch nicht damit, dass nach einer weiteren von der Revisionswerberin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Urkunde ‑ einem landwirtschaftlichen Gutachten vom 21. September 2022 ‑ eine landwirtschaftliche Rekultivierungsmaßnahme vorgelegen sei, die der Agrarstrukturverbesserung gedient habe und zur Erreichung dieser Ziele auch hinsichtlich ihres Ausmaßes erforderlich gewesen sei. In eventu liege auch deshalb eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, ob seit der AWG‑Novelle BGBl I Nr. 71/2019, mit der in § 15 Abs. 4a AWG 2002 erstmals auf den BAWP 2017 verwiesen worden sei, jeder Verstoß gegen den BAWP ‑ so auch hinsichtlich der Vorgaben zur Dokumentation der Maßnahme ‑ nunmehr dazu führe, dass keine Verwertungsmaßnahme vorliege. Gegebenenfalls fehle auch Judikatur, ob es auch einen Verstoß darstelle, wenn eine Dokumentation erst nach dem Einbau erstellt werde.

8 Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

9 § 2 Abs. 4 Z 1, § 5 Abs. 1 und Abs. 1a (in der Fassung der AWG‑Novelle Kreislaufwirtschaftspaket, BGBl. I Nr. 200/2021) und § 15 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4a AWG 2022 (in der Fassung der AWG 2002 Rechtsbereinigungsnovelle 2019, BGBl. Nr. 71/2019) lauten samt Überschriften:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. [...]

(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1. ‚Altstoffe‘

a) Abfälle, welche getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden, oder

b) Stoffe, die durch eine Behandlung aus Abfällen gewonnen werden,

um diese Abfälle nachweislich einer zulässigen Verwertung zuzuführen.

Abfallende

§ 5. (1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 oder eine Verordnung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden. Im Falle einer Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne von § 2 Abs. 5 Z 6 ist das Ende der Abfalleigenschaft mit dem Abschluss dieses Verwertungsverfahrens erreicht. Das Ende der Abfalleigenschaft kann nur erreicht werden, wenn die einschlägigen, für Produkte geltenden Anforderungen eingehalten werden.

(1a) Der Besitzer des Stoffes oder Produktes gemäß Abs. 1 hat das Ende der Abfalleigenschaft nachzuweisen. Die Nachweise sind mindestens sieben Jahre aufzubewahren und den Behörden auf Verlangen vorzulegen.

Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

1. hiefür genehmigten Anlagen oder

2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

(4a) Eine Verwertung ist nur zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen einschließlich des Bundes-Abfallwirtschaftsplans verstoßen wird.“

10 Art. 3 Z 15 und Art. 6 Abs. 1 bis Abs. 4 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (in der Fassung der Richtlinie [EU] 2018/851 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle) ‑ im Folgenden Abfallrahmenrichtlinie ‑ haben auszugsweise folgenden Wortlaut:

„Artikel 3

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck [...]

15. ‚Verwertung‘ jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie andere Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmte Funktion verwendet worden wären, oder die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen. Anhang II enthält eine nicht erschöpfende Liste von Verwertungsverfahren;

Artikel 6

Ende der Abfalleigenschaft

(1) Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Abfälle, die ein Recyclingverfahren oder ein anderes Verwertungsverfahren durchlaufen haben, nicht mehr als Abfälle betrachtet werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a) Der Stoff oder der Gegenstand soll für bestimmte Zwecke verwendet werden;

b) es besteht ein Markt für diesen Stoff oder Gegenstand oder eine Nachfrage danach;

c) der Stoff oder Gegenstand erfüllt die technischen Anforderungen für die bestimmten Zwecke und genügt den bestehenden Rechtsvorschriften und Normen für Erzeugnisse und

d) die Verwendung des Stoffs oder Gegenstands führt insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt‑ oder Gesundheitsfolgen.

(2) Die Kommission überwacht die Erarbeitung nationaler Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft in den Mitgliedstaaten und prüft auf dieser Grundlage, ob unionsweit geltende Kriterien erarbeitet werden müssen. Zu diesem Zweck erlässt die Kommission gegebenenfalls Durchführungsrechtsakte zur Festlegung detaillierter Kriterien für die einheitliche Anwendung der in Absatz 1 festgelegten Bedingungen auf bestimmte Abfallarten.

Mit diesen detaillierten Kriterien muss ein hohes Maß an Schutz für Mensch und Umwelt sichergestellt und die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen ermöglicht werden. Sie beinhalten:

a) Abfallmaterialien, die der Verwertung zugeführt werden dürfen,

b) zulässige Behandlungsverfahren und -methoden,

c) Qualitätskriterien im Einklang mit den geltenden Produktnormen, erforderlichenfalls auch Schadstoffgrenzwerte, für das Ende der Abfalleigenschaft bei Materialien, die durch das Verwertungsverfahren gewonnen werden,

d) Anforderungen an Managementsysteme zum Nachweis der Einhaltung der Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft, einschließlich an die Qualitätskontrolle und Eigenüberwachung sowie gegebenenfalls Akkreditierung, und

e) das Erfordernis einer Konformitätserklärung.

Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem Prüfverfahren gemäß Artikel 39 Absatz 2 erlassen.

[...]

(3) Wurden keine Kriterien auf Unionsebene gemäß Absatz 2 festgelegt, können die Mitgliedstaaten detaillierte Kriterien für die Anwendung der in Absatz 1 festgelegten Bedingungen auf spezifische Stoffe und Gegenstände festlegen. Diese detaillierten Kriterien tragen etwaigen nachteiligen Auswirkungen des Stoffes oder Gegenstands auf Umwelt und Gesundheit Rechnung und entsprechen den Anforderungen gemäß Absatz 2 Buchstaben a bis e.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Kriterien gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates mit, sofern jene Richtlinie dies erfordert.

(4) Wurden weder auf Unions‑ noch auf nationaler Ebene gemäß Absatz 2 oder 3 Kriterien festgelegt, kann ein Mitgliedstaat im Einzelfall entscheiden oder geeignete Maßnahmen treffen, um zu überprüfen, ob bestimmte Abfälle aufgrund der Bedingungen nach Absatz 1 und gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Anforderungen gemäß Absatz 2 Buchstaben a bis e sowie unter Berücksichtigung der Grenzwerte für Schadstoffe und etwaiger nachteiliger Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit keine Abfälle mehr sind. [...]“

11 § 2 Abs. 4 Z 1 und § 15 Abs. 4a AWG 2002 knüpfen die Beendigung der Abfalleigenschaft daran, dass die Abfälle einer „zulässigen Verwertung“ zugeführt werden (vgl. etwa VwGH 27.11.2012, 2012/10/0086, mwN). Dafür muss die betreffende Sache für den beabsichtigten Zweck unbedenklich einsetzbar sein und dürfen keine umweltrelevanten Schutzgüter durch die Verwertungsmaßnahme beeinträchtigt werden (vgl. etwa VwGH 26.2.2015, 2012/07/0123, mwN). Eine zulässige Verwertung liegt im Weiteren auch nur dann vor, wenn dadurch nicht den in § 15 Abs. 4a AWG 2002 genannten Vorschriften zuwidergehandelt wird (vgl. VwGH 23.4.2015, 2012/07/0047, mwN).

12 Mit der AWG 2002 Rechtsbereinigungsnovelle 2019, BGBl. I Nr. 71/2019, wurde das früher in § 15 Abs. 4a AWG 2002 enthaltene Wort „Rechtsvorschriften“ durch die Wortfolge „Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen einschließlich des Bundes‑Abfallwirtschaftsplans“ ersetzt. Nach den Gesetzesmaterialien (IA 887/A 26. GP  11) soll damit klargestellt werden, dass „die Zulässigkeit einer Verwertung an abfallrechtlichen Vorschriften zu beurteilen ist“. Diesbezügliche Rechtsvorschriften anderer Materiengesetze seien jedenfalls weiterhin zu beachten.

13 Bereits vor Inkrafttreten dieser Novelle entsprach es der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Prüfung der Zulässigkeit einer Verwertung, dass Regelungen des (jeweiligen) BAWP technische Vorschriften darstellen und diese Regelungen insoweit den Charakter eines Regelwerkes (vergleichbar mit jenem von ÖNORMEN) mit der Wirkung eines objektivierten, generellen Gutachtens haben, das gegebenenfalls durch ein fachliches Gegengutachten widerlegt werden kann (vgl. VwGH 9.7.2024, Ra 2023/07/0150, mwN).

14 Mit der AWG‑Rechtsbereinigungsnovelle 2019 wurde nunmehr in § 15 Abs. 4a AWG 2002 ausdrücklich normiert, dass die Zulässigkeit einer Verwertung auch die Einhaltung des BAWP voraussetzt.

15 Der ‑ für das Jahr 2021 geltende ‑ BAWP 2017 enthält insbesondere in seinem Punkt 7. Behandlungsgrundsätze und Handlungsanleitungen für bestimmte Abfall‑ und Stoffströme. Für Aushubmaterialien finden sich in Punkt 7.8. Vorgaben für verschiedene in Betracht kommende Verwertungswege. Hinsichtlich der Beschaffenheit des Materials sind je nach konkretem Verwendungszweck unterschiedliche, näher definierte Parameter, Grenzwerte und Kennwerte für einzelne Qualitätsklassen (Punkt 7.8.6.) vorgesehen. Im Weiteren finden sich Vorgaben für die Vorgehensweise bei der Auftragung des Materials. Für eine Bodenrekultivierung ‑ wie hier gegenständlich ‑ bedarf es einer grundlegenden Charakterisierung und Zuordnung zu den Qualitätsklassen A1, A2, A2‑G oder BA. Die Herstellung von Rekultivierungsschichten hat ‑ wie näher geregelt ‑ einem schichtenweisen Aufbau zu folgen. Eine landwirtschaftliche Bodenrekultivierung ist nur mit Bodenaushub der Qualitätsklassen A1 und BA zulässig.

16 Im Weiteren ordnet der BAWP 2017 eine Dokumentation der Einbaumaßnahme an. Danach hat ‑ abgesehen von der hier nicht relevanten Sonderregelung für Kleinmengen (Punkt 7.3.) ‑ eine grundlegende Charakterisierung des Materials durch einen Beurteilungsnachweis zu erfolgen, womit die Einhaltung der Grenzwerte bzw. Kennwerte und die Zuordnung zu den Qualitätsklassen zu dokumentieren ist. Bei einer Verwertungsmaßnahme im Zuge einer Untergrundverfüllung oder Bodenrekultivierung mit einer einzubauenden Gesamtmasse von mehr als 2.000 t soll weiters nach Punkt 7.8.1. BAWP 2017 vom Bauherrn, in dessen Auftrag der Einbau des Materials erfolgt, eine Einbauinformation erstellt werden. Als deren Inhalt sind Angaben zum Ort und Zweck des Einbaus, zur Begründung der Nützlichkeit der Maßnahme, zur Masse des eingebauten Materials, der Art der Verwendung (z.B. zum Aufbau einer Rekultivierungsschicht) und zur Kennung des Beurteilungsnachweises, mit dem das eingebaute Material grundlegend charakterisiert wurde, vorgesehen. Im Zuge der Dokumentation sollen auch eine Einbauskizze mit Regelprofil (Schichtenaufbau) und eine Bestätigung des Bauunternehmers oder des Bauherrn, dass von ihm beim Einbau keine Verunreinigungen wahrgenommen wurden, erstellt werden. Diese Einbauinformation soll samt dem Beurteilungsnachweis vom Bauherrn, in dessen Auftrag der Einbau getätigt wurde, mindestens sieben Jahre aufbewahrt werden.

17 Für das Verständnis, welche Auswirkungen ein Verstoß gegen den BAWP für das Vorliegen einer „zulässigen Verwertung“ und damit für das Eintreten des Endes der Abfalleigenschaft hat, bedarf es aber einer Berücksichtigung des Unionsrechts ‑ insbesondere des Art. 6 Abfallrahmenrichtlinie ‑ und der dazu ergangenen Judikatur des EuGH.

18 Der EuGH hat insoweit zuletzt mit seinem Urteil vom 17. November 2022, Porr Bau GmbH, C‑238/21 , insbesondere auch mit Blick auf die österreichische Rechtslage und die Auswirkungen einer Verletzung des BAWP auf das Ende der Abfalleigenschaft ausgesprochen:

„Art. 3 Nr. 1 und Art. 6 Abs. 1 [Abfallrahmenrichtlinie] sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der unkontaminiertes Aushubmaterial, das nach nationalem Recht zur höchsten Qualitätsklasse gehört,

- als ‚Abfall‘ einzustufen ist, selbst wenn sein Besitzer sich seiner weder entledigen will noch entledigen muss und dieses Material die in Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen für die Einstufung als ‚Nebenprodukt‘ erfüllt, und

- die Abfalleigenschaft nur dann verliert, wenn es unmittelbar als Substitution verwendet wird und sein Besitzer Formalkriterien erfüllt hat, die für den Umweltschutz irrelevant sind, falls diese Kriterien die Wirkung haben, dass die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie gefährdet wird.“

19 Hinsichtlich des Endes der Abfalleigenschaft wurde vom EuGH auszugsweise begründend ausgeführt:

„70 Was die im Bundes‑Abfallwirtschaftsplan vorgesehenen Formalkriterien betrifft, deren Einhaltung bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aushubmaterial verlangt wurde, so ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/98 die Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft erforderlichenfalls Grenzwerte für Schadstoffe enthalten und möglichen nachteiligen Umweltauswirkungen des Stoffes oder Gegenstands Rechnung tragen. Außerdem verfügen die Mitgliedstaaten in dem durch Art. 6 Abs. 4 dieser Richtlinie gesteckten Rahmen bei der Festlegung dieser Kriterien über einen Gestaltungsspielraum.

71 Folglich können sich Formalkriterien wie die vom vorlegenden Gericht angeführten zwar u. a. als notwendig erweisen, um die Qualität und Unbedenklichkeit des fraglichen Stoffes zu gewährleisten, doch müssen sie so festgelegt werden, dass ihre Ziele erreicht werden, ohne die Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2008/98 zu gefährden.

72 Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass ausweislich des in Rn. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Bescheids die Feststellung, dass die Abfalleigenschaft des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aushubmaterials nicht geendet habe, im Wesentlichen auf die Nichteinhaltung von Formalkriterien zurückzuführen war, die für den Umweltschutz irrelevant sind.

73 Es wäre aber eine Verkennung der Ziele der Richtlinie 2008/98 zu befürchten, wenn trotz Einhaltung der spezifischen Kriterien, die gemäß den in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Bedingungen festgelegt wurden, bei unkontaminiertem Aushubmaterial der höchsten Qualitätsklasse, dessen Eigenschaften zur Verbesserung landwirtschaftlicher Strukturen dienen können, nach einer Qualitätskontrolle, mit der sich die Unbedenklichkeit seiner Verwendung für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit sicherstellen lässt, das Ende der Abfalleigenschaft verneint würde.

74 Würde nämlich, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Wiederverwendung solchen Aushubmaterials durch Formalkriterien behindert, die für den Umweltschutz irrelevant sind, so liefen diese Kriterien den mit der Richtlinie 2008/98 verfolgten Zielen zuwider, die, wie aus den Erwägungsgründen 6, 8 und 29 dieser Richtlinie hervorgeht, darin bestehen, die Anwendung der Abfallhierarchie nach Art. 4 der Richtlinie sowie die Verwertung von Abfällen und die Verwendung verwerteter Materialien zur Erhaltung der natürlichen Rohstoffquellen zu fördern und die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Gegebenenfalls würden solche Maßnahmen die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie beeinträchtigen.

75 Es ist nicht zulässig, dass derartige Formalkriterien die Wirkung haben, dass die Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 2008/98 gefährdet wird. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, zu prüfen, ob dies hier der Fall ist.“

20 Gegenüber der dieser Entscheidung des EuGH zugrunde gelegten Rechtslage wurde (mit der Richtlinie [EU] 2018/851 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle) Art. 6 Abfallrahmenrichtlinie nunmehr geändert, wobei der 2. Unterabsatz des Abs. 1 entfallen ist und der einleitende Teil des Abs. 1 sowie Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 der Bestimmung neu gefasst wurden.

21 Unverändert geblieben sind jedoch die in den lit. a bis d des Art. 6 Abs. 1 Abfallrahmenrichtlinie geregelten Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft. Auch ist nicht zweifelhaft, dass den Mitgliedstaaten weiterhin im Rahmen der von Art. 6 Abfallrahmenrichtlinie gezogenen Grenzen ‑ soweit keine Durchführungsrechtsakte hinsichtlich bestimmter Abfallarten nach Art. 6 Abs. 2 Abfallrahmenrichtlinie erlassen wurden ‑ ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Definition der Kriterien für das Abfallende zukommt (vgl. idS näher bereits VwGH 20.10.2022, Ra 2021/07/0068, unter Hinweis auf die Natur einer Richtlinie nach Art. 288 AEUV und Auseinandersetzung mit EuGH 28.3.2019, Tallinna Vesi, C‑60/18 ; sowie EuGH 14.10.2020, Sappi Austria Produktion, C‑629/19 ). Es ergeben sich somit keine Anhaltspunkte dafür, dass die tragenden Ausführungen des EuGH in seinem Urteil Porr Bau GmbH ‑ in Folge der genannten Änderungen des Art. 6 Abfallrahmenrichtlinie ‑ ihre Geltung verloren hätten.

22 Im Weiteren ist zunächst zu beachten, dass Art. 6 Abfallrahmenrichtlinie in seinen Abs. 3 und 4 für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorsieht, entweder allgemein gültige Kriterien aufzustellen oder andererseits Einzelfallentscheidungen bzw. sonst geeignete Maßnahmen zu treffen (vgl. nochmals VwGH Ra 2021/07/0068, Rn. 18, mwN). Die österreichische Rechtslage, wonach das Ende der Abfalleigenschaft bei Erfüllung bestimmter, generell festgelegter Voraussetzungen ‑ und nicht aufgrund von Einzelfallentscheidungen nach Art. 6 Abs. 4 Abfallrahmenrichtlinie ‑ eintritt, steht damit in Einklang (vgl. nochmals näher VwGH Ra 2021/07/0068, unter Hinweis auf EuGH Tallinna Vesi).

23 Eine unmittelbare Anwendung der Kriterien nach Art. 6 Abs. 1 Abfallrahmenrichtlinie für die Bestimmung des Abfallendes kommt nicht in Betracht (vgl. näher VwGH 24.9.2015, 2013/07/0098; sowie nochmals VwGH Ra 2021/07/0068). Erforderlich ist aber eine richtlinienkonforme Interpretation der vorliegend anzuwendenden nationalen abfallrechtlichen Bestimmungen unter Beachtung der Judikatur des EuGH (vgl. zur Verpflichtung zu einer unionsrechtskonformen Auslegung näher etwa VwGH 21.5.2019, Ro 2019/19/0006).

24 Soweit § 15 Abs. 4a AWG 2002 die Zulässigkeit einer Verwertung daran knüpft, dass auch nicht gegen die Vorschriften des BAWP verstoßen wird, ist dies daher im Licht der zitierten Ausführungen des EuGH (Porr Bau GmbH, Rn. 70 ff) zu lesen, wonach der Eintritt des Abfallendes nicht von der bloßen Nichteinhaltung von Formalkriterien, die für den Umweltschutz irrelevant sind, abhängen darf. Demgegenüber hat der EuGH betont, dass Formalkriterien sich als notwendig erweisen können, um die Qualität und Unbedenklichkeit des fraglichen Stoffes zu gewährleisten und die Festlegung solcher Kriterien daher zulässig ist, soweit sie so festgelegt werden, dass die Ziele der Abfallrahmenrichtlinie nicht gefährdet werden.

25 Nicht als bloßes „Formalkriterium“ im Sinn dieser Judikatur anzusehen sind jedenfalls die von den Mitgliedsstaaten im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums festgelegten Kriterien des Abfallendes hinsichtlich der Definition von Grenzwerten (vgl. ausdrücklich EuGH Porr Bau GmbH, Rn. 70) bzw. von Qualitätsklassen der Abfallmaterialen für einzelne Verwertungsmaßnahmen, der Behandlungsverfahren und -methoden, sowie der erforderlichen Qualitätskriterien für den Eintritt des Endes der Abfalleigenschaft der Materialien, die durch das Verwertungsverfahren gewonnen werden (vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. a bis c Abfallrahmenrichtlinie, auf die auch in Art. 6 Abs. 3 Abfallrahmenrichtlinie verwiesen wird; zur auch insoweit bestehenden Bindung an die Verwirklichung der Ziele der Richtlinie vgl. aber EuGH Tallinna Vesi, Rn. 27).

26 Als zulässig ‑ und nicht als bloßes für den Umweltschutz irrelevantes „Formalkriterium“ ‑ zu bewerten sind im Sinn der Ausführungen des EuGH (insbesondere Porr Bau GmbH, Rn. 71) im Weiteren aber zweifellos auch Verpflichtungen im nationalen Recht zur Dokumentation der Maßnahme, zumindest soweit diese unerlässlich ist, um die Einhaltung der genannten Vorgaben ‑ etwa hinsichtlich Grenzwerten und Behandlungsmethoden ‑ verlässlich überprüfen zu können. In diesem Sinn ordnet Art. 6 Abs. 2 lit. d Abfallrahmenrichtlinie nunmehr an, dass die Kriterien für das Abfallende auch Anforderungen an Managementsysteme zum Nachweis der Einhaltung der Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft, einschließlich an die Qualitätskontrolle und Eigenüberwachung sowie gegebenenfalls Akkreditierung, zu enthalten haben.

27 Dass die Zulässigkeit einer Verwertung ‑ und damit auch der Eintritt des Abfallendes ‑ nach den Bestimmungen des AWG 2002 davon abhängt, dass die Einhaltung der dafür geltenden Kriterien auch nachweisbar („nachweislich“) ist, ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 4 Z 1 AWG 2002. Im Einklang damit steht der mit der AWG‑Novelle Kreislaufwirtschaftspaket eingeführte § 5 Abs. 1a AWG 2002, wonach der Besitzer des Stoffes oder Produktes gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002 das Ende der Abfalleigenschaft nachzuweisen hat.

28 Auch soweit der BAWP, auf den §15 Abs. 4a AWG 2002 nunmehr verweist, eine Dokumentation der Maßnahme durch den Bauherrn verlangt, in dessen Auftrag der Einbau des Bodenaushubmaterials erfolgt, steht dies somit im genannten Rahmen im Einklang mit der Judikatur des EuGH. Welche einzelnen Anordnungen des BAWP 2017 an zu erbringende Nachweise im Zuge dieser Dokumentation dagegen im Sinn der Ausführungen des EuGH als bloße Formalkriterien anzusehen sind, die für den Umweltschutz irrelevant und daher mit den Zielen der Abfallrahmenrichtlinie unvereinbar sind, sodass von ihrer Einhaltung das Abfallende nicht abhängt, kann für den vorliegenden Fall aber ‑ aus den im folgenden dargestellten Gründen ‑ dahingestellt bleiben:

29 Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, denen die Revision nicht entgegentritt, der Revisionswerberin das Bodenaushubmaterial mit dem Auftrag der „Entsorgung“ von Bauherrn verschiedener Baustellen übergeben worden ist. Der subjektive Abfallbegriff nach § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 ist somit ‑ wie von der Revision auch nicht in Abrede gestellt wird ‑ jedenfalls erfüllt. Im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen scheidet daher gegenständlich auch das Vorliegen eines Nebenproduktes (vgl. dazu EuGH Porr Bau GmbH, Rn. 46 ff) jedenfalls aus.

30 Im Weiteren tritt die Revision auch den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht konkret entgegen, wonach von der Revisionswerberin anlässlich der Aufbringung des ‑ von verschiedenen Baustellen stammenden ‑ Bodenaushubmaterials keine Dokumentation der Maßnahme erstellt worden und als Folge dessen weder eine Abgrenzung zwischen dem von der Revisionswerberin aufgeschütteten Material und bereits zuvor vom Eigentümer des Grundstückes durchgeführten Aufschüttungen möglich noch eindeutig die konkrete Menge des aufgetragenen Materials feststellbar sei.

31 Nach dem Gesagten fehlt es somit am Vorliegen der für eine zulässige Verwertungsmaßnahme erforderlichen Dokumentation der Aufbringung des Bodenmaterials.

32 Soweit die Revision auf die im Verfahren vorgelegten, erst Monate nach Durchführung der Maßnahme erstellten Unterlagen verweist, ist festzuhalten, dass nur eine verlässlich den Zustand im Zeitpunkt der Einbringung abbildende Dokumentation das Erfordernis eines Nachweises der Einhaltung der Kriterien einer zulässigen Verwertung erfüllt. Jedenfalls dann, wenn das aufgebrachte Material von anderen Materialien ‑ wie hier vorliegend ‑ nicht mehr eindeutig abgrenzbar ist, ist eine später genommene Probe nicht geeignet, die Einhaltung der Grenzwerte und Qualitätskriterien hinsichtlich des aufgetragenen Materials in seiner Gesamtheit verlässlich nachzuweisen (vgl. idS nochmals bereits zur Rechtslage vor der AWG 2002 ‑ Rechtsbereinigungsnovelle 2019 VwGH Ra 2023/07/0150, mwN).

33 Die Analyse der erst Ende Juli 2022 ‑ somit deutlich nach der Aufbringung am Gelände (20. bis 30. April 2021) ‑ entnommenen Probe des Materials vom Grundstück und die Vorlage eines im Auftrag der Revisionswerberin erstellten landwirtschaftlichen Gutachtens vom 21. September 2022, das sich hinsichtlich der aufgebrachten Materialmenge ebenso nur mehr auf nicht mehr eindeutig verifizierbare Angaben der Revisionswerberin stützen konnte, war somit für eine Dokumentation der Maßnahmen jedenfalls nicht ausreichend.

34 Das Verwaltungsgericht ist daher in Hinblick auf das Fehlen einer den genannten Anforderungen entsprechenden Dokumentation der Maßnahmen durch die Revisionswerberin ‑ als Bauherrin der Maßnahme ‑ zutreffend davon ausgegangen, dass keine zulässige Verwertungsmaßnahme vorlag und schon deshalb kein Ende der Abfalleigenschaft im Sinn von § 5 Abs. 1 AWG 2002 iVm. § 15 Abs. 4a AWG 2002 eingetreten ist.

35 Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2024

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