OLG Wien 6R102/24z

OLG Wien6R102/24z4.9.2024

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., in der Firmenbuchsache der A* GmbH, FN **, **, wegen Eintragung einer ausländischen Zweigniederlassung, über die Rekurse 1. der Gesellschaft sowie der Geschäftsführer 2. Dipl.-Ing. B*, 3. Ing. Mag. C*, 4. D*, 5. Dipl.-Ing. E* und 6. Dipl.-Ing. DI (FH) F*, alle **, vertreten durch Buchberger Ettmayer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beschlüsse des Handelsgerichtes Wien vom 5.3.2024, 73 Fr 62663/23m-6, -7, -8, -9 und -10, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0009:2024:00600R00102.24Z.0904.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben. Die angefochtenen Beschlüsse werden ersatzlos behoben.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

 

Begründung

Die A* GmbH mit Sitz in ** ist zu FN ** im Firmenbuch eingetragen. Ihre Geschäftsführer waren im Zeitpunkt der angefochtenen Beschlüsse Dipl.-Ing. B*, Ing. Mag. C*, D*, Dipl.-Ing. E* und Dipl.-Ing. DI (FH) F* (im folgenden: Geschäftsführer bzw. Rekurswerber), die die Gesellschaft jeweils gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Gesamtprokuristen vertreten. Seit 7.8.2024 ist als weitere Geschäftsführerin mit kollektiver Vertretungsberechtigung seit 1.8.2024 G* im Firmenbuch eingetragen.

Über das System der Verknüpfung der Unternehmensregister auf Europäischer Ebene (Business Registers Interconnection System – BRIS) erhielt das Erstgericht am 20.12.2023 eine Verständigung über die Errichtung einer ausländischen Zweigniederlassung der Gesellschaft in Ungarn.

Daraufhin forderte das Erstgericht mit Beschluss vom selben Tag die Gesellschaft auf, die ausländische Zweigniederlassung in Ungarn bei der inländischen Hauptniederlassung in Österreich gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zur Eintragung anzumelden und setzte für die Erledigung eine Frist von vier Wochen (73 Fr 62663/23m‑1).

Nach Bewilligung einer Fristerstreckung erklärte die Gesellschaft in ihrer Stellungnahme vom 23.1.2024, nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung und einhelliger Literatur seien ausländische Zweigniederlassungen inländischer Unternehmen im österreichischen Firmenbuch nicht einzutragen. Teleologisch beruhe dies auf dem Gedanken, dass für eine solche Eintragung keine Notwendigkeit (etwa aus Gründen der Publizität oder des Gläubigerschutzes) bestehe. Systematisch beruhe diese Auslegung auf der Interpretation des Begriffes „Zweigniederlassung“ in § 3 Abs 1 Z 6 FBG sowie § 12 UGB. Dieser Begriff erfasse nur inländische Zweigniederlassungen. Auch aus § 37 Abs 3 Z 8 FBG lasse sich eine Erweiterung der Eintragungstatbestände dahingehend, dass inländische Rechtsträger ihre ausländischen Zweigniederlassungen beim inländischen Rechtsträger anzumelden hätten, nicht ableiten. Die Bestimmung richte sich an die nationalen Firmenbuchgerichte und betreffe die automationsunterstützte Übermittlung von Informationen aus dem Firmenbuch an die zentrale Europäische Plattform. Explizit in § 37 Abs 3 FBG genannt seien nur inländische Kapitalgesellschaften und inländische Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften. Daten über die ungarische Zweigniederlassung der Gesellschaft seien ‑ aufgrund der europäischen Rechtsvorschriften ‑ über die ungarische nationale Registerbehörde der Europäischen Plattform zu übermitteln. Diese Pflicht treffe die Registerbehörden der Mitgliedsstaaten, nicht aber die (österreichischen) Rechtsunterworfenen. Hingewiesen werde darauf, dass Informationen über die ungarische Zweigniederlassung im europäischen Justizportal unter der EUID HUOCCSZ.01‑17‑00267 abrufbar seien, womit dem Publizitätserfordernis Genüge getan sei. § 37 FBG normiere keinen eigenständigen Eintragungstatbestand. Es bestehe somit keine Anmeldepflicht der Gesellschaft für ihre in Ungarn gelegene Zweigniederlassung.

Mit Beschluss vom 29.1.2024 wiederholte das Erstgericht seine Aufforderung und führte aus, seit dem GesDigG 2022, BGBl I Nr. 86/2022, sei die Anmeldung der ausländischen Zweigniederlassung in bestimmten Fällen verpflichtend. Das Gesetz diene der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1132 idF der Digitalisierungs‑RL (EU) 2019/1151 . Habe eine inländische Kapitalgesellschaft eine Zweigniederlassung in einem anderen EU‑ oder EWR‑Staat, sei diese wie eine inländische Zweigniederlassung bei der Hauptniederlassung anzumelden und einzutragen.

Die Gesellschaft verwies auch in ihrer zweiten Stellungnahme vom 1.2.2024 auf ihren Rechtsstandpunkt, weder die Digitalisierungs‑RL (EU) 2019/1151 noch das FBG würden eine Anmeldepflicht inländischer Kapitalgesellschaften für ihre ausländischen Zweigniederlassungen vorsehen. Vielmehr bestimme Art 28a Abs 7 der Richtlinie, dass nach der Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates gegründet worden sei, das Register des Mitgliedstaates, in dem die Zweigniederlassung eingetragen sei, den Mitgliedsstaat unterrichte, in dem die Gesellschaft eingetragen sei. Der Mitgliedsstaat, in dem die Gesellschaft eingetragen sei, habe den Eingang einer solchen Mitteilung zu bestätigen und die Informationen unverzüglich in seinem Register zu verzeichnen. Dies bedürfe nicht der vorherigen Anmeldung durch die Gesellschaft.

Mit Beschluss vom 6.2.2023 forderte das Erstgericht die Geschäftsführer auf, binnen zwei Wochen die Daten der ausländischen Zweigniederlassung bei der österreichischen Hauptniederlassung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zur Eintragung anzumelden (§ 3 Abs 1 Z 6 iVm § 37 Abs 3 Z 8 FBG), widrigenfalls über sie Zwangsstrafen von je EUR 100,‑‑ verhängt würden.

Nachdem innerhalb dieser Frist keine Anmeldung erfolgte, verhängte das Erstgericht mit den angefochtenen Beschlüssen die angedrohten Zwangsstrafen von je EUR 100,‑‑ über die Geschäftsführer, dies verbunden mit dem Auftrag, binnen zwei Monaten ab Rechtskraft die Anmeldung der ausländischen Zweigniederlassung vorzunehmen, andernfalls würden weitere Zwangsstrafen von je EUR 200,‑‑ verhängt werden.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführer Dipl.-Ing. B*, Ing. Mag. C*, D*, Dipl.-Ing. E* und Dipl.-Ing. DI (FH) F* mit dem Antrag, die Beschlüsse aufzuheben und das Zwangsstrafverfahren gegen die Geschäftsführer einzustellen, in eventu, die verhängten Zwangsstrafen aufzuheben und den Rekurswerbern aufzutragen, die ungarische Zweigniederlassung der Gesellschaft beim Firmenbuch der inländischen Hauptniederlassung anzumelden.

Die Rekurswerber argumentieren wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren, dass gemäß aktueller Rechtslage ausländische Zweigniederlassungen inländischer Unternehmen nicht im österreichischen Firmenbuch einzutragen seien. Daran habe auch die RL (EU) 2019/1151 nichts geändert. In richtlinienkonformer Auslegung könne § 37 Abs 3 Z 8 FBG allenfalls dahin verstanden werden, dass das Firmenbuchgericht eine entsprechende Eintragungspflicht ohne korrespondierende Anmeldepflicht der Gesellschaft treffe. Selbst wenn man eine Anmeldepflicht der Rekurswerber annehmen wollte, treffe sie an der bisherigen Nichtanmeldung kein Verschulden, weil sie sich entsprechend der einhelligen höchstgerichtlichen Rechtsprechung und Lehre verhalten hätten. Die Rechtsansicht der Rekurswerber sei daher jedenfalls vertretbar und ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Gemäß § 3 Abs 1 Z 6 FBG sind bei allen Rechtsträgern nach § 2 FBG Zweigniederlassungen mit ihrem Ort, der für Zustellungen maßgeblichen Geschäftsanschrift und ihrer Firma, wenn sie von der Firma der Hauptniederlassung abweicht, in das Firmenbuch einzutragen. Sie sind gemäß § 120 Abs 2 JN bei jenem Gericht anzumelden und einzutragen, in dessen Sprengel das Unternehmen seine Hauptniederlassung oder seinen Sitz hat.

2. § 12 UGB unterstellt auch Rechtsträger mit Hauptniederlassung oder Sitz im Ausland hinsichtlich ihrer inländischen Zweigniederlassungen dem österreichischen Firmenbuchrecht. Errichtet ein ausländischer Rechtsträger im Inland eine Zweigniederlassung, so ist dieser grundsätzlich wie ein inländischer Rechtsträger mit inländischer Hauptniederlassung ins Firmenbuch einzutragen. § 12 UGB regelt somit, unter welchen Voraussetzungen ausländische Rechtsträger im österreichischen Firmenbuch einzutragen sind. Aus dieser Eintragungspflicht folgt auch eine Anmeldepflicht der vertretungsbefugten Organe des ausländischen Rechtsträgers. Zweck der Einbeziehung von Inlandsniederlassungen ausländischer Rechtsträger in das österreichische Firmenbuch ist es, jenen Personen, die mit der Zweigniederlassung vor Ort in geschäftlichen Kontakt treten, Auskunft über die wesentlichsten Verhältnisse des Unternehmens zu geben. Die Anmeldung und Eintragung hat gemäß § 120 Abs 3 JN beim Gericht der Zweigniederlassung zu erfolgen (Zib in Zib/Dellinger GroßKomm UGB § 12 Rz 2; Pilgerstorfer in Artmann, UGB³ § 12 Rz 1, 3, 41).

3. § 3 Abs 1 Z 6 FBG unterscheidet nach seinem Wortlaut nicht, ob sich die Zweigniederlassung des Rechtsträgers innerhalb oder außerhalb Österreichs befindet. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre bezieht sich die Anmeldungs- und Eintragungspflicht jedoch nur auf inländische Zweigniederlassungen, nicht aber auch auf im Ausland errichtete Zweigniederlassungen inländischer Rechtsträger (RS0061589; Potyka in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 3 FBG Rz 10; Pilgerstorfer in Artmann, UGB³ § 3 FBG Rz 21). Diese Rechtsansicht wird einerseits auf § 12 Abs 1 UGB gestützt, der explizit vorsieht, dass (nur) inländische Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger in das österreichische Firmenbuch einzutragen sind. Außerdem wird argumentiert, für eine solche Eintragung bestehe aus Gründen der Publizität oder des Gläubigerschutzes keine Notwendigkeit (6 Ob 33/92).

4. Mit der BRIS‑Richtlinie (EU) 2012/17 (abgeleitet vom Begriff „Business Registers Interconnection System“), die in weiterer Folge in der kodifizierten GesR‑RL (EU) 2017/1132 aufgegangen ist, sollte einerseits der grenzüberschreitende Zugang zu Unternehmensinformationen über das Europäische Justizportal erleichtert und andererseits in bestimmten Fällen, etwa bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, eine automatisierte Kommunikation zwischen den nationalen Registerbehörden der EU‑Mitglied-staaten sowie der Staaten Liechtenstein und Norwegen über eine zentrale „Europäische Plattform“, dem Business Registers Interconnection System („BRIS“), ermöglicht werden.

5. Um dieser in der Richtlinie normierten Umsetzungsverpflichtung zu entsprechen, wurde in Österreich die gesetzliche Grundlage für die Abrufbarkeit des Firmenbuchs über die zentrale Europäische Plattform sowie für die automatische Kommunikation zwischen den Registerbehörden mit dem BRIS‑Umsetzungsgesetz (BGBl I 2017/60) geschaffen, das mit 1.6.2017 in Kraft getreten ist.

Novellierungen dieser Bestimmung erfolgten aufgrund der Richtlinie (EU) 2019/1151 („Digitalisierungs‑Richtlinie“) sowie zuletzt aufgrund der Richtlinie (EU) 2019/2121 („Mobilitäts‑Richtlinie“).

6.1. In § 37 Abs 1 FBG wurde die Abrufbarkeit der österreichischen Firmenbuchdatenbank über das Europäische Justizportal geregelt. § 37 Abs 2 FBG normiert, dass den im Firmenbuch eingetragenen inländischen Rechtsträgern (§ 2 FBG) sowie den inländischen Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger (§ 12 UGB) automationsunterstützt eine einheitliche europäische Kennung („EU‑ID“) zugeordnet wird. Die EU‑ID ist im Firmenbuchauszug nicht ersichtlich und dient lediglich der Kommunikation mit anderen europäischen Registern.

6.2. Gemäß § 37 Abs 3 FBG nehmen die österreichischen Firmenbuchgerichte aufgrund der entsprechenden Verordnung des Bundesministeriums für Justiz (BRIS‑Umsetzungsverordnung - „BRIS‑UmsVBGBl II 138/2017) iVm § 37 Abs 4 FBG am Informationsaustausch zwischen den Registern über die zentrale Europäische Plattform teil. Die Rechtsformen der inländischen Rechtsträger, über die Firmenbuchdaten gemäß § 37 Abs 1 FBG zugänglich gemacht werden und für die ein Informationsaustausch gemäß § 37 Abs 3 FBG stattfindet, sind gemäß § 1 BRIS‑UmsV die AG, die GmbH und die SE. Zu diesem Zweck übermittelt das zuständige Firmenbuchgericht gemäß § 37 Abs 4 FBG an die zentrale Europäische Plattform automationsunterstützt Informationen über die in Abs 3 leg cit genannten Eintragungen, so unter anderem nach Abs 3 Z 8 über die Eintragung oder Löschung von Zweigniederlassungen (Szöky in Straube/ Ratka/Rauter, UGB I4 § 37 FBG Rz 1 ff).

6.4. Wird daher gemäß § 12 UGB von einem ausländischen Rechtsträger in Österreich eine inländische Zweigniederlassung angemeldet, so wird diese Information gemäß § 37 Abs 4 iVm § 37 Abs 3 Z 8 FBG an die Europäische Plattform (BRIS) automationsunterstützt weitergeleitet.

7.1. Bezüglich der Offenlegung von Urkunden und Angaben über eine Zweigniederlassung sieht die Ges‑RL 2017/1132 (EU) Folgendes vor:

„Abschnitt 2

Offenlegungsvorschriften für Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten

Art 29

Offenlegung von Urkunden und Angaben über eine Zweigniederlassung

1. Die Urkunden und Angaben über eine Zweigniederlassung, die in einem Mitgliedsstaat von einer in Anhang II genannten Gesellschaft errichtet worden ist, welche dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt, sind nach dem Recht des Mitgliedstaats der Zweigniederlassung im Einklang mit Art 16 offenzulegen.

2. Weicht die Offenlegung bei der Zweigniederlassung von der Offenlegung bei der Gesellschaft ab, so ist für den Geschäftsverkehr mit der Zweigniederlassung die Offenlegung bei der Zweigniederlassung maßgebend.

3. Die Urkunden und Angaben gemäß Art 30 Abs 1 werden über das System der Registervernetzung öffentlich zugänglich gemacht. Art 18 und Art 19 Abs 1 gelten sinngemäß.

4. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Zweigniederlassungen eine einheitliche Kennung haben, durch die sie eindeutig bei der Kommunikation zwischen Registern über das System der Registervernetzung ermittelt werden können. Diese einheitliche Kennung besteht zumindest aus Elementen, die es ermöglichen, den Mitgliedstaat des Registers, das inländische Herkunftsregister und die Nummer der Zweigniederlassung in diesem Register zu ermitteln, sowie gegebenenfalls aus Kennzeichen, um Fehler bei der Identifizierung zu vermeiden.

Art 30

Offenzulegende Urkunden und Angaben

1. Die Pflicht zur Offenlegung nach Art 29 erstreckt sich lediglich auf folgende Urkunden und Angaben:

a) die Anschrift der Zweigniederlassung;

b) die Tätigkeit der Zweigniederlassung;

c) das Register, bei dem die in Art 16 bezeichnete Akte für die Gesellschaft angelegt worden ist, und die Nummer der Eintragung in dieses Register;

d) die Firma und die Rechtsform der Gesellschaft sowie die Firma der Zweigniederlassung, sofern diese nicht mit der Firma der Gesellschaft übereinstimmt;

e) die Bestellung, das Ausscheiden und die Personalien derjenigen, die befugt sind, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten, und zwar

- als gesetzlich vorgeschriebenes Organ der Gesellschaft oder als Mitglied eines solchen Organs gemäß der Offenlegung, die nach Art 14d bei der Gesellschaft erfolgt,

- als ständige Vertreter der Gesellschaft für die Tätigkeit der Zweigniederlassung, unter Angabe ihrer Befugnisse;

f) die Auflösung der Gesellschaft, die Bestellung, die Personalien und die Befugnisse der Liquidatoren sowie den Abschluss der Liquidation gemäß der Offenlegung, die nach Art 14h, j und k bei der Gesellschaft erfolgt,

- ein die Gesellschaft betreffendes Konkursverfahren, Vergleichsverfahren oder ähnliches Verfahren;

g) die Unterlagen der Rechnungslegung gemäß Art 31;

h) die Aufhebung der Zweigniederlassung.

2. Der Mitgliedsstaat der Zweigniederlassung kann vorschreiben, dass Folgendes gemäß Art 29 offenzulegen ist:

a) Eine Unterschrift der in Abs 1e und f des folgenden Artikels bezeichneten Personen;

b) der Errichtungsakt und, sofern diese Gegenstand eines gesonderten Aktes gemäß Art 14a, b und c ist, die Satzung sowie Änderungen dieser Unterlagen;

c) eine Bescheinigung aus dem in Abs 1c des vorliegenden Artikels genannten Register in Bezug auf das Bestehen der Gesellschaft;

d) Angaben über die Sicherheiten, bei denen Vermögenswerte der Gesellschaft belastet werden, die sich in diesem Mitglied-staat befinden, sofern diese Offenlegung sich auf die Gültigkeit solcher Sicherheiten bezieht.“

7.2. Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Urkunden und Angaben über eine Zweigniederlassung nach dem Recht des Mitgliedstaates der Zweigniederlassung offenzulegen sind und den Mitgliedstaat der Zweigniederlassung in weiterer Folge die Verpflichtung trifft, diese Urkunden und Angaben über das System der Registervernetzung öffentlich zugänglich zu machen. Eine zusätzliche Offenlegungs- oder Anmeldungspflicht für Gesellschaften bzw. deren Organe im Mitgliedstaat der Gesellschaft wurde damit gerade nicht normiert.

8.1. Mit der nachfolgenden Digitalisierungsrichtlinie (EU) 2019/1151 wurde im Wesentlichen bezweckt, durch den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren die Gründung von Kapitalgesellschaften, die Eintragung von Zweigniederlassungen sowie die Einreichung von Urkunden und Informationen einfacher, rascher und im Hinblick auf Kosten und Zeit effizienter zu gestalten. In Bezug auf Zweigniederlassungen verpflichtet Art 28a Abs 1 die Mitgliedstaaten, zu gewährleisten, dass die Eintragung der Zweigniederlassung einer Gesellschaft, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegt, vollständig online durchgeführt werden kann.

7.2. Bezüglich der Eintragung der Zweigniederlassung trifft Art 28a Abs 6 und 7 der Digitalisierung-RL folgende Regelung:

6. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Online‑Eintragung einer Zweigniederlassung innerhalb eines Zeitraums von zehn Arbeitstagen ab dem Abschluss aller Formalitäten, ... abgeschlossen wird. ...

7. Nach der Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegründet wurde, unterrichtet das Register des Mitgliedstaats, in dem die Zweigniederlassung eingetragen ist, den Mitgliedstaat, in dem die Gesellschaft eingetragen wurde, über das System der Registervernetzung von der Eintragung der Zweigniederlassung. Der Mitgliedstaat, in dem die Gesellschaft eingetragen ist, bestätigt den Eingang einer solchen Mitteilung und verzeichnet die Informationen unverzüglich in seinem Register.“

Der Richtlinie (EU) 2019/1151 lagen unter anderem folgende Erwägungen zugrunde:

Um die Kosten und den Verwaltungsaufwand sowie die Verfahrensdauer für die Gesellschaften zu senken, sollten die Mitgliedstaaten im Bereich des Gesellschaftsrechts den Grundsatz der einmaligen Erfassung anwenden, der in der Union etabliert ist, …. Die Anwendung des Grundsatzes der einmaligen Erfassung bringt mit sich, dass von den Gesellschaften nicht verlangt wird, den Behörden ein und die selbe Information mehrmals vorzulegen. ... Stattdessen sollten Informationen ... elektronisch mit Hilfe des Systems der Registervernetzung zwischen den Registern, in denen die Gesellschaft bzw die Zweigniederlassung eingetragen ist, ausgetauscht werden“ (Erwägungsgrund 28 der RL EU 2019/1151).

8. Die Verpflichtung zur Verzeichnung der Informationen eines anderen Mitgliedstaates über die Errichtung einer ausländischen Zweigniederlassung richtet sich somit gemäß Art 28a Abs 7 RL (EU) 2019/1151 explizit nur an den jeweiligen Mitgliedstaat, in dem die Gesellschaft eingetragen ist, nicht aber an die Gesellschaft oder deren vertretungsbefugte Organe.

9. Davon ging, wie die Rekurswerber zutreffend argumentieren, nach den Gesetzesmaterialien auch der österreichische Gesetzgeber aus. In den Materialien zum GesDigG 2022 lautet es dazu, „dass den […] Vorgaben der Richtlinie […] bereits durch die geltende Rechtslage entsprochen [wird], was sich jedoch häufig nicht aus einem einzelnen Gesetz oder gar einer einzelnen Bestimmung, sondern aus dem Zusammenspiel mehrerer Regelungen ergibt“ (EBRV 1760 BlgNR 27.GP 1).

Dabei kann unterstellt werden, dass der Gesetzgeber von der herrschenden Ansicht zur Auslegung der relevanten Bestimmungen ausging, dass nämlich ausländische Zweigniederlassungen inländischer Unternehmen nicht im österreichischen Firmenbuch anzumelden sind (RS0061589; 6 Ob 33/92; Potyka in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 3 FBG Rz 10; Pilgerstorfer in Artmann, UGB³ § 3 FBG Rz 21; Zib in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB Vor § 12 UGB Rz 33), und daher das Fehlen einer entsprechenden Anmeldungspflicht im Einklang mit der RL (EU) 2019/1151 steht.

10. In richtlinienkonformer Auslegung hat die Eintragung einer ausländischen Zweigniederlassung eines inländischen Unternehmens aufgrund einer Verständigung über das System der Registervernetzung daher von Amts wegen zu erfolgen, ohne dass eine korrespondierende Anmeldepflicht der Gesellschaft bzw. ihrer vertretungsbefugten Organe besteht.

11. Damit waren in Stattgebung des Rekurses die verhängten Zwangsstrafen ersatzlos zu beheben.

Der Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses beruht auf § 15 Abs 1 FBG iVm §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG. Bislang liegt keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anmeldepflicht bzw der Eintragung einer ausländischen Zweigniederlassung eines inländischen Rechtsträgers nach der Rechtslage aufgrund der RL (EU) 2019/1151 vor. Die Bedeutung dieser Rechtsfrage geht über den konkreten Einzelfall hinaus.

 

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