OLG Linz 8Bs29/25h

OLG Linz8Bs29/25h10.3.2025

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* und B* wegen Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB über die Berufungen der Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe sowie der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 8. Oktober 2024, Hv*-39, über Antrag des Berichterstatters (§ 489 Abs 1, § 469 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0080BS00029.25H.0310.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

In Stattgebung der Berufung wegen Nichtigkeit der A* und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil in seinem gesamten (demnach auch B* betreffenden) Umfang aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis zurückverwiesen.

Im Übrigen werden die Angeklagten mit ihren Berufungen sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe auf diese Entscheidung verwiesen.

 

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am ** geborene A* und der am ** geborene B* jeweils des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollzug unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Inhaltlich des Schuldspruchs haben sie am 28. März 2023 in Mattighofen vor dem Bezirksgericht Mattighofen in der Verhandlung in der Zivilrechtssache C* gegen D* zum Aktenzeichen C* als Zeugen bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch die zusammengefassten, sinngemäßen Behauptungen, sie und D* hätten in der Nacht von 23. auf 24. September 2022 nicht an der „Rave-Party“ in E* teilgenommen, sondern seien bei einem Bekannten gewesen und hätten dann die angeblich ehemalige Lebensgefährtin namens F* von dort abgeholt, falsch ausgesagt.

Dagegen richten sich die rechtzeitig angemeldeten (jeweils ON 38.1, 4) und ausgeführten Berufungen der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis (ON 40), die eine Erhöhung der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen anstrebt, sowie die Berufungen beider Angeklagter (zu A*: ON 47; zu B*: ON 43) wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie der Aussprüche über die Schuld und Strafe, mit denen sie primär eine Kassation des Urteils und die Rückverweisung des Verfahrens an das Landesgericht beantragen, hilfsweise eine freisprechende Entscheidung in der Sache selbst oder die Herabsetzung der Freiheitsstrafe.

Die Oberstaatsanwaltschaft beantragte in ihren dazu erstatteten Äußerungen, den Rechtsmitteln der Angeklagten keine Folge zu geben.

A* zeigt in ihrer Berufung deutlich und bestimmt (vgl RIS-Justiz RS0118316 [T 5], RS0115902; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.124; Kier in Kier/Wess, HB Strafverteidigung2 Rz 14.136) Gründe auf, aus denen das Urteil mit Nichtigkeit nach § 489 Abs 1, § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO behaftet ist. Allein dass die entsprechende Argumentation den eigentlichen Berufungsausführungen vorangestellt und (an dieser Stelle) die damit angesprochene Nichtigkeit nicht ziffernmäßig bezeichnet ist (vgl ON 47.2, 2 letzter Absatz), macht das Vorbringen nicht unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099131; vgl auch Ratz in WK-StPO § 285d Rz 9).

Rechtliche Beurteilung

Unvollständig im Sinne des der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 13 Abs 3 zweiter Satz, § 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Die fehlende Erörterung dieser Verfahrensergebnisse macht die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffenen Feststellungen aus formalen Gründen mangelhaft. Eine Wertung des Rechtsmittelgerichts findet trotzdem statt. Nur wird nicht in die Bewertung der vom Erstgericht berücksichtigten Verfahrensergebnisse, mit anderen Worten in die Würdigung des herangezogenen Beweismaterials (des Bezugspunkts der Beweiswürdigung), eingegriffen, sondern in die Auswahl des für diese Bewertung heranzuziehenden Beweismaterials. Dem Rechtsmittelgericht obliegt also nur die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Erwägenswerte erwogen wurde, nicht aber des Inhalts dieser Erwägungen (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 421 mwN; RIS-Justiz RS0118316, RS0099578, RS0098646).

Das Erstgericht konstatierte unter anderem, dass die beiden Angeklagten und F* in der Nacht zum 24. September 2022 an der „Rave-Party“ in E* teilgenommen hatten, um dem in weiterer Folge die ausgehend davon objektiv unrichtigen (vgl Plöchl in WK-StGB² § 288 Rz 27) Aussagen der Angeklagten als Zeugen in dem gegen D* geführten Zivilverfahren gegenüberzustellen (US 3 f).

Beweiswürdigend setzte es sich umfassend mit den diversen Angaben der Angeklagten, die ihre und eine Teilnahme des D* an der Zusammenkunft stets in Abrede stellten und ausführten, sie seien damals (gemeinsam in einem Pkw) nur deswegen vor Ort gewesen, weil sie die damalige Freundin des B* abholen wollten, sowie den Wahrnehmungen der einschreitenden Polizeibeamten auseinander, um daraus – ohne Bedenken zu erwecken (vgl etwa RIS-Justiz RS0098362) – die oben skizzierten Schlussfolgerungen zu ziehen.

Allerdings überging es dabei – was A* in ihrer Berufung ausdrücklich und insgesamt zutreffend als Nichtigkeit geltend macht (ON 47.2, 2 f) – die Depositionen des D* zu dem damaligen Geschehen in zwei bürgerlichen Rechtssachen (ON 29.4, 9 f; ON 2.6, 4 ff), deren erheblicher Inhalt in der Hauptverhandlung einverständlich vorgetragen wurde (ON 38.1, 3; vgl zum Verhältnis von Abs 1 Z 4 und Abs 2a des § 252 StPO: RIS-Justiz RS0127712; zum Vorkommen derart vorgeführter Beweismittel aus Sicht des § 258 StPO: Lendl in WK-StPO § 258 Rz 5), zur Gänze (vgl zur Entstehungsgeschichte: ON 38.2).

Während deren Beweiswert vom Rechtsmittelgericht im gegebenen Zusammenhang nicht weiter zu prüfen ist, kann ihnen die (abstrakte) Eignung, für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung zu sein (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 409), nicht von vornherein abgesprochen werden. Weil seine Angaben die von A* geschilderte Geschehensvariante dem Sinn nach bestätigen (und damit deren Unrichtigkeit in Frage stellen könnten), wirkt sich diese Unvollständigkeit außerdem (potentiell) zu ihrem Nachteil aus (vgl Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.121; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 424;RIS-Justiz RS0117593).

Als Konsequenz ist der sie betreffende Schuldspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis zurückverwiesen (§ 489 Abs 1, § 470 Z 3, § 475 Abs 1 StPO).

In Anwendung von § 290 Abs 1 zweiter Satz, zweiter Teilsatz StPO, gilt das auch für B*, der in seinem Rechtsmittel zwar mehrmals auf die Angaben des D* Bezug nimmt, ohne aber deren unterlassene Würdigung deutlich und bestimmt als nichtigkeitsbegründend (vgl dagegen zur Schuldberufung: ON 43, 19 ff) zu bezeichnen (vgl Ratz in WK-StPO § 285d Rz 10 und § 290 Rz 11).

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