OLG Linz 12Rs26/25t

OLG Linz12Rs26/25t25.3.2025

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richterin Dr. Barbara Jäger in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **, **, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch ihren Angestellten Dr. B*, Landesstelle **, wegen Invaliditätspension (hier wegen Dolmetschergebühren), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Februar 2025, Cgs*-27, beschlossen:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0120RS00026.25T.0325.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

 

 

begründung:

Die Dolmetscherin Mag. C* verrichtete am Landesgericht Salzburg als ASG Dolmetschertätigkeiten in der von 9.10 Uhr bis 9.38 Uhr dauernden Tagsatzung vom 15. November 2024. In der Honorarnote gab sie als Adresse die D*-Straße ** in Salzburg an, sodass davon auszugehen ist, dass sie von dort aufbrach. Den Weg zum Justizgebäude am Rudolfsplatz 2 legte die Dolmetscherin mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zurück, den Rückweg ebenfalls.

Neben anderen im Rekursverfahren nicht mehr strittigen Positionen begehrte die Dolmetscherin gemäß § 32 GebAG eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Ausmaß von zwei begonnenen Stunden à EUR 32,90, zusammen also EUR 65,80 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer.

Die Beklagte akzeptierte (unter anderem) nur eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Ausmaß von einer begonnenen Stunde, da der Weg laut vorgelegtem SVV-Routenplaner nur je 20 Minuten dauere, sodass die Angabe von zwei begonnenen Stunden widerlegt sei.

Die Dolmetscherin äußerte sich zu den Einwendungen nicht.

Das Erstgericht bestimmte diese Entschädigung antragsgemäß. Es erwog, dass nicht alleine auf die Zeitangaben in Routenplanern und Fahrplänen zurückgegriffen werden könne. Ein Vergleich der gängigen Routenplanerapplikationen weise zwar – abhängig von der Tageszeit und der Verkehrslage – durchschnittliche Wegzeiten von 20 bis 25 Minuten (16 Minuten Linie 8 zzgl 7 Minuten Fußmarsch) auf, wie von der Beklagten bescheinigt, sodass sich eine Wegzeit von 40 bis 50 Minuten ergebe. Allerdings seien noch keine Zeiten für das Passieren der Eingangskontrolle, das Aufsuchen des Verhandlungssaals oder eines allfälligen Aufsuchens der Toilette vor der Verhandlung eingerechnet. Ein zusätzlicher Zeitpolster von 20 Minuten wegen möglicher Verkehrsprobleme sei im innerstädtischen Verkehr zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr morgens nicht überzogen, zumal gerade die Kreuzung Rudolfsplatz vor dem Gerichtsgebäude ein neuralgischer Verkehrspunkt sei. Der Beklagten gelinge es mit ihren Ausführungen nicht, Bedenken gegen die Angaben der gerichtlich beeideten Dolmetscherin zu erwecken; diese seien aber so lange als wahr anzunehmen, als nicht das Gegenteil behauptet und bewiesen werde.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der unbeantwortet gebliebene Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die Entschädigung für Zeitversäumnis lediglich mit EUR 32,90 zuzüglich 20 % USt zu bestimmen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1 Gemäß § 53 Abs 1 iVm § 32 Abs 1 GebAG hat ein Dolmetscher für die Zeit, die er wegen seiner Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren außerhalb seiner Wohnung oder seiner gewöhnlichen Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit besonders aufwenden muss, Anspruch auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Ausmaß von (aktuell) EUR 32,90 für jede, wenn auch nur begonnene Stunde.

2 Bei der Berechnung der Entschädigung für Zeitversäumnis sind jene Zeiten zusammenzufassen, die der/die Dolmetscher:in in derselben Sache für den Hin- und Rückweg sowie für Wartezeiten insgesamt benötigt, und erst nach Ermittlung der Gesamtzeit ist eine verbleibende begonnene Stunde wie eine volle zu honorieren (RIS-Justiz RS0059145; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 32 E 72 f). Eine gesonderte Entschädigung jeder (begonnenen) Stunde der Zureise und jeder (begonnenen) Stunde der Rückreise kommt demnach nicht in Betracht.

3 Damit ist zu klären, ob die Zeitversäumnis der Dolmetscherin insgesamt mehr als eine Stunde betragen hat, sodass ihr schon deshalb die begehrte Entschädigung für zwei (zumindest begonnene) Stunden in der vom Erstgericht bestimmten Höhe zusteht.

3.1 Die Beklagte beruft sich darauf, dass eine Dolmetscherin bei mehreren zur Verfügung stehenden Reisemöglichkeiten die kürzeste und kostengünstigste zu wählen habe. Das Büro der Dolmetscherin und das Landesgericht Salzburg seien im innerstädtischen Bereich 3,2 km voneinander entfernt und durch öffentliche Verkehrsverbindungen gut erschlossen. Bei einer Abfahrt (gemeint: einem Beginn des Fußmarsches zur Haltestelle) um 8.35 Uhr sei die Ankunft um 8.55 Uhr, sodass 15 Minuten an Zeitpuffer verblieben und sich insgesamt ein Zeitbedarf von 55 Minuten ergebe. Ein darüber hinausgehender Zeitpuffer etwa für ein fiktives Aufsuchen der Toilette sei sachlich und rechtlich nicht gedeckt.

3.2 Die Angaben der gerichtlich beeideten Dolmetscher über den Zeitaufwand sind solange als wahr anzunehmen, als nicht das Gegenteil behauptet und bewiesen wird (RIS-Justiz RS0120631; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 32 E 54).

Demnach benötigte die Dolmetscherin im konkreten Fall laut Gebührennote für die Anreise und für die Rückreise insgesamt zwei begonnene Stunden. Diese Zeitspanne ist nachvollziehbar und wird von der Beklagten, indem sie der Dolmetscherin als Anreise- und Rückreisezeit unter Anlehnung an den SVV-Routenplaner je 20 Minuten und einen Zeitpolster von 15 Minuten einräumt, nicht schlüssig widerlegt.

3.3 Zum einen ergibt eine Zusammenschau mehrerer Routenplaner (insbesondere Salzburg Verkehr, Scotty, ÖAMTC, Google Maps) ohne Berücksichtigung allfälliger Verkehrsbehinderungen eine Fahrzeit zwischen 19 und 23 Minuten und zum anderen kann man sich gerade im morgendlichen Berufsverkehr nicht auf exakte fahrplanmäßige Abfahrtszeiten verlassen, sodass ein paar Minuten Verspätung jedenfalls einzukalkulieren sind, um auch bei unerwartet ungünstigen Verkehrsverhältnissen ein pünktliches Erscheinen bei Gericht zu gewährleisten (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler SDG-GebAG4, § 32 E 60 - 64). Bei einer Verkehrsüberlastung tragen selbst kurze Fahrplanintervalle naturgemäß wenig zur Pünktlichkeit bei.

Außerdem kommen die Wege im Gebäudekomplex D*-Straße ** und im Gerichtsgebäude zu den Routenplaner-Zeiten noch hinzu. Einzukalkulieren sind zudem gerade am Morgen längere Wartezeiten bei der Eingangsschleuse. Ob ein Toilettenbesuch als etwas, das wie die Einnahme einer Mahlzeit auch im gewöhnlichen Leben an Zeit aufgewendet werden muss (Krammer/Schmidt/Guggenbichler SDG-GebAG4, § 32 Anm 1) ein Zeitaufwand iSd § 32 Abs 1 GebAG ist, kann dahingestellt bleiben.

Ein Zeitpuffer von 20 Minuten vor dem Verhandlungsbeginn – wie vom Erstgericht angenommen – ist folglich im konkreten Fall nicht zu beanstanden.

Nach dem Verhandlungsende übersieht die Beklagte bei ihren Berechnungen neben dem Zeitbedarf für die Strecke vom Verhandlungssaal zum Ausgang aus dem Gerichtsgebäude auch den Umstand, dass nicht sofort eine Busverbindung für den Rückweg zur Verfügung steht und für die ersten realistischerweise erreichbaren Verbindungen laut dem von der Beklagten selbst zugrunde gelegten Salzburg Verkehr Routenplaner eine Wegzeit von 22 bzw 24 Minuten zu veranschlagen ist. Selbst bei Erreichen der schnellsten Verbindung von nur 19 Minuten wäre die Ankunft in der D*-Straße ** um kurz nach 10.00 Uhr und damit nicht 20 Minuten nach Schluss der Verhandlung.

4 Insgesamt sind die Angaben der Dolmetscherin über das Ausmaß der Zeitversäumnis daher realistisch nachvollziehbar und der Gebührenbestimmung zugrunde zu legen, weshalb der Rekurs erfolglos bleiben muss.

5 Gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO ist für Sachverständigen- und damit auch für Dolmetschergebühren ein Revsionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ausgeschlossen.

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