OLG Graz 1Bs74/24b

OLG Graz1Bs74/24b28.1.2025

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Redtenbacher als Vorsitzenden und die Richterinnen Maga. Schwingenschuh und Maga. Haas in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 9. April 2024, GZ **-37, in nichtöffentlicher Beratung zu Recht erkannt:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0639:2025:0010BS00074.24B.0128.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

In Stattgebung der Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe wird das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Auf diese Entscheidung wird der Angeklagte mit seiner weiteren Berufung verwiesen.

 

 

gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 9. April 2024, GZ **-37, wurde der am ** geborene italienische Staatsangehörige A* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt, unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 18. September 2023, AZ **, und in Anwendung des § 39a Abs 2 Z 1 (§ 39a Abs 1 Z 4) StGB nach § 107 Abs 1 StGB zur gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Kostenersatz verpflichtet.

Demnach hat A* zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt Ende Juni 2023 in ** B* durch die Äußerung, er werde ihm in den Kopf schießen, wobei er zur Untermauerung seiner Drohung ein Messer in der Hand hielt, mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe (§§ 489 Abs 1, 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO) sowie wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe, mit der er dessen Aufhebung und – allenfalls nach Beweiswiederholung – seinen Freispruch, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, zumindest jedoch die Reduktion der Strafe anstrebt (ON 46).

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz trat dem Rechtsmittel in ihrer Stellungnahme vom 26. Juli 2024 entgegen.

Der Angeklagte äußerte sich dazu nicht.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend reklamiert der Berufungswerber eine offenbar unzureichende Begründung (§§ 489 Abs 1, 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) der Annahme des Erstgerichts, wonach das Entnehmen eines Messers aus der Gesäßtasche und sein Zu-Boden-Halten durch den Angeklagten und dessen Äußerung, er werde dem B* in den Kopf schießen, ihrem Bedeutungsinhalt nach dem Genannten ernstgemeint in Aussicht stellte, der Angeklagte sei willens und in der Lage, ihn mit dem Messer zu verletzen und ihm dadurch typische Schnittverletzungen zuzufügen (US 3 erster Absatz).

Welche Bedeutung eine Äußerung hat, ist – ebenso wie die Beurteilung ihrer Ernstlichkeit – eine im Rahmen der Beweiswürdigung unter Bedachtnahme auf alle konkreten Umstände des Einzelfalls zu lösende Tatfrage (RIS-Justiz RS0092437, RS0092448 [T5], RS0112523), bei welcher – über den (hier zudem inhaltlich abweichenden) semantischen Aussagewert hinaus (vgl. RIS-Justiz RS0116732 [T1]) – auch zu berücksichtigen ist, dass der Sinn eines Ausdrucks je nach Situation, Sprachgebrauch, Gewohnheiten, Bildungsgrad der Beteiligten, Gemütsverfassung oder anderen Begleitumständen durchaus unterschiedlich sein kann (RIS-Justiz RS0092588, RS0092887, RS0092088; Jerabek; Ropper; Reindl-Krauskopf; Schroll; Oberressl in WKStGB § 74 Rz 34; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 § 106 Rz 6).

Vorliegend bietet die erstrichterliche Beweiswürdigung für den angenommenen Bedeutungsinhalt des inkriminierten Verhaltens als Drohung im Sinn des § 107 Abs 1 StGB aber keine zureichende Begründung.

Die (auf US 3 f dargestellten) Erwägungen erschöpfen sich darin, dass das Erstgericht die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen pauschal auf „die vorliegenden Ermittlungsergebnisse sowie [die] damit in Einklang zu bringenden Aussagen der Zeugen C*, B* und D* vor der Polizei (ON 2.6, ON 2.7, ON 2.8)“ stützte (US 4 zweiter Absatz), wobei es die (sowohl eine verbale Drohung als auch das Halten eines Messers) leugnende Einlassung des Angeklagten als Schutzbehauptung verwarf (US 3 letzter Absatz) und die (tendenziell der Entlastung des Angeklagten dienlichen) Angaben des Zeugen D* in der Hauptverhandlung (ON 19, [gemeint:] 8 f) als „äußerst unglaubwürdig“ einschätzte (US 4 dritter Absatz).

Welche Überlegungen jedoch der (aus Aussagen von Zeugen per se nicht ableitbaren) Annahme zugrunde gelegt wurden, dass – dem Sinngehalt der Geste bzw. sachlichen Vorkehrung des Angeklagten (vgl. Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 § 107 Rz 3) und seiner (damit inkongruenten) Äußerung nach – hier ein Angriff auf die körperliche Unversehrtheit (zudem ernstgemeint) in Aussicht gestellt wurde, lässt die Urteilsbegründung nicht erkennen. Insofern ist deshalb der Schuldspruch offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) geblieben (Ratz in WK StPO § 281 Rz 444).

Demnach steht bereits vor der öffentlichen Verhandlung fest, dass das Urteil zur Gänze aufzuheben und die Verhandlung in erster Instanz zu wiederholen ist. Es war daher nach § 489 Abs 1 iVm § 470 Z 3 StPO vorzugehen (vgl. Kirchbacher, StPO15 § 470 Rz 3).

Mit seiner weiteren Berufung, auf deren Vorbringen infolge der Kassation nicht mehr einzugehen ist, war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Infolge gänzlicher Aufhebung des Urteils hat kein Ausspruch nach § 390a StPO zu erfolgen (Lendl in WK StPO § 390a Rz 7 aE).

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