Spruch:
Der Beschluß des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol vom 4. August 1978, GZ. U 122/78-2, mit welchem die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Johann A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB.
abgelehnt wurde, und der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. August 1978, AZ. Bl 410/78, mit dem der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den vorerwähnten Beschluß keine Folge gegeben wurde, verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 62 und 67 Abs. 2 StGB.
Text
Gründe:
Am 2. August 1978 beantragte der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Matrei in Osttirol im Strafverfahren U 122/78
die Bestrafung des Johann A wegen der 'Übertretung' (richtig: des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht) nach § 198 (Abs. 1) StGB.
Der diesem Strafantrag zugrunde liegenden Anzeige der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 6. Juli 1978 zufolge, ist der am 17. August 1949 geborene, in der Gemeinde St. Leonhard im Passeier, Italien, wohnhafte, italienische Staatsbürger Johann A der außereheliche Vater des am 25. September 1976 geborenen Diethard B, welcher sich in Pflege und Erziehung seiner Mutter Rosa B und deren Eltern in Hopfgarten im Defereggen befindet. Johann A, der mit dem seine Vaterschaft feststellenden Urteil des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol vom 21. Dezember 1977, GZ. C 14/77 -15, auch zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 800 S ab dem 21. Jänner 1977 für das erwähnte Kind verpflichtet worden war, erbrachte bisher keinerlei Unterhaltsleistungen.
Am 31. Juli 1978 haftete ein Unterhaltsrückstand von insgesamt rund 14.683 S aus. Für die Zeit vom 1. Februar 1978 bis 31. Jänner 1979 wurde für das Kind ein Unterhaltsvorschuß bewilligt. Die monatlichen Beträge wurden an die Mutter ausbezahlt.
Mit dem Beschluß vom 4. August 1978, GZ. U 122/78-2, lehnte das Bezirksgericht Matrei in Osttirol die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Johann A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1
StGB. mit der Begründung ab, daß es an den Voraussetzungen für die österreichische Strafgewalt fehle. Es handle sich beim Verdächtigen um einen italienischen Staatsbürger und es liege der mit dem Wohnort des Verdächtigen idente Tatort, da bei der bestehenden Rechtslage (UnterhaltsvorschußG.) der Eintritt eines Gefährdungserfolges von vornherein ausgeschlossen sei (§ 67 Abs. 2 StGB.), ebenfalls im Ausland. Überdies werde die Unterlassung der Unterhaltsleistung gegenüber einem unehelichen Kind in Italien nicht mit Strafe bedroht, sodaß in Österreich eine Verfolgung des Unterhaltspflichtigen auch deshalb unmöglich sei, weil die italienischen Gerichte in einem solchen Fall die Rechtshilfe verweigerten; daher läge, zumal auch die Voraussetzungen der §§ 63 und 64 StGB. nicht zuträfen, keine der Voraussetzungen für eine inländische Gerichtsbarkeit (§§ 62 bis 65 StGB.) vor. Der gegen diesen Beschluß von der Staatsanwaltschaft Innsbruck erhobenen Beschwerde gab das Landesgericht Innsbruck mit dem Beschluß vom 29. August 1978, AZ. Bl 410/78 (ON. 9 der erstgerichtlichen Akten), keine Folge.
Das Beschwerdegericht erachtete zwar die Auffassung des Erstgerichtes, eine Unterhaltsgefährdung in Österreich könne gar nicht eintreten, als unzutreffend, weil § 198 Abs. 1 StGB. auf die ohne Hilfe von anderer Seite eintretende Gefahr abstelle, vertrat aber dennoch den Standpunkt, daß kein inländischer Tatort bestehe. Es sei nämlich die für die Zuständigkeit entwickelte Judikatur zu § 51 StPO., die bei Distanzdelikten teilweise auch den Ort als Tatort gelten lasse, an dem der Erfolg eintrete, erst dann anwendbar, wenn primär die inländische Strafgerichtsbarkeit feststehe; dies sei hier nicht der Fall, weil als Tatort für das Unterlassungsdelikt der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. nur jener Ort in Betracht komme, an dem die Handlung, nämlich die Erfüllung der Unterhaltspflicht, hätte vorgenommen werden sollen, demnach vorliegend der im Ausland befindliche Wohnort des Schuldners.
Auch dem Argument des Erstgerichtes, daß mangels Strafbarkeit einer Unterhaltsverletzung nach italienischem Recht eine Rechtshilfe der italienischen Behörden nicht in Anspruch genommen werden könne, was eine ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens hindere, pflichtete das Beschwerdegericht bei.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol vom 4. August 1978, GZ. U 122/78-2, sowie des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. August 1978, AZ. Bl 410/78, stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 67 Abs. 2 StGB. hat der Täter eine mit Strafe bedrohte Handlung an jedem Ort begangen, an dem er gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen.
Nun trifft es zwar zu, daß der Erfüllungsort für in Geld zu leistenden Unterhalt, also der Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen, der - im gegebenen Fall im Ausland gelegene - Wohnsitz des Schuldners ist (§§ 1420, 905 ABGB., deren Bestimmungen als Statut des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes vorliegend gemäß Artikel 1, Abs. 1 des übrigens nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978, BGBl. Nr. 304, über das internationale Privatrecht / IPR-Gesetz / - §§ 52 Z. 4, 53 - weiter geltenden Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht, BGBl. Nr. 293/1961, in Verbindung mit dem Bundesgesetz vom 30. Oktober 1958, BGBl. Nr. 295/61, zur Anwendung gelangen; vgl. auch SZ. 5/30; SSt. 11/31, 5/89, ÖJZ-LSK.
1979/246).
Beim Vergehen nach § 198 StGB. reicht im Hinblick auf die beiden gleicherweise tatbildlichen Erfolgsvarianten (tatsächlicher Eintritt einer Gefahr oder einer bei Hilfe von dritter Seite bloß fiktiv eintretenden Gefährdung von Unterhalt oder Erziehung des Unterhaltsberechtigten) schon die Möglichkeit der Gefährdung des geschützten Tatobjektes als Erfolg der Straftat aus. Der solcherart tatbestandsmäßige Erfolg ist aber - wie das Landesgericht Innsbruck im Gegensatz zum Bezirksgericht Matrei in Osttirol richtig erkannte - davon, ob dem Unterhaltsberechtigten von anderer Seite tatsächlich Hilfe zukommt und solchrart vom Eintritt einer wirklichen Gefahr unabhängig.
Gegenständlich trat der Erfolg der Tat gemäß § 67 Abs. 2 StGB (im Sinne der darin verankerten sogenannten Einheitstheorie; vgl. dazu Foregger-Serini, StGB.2, 134) in dem im Inland gelegenen Aufenthaltsort des unterhaltsberechtigten Kindes ein, sodaß der Tatort nicht bloß im Ausland, sondern jedenfalls auch im Inland gelegen war. Daraus ergibt sich aber entsprechend dem Grundsatz der Gebietshoheit (§ 62 StGB.) die inländische Strafgewalt. Ob in diesem Verfahren Behörden des Heimatstaates des Täters Rechtshilfe gewähren oder nicht, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, die tatsächliche Unmöglichkeit einer Verfahrensdurchführung, aus welchem Grund immer, ist weder auf das Entstehen noch auf das Bestehen des inländischen Strafanspruches von Einfluß. Umstände, welche der Verfahrensdurchführung entgegenwirken, könnten nur zur vorläufigen Abbrechung des Verfahrens im Sinn der §§ 412, 452 Z. 2 StPO. Anlaß geben.
Die Ablehnung der Einleitung eines Strafverfahrens im Inland widersprach demnach dem Gesetz.
Es war daher der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.
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