Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin S 8.257 netto samt 4 % Zinsen im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen, abgewiesen wird.
Die Klägerin hat die Verfahrenskosten selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, die nach Absolvierung ihrer Lehrzeit (Lehrabschlußprüfung am 3.11.1988) als Angestellte beschäftigt war, trat am 13.12.1988 aus ihrem Arbeitsverhältnis berechtigt vorzeitig aus. Mit der am 23.2.1989 eingebrachter Klage begehrte sie von ihrer Arbeitgeberin die Zahlung ihrer Ansprüche an restlicher Lehrlingsentschädigung, Überstundenentgelt und Gehalt sowie Kündigungsentschädigung vorerst für die Monate Jänner und Februar 1989. Da die Klage der Arbeitgeberin nicht zugestellt werden konnte, wurde am 14.4.1989 ein Abwesenheitskurator bestellt. In der Tagsatzung vom 22.9.1989 dehnte die Klägerin ihr Klagebegehren auf Kündigungsentschädigung für die weitere Zeit vom 1.3. bis 12.3.1989 in Höhe von S 8.257 netto aus. Der Abwesenheitskurator stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien gab dem Klagebegehren rechtskräftig statt.
Das Handelsgericht Wien wies am 21.2.1991 den Antrag der Klägerin auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Arbeitgeberin mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens hinreichenden Vermögens ab.
Mit Bescheid vom 29.10.1991 wies die beklagte Partei den Antrag auf Zuerkennung von Insolvenzausfallgeld für die Kündigungsentschädigung vom 1.3. bis 12.3.1989 in Höhe von S 8.257 ab, da diese Ansprüche außerhalb der Frist des § 1162 d ABGB geltend gemacht worden seien.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin diesen Betrag von der beklagten Partei. Da die Klage im Vorprozeß vorerst nicht zugestellt werden konnte, sei der Klägerin keine Untätigkeit anzulasten. Sie habe das Verfahren gehörig fortgesetzt, so daß eine Hemmung der Ausschlußfrist des § 34 AngG eingetreten sei. Abgesehen davon habe die durch den Kurator vertretene beklagte Arbeitgeberin keinen Einwand im Sinne des § 34 AngG erhoben. Das beklagte Arbeitsamt sei gemäß § 7 IESG an das rechtskräftige Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes gebunden.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die drei Monatsentgelte übersteigende Kündigungsentschädigung sei am 12.3.1989 fällig geworden; die Fallfrist gemäß § 1162 d ABGB habe daher am 12.9.1989 geendet. Die Klägerin habe den Anspruch aber erst am 22.9.1989 und somit verspätet geltend gemacht. In der Beurteilung von Anspruchsbegrenzungen und Anspruchsausschlüssen bleibe das Arbeitsamt in allen Fragen, die im gerichtlichen Verfahren mangels Einwendung nicht geprüft worden seien, frei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren samt 4 % Zinsen seit 21.3.1991 statt. Die Klägerin habe bereits in der Klage einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung geltend gemacht. Dadurch sei die Verjährung unterbrochen worden, so daß auch das Begehren für die weitere Kündigungsentschädigung von der Verjährung nicht mehr umfaßt sei. Das Verfahren sei auch gehörig fortgesetzt worden.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es Zinsen gemäß § 3 Abs 2 Z 2 IESG nur bis 20.6.1991 zuerkannte. Im übrigen bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Die Fristen des § 1162 d ABGB und des § 34 AngG seien Fallfristen, die nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwendung des beklagten Arbeitgebers zu beachten seien. Unterlasse der Arbeitgeber die Einwendung des Verfalls, seien die geltend gemachten Forderungen nicht als verjährte Ansprüche im Sinne des § 1 Abs 2 IESG anzusehen. Liege demnach ein rechtskräftig gewordener Zuspruch des Gerichts vor, sei die beklagte Partei auch in der Beurteilung der Verjährung daran gebunden.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung hat das Arbeitsamt bei der Beurteilung der Frage, ob ein arbeitsrechtlicher Anspruch gesichert ist, mit Bindungswirkung nur davon auszugehen, ob dieser Anspruch nach den Feststellungen eines darüber ergangenen Urteils seiner Art nach zu den gesicherten gehört. Die Beurteilung von Anspruchsbegrenzungen und Anspruchsausschlüssen, die im gerichtlichen Verfahren etwa mangels Einwendung nicht geprüft wurden, hat die Behörde aber selbst vorzunehmen (vgl. 9 Ob S 15/88 = SZ 62/16 = RdW 1989, 310; 9 Ob S 17/91; 9 Ob S 3/92 ua). Dieser vorerst für die Fälle des § 1 Abs 3 IESG entwickelte Grundsatz gilt aber auch dann, wenn ein für die Qualifikation eines Anspruches als gesicherter Anspruch im Sinne des IESG maßgeblicher Umstand im gerichtlichen Verfahren ungeprüft blieb, da kein diesbezüglicher Einwand erhoben wurde und keine amtswegige Wahrnehmung erfolgen konnte (9 Ob S 11/91; 9 Ob S 12/91; 9 Ob S 17/91, 9 Ob S 3/92 ua). Das Arbeitsamt hat demnach nicht nur von Amts wegen zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch im Sinne des § 1 Abs 3 IESG ausgeschlossen ist, sondern auch - soweit diese Frage im gerichtlichen Verfahren ungeprüft blieb -, ob überhaupt ein gesicherter Anspruch vorliegt.
Gemäß § 1 Abs 2 IESG sind nämlich nur aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene (Abs 3) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gesichert. Soweit das Gesetz das aufrechte Bestehen (oder Nichtbestehen) des Anspruches der Verjährung gegenüberstellt, nimmt es darauf Bezug, daß der Anspruch auch nicht verfallen sein darf (vgl. Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2, 73 ff). Ersatzansprüche des Arbeitnehmers wegen vorzeitigen Austritts unterliegen gemäß § 1162 d ABGB und § 34 AngG grundsätzlich einer Präklusivfrist (Verfallsfrist) von sechs Monaten. Diese Frist ist aber nicht von Amts wegen wahrzunehmen; sie bedarf vielmehr zu ihrer Berücksichtigung eines entsprechenden Vorbringens des beklagten Arbeitgebers (vgl Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 § 34 Erl 1 mwH; Krejci in Rummel, ABGB2 § 1162 d Rz 1 ff; Arb 10.097 ua). Da die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen ihren vorzeitigen Austritt am 13.12.1988 erklärt hat, war ihre Forderung auch im Umfang des ausgedehnten Begehrens (Ersatzansprüche für die Zeit vom 1.3. bis 12.3.1989) gemäß § 29 Abs 2 AngG sofort fällig. Ihre Klageausdehnung am 22.9.1989 erfolgte sohin verspätet.
Zustellung der Klage oder der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens gegen die Beklagte hinderten die Klägerin entgegen ihrer Ansicht nicht, die für ihre Ansprüche geltende Fallfrist zu wahren. Der Klägerin blieb es nämlich unbenommen, die Klage während des Verfahrens schriftlich auszudehnen, wodurch die materiellrechtliche Präklusionsfrist bereits mit dem Einlangen des Schriftsatzes bei Gericht unterbrochen worden wäre (vgl Fasching, ZPR2 Rz 1173 und 1175; Schubert in Rummel, ABGB2 § 1497 Rz 6; SZ 62/69 = JBl 1989, 516 mwH). Hätte der Abwesenheitskurator für die Arbeitgeberin den Verfall des ausgedehnten Anspruches im gerichtlichen Verfahren eingewendet, hätte es zur Abweisung dieses Teilanspruches kommen müssen. Dies wird von der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auch nicht bezweifelt. Sie meint jedoch, daß sich eine Präklusionsfrist rechtlich nicht von einer Verjährungsfrist unterscheide (vgl Reischauer in Rummel, ABGB2 § 933 Rz 2), so daß der klagegegenständliche Teilanspruch noch während des Laufes der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB als Naturalobligation aufrecht weiterbestanden habe. Damit ist aber für ihren Standpunkt nichts gewonnen. Auch wenn man nämlich für Präklusivfristen die Verjährungsregeln gelten ließe, ändert dies nichts daran, daß gemäß § 1 Abs 2 IESG auch verjährte Ansprüche nicht gesichert sind.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Kündigungsentschädigung gehört somit zwar seiner Art nach zu den gesicherten Ansprüche. Bei der Prüfung der Frage, ob dieser Anspruch im Sinne des § 1 Abs 2 IESG auch gesichert ist, blieb aber die beklagte Partei frei, da der für die Qualifikation des Anspruches als gesicherter Anspruch im Sinne des IESG maßgebliche Umstand des Verfalls oder der Verjährung im gerichtlichen Verfahren mangels Einwendung ungeprüft geblieben ist und bleiben mußte. Die beklagte Partei wies daher den geltend gemachten Anspruch auf Insolvenzausfallgeld zu Recht ab.
Die Kostenentscheidung ist in § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG begründet. Die Klägerin hat Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen, nicht einmal behauptet.
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