European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00091.17Y.0725.000
Spruch:
Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird in seinem Spruchpunkt 1., mit dem das ab Konkurseröffnung über die beklagte Partei durchgeführte Verfahren als nichtig aufgehoben und der Aufnahmeantrag der beklagten Partei zurückgewiesen wurden, ersatzlos behoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei
unter Abstandnahme vom gebrauchten Nichtigkeitsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die im Schuldenregulierungsverfahren des Schuldners J***** L***** zunächst klagende Insolvenzverwalterin begehrte mit Stufenklage, 1. die L***** GmbH schuldig zu erkennen, ihr über die Einkünfte des Schuldners betreffend den Zeitraum ab 15. 1. 2015 eine Drittschuldnererklärung auszustellen, 2. die Gesellschaft schuldig zu erkennen, der Klägerin rückwirkend ab 15. 1. 2015 den sich daraus ergebenden Betrag an pfändbaren Gehaltsanteilen des Schuldners zu bezahlen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur erfolgten Drittschuldnererklärung vorbehalten bleibe, und 3. die bis zur Rechtskraft des Urteils fälligen Beträge an pfändbaren Gehaltsanteilen jeweils am Monatsletzten zu bezahlen. Der vom Schuldenregulierungsverfahren betroffene Schuldner sei Dienstnehmer und Geschäftsführer der Gesellschaft, er habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über das Existenzminimum hinausgehende Forderungen gegen sie.
Die beklagte Gesellschaft bestritt und beantragte Klagsabweisung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Vorbehalt der ziffernmäßigen Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur erfolgten Drittschuldnererklärung statt.
Am 19. 7. 2016 erhob die beklagte Gesellschaft dagegen Berufung, die sie mit einem Verfahrenshilfeantrag verband.
Am 20. 7. 2017 trug das Erstgericht der beklagten Gesellschaft die Verbesserung des Verfahrenshilfeantrags auf.
Mit am 22. 7. 2016 veröffentlichten Beschluss des Landesgerichts Korneuburg, AZ *****, wurde über das Vermögen der zunächst beklagten Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, der nunmehrige Beklagte als Masseverwalter bestellt und die Prüfungstagsatzung für den 23. 9. 2016 anberaumt.
Am 8. 8. 2016 stellte der Beklagte gemäß § 7 Abs 2 IO einen Aufnahmeantrag. Der Anspruch auf Abgabe einer Drittschuldnererklärung unterliege nicht der Anmeldung im Insolvenzverfahren.
Mit Beschluss vom 5. 10. 2016 nahm das Erstgericht das ex lege unterbrochene Verfahren deshalb wieder auf.
Mit Beschluss vom 7. 12. 2016 wies es den Verfahrenshilfeantrag mangels Verbesserung ab.
Dagegen erhob der Beklagte Rekurs.
Das Oberlandesgericht Wien sprach als Berufungs- und Rekursgericht aus, dass 1. aus Anlass der Berufung das ab Konkurseröffnung über den Beklagten durchgeführte Verfahren als nichtig aufgehoben und der Aufnahmeantrag des Beklagten zurückgewiesen werde und 2. aus Anlass des Rekurses der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben werde. Zum hier verfahrensgegenständlichen Spruchpunkt 1. vertrat es zusammengefasst die Ansicht, dass die gegenständliche Forderung der Anmeldung im Konkurs unterliege und daher eine Aufnahme des Verfahrens vor Abschluss der Prüfungstagsatzung nicht möglich gewesen sei. Der Rekurs sei zulässig.
In seinem dagegen gerichteten (als Revisionsrekurs bezeichneten) Rekurs beantragt der Beklagte die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinn einer Klagsabweisung; in eventu die ersatzlose Behebung des bekämpften Beschlusses mit dem dem Berufungsgericht zu erteilenden Auftrag, das Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Nichtigkeitsgrund fortzusetzen; in eventu wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der nun klagende Masseverwalter beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist in analoger Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht mit der Zurückweisung eines Fortsetzungsantrags die Entscheidung über den Rechtsschutzantrag des Beklagten verweigerte (s RIS‑Justiz RS0123149; RS0105321); er ist im Ergebnis auch berechtigt.
Der Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass das Erstgericht das Verfahren zu Recht fortgesetzt habe, weil der im Zuge einer Stufenklage geltend gemachte Rechnungslegungsanspruch nicht der Anmeldung im Insolvenzverfahren unterliege. Es handle sich weder um eine Forderung, mit der ein Anteil an der Konkursmasse begehrt werde, noch um eine betagte Forderung iSd § 14 Abs 1 IO. Für das Begehren gebe es auch keine Rechtsgrundlage.
Folgendes war zu erwägen:
Mit der Stufenklage (Art XLII EGZPO) wird ein Begehren auf Offenlegung von Vermögen, allenfalls verbunden mit Eidesleistung, und das Begehren auf Herausgabe des Geschuldeten geltend gemacht. Die Besonderheit der Klage liegt darin, dass sich der Kläger die bestimmte Angabe der Leistung, die aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis geschuldet wird, vorerst vorbehalten darf. Insofern besteht für das Herausgabebegehren eine (vorläufige) Ausnahme vom Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO (s Konecny in Fasching/Konecny, ZPG II/13 Art XLII EGZPO Rz 116).
Im Hinblick auf die Unterbrechungswirkung des § 7 Abs 1 IO ist auch vorauszuschicken, dass das mit einem Zahlungsbegehren verbundene Begehren auf Erteilung bestimmter Auskünfte als vorbereitender (allenfalls Neben-)Anspruch des Leistungsbegehrens, das die Masse betrifft, qualifiziert wird, das mit dem – unstrittig der Unterbrechungswirkung unterfallenden – Hauptanspruch (Leistung eines Geldbetrags) soweit verknüpft ist, dass eine Teilunterbrechung und Teilfortsetzung nicht in Betracht kommt. Vielmehr ist das gesamte Verfahren unterbrochen und sodann vom/gegen den Masseverwalter fortzusetzen (Schubert in Konecny/Schubert, § 6 KO Rz 9 mwN).
Zwar ist damit noch nicht die Frage der Anmeldefähigkeit der mit der Stufenklage erhobenen Begehren beantwortet. Im vorliegenden Fall kann aber dahingestellt bleiben, ob das im Rahmen der Stufenklage erhobene Offenlegungsbegehren gemäß den §§ 102 ff IO – allenfalls zusammen mit dem Herausgabebegehren – anmeldbar ist, ob nur letzteres – allenfalls mit einem geschätzten Betrag (§ 14 Abs 1 IO) – anzumelden ist oder ob zumindest dann, wenn die Höhe des herauszugebenden Betrags ohne Rechnungslegung auch nicht annähernd geschätzt werden kann, keiner der Ansprüche der Anmeldung unterliegt. Denn auch wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, dass (auch) das Offenlegungsbegehren anmeldefähig ist, ist Folgendes zu bedenken:
Soweit der gegen den Schuldner erhobene Anspruch eines Gläubigers im Wege der Anmeldung geltend zu machen ist, ist vor Anmeldung der Forderung im Konkurs und Abschluss des Prüfungsverfahrens der streitige Rechtsweg unzulässig (Schubert in Konecny/Schubert, § 6 KO Rz 18 mwN; RIS‑Justiz RS0036735 [T4]). Solange die Anmeldung nicht erfolgt, ist eine Wiederaufnahme des Rechtsstreits auch durch den Masseverwalter nicht möglich (s § 7 Abs 3 IO; Schubert in Konecny/Schubert, § 7 KO Rz 51 mwN). Auch der Gegner des Schuldners kann einen Fortsetzungsantrag erst nach Abschluss der Prüfungstagsatzung stellen, wenn der Bestand oder der Rang seiner im Rechtsstreit geltend gemachten Forderung bestritten wurde (RIS‑Justiz RS0036735).
Nach der Rechtsprechung kann der Masseverwalter als Beklagter das Verfahren aber auch dann nach Abschluss der allgemeinen Prüfungstagsatzung fortsetzen, wenn der Kläger die eingeklagte Konkursforderung nicht angemeldet hat (RIS‑Justiz RS0108007). Denn es wäre unbillig, dem an seinem Kostenersatzanspruch interessierten Masseverwalter die Aufnahme des Verfahrens zu verwehren, wenn der Gläubiger untätig bleibt, keine Anmeldung vornimmt und dadurch die ihm im Fall des Unterliegens drohenden Kostenfolgen vereiteln könnte (Fink in Fasching/Konecny 3 II/3 § 159 ZPO Rz 104/1; Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 7 KO Rz 51).
Wenngleich die Prozessvoraussetzungen in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein müssen, wird ihr früheres Fehlen unbeachtlich, wenn sie noch im Laufe des Verfahrens eintreten. Die Nichtigerklärung des Urteils und des vorangegangenen Verfahrens sowie die Zurückweisung der Klage sind also ausgeschlossen, wenn der bei Klagseinbringung vorhandene Mangel (etwa) der inländischen Gerichtsbarkeit später weggefallen ist (RIS‑Justiz RS0039748). Daher wirkt nicht nur der nachträgliche Eintritt der Zuständigkeitsmerkmale heilend, sondern ebenso auch der nachträgliche Wegfall des Prozesshindernisses der Unzulässigkeit des Rechtswegs (RIS‑Justiz RS0039748 [T7, T11]). Es kommt zur Heilung der Nichtigkeit, wenn vor der gerichtlichen Wahrnehmung der Unzulässigkeit des Rechtswegs der Prozessgegner des anmeldenden Gläubigers in der Prüfungstagsatzung eine Bestreitungserklärung abgegeben hat (RIS‑Justiz RS0119602). Nichts anderes kann aber gelten, wenn der Prozessgegner mangels Anmeldung der eingeklagten Konkursforderung keine Bestreitungserklärung abgeben kann, im Sinn der dargelegten Rechtsprechung aber auch ohne Forderungsanmeldung zur Verfahrensfortsetzung (§ 7 Abs 2 IO) berechtigt ist.
Geht man von der Notwendigkeit einer Anmeldung des vorliegenden Klagebegehrens im Insolvenzverfahren aus, stand es dem Beklagten ab Abschluss der allgemeinen Prüfungstagsatzung (23. 9. 2016) daher frei, schon aus Kostengründen auch ohne Anmeldung der Klagsforderung durch den Kläger das Verfahren iSd § 7 Abs 2 IO aufzunehmen und dessen Fortsetzung zu betreiben. Unter dieser Prämisse hat das Erstgericht mit seinem Beschluss vom 5. 10. 2016 das ex lege unterbrochene Verfahren infolge des – allenfalls zunächst verfrüht gestellten – Aufnahmeantrags des Beklagten zu Recht wieder aufgenommen; eine allfällige Nichtigkeit wäre geheilt und damit nicht mehr aufzugreifen gewesen.
Nichts anderes gilt aber, wenn die Anmeldefähigkeit des Rechnungslegungsbegehrens von vornherein verneint wird, da die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens in diesem Fall sogleich erfolgen konnte. Das Verfahren war folglich in jedem Fall iSd § 7 Abs 2 IO wieder aufzunehmen.
Da sich der Rekurs des Beklagten danach im Ergebnis als berechtigt erweist, ist ihm im Sinne des ersten Eventualbegehrens Folge zu geben und der angefochtene Spruchpunkt 1. des Beschlusses des Berufungsgerichts aufzuheben. Dem Berufungsgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens und meritorische Entscheidung über die Berufung des Beklagten unter Abstandnahme vom gebrauchten Nichtigkeitsgrund aufgetragen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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