Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 20.176,20 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 3.362,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger und hat bei der beklagten Partei, einem Transportunternehmen mit Sitz in Liechtenstein und ohne Zweigniederlassung in Österreich, vier Jahre lang bis 17. September 1990 als Fernfahrer gearbeitet. Während des aufrechten Arbeitsverhältnisses wohnte der Kläger in Feldkirch und führte Fahrten für die beklagte Partei, insbesondere nach Jugoslawien, Deutschland und Italien, aber auch nach Österreich aus. Die Lohnzahlungen an den Kläger erfolgten immer in barem in den Räumlichkeiten der beklagten Partei in Liechtenstein in Schweizer Franken. Der Kläger holte (in der Regel) jeweils am Montag den LKW für die aufgetragene Fahrt vom Gelände der beklagten Partei in Liechtenstein, ging dann auf Tour und kehrte am Freitag oder Samstag von der Fernfahrt zurück. Die beklagte Partei hat in Österreich weder Hallen noch Lagerstätten. Sie beschäftigt weitere Fernfahrer, die ihren Wohnsitz in Vorarlberg haben. Fallweise kommt es vor, daß LKW-Züge der beklagten Partei über das Wochenende auf einem Parkplatz auf österreichischem Gebiet an der Grenze zu Liechtenstein abgestellt werden. Fahrer, die bei der beklagten Partei beschäftigt sind, fahren immer wieder im Transit durch Österreich oder transportieren Waren an österreichische Kunden. Die beklagte Partei steht mit Spediteuren in Österreich in Geschäftsverbindung. Mit diesen Spediteuren bestehen Verrechnungskonten. Im Rahmen ihres Transportgeschäftes verwendet die beklagte Partei geleaste Container, die auch in Österreich gelagert werden.
Mit Schreiben vom 8. Juni 1991 übersandte die beklagte Partei dem Kläger den Lohnausweis für das Jahr 1990 und führte hiezu folgendes aus:
"Laut beiliegenden Kontoauszügen unserer Buchhaltung schulden Sie uns noch immer einen Betrag von sfr 38.726,95. Wir bitten Sie, uns diesen Betrag binnen 30 Tagen zu überweisen. Ansonsten sehen wir uns gezwungen, diesen Betrag gerichtlich beitreiben zu lassen. R***** T***** FL-***** B*****
gezeichnet J*****. R*****."
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Zahlung von 110.513,40 sfr sowie in eventu die Feststellung, daß die beklagte Partei den Kläger für sämtliche Vermögensnachteile, die er infolge der Inanspruchnahme durch die L***** AG aus dem Leasingvertrag Nr. 141.561 erleide, klag- und schadlos zu halten habe. Der Kläger sei per 17. September 1990 berechtigt ausgetreten, weil die beklagte Partei im August 1990 einen unberechtigten Lohnabzug von 1.700 sfr vorgenommen habe. Dieser ABzug sei damit begründet worden, daß während des Krankenstandes des Klägers ein Aushilfsfahrer beschäftigt worden sei, für dessen Lohn der Kläger einzustehen habe. Weiters stünden dem Kläger aufgrund des berechtigten Austrittes noch Ansprüche von zumindest 5.000 sfr zu. Die beklagte Partei habe im Bestreben, ihr Unternehmerrisiko zu überwälzen, auf den Kläger Druck ausgeübt und ihn veranlaßt, einen Leasingvertrag zu unterfertigen. Mit diesem Vertrag habe der Kläger anscheinend einen LKW sowie einen 2-Achs-Jumbo-Plateauanhänger geleast. Während des Krankenstandes des Klägers sei dieser LKW-Zug von der beklagten Partei mit anderen Fahrern eingesetzt worden. Am 17. September 1990 sei es hiebei in Albanien zu einem schweren Verkehrsunfall gekommen, bei dem dieser LKW-Zug total beschädigt worden sei. Der Fahrzeugschaden sei durch die Versicherung nur teilweise gedeckt; die offene Differenz betrage 104.813,40 sfr. Die Leasingfirma habe diesen Betrag bereits mehrfach beim Kläger eingefordert. Aufgrund des anscheinend zustandegekommenen Leasingvertrages sei nicht auszuschließen, daß der Kläger gegenüber der Leasingfirma hafte; er habe daher bereits jetzt Anspruch gegenüber der beklagten Partei als seiner ehemaligen Arbeitgeberin auf den Ersatz dieser Kosten. Die beruflichen Fahrten des Klägers seien zu einem erheblichen Teil im Gebiet der Republik Österreich durchgeführt worden. Die beklagte Partei habe gegenüber der Firma E*****-S***** in N***** sowie gegenüber der Spedition W***** in L***** Forderungen von zumindest 100.000 S aus Frachtaufträgen. Darüber hinaus habe die beklagte Partei LKWs auf dem Areal des F*****-Großmarktes in Feldkirch bzw. bei in Vorarlberg beschäftigten Arbeitnehmern abgestellt. Schließlich mache die beklagte Partei eine Forderung von 38.726,95 sfr gegen den Kläger geltend.
Die beklagte Partei erhob die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit. Der Anknüpfungspunkt des österreichischen Wohnsitzes des Klägers reiche nicht aus. Der Umstand, daß die beklagte Partei fallweise Transporte im Trasit durch das Gebiet der Republik Österreich führe, könne als Anknüpfungspunkt für die inländische Gerichtsbarkeit nicht herangezogen werden.
Das Erstgericht sprach seine Unzuständigkeit aus, erklärte das Verfahren für nichtig und wies die Klage zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, weder die rein zufällig und nur für kurze Zeit in Österreich befindlichen Vermögensgegenstände der beklagten Partei noch die vom Kläger bestrittene Forderung der beklagten Partei begründeten den Gerichtsstand des Vermögens; in welcher Höhe die beklagte Partei Forderungen gegen Kunden in Österreich habe, stehe aber nicht fest. Nach § 4 Abs 1 Z 1 lit. a ASGG sei im Hinblick auf den Wohnsitz des Klägers zwar das Erstgericht örtlich zuständig, es fehle aber jegliche hinreichende enge Nahebeziehung der beklagten Partei zum Inland. Der Umstand, daß sich gelegentlich Vermögenswerte der beklagten Partei im Inland befinden und daß die beklagte Partei Geschäftsbeziehungen mit österreichischen Firmen unterhalte, begründe keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt im Sinne der herrschenden Indikationentheorie.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß im Sinne einer Verwerfung der Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß neben dem inländischen Gerichtsstand nach § 4 Abs 1 Z 1 lit. a ASGG auch eine hinreichende Naheziehung zum Inland bestehe. Der Kläger habe während seines gesamten Arbeitsverhältnisses seinen Wohnsitz in Feldkirch gehabt und zumindest teilweise seine Arbeitsleistungen in Österreich erbracht, so daß der Arbeitsvertrag zumindest zum Teil in österreich erfüllt worden sei. Berücksichtige man den besonderen Schutz, den der österreichische Gesetzgeber mit den Gerichtsständen in Arbeitsrechtssachen den Arbeitnehmern zukommen lassen wolle, müßten diese Anknüpfungspunkte ausreichen, daß nicht nur die Ansprüche des ausländischen Arbeitgebers gegen den Kläger, sondern auch Ansprüche des Klägers gegen den ausländischen Arbeitgeber in österreich geltend gemacht werden könnten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes abzuändern.
Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die inländische Gerichtsbarkeit ist nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur im Falle einer ausreichenden Inlandsbeziehung gegeben, die zwar in der Regel durch die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes eines inländischen Gerichtsstandes indiziert, damit allein aber noch nicht immer zwingend begründet wird (SZ 55/95 = JBl. 1983, 541 (zustimmend Schwimman JBl. 1984, 9 ff); SZ 61/106 = WBl. 1987, 279 = ÖBl. 1988, 106; SZ 60/277 = JBl. 1989, 48 (zustimmend Schwimann); SZ 62/101 = JBl. 1990, 396 (zustimmend Pfersmann); JBl. 1991, 393 (zustimmend Pfersmann) = RZ 1991/46). Insbesondere dann, wenn die Jurisdiktionsnorm dem Kläger eine Klagemöglichkeit an seinem Wohnsitz einräumt, ist ein beklagtenbezogener sachlicher inländischer Anknüpfungspunkt erforderlich, um inländische Gerichtsbarkeit gegenüber einem beklagten Ausländer zu begründen (vgl. SZ 55/95 sowie Pfersmann in der Entscheidungsbesprechung JBl. 1978, 655 ff (656)).
Vergleicht man nun den vorliegenden Sachverhalt mit jenem, der der von der Rekurswerberin ins Treffen geführten Entscheidung SZ 62/101 zugrundelag, dann hatte das vorliegende Arbeitsverhältnis schon deshalb einen viel stärkeren Bezug zum Wohnsitz des Klägers und damit zum Inland, weil der Kläger während des Arbeitsverhältnisses keinen Wohnsitz im Ausland hatte, sondern seinen inländischen Wohnsitz beibehielt, von dort aus jeweils am Montag seine Tour antrat und am Freitag oder Samstag dorthin zurückkehrte. Der Kläger war daher - anders als in dem der Entscheidung SZ 62/101 zugrundeliegenden Fall - während des Arbeitsverhältnisses für seinen ausländischen Arbeitgeber grundsätzlich in Österreich an seinem Wohnsitz erreichbar. Zieht man darüber hinaus in Betracht, daß der Kläger seine Arbeit - die überdies zum Großteil außerhalb des Staates zu verrichten war, in dem die beklagte Partei ihren Sitz hat - fallweise auch von Österreich aus antrat, sie zum Teil auch in Österreich ausführte, wobei Österreich nicht nur Trasitland war, sondern der Kläger auch für österreichische Kunden der beklagten Partei tätig wurde, dann wies das Arbeitsverhältnis neben dem Wohnsitz des Klägers im Gegensatz zu dem Sachverhalt der Entscheidung SZ 62/101 einen weiteren, stärkeren Inlandsbezug auf. Berücksichtigt man weiters, daß sich regelmäßig erhebliches, dem Betrieb der beklagten Partei dienendes Vermögen in Österreich befindet und die beklagte Partei mit österreichischen Spediteuren in ständiger Geschäftsverbindung steht, wobei Verrechnungskonten bestehen, dann weist der vorliegende Sachverhalt insgesamt jedenfalls ausreichende Nahebeziehungen zum Inland auf, um die österreichische Gerichtsbarkeit für die vom Kläger aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemachten Ansprüche zu begründen.
Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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