OGH 9ObA77/11f

OGH9ObA77/11f29.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Peter Schnöller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei U***** S*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei M***** H*****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, wegen Widerruf, Veröffentlichung, Unterlassung und Feststellung (Streitwert jeweils 2.000 EUR) und 2.100 EUR sA (Gesamtstreitwert 10.100 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Februar 2011, GZ 12 Ra 110/10y-12, womit das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. September 2010, GZ 36 Cga 65/10t-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Schäden, die ein Arbeitnehmer einem anderen Arbeitnehmer zufügt, sind nach allgemeinem Schadenersatzrecht zu ersetzen. Dies gilt bei Personenschäden jedenfalls dann, wenn es sich beim schädigenden Arbeitnehmer nicht um eine dem Arbeitgeber nach § 333 Abs 4 ASVG gleichgestellte Person handelt (Windisch-Graetz in ZellKomm² § 3 DHG Rz 6 ff; RIS-Justiz RS0084217 ua). Ob dem schädigenden Arbeitnehmer die Stellung eines Betriebsratsmitglieds zukommt, spielt für die Frage der Anwendbarkeit der allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregelungen keine Rolle (vgl 9 ObA 234/99y, worin der Oberste Gerichtshof die Haftung eines Betriebsratsvorsitzenden für die Rufschädigung einer Arbeitnehmerin nach § 1330 Abs 2 ABGB bejaht hat). Inwiefern es insoweit, wie von der Revisionswerberin geltend gemacht, an einer „klaren“ Rechtsprechung fehle, wird in der Zulassungsbeschwerde nicht näher ausgeführt. Dass es der Gesetzgeber nicht für notwendig hielt, für Schäden zwischen Betriebsratsmitgliedern ein Sonder-Schadenersatzrecht einzuführen, begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

„Tatsachen“ iSd § 1330 Abs 2 ABGB sind Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (RIS-Justiz RS0031818 ua). Bei der Beurteilung der Frage, ob „Tatsachen“ verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an. Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls abhängt (RIS-Justiz RS0031883 ua). Je nach der Lage des Einzelfalls können Äußerungen über die Rechtsfolgen einer bestimmten Gesetzeslage einmal Tatsachenbehauptungen, ein anderes Mal aber auch reine Werturteile sein (RIS-Justiz RS0112210 ua). Wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, ob der Tatsachenkern im Einzelfall enger oder weiter zu ziehen ist, und ob letztlich eine bestimmte Äußerung bereits als Wertungsexzess zu qualifizieren ist oder nicht, hängt so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher auch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS-Justiz RS0031883, RS0112210, RS0113640, RS0113943 ua). Gelangten die Vorinstanzen nach sorgfältiger Würdigung aller Umstände und Zusammenhänge zu der Beurteilung, dass es sich bei den von der Klägerin behaupteten - und trotz mehrfacher Erörterung nicht weiter spezifizierten - Äußerungen des Beklagten um keine Tatsachen iSd § 1330 Abs 2 ABGB handelte, dann ist dies auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung vertretbar. Die Revisionswerberin meint demgegenüber, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung des Begriffs „Tatsachenbehauptung“ von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei, führt allerdings keine Entscheidung ins Treffen, auf die ihre Rüge zutreffen soll.

Zum Thema „Schmerzengeld“ beanstandet die Revisionswerberin schließlich, dass sich das Berufungsgericht ausschließlich mit dem Thema „Mobbing“ und nicht mit der erlittenen Körperverletzung (Burnout-Syndrom) der Klägerin auseinandergesetzt habe. Dem ist zu erwidern, dass die Vorinstanzen keineswegs übersehen haben, dass die Klägerin auch ein Schmerzengeldbegehren gestellt hat. Das Klagevorbringen ließ jedoch in vielen Punkten detaillierte Angaben und schlüssige Zusammenhänge vermissen. Dies veranlasste das Erstgericht zu umfangreichen Erörterungen des Klagebegehrens und zur Aufforderung an die Klägerin zu mehr Konkretisierung. Die Erörterungen und Aufforderungen brachten jedoch kaum mehr Details zutage. So siedelte die Klägerin den erlittenen Schaden bei den (angeblich) rufschädigenden Äußerungen des Beklagten an und meinte, dass sie „nun eben an einem Burnout-Syndrom“ leide und „eben hierfür das Schmerzengeld“ geltend gemacht werde. Auf neuerliche Aufforderung, den Schadenersatz näher zu konkretisieren, verwies die Klägerin auf ihr bisheriges, allerdings wenig ergiebiges Vorbringen. Auf Erörterung des von der Klägerin behaupteten Mobbings verwies sie darauf, dass sich der Schadenersatz sowohl auf die Rufschädigung als auch auf den Mobbingvorwurf gründe.

Sowohl die Rufschädigung als auch das „Mobbing“ wurden vom Berufungsgericht als taugliche Anspruchsgrundlagen des gegenständlichen Schmerzengeldbegehrens verneint. Auf das Thema „Mobbing“ geht die Revisionswerberin in ihrer Zulassungsbeschwerde auch nicht mehr ein. Wenn sie stattdessen meint, sie habe sich ohnehin in erster Instanz auf eine erlittene Körperverletzung gestützt, ist sie daran zu erinnern, dass in erster Instanz vor allem davon die Rede war, dass der Beklagte als Betriebsratsvorsitzender den Widerruf der dauernden Freistellung der Klägerin als Betriebsratsmitglied gemäß § 117 ArbVG betrieben haben soll. Der Widerruf der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds liegt nicht in der Ingerenz des Betriebsratsvorsitzenden, sondern bedarf eines Beschlusses des Betriebsrats. Dieser Beschluss ist jederzeit möglich, liegt im Ermessen des Betriebsrats und ist an keine besonderen Voraussetzungen gebunden (§ 117 ArbVG iVm § 32 Abs 1 BRGO 1974; Mosler in ZellKomm² § 117 ArbVG Rz 4, 7 f ua). Berücksichtigt man auch, dass ein Burn-out-Syndrom typischerweise das Ergebnis einer lang andauernden hohen psychischen Belastung (Dauerstress) ist (vgl etwa Brockhaus, Enzyklopädie21 Band 5, 172 ua), dann erschließt sich nicht ohne weiteres, weshalb die Klägerin ab dem Widerruf der Freistellung „nun eben an einem Burn-out-Syndrom“ litt. Dass ihr beispielsweise vom Arbeitgeber nicht die erforderliche Zeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Betriebsratsmitglied gewährt wurde (§ 116 ArbVG), sodass es bei ihr zu Erschöpfungszuständen kam, hat die Klägerin nicht behauptet, insbesondere auch nicht, weshalb der Beklagte dafür verantwortlich sein soll.

Es genügt auch nicht, „eben hierfür das Schmerzengeld“ zu begehren, ohne zu spezifizieren, welche Schmerzzustände der Beklagte bei der Klägerin durch welche konkreten Handlungen oder Unterlassungen verursacht und vor allem verschuldet haben soll. Auch die in der Revision aufgestellte Behauptung, dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin hätte man ohnehin ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beklagten „unterstellen“ können, vermag die Lücken in der Substantiierung des Vorbringens nicht zu schließen (vgl 9 ObA 94/05x zur mangelnden Konkretisierung bei Mobbing). Letztlich handelt es sich bei der Frage, worauf die Klägerin ihre Ansprüche in erster Instanz im Einzelnen stützte und ob das Vorbringen hierfür im Einzelnen jeweils schlüssig war, um eine Frage der Auslegung des Parteivorbringens, die regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängt und die ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RIS-Justiz RS0042828 ua).

Soweit die Revisionswerberin bezüglich des (behaupteten) Vorliegens einer in erster Instanz unterlaufenen Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO zwar offenbar keine erhebliche Rechtsfrage erblickt, aber im Schlusssatz ihrer Revision davon „ausgeht“, dass „auch“ dieser Revisionsgrund gegeben sei, übergeht sie die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Danach ist die Wahrnehmung einer Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich, wenn das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall - auf die Prüfung der Frage einer allfälligen im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingegangen ist, aber eine solche verneint hat (RIS-Justiz RS0042981 ua).

Zusammenfassend ist die außerordentliche Revision der Klägerin mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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