OGH 9ObA62/02m

OGH9ObA62/02m27.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl. Tzt. Ulrike Zimmerl und Franz Gansch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Stipo M*****, vertreten durch Dr. Klaus Rohringer, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei S***** Speditionsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, unterstützt von dem auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Dr. Helmut C*****, vertreten durch Dr. Herbert Heigl und Mag. Willibald Berger, Rechtsanwälte in Marchtrenk, wegen EUR 6.958,24 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Dezember 2001, GZ 12 Ra 291/01b-36, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Mai 2001, GZ 18 Cga 82/00z-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,40 (darin EUR 83,20 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat die Fragen, ob der Kläger durch sein Verhalten einen Entlassungsgrund verwirklicht bzw eine (sachlich unberechtigte) Entlassungserklärung der beklagten Partei schuldhaft herbeigeführt hat, zutreffend verneint. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Der von der beklagten Partei eingemahnten Verpflichtung des Klägers, seinem Arbeitgeber eine Dienstverhinderung umgehend mitzuteilen, ist der Kläger nach den erstgerichtlichen Feststellungen nachgekommen. Er wurde von seinem Hausarzt, dem Nebenintervenienten, am 4. 7. 2000 für arbeitsunfähig befunden und erhielt eine Krankmeldung sowie eine Durchschrift für den Dienstgeber ausgehändigt, die er an die beklagte Partei weiterleitete. Soweit die Revisionswerberin davon ausgehen will, dass der Kläger nur für sieben Tage "krank geschrieben" worden wäre, so entfernt sie sich damit von den erstgerichtlichen Feststellungen, die eine solche Einschränkung nicht enthalten. Selbst wenn man aber von dem Inhalt der ärztlichen Bestätigung (Beilage ./A) ausginge, die eine "voraussichtliche Dauer" der Arbeitsunfähigkeit von sieben Tagen ausweist, wäre damit für die beklagte Partei nichts gewonnen, weil es in der Natur der Sache liegt, dass auch von einem Arzt über den tatsächlichen Krankheitsverlauf immer nur unverbindliche und unsichere Prognosen abgegeben werden können. Dies muss umso mehr in einem Fall wie dem vorliegenden gelten, wo sich der Nebenintervenient selbst bei seiner ersten Untersuchung über die Ursachen der Beschwerden des Klägers noch ganz im Unklaren war. Mit der Übermittlung dieser ärztlichen Bestätigung an die beklagte Partei ist der Kläger seinen Meldepflichten hinreichend und vollständig nachgekommen. Er hat damit in unmissverständlicher Weise mitgeteilt, dass er erkrankt ist und jedenfalls bis zur Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit nicht zum Dienst erscheinen werde. Da nunmehr außer Streit steht, dass der Kläger auch zum Zeitpunkt der Entlassungserklärung seine Arbeitsfähigkeit noch nicht wiedererlangt hatte, ist nicht zu erkennen, welche Informationspflicht der Kläger verletzt haben könnte. Da sogar eine weitere Erkrankung im Rahmen eines ununterbrochenen Krankenstandes keine neuerliche Anzeigepflicht auslöst (RIS-Justiz RS0027976), muss dies umso mehr für den Fall gelten, in dem die ursprünglich angezeigte Krankheit, die zur Dienstverhinderung geführt hat, über einen längeren Zeitraum unverändert andauert.

Dem Kläger kann aber auch nicht vorgeworfen werden, eine (sachlich ungerechtfertigte) Entlassung durch schuldhaftes Verhalten provoziert zu haben. Der Irrtum der beklagten Partei über das Bestehen eines Entlassungsgrundes beruht vielmehr auf einer unzutreffenden Beurteilung der tatsächlichen Geschehnisse, die dem Kläger nicht zugerechnet werden kann. Der beklagten Partei war nämlich auf telefonische Anfrage am 18. 7. 2000 von der Gebietskrankenkasse mitgeteilt worden, dass der Kläger mit 14. 7. 2000 gesund geschrieben worden sei, weil er einer chefärztlichen Vorladung nicht Folge geleistet hätte; diese Vorladung war dem Kläger allerdings nicht zugekommen, da sie an eine schon seit längerem nicht mehr aktuelle Wohnadresse gesandt worden war. Nach ganz herrschender Judikatur kann die Entlassung eines Arbeitnehmers niemals auf bloße Verdachtsmomente gestützt werden; vielmehr hat der Arbeitgeber - unter Beiziehung des Arbeitnehmers - zumindest zu versuchen, den Sachverhalt so weit wie möglich aufzuklären (RIS-Justiz RS0028842). Die beklagte Partei kann sich auch nicht darauf berufen, am 13. oder 14. 7. 2000 ohnehin versucht zu haben, den Kläger telefonisch zu erreichen, zumal auch eine arbeitsunfähige Person sich nicht ständig in ihrer Wohnung aufhalten muss. Es wäre an der Beklagten gelegen gewesen, den Versuch einer telefonischen Kontaktaufnahme - allenfalls auch mehrmals - zu wiederholen bzw brieflich an den Kläger heranzutreten, um von ihm Aufklärung darüber zu verlangen, warum er der Vorladung zum Chefarzt nicht nachgekommen ist; allenfalls hätte die Frage der Arbeitsfähigkeit des Klägers auch durch eine kurze Kontaktaufnahme mit dem Nebenintervenienten geklärt werden können.

Schließlich geht auch der Vorwurf ins Leere, der Kläger habe den Irrtum der Gebietskrankenkasse über seine aktuelle Wohnanschrift dadurch schuldhaft herbeigeführt, dass er die Aufkleber in der Ordination des Nebenintervenienten, mit denen die Patienten aufgefordert werden, Name und Aufnahmedaten zur Überprüfung von Unrichtigkeiten am Aufnahmeschalter zu melden, nicht beachtet habe. Abgesehen davon, dass sich der Kläger einerseits in einem beeinträchtigten Gesundheitszustand befunden hat und andererseits als gebürtiger Kroate nicht mit allen Feinheiten der deutschen Sprache vertraut ist, konnte er durchaus annehmen, dass der Nebenintervenient und dessen Mitarbeiter von sich aus auf die (richtige) Anschrift auf seinem Krankenschein Bedacht nehmen würden, sofern im EDV-unterstützt geführten Informationssystem der Ordination noch eine frühere Anschrift gespeichert sein sollte. Der Kläger musste nicht damit rechnen, dass die Gebietskrankenkasse eine allenfalls unrichtige Information des Nebenintervenienten über seine aktuelle Anschrift ungeprüft übernehmen würde, obwohl die beklagte Partei seine neue Anschrift bereits am 14. 10. 1999 mitgeteilt hatte. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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