Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war vom 8.5.1995 bis 31.8.1995 bei der C***** P***** GesmbH und ab 1.9.1995 bis zu der zum 18.11.1995 ausgesprochenen Dienstgeberkündigung bei der beklagten Partei beschäftigt. Aus der Zeit der Beschäftigung bei der C***** P***** GesmbH bestehen offene Entgeltansprüche des Klägers, die er nunmehr gegen die beklagte Partei geltend macht. Die aus der Beschäftigung bei der Beklagten resultierenden Entgeltansprüche wurden von dieser gezahlt.
Wilhelm S***** betrieb 13 Jahre lang eine Druckerei als Einzelfirma, bevor es zur Gründung der C***** P***** S***** GesmbH kam. Mit 12.9.1995 wurde die Firma in "C***** P***** GesmbH" geändert. Wilhelm S***** und Hans R***** waren Geschäftsführer. S***** war als Druckermeister für die Technik und Produktion, R***** für den kaufmännischen Bereich zuständig. Die Maschinen, die S***** zuvor in seinem Einzelunternehmen verwendet hatte, blieben in seinem Eigentum, wurden jedoch von der C***** P***** GesmbH benutzt. Die Arbeitnehmer, die bereits im Einzelunternehmen S***** tätig waren, wurden ausdrücklich mit allen Rechten und Pflichten in die neu gegründete C***** P***** S***** GesmbH übernommen. Streitigkeiten unter den Geschäftsführern führten zu deren Trennung. Die C***** P***** GesmbH besteht zwar noch - eine Löschung im Firmenbuch ist beabsichtigt -, entwickelt jedoch seit August oder September 1995 keine Aktivitäten mehr. S***** einigte sich mit R*****, daß dieser mit einer neu angeschafften Maschine am bisherigen Betriebsstandort bleibt und dort eine neue Gesellschaft gründet. Daher führte R***** in der Folge am selben Standort die C***** GesmbH. S***** gründete mit Robert D***** und Anja T***** die beklagte Partei und war ursprünglich auch Geschäftsführer. In der Folge übernahmen T***** und D***** die beklagte Partei zur Gänze, indem sie die Hälfte der Schulden, welche die C***** P***** GesmbH bei ihnen hatte, nachließen. S***** nahm jene Maschinen, die er ursprünglich auch in seinem Einzelunternehmen benützt hatte, mit, um sie für die beklagte Partei weiterzuverwenden. Auch Kunden aus der Zeit seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer wurden in der Folge von der Beklagten betreut. Bei der C***** P***** GesmbH waren acht Arbeitnehmer beschäftigt, wobei vier mit R***** und die anderen vier mit S***** sympathisierten. R***** übernahm jene Mitarbeiter, die zu ihm hielten mit allen Rechten und Pflichten in die C***** GesmbH. Bei der C***** P***** GesmbH gab es bereits einige Monate Gehaltsrückstände. R***** bezahlte den von ihm übernommenen Mitarbeitern zwischenzeitig mit den laufenden Gehältern in Raten auch die Rückstände. Der Kläger erhielt während seiner Tätigkeit bei der C***** P***** GesmbH keine regelmäßigen Lohnzahlungen, sondern lediglich Akontozahlungen von S 22.000. Gemäß den erfolgten Abrechnungen hatte der Kläger Anspruch im Mai 1995 auf S 11.355,20 brutto, im Juni auf S 23.475 brutto, im Juli auf S 14.194 brutto und im August auf S 14.194 brutto. Urlaubsabfindung oder Sonderzahlungen wurden für diesen Zeitraum nicht berechnet. S***** kündigte die Arbeitnehmer D*****, T*****, H***** und den Kläger zum 31.8.1995. Er bot allen vier Arbeitnehmern an, in einer noch zu gründenden Firma ab 1.9.1995 neu zu beginnen. Er sagte nicht zu, daß diese Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten übernommen werden. Der Kläger konsumierte weder bei seiner Tätigkeit für die C***** P***** GesmbH noch während seiner Tätigkeit für die Beklagte Urlaub. Von der Beklagten wurde er unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 18.11.1995 gekündigt. In der Arbeitsbescheinigung des Klägers ist ausgewiesen, daß das Dienstverhältnis durch Übernahme mit allen Pflichten und Rechten beendet wurde.
Der Kläger begehrt von der Beklagten den Klagebetrag mit der Behauptung, sein Arbeitsverhältnis zur C***** P***** S***** GesmbH sei durch Übernahme durch die beklagte Partei mit allen Rechten und Pflichten beendet worden, so daß nunmehr die beklagte Partei verpflichtet sei, den offenen Lohnanspruch zur C***** P***** S***** GesmbH zu zahlen.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und bestritt eine Übernahme mit allen Rechten und Pflichten wie auch einen Betriebsübergang oder einen Unternehmenserwerb.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm eine vertragliche Übernahme mit allen Rechten und Pflichten nicht als erwiesen an, so daß die Beklagte nicht zur Zahlung von Lohnrückständen aus der Zeit der Tätigkeit des Klägers für die C***** P***** GesmbH verpflichtet sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß eine vertragliche Übernahme mit allen Rechten und Pflichten nicht vereinbart worden sei. Ein Vorbringen, daß ein Unternehmensübergang im Sinne des AVRAG vorgelegen sei, sei von der klagenden Partei nicht erstattet worden. Die ausdrückliche Berufung auf einen vertraglichen Übergang des Arbeitsverhältnisses stehe einer diesbezüglichen Behauptung der insoweit behauptungspflichtigen klagenden Partei entgegen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die zwingenden Rechtsfolgen einer ex lege eintretenden Vertragsübernahme nach § 3 AVRAG trotz vorliegender Behauptungen ungeprüft ließ; sie ist auch berechtigt.
Da der Kläger die Übernahme des Arbeitsverhältnisses zur C***** P***** GesmbH durch die Beklagte mit allen Rechten und Pflichten behauptet hatte und sich auch nicht ausdrücklich nur auf eine vertragliche Übernahme gestützt hat, hat er im Geltungsbereich des AVRAG auch hinlänglich deutlich einen Betriebsübergang im Sinne des AVRAG behauptet. Sowohl bei der vertraglichen wie auch der gesetzlichen Vertragsübernahme tritt nämlich, wie der Kläger behauptet hat, der Erwerber mit allen Rechten und Pflichten in bestehende Arbeitsverhältnisse ein (ecolex 1996, 697; RdW 1997, 739 ua). Soweit daher das Klagebegehren nicht ausdrücklich auf einen Vertrag gestützt wurde, ist von dem vorliegenden Vorbringen auch die gesetzliche Vertragsübernahme umfaßt. Allfällige Unklarheiten hätten durch Anleitung beseitigt werden müssen. Der von der Judikatur geforderten Behauptungspflicht hat der Kläger Genüge getan (Ind 1997/2386).
Maßgeblicher Zweck des Art 3 Abs 1 der Richtlinie 77/187 EWG , der durch § 3 AVRAG rezipiert wurde, ist die Aufrechterhaltung der Rechte der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Unternehmensinhabers soweit wie möglich zu gewährleisten. Dem Arbeitnehmer wird die Möglichkeit eingeräumt, das Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Inhaber zu denselben Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren. Die Voraussetzungen eines solchen Betriebsüberganges sind nach den den betreffenden Vorgang kennzeichnenden tatsächlichen Umständen zu beurteilen. Dabei ist im Sinne eines beweglichen Systems eine Gesamtbewertung der einzelnen vorliegenden Tatbestandsmerkmale vorzunehmen, zumal der Betriebsübergang in einem sehr weiten Sinn zu verstehen ist (Krejci, Betriebsübergang 29 f, 34; Karner, Übernahme von Arbeitnehmern: Voraussetzungen des Betriebsüberganges RdW 1997, 729). Diese sind unter anderem: Übernahme der materiellen und immateriellen Betriebsmittel, des Großteils der Belegschaft, Ähnlichkeit der vor und nach der Übernahme verrichteten Tätigkeit, Übergang der Kundschaft, Fortführung der wirtschaftlichen Einheit, Übertragung einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung
usw (Karner aaO, 729; RdW 1997, 739; DRdA 1997/12 [Kriechbaum] = SZ
68/187 = JBl 1996, 262 = ZIK 1996, 57 = ecolex 1996, 191 = RdW 1996,
71). Die Betriebsidentität ist gerade nicht von der Identität des Betriebsinhabers abhängig. Gemäß § 3 Abs 1 AVRAG kommt erst bei einem anderen Betriebsinhaber ein Betriebsübergang in Betracht. Maßgeblich ist zwar der rechtsgeschäftliche Übergang, doch spielt die Rechtsgrundlage des Betriebsüberganges im Grunde keine Rolle und wird das Fehlen einschlägiger Vertragsbeziehungen zur Vermeidung der Rechtsfolgen eines Betriebsüberganges sein Gewicht verlieren, soferne die übrigen Merkmale des Betriebs(teil)übergangs deutlich ausgeprägt sind (Grillberger, Betriebsübergang und Arbeitsverhältnis WBl 1993, 305; Krejci aaO, 51; Wagnest, Die Haftung bei Übergang eines Unternehmens oder Betriebes 82 ff; Krejci, Bloße Funktions- und Vertragsnachfolge ist kein Betriebsübergang ASok 1997, 98 f; Ind 1997/2386).
Aufgrund der Einigung der beiden Geschäftsführer der C***** P***** GesmbH erfolgte die faktische Teilung des bisherigen Unternehmens, das seither keine Aktivitäten mehr entfaltet, durch Neugründung zweier GesmbH, der Zurverfügungstellung der im Eigentum des Geschäftsführers S***** stehenden bisher von der C***** P***** GesmbH verwendeten Maschinen an die Beklagte, die Fortführung eines Druckereibetriebes, und teilweiser Betreuung von Kunden des Geschäftsführers aus seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer. Im Zusammenhang mit der Übernahme der Hälfte der Belegschaft durch Neuabschluß von Arbeitsverträgen sind objektive Umstände vorhanden, daß nicht nur Arbeitnehmer von einem Betrieb zum anderen wechselten, sondern daß ohne einen ausdrücklichen auf Betriebsübergang gerichteten Willensakt ein Wechsel der Inhaberschaft des bisherigen Betriebs durch neue Rechtssubjekte erfolgte. Durch den Fortbetrieb eines Unternehmens oder Teiles hievon mit identer Zielrichtung, Übernahme von materiellen zur Funktionsausübung ausreichenden Hilfsmitteln sowie der Hälfte der Belegschaft sind hinreichende Indizien für einen Betriebsübergang als Übergang einer organisatorischen und wirtschaftlichen Einheit unter Identitätswahrung gegeben, weil der Erwerber in die Lage versetzt war, den Betrieb im wesentlichen fortzuführen (Grillberger aaO, 307).
Da die Kündigung und ihre Beendigungswirkung zum 31.8.1995 in unmittelbarem Zusammenhang mit dem am 1.9.1995 erfolgten Neubeginn des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber lag, ist die Vermutung der Gesetzesumgehung umso naheliegender. In einem solchen Falle traf die Beklagte die Beweislast für eine sachliche Entkräftung der Umgehungsvermutung, daß die Kündigung nicht allein aufgrund des Übergangs, sondern aus betriebsbedingten oder aus personen- oder verhaltensbedingten Erfordernissen erfolgte (RdW 1997, 739; 9 ObA 274/97b). Die bloße Bestreitung eines Betriebsüberganges genügte dieser Beweislast nicht.
Ausgehend von dem durch die Beklagte nicht widerlegten Vorliegen eines Betriebsüberganges verstoßen Kündigungen des Arbeitsverhältnisses vor dem Übergang in seinem unmittelbaren Zusammenhang gegen das Kündigungsverbot der Richtlinie. Nach Lehre und nunmehr ständiger Rechtsprechung sind solche Kündigungen unwirksam und nichtig (Mayr, Kündigung im Betriebsübergang, ecolex 1995, 499; Andexlinger, Nichtige Kündigung wegen Betriebsübergang, ecolex 1996, 697; DRdA 1997/12 [Kriechbaum]; ecolex 1996, 697; RdW 1997, 739; 9 ObA 274/97b). Die unwirksame Kündigung hat zur Folge, daß den gekündigten Arbeitnehmern gegenüber bestehende Arbeitgeberpflichten kraft Gesetzes vom Veräußerer auf den Erwerber übergegangen sind (ecolex 1996, 697; DRdA 1997/12 [Kriechbaum]). Dabei reicht es aus, daß der Betriebsübergang und daher die Nichtigkeit der Kündigung auch nur gegenüber dem Erwerber geltend gemacht wird (RdW 1997, 739). Gemäß § 6 Abs 1 AVRAG haftet der Veräußerer mit dem Erwerber zur ungeteilten Hand für die Forderung des unwirksam gekündigten Arbeitnehmers (DRdA 1997/12 [Kriechbaum]).
Dem unwirksam gekündigten Kläger stehen daher auch gegenüber der Beklagten die vom Betriebsübergeber geschuldeten Entgeltansprüche zu. Da die Höhe der Klagebeträge bestritten wurde, diesbezüglich nur zu den Löhnen, nicht aber zur Urlaubsabfindung und zu den Sonderzahlungen Feststellungen oder Außerstreitstellungen vorliegen, waren die Urteile der Vorinstanzen insgesamt aufzuheben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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