OGH 9ObA36/20i

OGH9ObA36/20i25.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** K*****, vertreten durch Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Hengstschläger Lindner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 131.310,68 EUR brutto, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 125.742,83 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2020, GZ 7 Ra 51/19z‑38, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00036.20I.0625.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger zeigt mit seiner außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.

1.1. Der Dienstgeber kann die durch die Konkurrenzklausel begründeten Rechte gegen den Angestellten nicht geltend machen, wenn er das Dienstverhältnis löst, es sei denn, dass der Angestellte durch schuldbares Verhalten hiezu begründeten Anlass gegeben oder dass der Dienstgeber bei der Auflösung des Dienstverhältnisses erklärt hat, während der Dauer der Beschränkung dem Angestellten das ihm zuletzt zukommende Entgelt zu leisten (§ 37 Abs 2 iVm Abs 1 AngG). Die Erklärung, während der Dauer der Beschränkung dem Angestellten das ihm zuletzt zukommende Entgelt zu leisten, kann nach allgemeiner Ansicht vorweggenommen werden, etwa im Grundgeschäft oder im Zuge der Vereinbarung der Konkurrenzklausel (Kohlegger in Reissner, AngG3 § 37 Rz 25; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 37 AngG Rz 23; Resch in Löschnigg, AngG10 § 37 Rz 28, je mwN). Dies ändert nichts daran, dass Sinn und Zweck einer solchen Erklärung des Dienstgebers allein ist, den Dienstnehmer in einem Fall, in welchem er wegen der Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zur Einhaltung der Konkurrenzklausel verpflichtet wäre, zu eben dem zu verpflichten (vgl RS0029957 [T2]). Dem entspricht auch die dienstvertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien im vorliegenden Fall. Sie sah eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Kündigungsentschädigung „bei einer dienstgeberseitigen Kündigung ohne schuldbares Verhalten des Dienstnehmers“ vor, somit im Umkehrschluss keine Kündigungsentschädigung bei einer dienstgeberseitigen Kündigung mit schuldbarem Verhalten des Dienstnehmers.

1.2. Die Kündigung eines Dienstverhältnisses bedarf gewöhnlich keines Grundes (4 Ob 134/85 = DRdA 1988/3 [ Harrer ]; Reissner/Heinz-Ofner in Reissner , AngG 3 § 20 Rz 26). Wenn vom Vorliegen eines Grundes ausnahmsweise eine Rechtsfolge abhängt, so muss nach ständiger Rechtsprechung der Kündigende entweder bei der Kündigung den Grund ausdrücklich anführen oder es muss zumindest für den Gekündigten aufgrund der Umstände iSd § 863 ABGB erkennbar sein, aus welchem Grund der andere kündigte (s erneut 4 Ob 134/85 sowie 10 Ob 37/07z; 9 ObA 141/09i = DRdA 2011/36 [ Eypeltauer ]; 9 ObA 19/10z = ARD 6134/1/2011 [ Adamovic ] = DRdA 2012/41 [ Engelbrecht ]; vgl RS0029892; RS0029877). Dieser Ansicht folgt entgegen der außerordentlichen Revision auch die Entscheidung 8 ObA 121/98x ( „Dem Adressaten muss aus dem Inhalt der Lösungserklärung oder aus sonstigen Umständen im Zuge der Beendigung zumindest im Sinn des § 863 ABGB erkennbar sein, dass ausnahmsweise ein verschuldeter wichtiger Auflösungstatbestand 'Ursache und Grund' für die Kündigung ist.“ ). Die behauptete Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung liegt nicht vor.

2. Ob dem Gekündigten im Zeitpunkt der Kündigung iSd § 863 ABGB erkennbar ist, wegen eines schuldbaren Verhaltens gekündigt zu werden, ist eine Frage des Einzelfalls, die abseits einer – hier nicht vorliegenden – groben Fehlbeurteilung keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft.

3. Die Beklagte wendete in erster Instanz ein, dass die Kündigung des Klägers durch sie aufgrund eines schuldhaften Verhaltens des Klägers erfolgt sei. Dazu brachte sie detailliert vor, dass der Kläger Mitarbeiter diffamiert, denunziert und hinausgeekelt und es deshalb Gespräche eines Geschäftsführers mit dem Kläger gegeben habe. Die getroffenen Feststellungen bewegen sich im Rahmen dieses Vorbringens. Die Ansicht in der außerordentlichen Revision, die Beklagte hätte nicht behauptet und unter Beweis gestellt, dass der Kläger durch schuldbares Verhalten begründeten Anlass zur Kündigung gegeben habe und dass ihm erkennbar gewesen sei, dass dieses Verhalten Grund für den Ausspruch der Kündigung gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte musste allein die Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Dass allfällige Unterlassen der Verwendung der Worte „schuldbar“ und „erkennbar“ durch die Beklagte schadet ihr nicht. Die in der außerordentlichen Revision behauptete Abweichung von der Rechtsprechung, dass der Dienstgeber zu behaupten und zu beweisen hat, dass der Angestellte durch schuldbares Verhalten begründeten Anlass zur Kündigung gegeben hat (9 ObA 103/17p mwH = RS0029930 [T3]), liegt nicht vor.

4. Ein schuldbares Verhalten des Angestellten iSd § 37 Abs 2 AngG – und für die hier vorliegende Vereinbarung, die die Karenzentschädigung davon abhängig macht, dass die dienstgeberseitige Kündigung „ohne schuldbares Verhalten des Dienstnehmers“ erfolgt, kann nichts anderes gelten – muss nicht geradezu die Schwere eines Entlassungsgrundes haben, wohl aber so beträchtlich sein, dass es das Arbeitsverhältnis zerrüttet und aus diesem Grund den Dienstgeber zur Kündigung veranlasst (RS0029930). Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Leiter eines Bereichs beschäftigt. Er war Vorgesetzter von rund 40 Mitarbeitern. Aufgrund seiner festgestellten Verhaltensweisen ist es jedenfalls vertretbar, wenn die Vorinstanzen von einer Zerrüttung des Dienstverhältnisses in Hinsicht auf die ihm zuletzt zugekommene Stellung ausgingen. Dass die Beklagte dem Kläger anbot, für sie weiter tätig zu sein, jedoch als Experte und damit nicht mehr als Vorgesetzter zahlreicher Mitarbeiter, ändert nichts daran, da es sich dabei um ein inhaltlich anderes Dienstverhältnis gehandelt hätte.

5. Dem vom Berufungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunkt, dass aufgrund der festgestellten Verhaltensweisen der Kläger gegen seine Pflichten verstoßen habe, hält der Revisionswerber lediglich erneut entgegen, dass eine Geltendmachung wegen Verfristung auszuschließen sei. Dazu führte das Berufungsgericht bereits aus, dass ein Dauerverhalten seitens des Klägers, der sich bis zum Schluss in einer Position mit Mitarbeiterführung befand, vorlag und auch feststeht, dass der Geschäftsführer der Beklagten bezüglich des problematischen Führungsverhaltens mehrere Gespräche mit dem Kläger führte, diese jedoch immer nur kurzfristig Wirkung zeigten, das schuldbare Verhalten des Klägers somit fortgesetzt wurde.

6. Das Berufungsgericht führte am Ende seiner rechtlichen Beurteilung und ausdrücklich nur „[d]er Vollständigkeit halber“ aus, dass sogar bei Verneinen eines schuldbaren Verhaltens des Klägers im Hinblick auf die Entscheidung 5 Ob 333/87 das Begehren des Klägers auf Karenzentschädigung als nicht berechtigt anzusehen wäre. Hierauf ist nicht einzugehen, weil eine nicht tragende Hilfsbegründung nicht zum Gegenstand eines außerordentlichen Rechtsmittels gemacht werden kann, zumal sie für den Streitausgang gerade nicht erheblich ist (RS0042736).

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO (iVm § 2 Abs 1 ASGG) ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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