OGH 9ObA34/20w

OGH9ObA34/20w25.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier & Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte & Strafverteidiger OG in Bischofshofen, gegen die beklagte Partei Walter B***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen 46.632,24 EUR brutto sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 9. März 2020, GZ 11 Ra 10/20z‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00034.20W.0625.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses in Form einer Arbeitnehmerkündigung steht nach ständiger Rechtsprechung dem Abfertigungsanspruch dann nicht entgegen, wenn aus der Auflösungserklärung klar erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer einen wichtigen Lösungsgrund für sich in Anspruch nimmt (RS0060132; RS0031717). Maßgeblich ist also, dass zwischen den Parteien Klarheit darüber bestehen muss, dass ein wichtiger Lösungsgrund geltend gemacht wird (RS0031717). Die Anwendung dieser vom Obersten Gerichtshof bereits erarbeiteten Grundsätze auf den konkreten Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar.

2. Nach den Feststellungen hat der Kläger seinen Vorgesetzten im Hinblick auf (seiner Meinung nach immer wieder auftretende) Fehler von Mitarbeitern Verbesserungsvorschläge präsentiert. Gesundheitliche Probleme hat er bis zu seinem Kündigungsschreiben niemals thematisiert. Vor diesem Hintergrund gingen die Vorinstanzen davon aus, aus dem vom Kläger verfassten Begleittext zu seinem Kündigungsschreiben sei für die Beklagte lediglich abzuleiten gewesen, der Kläger sei – ua aus gesundheitlichen Gründen – nicht mehr bereit, die von ihm kritisierten Fehlleistungen anderer Mitarbeiter bis zu seiner (in ferner Zukunft liegenden) Pensionierung weiter hinzunehmen. Dass er sich auf eine aktuelle und konkrete Gefährdung oder Bedrohung seiner Gesundheit durch die Fortsetzung seiner Verkaufstätigkeit (auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist) berufen und den Austrittsgrund der Gesundheitsgefährdung als wichtigen Lösungstatbestand für sich beanspruchen habe wollen, sei hingegen nicht deutlich erkennbar gewesen. Inwiefern diese Rechtsansicht eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung darstellten sollte, wird in der außerordentlichen Revision nicht aufgezeigt.

3. Im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer bestehen Grenzen des arbeitsrechtlichen Schutzprinzips. Der Schutzcharakter des Arbeitsrechts geht nicht so weit, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seine Rechte im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufklären muss. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer gegenüber seinen eigenen Erklärungen zu schützen und ihn auf allfällige nachteilige Folgen aufmerksam zu machen (9 ObA 157/07i; 8 ObA 2134/96y). Deshalb wird auch mit den Revisionsausführungen, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht die vom Arbeitnehmer genannten Kündigungsgründe mit diesem „abzuklären“ habe, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht.

4. War aus dem Inhalt des Kündigungsschreibens für die Beklagte nicht erkennbar, dass sich der Kläger auf den Austrittsgrund der Gesundheitsgefährdung beruft, stellt sich die Frage, ob die Beklagte dem Kläger für die Dauer der Kündigungsfrist allenfalls einen anderen geeigneten (nicht gesundheitsgefährdenden) Arbeitsplatz anzubieten gehabt hätte, nicht. Das Vorliegen der geltend gemachten rechtlichen Feststellungsmängel ist zu verneinen.

Die außerordentliche Revision des Klägers war daher zurückzuweisen. Die der Beklagten nicht aufgetragene Revisionsbeantwortung war nicht zu honorieren (§ 508a Abs 2 Satz 2 ZPO).

Stichworte