OGH 9ObA3/18h

OGH9ObA3/18h28.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeinehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Andreas Ruetz, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 91.000 EUR) über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. November 2017, GZ 15 Ra 65/17x‑37, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00003.18H.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Zur Frage, ob eine Versetzung des Dienstnehmers im Sinn einer Änderung des Tätigkeitsbereichs und/oder des Dienstorts zulässig ist, ist zwischen der arbeitsvertraglichen und der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 101 ArbVG zu unterscheiden.

1.2. Aus dienstvertraglicher Sicht ist entscheidend, ob sich die Anordnung des Dienstgebers (Weisung) über einen Wechsel des Tätigkeitsbereichs oder des Tätigkeitsorts des Dienstnehmers im Rahmen der Weisungsbefugnis bewegt, die sich aus dem Dienstvertrag oder aus vereinbarten Gestaltungsvorbehalten ergibt. Eine Versetzung ist nur innerhalb der durch den Dienstvertrag gegebenen Grenzen zulässig. Der Arbeitsvertrag umschreibt die Gattung der Arbeit allgemein und steckt damit einen weiteren oder engeren Rahmen der vom Arbeitnehmer nach Bedarf auszuführenden Tätigkeit ab. Andere als die so vereinbarten Dienste braucht der Arbeitnehmer regelmäßig nicht zu leisten (RIS‑Justiz RS0021472).

Bei der Feststellung des als vereinbart anzusehenden Tätigkeitsbereichs ist nicht nur die tatsächliche Verwendung ausschlaggebend (RIS‑Justiz RS0029787). Aus der bloßen Tatsache der längeren Verwendung des Arbeitnehmers an einem bestimmten Arbeitsplatz kann nämlich für sich allein noch nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass sich der auf diese Weise als vereinbart anzusehende Aufgabenkreis des Arbeitnehmers auf diese zuletzt ausgeübte Tätigkeit beschränkt habe (RIS‑Justiz RS0029509).

1.3. Ob die Änderung des Tätigkeitsbereichs durch den Arbeitsvertrag gedeckt ist, ist daher im Wege der Vertragsauslegung zu beurteilen. Da es dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, begründet die Auslegung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0029509 [T8]).

2.1. Unabhängig davon – und unabhängig vom Willen der Arbeitsvertragsparteien – sind die in § 101 ArbVG normierten Mitwirkungsrechte des Betriebsrats zu beachten, der insofern nicht (nur) die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers, sondern Belegschaftsinteressen zu vertreten hat.

2.2. Eine Versetzung iSd § 101 ArbVG, die der Gesetzgeber als "Einreihung eines Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz" definiert, liegt vor, wenn entweder der Arbeitsort oder der inhaltliche oder der zeitliche Arbeitsbereich des Arbeitnehmers verändert wird (RIS‑Justiz RS0025205 [T3]).

Als verschlechternde Versetzung iSd § 101 ArbVG, die zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, ist jede Änderung zum Nachteil des Arbeitnehmers zu qualifizieren. Maßgebend ist dabei ein Vergleich der Situation des Arbeitnehmers vor der Versetzung mit der Lage, die infolge der Versetzung eintreten würde bzw eingetreten ist (RIS‑Justiz RS0051209).

3.1. Im vorliegenden Fall wurde der Kläger von der Beklagten als Kameramann eingestellt. Auch nachdem vereinbart wurde, dass der Kläger (zusätzlich) als regieführender Programmgestalter tätig werden soll, wurde er weiter als Kameramann eingesetzt, wobei das Ausmaß dieser Tätigkeit entsprechend seiner Belastung als Programmgestalter variierte. Auch in der Revision wird nicht behauptet, dass bei Übernahme der Funktion eines Programmgestalters eine inhaltliche Änderung der Verwendung als Kameramann erörtert worden wäre. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die schriftliche Vereinbarung über eine Zulage für die Übernahme der Regietätigkeit, nach der „alle übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags aufrecht bleiben“, vielmehr gegen eine solche Änderung spricht, ist nicht zu beanstanden.

Allein aus dem Umstand, dass der Kläger ab 2010 überwiegend für Kameraarbeiten im Verbund, die eine erhöhte Konzentration und größere Erfahrung voraussetzen, verwendet wurde, lässt sich ebenfalls nicht auf eine Einschränkung seiner vertraglichen Verpflichtung auf diese Art von Tätigkeit schließen.

3.2. Soweit die Revision darauf verweist, dass es bei Abschluss des Dienstvertrags kein „Ein-Mann-Team“ gegeben habe, weshalb der Kläger schon deshalb nicht zu dieser Arbeit verpflichtet sei, ist darauf zu verweisen, dass bei der Ermittlung des Inhalts der Arbeitspflicht zwischen den für die Auslegung der Vereinbarung über den Rahmen der Arbeitspflicht allein maßgeblichen Umständen bei Abschluss des Vertrags einerseits und den für die Ausfüllung des vereinbarten Rahmens bedeutsamen Umständen im Verlauf des Arbeitsverhältnisses andererseits zu unterscheiden ist. Hiebei ist nicht am Buchstaben zu haften, sondern auf den Sinn der Vereinbarung zu sehen, der nach redlicher Verkehrsübung in wechselndem Maß auch den Inhalt der Arbeitspflicht von den jeweils gegebenen Umständen abhängig machen kann (RIS‑Justiz RS0021391).

3.3. Gerade bei Berufen, die stark von der technischen Entwicklung abhängig sind, kann die arbeitsvertragliche Verpflichtung in der Regel nicht auf die Handhabung der Technik bei Abschluss des Vertrags beschränkt werden. Es ist davon auszugehen, dass es in den rund 20 Jahren der Beschäftigung des Klägers eine Vielzahl von technischen Veränderungen in seinem Berufsfeld gegeben hat und er diese Neuentwicklungen im Rahmen seiner Arbeitsverpflichtung mitvollzogen hat. Dass die technische Entwicklung nunmehr auch die Möglichkeit der Aufnahme von Beiträgen ohne Beiziehung eines Produktionstechnikers erlaubt, ist nur eine dieser Entwicklungen, die eine Anpassung der Tätigkeit im Rahmen der dem Vertrag zugrundeliegenden Stellenbeschreibung erfordert. Warum die hohe Qualifikation des Klägers das Mitvollziehen dieser technischen Änderung unzumutbar macht, ist nicht nachvollziehbar.

3.4. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass der gelegentliche Einsatz des Klägers als „Ein-Mann-Team“ keine vertragsändernde Versetzung darstellt, ist daher nicht korrekturbedürftig.

4.1. Die Revision verweist weiters darauf, dass das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Verschlechterung wesentlich sein müsse. Dagegen sei nach der Rechtsprechung jede Verschlechterung zu berücksichtigen.

4.2. Entgegen dieser Ansicht hat das Berufungsgericht nicht geprüft, ob eine wesentliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen vorliegt, sondern– in Einklang mit der Rechtsprechung – ob die Änderung des Tätigkeitsbereichs so wesentlich ist, dass überhaupt von einer Versetzung gesprochen werden kann. Ausgehend davon, dass der Großteil der faktisch ausgeübten Tätigkeit des Klägers unverändert beibehalten wurde und nur zusätzlich zu der von ihm akzeptierten Tätigkeit im Zwei-Mann-Team, die davon nur geringfügig abweichende Arbeit als Kameramann im Ein-Mann-Team auszuüben ist, hat es bereits das Vorliegen einer Versetzung iSd § 101 ArbVG verneint. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit mit einer nicht näher feststellbaren körperlichen Mehrbelastung und höheren Stressbelastung verbunden ist, macht diese Beurteilung nicht unvertretbar.

4.3. Wenn der Kläger weiters geltend macht, dass Feststellungen zum Ausmaß seines Einsatzes im Ein-Mann-Team fehlen, führt er nicht aus, welche Feststellungen das Erstgericht unterlassen hat, die eine andere Beurteilung ermöglicht hätten.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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