European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00031.16Y.1219.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten eine um den Klagebetrag höhere Abfertigung, weil sie in die für die Bemessung der Abfertigung relevante Dauer des Dienstverhältnisses mit dem Beklagten auch ihre knapp einjährige Tätigkeit aufgrund eines Arbeitsverhältnisses mit einem Dritten einbezogen wissen will. In dieser Zeit sei sie einvernehmlich für den Beklagten tätig gewesen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren als unbegründet ab. Eine Arbeitgebereigenschaft des Beklagten sei in der Zeit, als die Klägerin noch beim Dritten Arbeitnehmerin gewesen sei, nicht begründet worden.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob bei Erfüllung des Tatbestands des § 2 Abs 4 AMFG, wenn der Überlasser Arbeitgeberfunktionen nicht übernehme, der vermeintliche Beschäftiger vertraglicher Arbeitgeber des eingesetzten Arbeitnehmers werde.
In ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinn, in eventu die Aufhebung der Entscheidungen. Zur Zulässigkeit der Revision schließt sie sich erkennbar der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts an. Ein eigenes Vorbringen erstattet sie insoweit nicht.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zurückzuweisen.
1. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Das ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
2. Ein Umgehungsgeschäft liegt dann vor, wenn die Parteien die von einer Norm angeordneten Rechtsfolgen dadurch vermeiden, dass sie ein Rechtsgeschäft schließen, das dem Wortlaut nach nicht von dieser Norm betroffen wird, das jedoch den gleichen Zweck erfüllt, wie das verbotene Geschäft (RIS‑Justiz RS0018173). Im Gegensatz zum Scheingeschäft wird das Umgehungsgeschäft von den Parteien wirklich gewollt und auch realisiert, wenngleich nicht um dieses Geschäfts willen, sondern zur Sicherstellung des wirtschaftlichen Erfolgs eines anderen, aus Verbotsgründen oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen nicht abgeschlossenen Geschäfts (RIS‑Justiz RS0018078, RS0018192).
Umgehungsgeschäfte verstoßen zwar nicht gegen den Buchstaben des Gesetzes, dessen Anwendung vermieden werden soll, allerdings gegen die gesetzgeberische Intention. Dabei ist es eine Frage des Normzwecks, ob und inwieweit das Verbot gilt und daher durch den Umgehungscharakter des Geschäfts vereitelt würde (3 Ob 212/09m mwN). Nicht jedes Umgehungsgeschäft ist nichtig. Es unterliegt aber der Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden ist (RIS‑Justiz RS0016469; RS0045196). Auf eine besondere Umgehungsabsicht der Parteien kommt es nicht an. Es genügt, dass das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt (RIS‑Justiz RS0016780).
Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zur Frage, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt und welche Folgen daraus abzuleiten sind, liegt nicht vor. Nach den Feststellungen erfolgte die Beschäftigung der Klägerin beim Dritten, weil der Beklagte aufgrund des Stellenplans keine weiteren Arbeitnehmer anstellen durfte. Die „Norm“, die dadurch umgangen wurde, war daher die Beschränkung der Personalausgaben, nicht Bestimmungen zum Schutz des Arbeitnehmers. Aus der Berücksichtigung des Zwecks dieser Regelung lässt sich für die Klägerin nichts gewinnen. Richtig ist, dass die Nichtanrechnung der Beschäftigung beim Dritten, als Vordienstzeit Einfluss auf dienstzeitabhängige Ansprüche der Klägerin haben kann. Die Nichtanrechnung resultiert aber aus dem Vertrag mit dem Beklagten, nicht aus dem von der Klägerin als Umgehungsgeschäft angesehenen Vertrag mit dem Dritten. Eine Anrechnung könnte daher nur erfolgen, wenn man von einem einheitlichen Vertrag zum Beklagten ausgeht. Die Klägerin lässt aber offen, aus welcher umgangenen Norm ein solcher Wechsel des Vertragspartners abgeleitet werden kann.
3. Eine in der Berufung verabsäumte Rechtsrüge kann in der Revision nicht nachgetragen werden. Das gilt auch dann, wenn das Ersturteil nur in einem bestimmten Punkt nicht aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft wurde. Wenn in der Berufung nur in einem bestimmten Punkt eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, können andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0043573 [T1, T2, T43]). Daran ändert auch nichts, dass das Berufungsgericht die Revision zu diesem Thema zugelassen hat.
4. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung war die Revision daher zurückzuweisen.
5. Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, steht ihm nach §§ 41, 50 ZPO ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens zu.
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