OGH 9ObA269/01a

OGH9ObA269/01a14.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger und Claus Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dzevad S*****, Arbeiter, ***** vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Viktor Igaly-Igalffy, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 132.249,21 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juli 2001, GZ 8 Ra 189/01z-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. November 2000, GZ 34 Cga 91/00i-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.160,32 (darin S 1.526,72 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gestützt auf seine unberechtigte Entlassung begehrt der Kläger im Wesentlichen Kündigungsentschädigung samt anteiligen Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung.

Er war vom 15. 1. 1996 bis 23. 11. 1999 als Schweißer bei der beklagten Partei beschäftigt. Vom 12. 11. bis 22. 11. 1999 befand er sich im Krankenstand. Nach Ablauf des Krankenstandes wurde er vom behandelnden Augenarzt insoweit für bedingt arbeitsfähig erklärt, als in einer schriftlichen Bestätigung eingeschränkt wurde, dass Arbeiten in staubiger und rauchiger Umgebung sowie Schweißen vorläufig zu meiden seien. Als er am 23. 11. 1999 seine Arbeit wieder antrat und dem Geschäftsführer die ärztliche Bestätigung vorwies, war dieser verärgert. Er meinte, dass andere Leute wegen so einer Verletzung nur zwei Tage in den Krankenstand gingen und nicht so lange wie der Kläger. Zur Empfehlung des Arztes, keine Schweißarbeiten zu verrichten, meinte der Geschäftsführer zum Kläger "Gehst Du halt Straße putzen". Auch sein Sohn und Stellvertreter erklärte dem Kläger, er müsse eben Putzarbeiten machen. Dies tat der Kläger dann auch. Als er bei einer Maschine Reinigungsarbeiten verrichtete, kam der Geschäftsführer auf ihn zu und meinte "Du bist deppert, das gehört nicht so gemacht". Dennoch ließ sich der Kläger nicht aus der Ruhe bringen.

Am Nachmittag setzte der Kläger gegen 13 Uhr seine Arbeit nach der Mittagspause fort. Es waren einige Kisten mit Ersatzteilen zu schlichten und zurückzustellen, was der Kläger mit Hilfe eines Hubwagens auch tat. Auch der Sohn des Geschäftsführers nahm diese Tätigkeit wahr und hieß sie gut. Als der Kläger mit dem bereits leeren Hubwagen hantierte, kam der Geschäftsführer auf ihn zu und sagte ihm, er solle diese Arbeit unterlassen und den Hubwagen auf seinen Platz zurückstellen. Dies nahm der Kläger auch in Angriff, wobei er eine Wegstrecke von ca 20 m zurückzulegen hatte. Auf dem Weg zur Tafelschere, wo der Hubwagen abzustellen war, rief der Geschäftsführer dem Kläger provokant nach, er wolle ja gar nicht arbeiten, worauf ihm der Kläger zur Antwort gab, dass er die Augenverletzung durch seine Arbeit im Unternehmen davongetragen habe. Der Geschäftsführer ging darauf nicht weiter ein und sagte zum Kläger, welcher mit dem Hubwagen schon die Hälfte der Strecke zurückgelegt hat, "Du willst ja nicht arbeiten. Es wäre besser, der Haider kommt, der wird Euch alle nach Hause schicken". Der Kläger setzte seinen Weg fort und wollte diese Arbeit einerseits schnell erledigen, andererseits ärgerte er sich über die Provokation des Geschäftsführers. Er versetzte dem Gabelhubwagen daher noch einen kleinen Stoß, sodass dieser ein kleines Stück in Richtung Tafelschere alleine weiterrollte. Dabei stieß der Hubwagen weder gegen dieses Gerät, noch beschädigte er dieses. Der Hubwagen weist ein Gewicht von ca 50 bis 60 kg auf; es kann mit ihm sowohl geschoben als auch gezogen werden. Die Räder im Bereich der Deichsel sind lenkbar. Der Hubwagen ist mit keiner automatischen Bremse ausgestattet, er rollt weiter, wenn er mit Schwung weggestoßen wird. Es konnte weder eine konkrete Gefährdung anderer Personen noch der Vorsatz des Klägers festgestellt werden, andere Personen zu verletzen oder in Furcht und Unruhe versetzen zu wollen.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen von Entlassungsgründen im Sinne des § 82 lit g GewO 1859 (- der Entlassungsgrund nach lit f leg cit wird im Rechtsmittelverfahren nicht mehr geltend gemacht -) genauso zutreffend verneint wie ein Mitverschulden des Klägers im Sinne des § 1162c ABGB.

Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Da die Aufzählung der Revisionsgründe des § 503 ZPO eine erschöpfende ist (Kodek in Rechberger2 Rz 1 zu § 503), entzieht sich die weitwendige Bekämpfung der Beweiswürdigung einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Der behauptete Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde nicht weiter ausgeführt.

Die Aufzählung der Entlassungsgründe des § 82 GewO 1859 ist eine taxative (Kuderna, Entlassungsrecht2 52 mwN). Wenngleich der beklagten Partei darin beizupflichten ist, dass die bloße Erregung allein keinen Entschuldigungsgrund für eine grobe Ehrenbeleidigung abgibt, ist daraus für den eigenen Standpunkt nichts zu gewinnen. Zutreffend hat nämlich das Berufungsgericht das Vorliegen dieses Tatbestandes an sich verneint. Das Verhalten des Klägers mag als Ungehörigkeit oder Disziplinlosigkeit gegenüber dem Geschäftsführer beurteilt werden, doch liegt darin noch keine "grobe" (= erhebliche) Ehrenbeleidigung. Erheblich ist eine solche Ehrverletzung nur dann, wenn sie von solcher Art ist und unter solchen Umständen erfolgt, dass sie von einem Menschen mit normalem Ehrgefühl nicht anders als mit dem Abbruch der Beziehungen beantwortet werden kann; sie muss im besonderen Maße ehrverletzend sein (Kuderna aaO 123 mwN). Sowohl ein objektiver Maßstab möglicher Ehrverletzung als auch die konkreten Umstände der vorangegangenen Provokation durch den Geschäftsführer schließen eine solche Erheblichkeit aus.

Was die weiters geltend gemachten Entlassungsgründe der Körperverletzung bzw der gefährlichen Drohung anlangt, ist darauf hinzuweisen, dass die Beweislast für das Vorliegen eines Entlassungsgrundes und für die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale den Arbeitgeber trifft (Kuderna aaO 41 ff). Sowohl die Tatbestände der Körperverletzung (§ 83f StGB) als der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB) bedingen das Tatbestandsmerkmal des Vorsatzes. Auf Grund der hier festgestellten Umstände kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Ordnungs- und somit Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Klägers dieses qualifiziert geforderte Verschulden indizierte (vgl zur groben Ehrverletzung, wo eine solche Indizierung angenommen wird: RIS-Justiz RS0029754). Es wäre daher an der beklagten Partei gelegen, entsprechend vorsätzliches Verhalten des Klägers unter Beweis zu stellen, was jedoch unterblieben ist.

Letztlich kann sich die beklagte Partei auch auf kein vom geltend gemachten Entlassungsgrund unabhängiges, zusätzliches, für die Entlassung kausales Verhalten des Klägers stützen, weshalb das Berufungsgericht den Mitverschuldenseinwand zutreffend und gestützt auf gefestigte Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0021719, zuletzt 9 ObA 290/00p = INFAS 2001 A 53; 8 Ob 76/01m, 8 ObA 204/01a) verworfen hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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