Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen, mit denen der Antrag des Klägers auf Fällung eines Versäumungsurteils gemäß § 399 ZPO gegen die erstbeklagte Partei abgewiesen wurde, werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens über diesen Antrag aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die erstbeklagte Partei ist ein Verein, der nach seinen Statuten (Beilage L) nicht auf Gewinn gerichtet ist und der "Förderung des Journalismus" dienen sollte. Die Vertretung des Vereins nach außen, gegenüber Behörden und dritten Personen oblag dem Vorsitzenden. Diesen Vorsitz hatte seit 23.12.1993 die Zweitbeklagte inne. Am 25.5.1994 beschloß die Generalversammlung die freiwillige Auflösung des Vereins, wovon die Zweitbeklagte die Mitglieder, unter anderem auch den Kläger (Beilage B), verständigte. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte jedoch fest, daß die freiwillige Auflösung des Vereins nicht statutengemäß erfolgt sei und löste den Verein mit Bescheid vom 1.3.1995 gemäß § 24 VereinsG von Amts wegen auf; die Erhebungen hätten ergeben, daß der Verein keine Tätigkeit mehr ausübe und auch mit einer Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht mehr zu rechnen sei (Beilage 3). Dieser Bescheid wurde nach Zustellung an die Zweitbeklagte rechtskräftig und am 28.4.1995 in der amtlichen Zeitung der Niederösterreichischen Landesregierung verlautbart.
Mit der am 18.11.1994 angebrachten Klage begehrt der Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand S 1,130.076,92 brutto zuzüglich S 261.000 netto sA. Am 28.12.1993 hätten die Beklagten mit ihm einen Dienstvertrag abgeschlossen, wodurch er vom 28.12.1993 bis 1.2.1994 als Vereinssekretär und ab 1.2.1994 zusätzlich als Chefredakteur eines erst zu erstellenden "internationalen Starmagazins" angestellt worden sei. Sein Bruttomonatsbezug habe unter Anrechnung von Vordienstzeiten von 30 Jahren S 59.000 betragen. Für seine Ansprüche auf Urlaub und Abfertigung seien ihm acht Jahre Vordienstzeiten angerechnet worden. Sein Dienstverhältnis sei gemäß § 35 Abs 1 lit a iVm § 36 Abs 4 lit b AMFG gefördert gewesen, so daß der erstbeklagten Partei eine monatliche Beihilfe von S 25.000 für die Dauer von 12 Monaten zugekommen sei.
Obwohl er sofort begonnen habe, einen Redaktionssitz in Iglau zu errichten und sich zur Recherche nach Hollywood und San Francisco begeben habe, sei ihm die beklagte Partei bereits das Jänner-Gehalt schuldig geblieben. Er habe erst Mitte Juni 1994 von der Zweitbeklagten erfahren, daß er am 6.Juni 1994 rückwirkend mit 31. Dezember 1993 bei der WGKK abgemeldet und die erstbeklagte Partei angeblich am 25.Mai 1994 freiwillig aufgelöst worden sei. Diese Auflösung iVm der Abmeldung könne er nur dahin deuten, daß er mit 6. Juni 1994 entlassen worden sei. Er habe daher Anspruch auf sein ausstehendes Gehalt, Kündigungsentschädigung für sechs Monate, Urlaubsentschädigung für 30 Werktage, Abfertigung in Höhe von vier Monatsentgelten, Spesen in Höhe von S 200.000 sowie auf den Rest seiner Sach- und Kapitaleinlage von S 61.000. Der Anspruch gegen die Zweitbeklagte stütze sich nicht nur auf den auch von ihr abgeschlossenen Dienstvertrag, sondern auch auf ihre Haftung als Organwalterin der erstbeklagten Partei.
Nach der Aktenlage verfügte das Erstgericht die Zustellung der nur zweifach überreichten Klage sowie der Ladung zur Tagsatzung "an Bekl". Die Zweitbeklagte bestätigte am 29.11.1994 unterschriftlich die Übernahme der an die erstbeklagte Partei adressierten Sendungen. Die Poststücke langten jedoch mit durchgestrichenen Übernahmsbestätigungen und dem postalischen Vermerk "besteht nicht mehr" zurück. Daraufhin verfügte das Erstgericht die "neuerliche" Zustellung der Klage an die Zweitbeklagte, welche die Übernahme der nun an sie persönlich gerichteten Sendung am 7.Dezember 1994 bestätigte.
Die Zweitbeklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei nie bei ihr angestellt gewesen; sie habe nie einen Dienstvertrag mit ihm unterschrieben. Der Kläger habe die erstbeklagte Partei, die kein Einkommen und Vermögen gehabt habe, und deren Vorsitzender er gewesen sei, zum Zwecke einer Geldbeschaffungsaktion am 23.12.1993 umgebildet. Durch seine Anmeldung bei der WGKK sei es ihm gelungen, eine AMFG-Beihilfe von S 125.065 zu erhalten. Der Verein sollte lediglich als Deckmantel für seine Erwerbstätigkeit dienen. Der Kläger habe 1994 auch keinerlei Tätigkeiten für den Verein verrichtet. Die Zweitbeklagte habe sich daher bei Vereinsbehörde um die amtswegige Löschung des Vereins bemüht. Die rückwirkende Abmeldung des Klägers bei der WGKK sei lediglich aus Gründen der Schadensminderung erfolgt. Der Kläger habe es nämlich so eilig gehabt, zu seiner AMFG-Beihilfe zu kommen, daß er sich bereits am 29.12.1993, sohin unter Umgehung der Untersagungsfrist des § 6 Abs 2 VereinsG bei der WGKK habe anmelden lassen.
In der fortgesetzten mündlichen Streitverhandlung (Tagsatzung vom 20.6.1995) stellte der Kläger den Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils gegen die erstbeklagte Partei. Das Erstgericht stellte dazu fest, daß die erstbeklagte Partei laut Beilage 3 (Auflösungsbescheid) nicht mehr existent sei und daher gegen sie auch kein Versäumungsurteil erlassen werden könne. Mit Schriftsatz vom 30. August 1995 wiederholte der Kläger seinen Antrag auf Fällung eines unechten Versäumungsurteils gemäß § 399 ZPO gegen die erstbeklagte Partei. Die Klage sei der erstbeklagten Partei ordnungsgemäß zugestellt worden. Diese habe sich durch die Zweitbeklagte auch auf den Streit eingelassen. Der am 1.3.1995 erlassene Auflösungsbescheid sei mangels Beiziehung des Klägers als Vereinsmitglied und Sekretär unwirksam.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es treffe zwar zu, daß die Parteifähigkeit einer juristischen Person auch nach der Auflösung während der Liquidation noch bis zur Vollbeendigung fortbestehe. Da aber die Behörde keinen Liquidator gemäß § 27 Abs 2 VereinsG bestellt habe, sei anzunehmen, daß dies nicht für notwendig erachtet worden sei, so daß die Parteifähigkeit der erstbeklagten Partei mit der Auflösung weggefallen sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Auf die Wirkungen einer Vereinsauflösung komme es nicht an, da bisher keine rechtswirksame Zustellung an die erstbeklagte Partei erfolgt sei; hinsichtlich der erstbeklagten Partei sei die Rechtssache noch nicht streitanhängig. Das an die erstbeklagte Partei gerichtete RSa-Stück sei nämlich mit dem Postvermerk "besteht nicht mehr" an das Erstgericht zurückgelangt.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung zur neuerlichen Entscheidung durch das Rekursgericht aufzuheben. Das Durchstreichen der vorerst ausgefüllten Empfangsbestätigung auf der an die erstbeklagte Partei gerichteten Postsendung durch die Zweitbeklagte komme einer Annahmeverweigerung gleich. Abgesehen davon könne ein Organ einer juristischen Person nach Übernahme einer auch gegen diese gerichteten Klage nicht nach Belieben darüber entscheiden, ob es nun zur Vertretung befugt ist und im Namen der juristischen Person einzuschreiten gedenkt oder nicht. Gehe man von einer wirksamen Zustellung der Klage auch an die erstbeklagte Partei aus, sei noch zu klären, ob eine Vollbeendigung (Liquidation) erfolgte, um die Frage des Verlustes der Parteifähigkeit beantworten zu können. Die amtswegige Löschung eines Vereins habe nur deklarative Wirkung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist ohne Beschränkung auf eine erhebliche Rechtsfrage zulässig (§ 47 Abs 2 iVm § 46 Abs 3 Z 1 ASGG) und berechtigt.
Ausgehend von der Unwirksamkeit der "freiwilligen Auflösung" und der danach erfolgten wirksamen amtswegigen Auflösung der erstbeklagten Partei durch die Vereinsbehörde gemäß § 24 VereinsG am 1.März 1995 kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, daß sich die Zustellvorgänge noch vor der letztlich verfügten Auflösung ereigneten. Die Klage wurde am 18.11.1994 eingebracht. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage und Ladung an die erstbeklagte Partei am 29.11.1994 war die Zweitbeklagte nach den Feststellungen des Erstgerichtes noch Vereinsvorsitzende. Soweit sie nach vorheriger Bestätigung der Übernahme der Sendung anschließend dennoch deren Annahme verweigerte, konnte sie dadurch eine wirksame Zustellung an die erstbeklagte Partei nicht mehr verhindern (analog § 20 Abs 1 ZustG; Fasching ZPR2 Rz 540).
Der Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils gegen die erstbeklagte Partei wurde allerdings erst nach der amtswegigen Auflösung gestellt. Es ist daher entscheidend, ob die erstbeklagte Partei ihre Parteifähigkeit während des Rechtsstreites verloren hat. Dabei kommt es darauf an, ob eine Vollbeendigung nach Verteilung des gesamten Vermögens stattgefunden hat (vgl Aicher in Rummel2 ABGB § 26 Rz 49 mwH; Fasching aaO 333; 8 Ob 8/95 = ecolex 1995, 887). Fragen der Parteifähigkeit sind von Amts wegen zu prüfen. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren vorerst zu klären haben, ob die erstbeklagte Partei durch Vollbeendigung, wenn also kein verwertbares und verteilbares Vereinsvermögen mehr vorhanden ist, als solche erloschen ist und damit auch das Prozeßrechtsverhältnis mit ihr beendet wurde oder nicht (vgl 8 Ob 6/94 = ecolex 1995, 811 mwH).
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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