OGH 9ObA165/87

OGH9ObA165/8711.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Stefan Seper und Anton Tauber als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Helmut K***, Rechtsanwalt, Wien 1., Goethegasse 3, vertreten durch Dr. Armin Paulitsch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A. G*** Kaufhaus AG, Wien 7., Mariahilferstraße 38-48, vertreten durch Dr. Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,021.020 sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Juni 1987, GZ 31 Ra 1028/87-24, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 3. Juli 1986, GZ 7 Cr 167/85-16, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es einschließlich des bestätigten Teils insgesamt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 1,021.020 samt 8 % Zinsen aus S 500.000 seit 25. Juli 1985 und 4 % Zinsen aus S 521.020 seit 11. März 1986 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 85.227 (darin S 7.734 Umsatzsteuer und S 150 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen".

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 48.110,98 (darin S 3.010,09 Umsatzsteuer und S 15.038 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 51.823,55 (darin S 2.893,05 Umsatzsteuer und S 20.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. Jänner 1974 bis 30. November 1978 Angestellter im Unternehmen der Beklagten. Nach einer anschließenden Konzipiententätigkeit wurde er am 10. März 1980 in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen. Seit 16. März 1980 war er auf Grund eines Konsulentenvertrages vom 28. April 1981 und einer am selben Tag abgeschlossenen Nebenvereinbarung wieder für die Beklagte tätig. Mit Schreiben vom 6. März 1984 kündigte die Beklagte den Konsulentenvertrag zum 30. September 1984 auf. Der Kläger bot der Beklagten zwar seine weitere Tätigkeit an, diese lehnte aber eine Weiterarbeit des Klägers für sie ab.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger insgesamt S 1,021.020 sA an ausstehendem monatlichen Pauschalhonorar für die Zeit von Oktober 1984 bis einschließlich Dezember 1985. Er habe für die Beklagte in seiner Eigenschaft als freiberuflicher Rechtsanwalt als Konsulent und Syndikus gearbeitet. Obwohl kein Dienstvertrag oder dienstähnlicher Vertrag bestanden habe, sei nach der Nebenvereinbarung zum Konsulentenvertrag vom 28. April 1981 vorgesehen gewesen, daß sein Vertragsverhältnis zur Beklagten grundsätzlich so zu beurteilen sei, als ob er weiterhin im Angestelltenverhältnis zur Beklagten stehe. Daraus folge, daß ihm alle Rechte und Vorteile eines Angestellten gewahrt geblieben seien. Anläßlich der Umwandlung der A. G*** Kaufhaus Gesellschaft mbH in die A. G*** AG im Dezember 1983 habe der Vorstand der Beklagten mit dem Zentralbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen, nach der eine Lösung des Arbeitsverhältnisses aller Arbeitnehmer vor dem 31. Dezember 1985 nur durch Entlassung, vorzeitigen berechtigten Austritt oder einvernehmliche Auflösung erfolgen hätte können. Diese Vereinbarung habe auch für den Kläger gegolten, so daß die Kündigung seines Konsulentenvertrages auf Grund dieser Vereinbarung und der Betriebsvereinbarung rechtswidrig gewesen sei und er für die Monate Oktober bis Dezember 1984 Honoraransprüche auf je S 59.500 und ab Jänner 1985 auf je S 62.475, jeweils zuzüglich der Umsatzsteuer habe.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe neben dem Betrieb einer eigenen Rechtsanwaltskanzlei auf Grund des Konsulentenvertrages für die Beklagte eine typisch anwaltliche Tätigkeit entfaltet. Dafür habe er ein monatliches Pauschalhonorar von zuletzt S 59.500 zuzüglich der Umsatzsteuer erhalten. Es seien ihm zwar eine Reihe von Begünstigungen eingeräumt worden, wie sie auch den Arbeitnehmern der Beklagten zugestanden seien, und er habe ein Büro samt Sekretärin und eine Rechtsbibliothek in den Räumen der Zentraldirektion zur Verfügung gehabt, doch sei er zur Beklagten in keinem Arbeitsverhältnis gestanden. Es sei insbesonders kein Angestelltenverhältnis begründet worden, sondern es sei detailliert festgelegt worden, welche Bereiche der vertraglichen Beziehungen grundsätzlich wie bei einem leitenden Angestellten geregelt sein sollten. Gemäß § 5 der Richtlinien für die Berufsausübung der Rechtsanwälte hätte der Kläger auch kein solches Arbeitsverhältnis eingehen dürfen. Eine diesbezügliche Vereinbarung wäre im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB nichtig gewesen. Der Kläger habe zudem über das Pauschalhonorar hinaus noch ständig Kosten für gerichtliche Vertretungen und andere Leistungen gesondert in Rechnung gestellt und auch honoriert erhalten.

Dieses Konsulentenverhältnis, das allenfalls als "freies Arbeitsverhältnis" anzusehen sei, sei durch die Betriebsvereinbarung vom 29. Dezember 1983 nicht betroffen gewesen, da sich diese nur auf "echte" Arbeitsverhältnisse "gewöhnlicher" Arbeitnehmer bezogen habe. Die Einbeziehung eines selbständigen Rechtsanwaltes in eine Betriebsvereinbarung sei nicht nur inadäquat, sondern wegen des darin enthaltenen zweijährigen Kündigungsverzichtes auf Grund des besonderen Vertrauensverhältnisses für Vollmacht und Auftrag sogar sittenwidrig. Die Kündigung des Konsulentenvertrages durch die Beklagte habe der Vereinbarung entsprochen und ihren Grund in einer ständig steigenden Kostenbelastung der Beklagten gehabt. Der Kläger habe eine Ersatzabfertigung in Höhe von vier Monatshonoraren erhalten; eine "Kündigungsentschädigung" stehe ihm nicht zu. Im übrigen sei, wenn Arbeitnehmerrecht angewendet werde, zumindest ein Teil der geltend gemachten Ansprüche im Sinne des § 34 AngG verfristet, und der Kläger habe zudem im Sinne der §§ 29 AngG und 1162 b ABGB die Möglichkeit gehabt, erhebliche Teile der geltend gemachten Beträge in Höhe von zumindest S 500.000 durch seine anderweitige Tätigkeit als Rechtsanwalt zu erwerben. Die Geltendmachung von Honorarersatzansprüchen, denen keinerlei Leistung gegenüberstehe, verstoße in einem so hohen Maße gegen anwaltliche Standespflichten, daß auch darin eine Verletzung der guten Sitten liege.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von S 890.120 sA statt und wies ein Mehrbegehren von S 130.900 sA ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Bei Abschluß der Vereinbarungen mit dem Kläger dachte keine der Parteien an einen möglicherweise bevorstehenden Verkauf des Unternehmens oder von Teilbetrieben bzw. an einen Gesellschafter- oder Geschäftsführerwechsel. Mit dem Konsulentenvertrag vom 28. April 1981 wurde der Kläger ab 16. März 1980 zum Syndikus der Beklagten bestellt. Dieser Vertrag hat unter anderem folgenden Wortlaut:

"1. Dr. K*** übernimmt die allgemeine Rechtsberatung von G***. Er wird seine Beratungstätigkeit persönlich ausüben. Ein Dienstverhältnis von G*** zu Dr. K*** wird nicht begründet.

2. Dr. K*** erhält Gesamtprokura für die A. G***

Kaufhaus Gesellschaft mbH für Sitz und alle Zweigniederlassungen, für die A. G*** Grundstücks-Gesellschaft mbH......

4. Dr. K*** erhält für seine Beratungstätigkeit von G*** ein monatliches Pauschalhonorar von S 45.000 plus MWSt. (ab Jänner 1981 S 52.000 plus MWSt.), zahlbar zwölfmal pro Jahr am 25. jeden Monats, die bei G*** geltenden Reisegebühren und den Ersatz aller sonstigen Barauslagen. Eine einvernehmliche Anpassung des Honorars an geänderte Verhältnisse ist vorgesehen.

5. Dieser Vertrag kann beiderseits mit 6-monatiger Kündigungsfrist zu jedem Quartalsende mit eingeschriebenem Brief aufgekündigt werden."

In der "Nebenvereinbarung zum Konsulentenvertrag" selben Datums ist unter anderem folgendes vorgesehen:

"Das Vertragsverhältnis zwischen G*** und Dr. K*** ist grundsätzlich so zu beurteilen, als ob Dr. K*** auch weiterhin im Angestelltenverhältnis zu G*** bleiben würde. Unter diesem Gesichtspunkt regeln sich die gegenseitigen Beziehungen zum Beispiel:......"

Es folgt eine Aufzählung von Regelungen wie die Arbeitsleistung durch den Kläger zu erbringen ist, ferner über die Normalarbeitszeit und eine Urlaubsregelung. Die Vereinbarung lautet weiters:

"2. Dr. K*** behält alle Vergünstigungen für

G***ersonal und ist weiterhin berechtigt, an der Gruppen-Zusatzkranken- und Unfallversicherung teilzunehmen."

Es folgen Regelungen über die Honorarabrechnung sowie über die Verpflichtung des Klägers, das Einvernehmen mit G*** herzustellen, wenn er in seiner Kanzlei außer der Gattin noch weitere Arbeitnehmer beschäftigen sollte. Die Nebenvereinbarung lautet dann weiters:

"6. Bei der Bemessung folgender Ansprüche ist das Angestelltengesetz bzw. der Kollektivvertrag sinngemäß so anzuwenden, als ob das von Dr. K*** seinerzeit am 1. Jänner 1974 bei G*** begonnene Dienstverhältnis ununterbrochen bis zu dem Zeitpunkt, der für die Bemessung des Anspruches maßgebend ist, angedauert hätte:

  1. a) Urlaubsdauer, Urlaubsjahr bleibt das Kalenderjahr.
  2. b) Dauer der Fortzahlung des Honorars bei Krankenstand.
  3. c) Höhe der Ersatzabfertigung bei Kündigung durch G***, Tod oder Kündigung durch Dr. K*** wegen Eintrittes in den Ruhestand.

7. G*** räumt Dr. K*** das Recht ein, durch einseitige, von ihm abzugebende Erklärung zu dem der Erklärung folgenden Monatsersten als Angestellter mit jenen Bezügen wieder einzutreten, die er bis dahin bei einem ununterbrochenen Dienstverhältnis bei G*** seit 1. Jänner 1974 erreicht hätte. Diesfalls wird Dr. K*** dienst- und sozialrechtlich (insbesondere hinsichtlich Vorrückung, Gratifikation, Abfertigung, Pensionsplan etc.) so behandelt, als ob Dr. K*** alle Zeiten seit 1. Jänner 1974 als Dienstnehmer bei G*** verbracht hätte....."

Das Honorar des Klägers wurde ab 1. Jänner 1984 einvernehmlich auf S 59.500 zuzüglich Umsatzsteuer erhöht, was einer vereinbarten durchschnittlichen Erhöhung um 5 % pro Jahr entsprach. Aufgabe des Klägers war es vor allem, die Beklagte vor Gericht zu vertreten und diese rechtlich zu beraten. Er führte daneben noch seine Anwaltskanzlei, in welcher er seine Gattin beschäftigte. Sowohl der Konsulentenvertrag als auch die Nebenvereinbarung wurden vom Kläger und vom Geschäftsführer der Vorgängerin der Beklagten, DDr. Walter P***, sowie von Zentraldirektor Z*** formuliert und abgeschlossen. Zweck der Nebenvereinbarung war es, den Kläger zwar so zu stellen, als wäre er Angestellter der Beklagten geblieben, aber zu berücksichtigen, daß es dem Kläger auf Grund der Standesrichtlinien verboten war, als Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis einzugehen, dessen Gegenstand Tätigkeiten umfaßte, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes gehören. Da die Beklagte daran interessiert war, den Kläger an das Unternehmen zu binden, wurden in das Konsulentenverhältnis weitgehende Schutzbestimmungen des Angestelltenrechts übertragen. Allfällige gesetzliche Nachteile wie Verfallsfristen wurden von den Parteien nicht erörtert und nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Der Kläger hatte bei der Beklagten einen eigenen Arbeitsraum, eine eigene Sekretärin und eine Rechtsbibliothek. Vereinbarungsgemäß sollte er der Beklagten während der Normalarbeitszeit zur Verfügung stehen; eine Anwesenheitspflicht des Klägers in den Räumen der Beklagten bestand aber nicht. Der Kläger war keinen Weisungen unterworfen. Er bezog sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und wies auf seinen Honorarnoten die Umsatzsteuer stets gesondert aus. Er war weder zur Lohnsteuer noch zur Sozialversicherung gemeldet. Neben dem Pauschalhonorar verrechnete der Kläger in seinen Kostennoten weitere Tätigkeiten, die gesondert honoriert wurden. Im Dezember 1983 wurde die A. G*** Kaufhaus

Gesellschaft mbH in die A. G*** Kaufhaus AG umgewandelt. Die Rechte aller Arbeitnehmer sollten gewahrt und diesen eine Beschäftigung im Unternehmen bis 31. Dezember 1985 garantiert werden. An das Vertragsverhältnis mit dem Kläger wurde dabei allerdings nicht gedacht. Die zwischen dem Vorstand der Beklagten und dem Zentralbetriebsrat gemäß § 29 ArbVG abgeschlossene schriftliche Betriebsvereinbarung vom Dezember 1983 hat unter anderem folgenden Wortlaut:

"I. Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeiter, Angestellten und Pensionisten der A. G*** Kaufhaus AG in den Betrieben und Betriebsstätten....

II. Verpflichtungen gegenüber den

Arbeitnehmern und Pensionisten

1. Die A. G*** Kaufhaus AG verpflichtet sich, alle am 31. Dezember 1983 bei dem im Geltungsbereich (I Z 1) genannten Betrieben oder Betriebsstätten beschäftigten Dienstnehmer mit allen Rechten und Pflichten zu übernehmen und weiterzubeschäftigen.....

4. Allen Dienstnehmern der A. G*** Kaufhaus AG wird eine Beschäftigung in dem jetzigen Betrieb oder der jetzigen Betriebsstätte bis mindestens 31. Dezember 1985 garantiert.... Eine Lösung des Dienstverhältnisses vor dem 31. Dezember 1985 kann nur durch Entlassung, vorzeitigen berechtigten Austritt oder einvernehmliche Auflösung erfolgen....."

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger mit der Beklagten kein abhängiges Arbeitsverhältnis eingegangen sei, sondern einen "freien Arbeitsvertrag" abgeschlossen habe. Das Vertragsverhältnis sei aber im Sinne der Nebenvereinbarung so zu beurteilen, als ob der Kläger weiterhin Angestellter der Beklagten geblieben wäre. Es sollten ihm alle Vorteile zukommen, die er als Angestellter gehabt hätte, ohne daß es dem Kläger aus standesrechtlichen Gründen möglich gewesen wäre, tatsächlich als Angestellter zu arbeiten. Daher sei ihm seine persönliche Unabhängigkeit gewahrt worden. Da er aber unter anderem hinsichtlich des Kündigungsschutzes einem Angestellten gleichgestellt werden sollte, müsse auch die eine Beschäftigung bis 31. Dezember 1985 garantierende Betriebsvereinbarung auf ihn angewendet werden. Dies ergebe sich schon daraus, daß der Kläger nach der Nebenvereinbarung zum Konsulentenvertrag "grundsätzlich" so zu beurteilen sei, als ob er im Angestelltenverhältnis zur Beklagten verblieben wäre. Er habe auch eine "Ersatzabfertigung" erhalten. Es entspreche aber andererseits der Billigkeit, daß auf das Vertragsverhältnis der Parteien nicht nur die den Kläger begünstigenden Normen angewendet würden, sondern auch die Ausschlußbestimmung des § 34 AngG, wonach die Ansprüche des Klägers für Oktober und November 1984 verfallen seien, zumal seine Klage am 21. Juni 1985 eingelangt sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht und jener der Beklagten zum Teil dahin Folge, daß es dem Kläger einen Betrag von S 524.670 sA zusprach und das Mehrbegehren von insgesamt S 496.350 sA abwies. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß es einer Feststellung des Inhalts der Vereinbarungen vom 2. Februar 1979 und 11. Juni 1980, nach denen zwischen der Geschäftsleitung der Beklagten und den Betriebsräten Einigung darüber erzielt worden sei, daß Konzernprokuristen sowie Haus-Chefs und deren Stellvertreter als leitende Angestellte im Sinne des § 36 Abs. 2 Z 2 ArbVG anzusehen seien, nicht bedürfe. Der Begriff des "Arbeitnehmers" gemäß § 36 ArbVG beziehe sich allein auf den II. Teil des ArbVG und habe für dessen I. Teil keine Geltung. Da die Betriebsvereinbarung im I. Teil des ArbVG geregelt sei, könnten auch leitende Angestellte von ihrer Wirksamkeit nicht ausgeschlossen werden. Der Betriebsrat vertrete diesbezüglich auch die leitenden Angestellten. Aus der Nebenvereinbarung zum Konsulentenvertrag gehe eindeutig hervor, daß das Rechtsverhältnis der Parteien alle wesentlichen Merkmale eines (echten) Arbeitsvertrages aufgewiesen habe. Insoweit sei der Konsulentenvertrag nur ein Scheinvertrag, durch den die Parteien den Bestand eines Arbeitsverhältnisses der Rechtsanwaltskammer gegenüber aus standesrechtlichen Gründen verbergen wollten. Das Vorliegen eines echten Arbeitsvertrages begründe aber die Anwendung der Betriebsvereinbarung auf den Kläger. Die Vereinbarung eines zweijährigen Kündigungsverzichts widerspreche auch nicht der in Punkt 5 des Konsulentenvertrages bedungenen Kündigungsfrist von 6 Monaten, da beide Bestimmungen nach Ablauf der Verzichtsfrist durchaus sinnvoll nebeneinander bestehen könnten. Hätten die Partner der Betriebsvereinbarung leitende Angestellte vom Kündigungsverzicht ausnehmen wollen, hätten sie diese Einschränkung auch zum Ausdruck bringen müssen. Eine solche Ausnahme könnte dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung, wonach "allen Dienstnehmern" eine Beschäftigung bis mindestens 31. Dezember 1985 garantiert werde, nicht entnommen werden.

Der Kläger sei dadurch zwar in den Genuß des bis 31. Dezember 1985 erklärten Kündigungsverzichts gekommen, doch habe sein Angestelltenverhältnis zur Folge, daß auch die Bestimmungen der §§ 29 und 34 AngG zur Anwendung kämen. Gemäß § 29 Abs. 2 AngG sei das Entgelt für die Monate Oktober bis Dezember 1984 mit der Lösung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 1984 fällig geworden; die Frist des § 34 Abs. 2 AngG sei am 31. März 1985 abgelaufen. Der Kläger habe daher seine Ansprüche für diesen Zeitraum verspätet geltend gemacht. Er müsse sich gemäß § 29 AngG überdies eine Einrechnung dessen, was er durch seine anwaltliche Mehrtätigkeit verdient habe, gefallen lassen. Der Kläger habe die Beantwortung von Fragen nach der Höhe seines Einkommens abgelehnt und auch die Zustimmung zur Beischaffung der Steuererklärungen verweigert. Diese Aussage- und Vorlageverweigerung sei gemäß § 272 ZPO zu beurteilen und die Höhe des dem Grunde nach unstrittigen Betrages gemäß § 273 ZPO festzusetzen. Da der Kläger den größten Teil seiner Arbeitszeit für die Beklagte verwenden habe müssen, sei unter Berücksichtigung der Tatsache, daß er sich einen Klientenstock aufbauen mußte, der Betrag, den der Kläger im Jahre 1985 durch den Wegfall seiner Tätigkeit bei der Beklagten zusätzlich verdienen konnte, mit rund S 300.000 festzulegen.

Von einer Teilnichtigkeit des in der Betriebsvereinbarung geregelten zweijährigen Kündigungsverzichts könne keine Rede sein. Die Verletzung von anwaltlichen Standespflichten sei noch kein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne einer Verletzung oberster Rechtsgrundsätze oder eines groben Mißverhältnisses schutzwürdiger Interessen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Teile. Der Kläger macht als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Die Beklagte begehrt, das Urteil aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Beide Teile stellen hilfsweise Aufhebungsanträge und beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich der Revision der Beklagten kommt Berechtigung zu. Da die Mängelrüge des Klägers nur die Betragsbemessung nach § 273 ZPO hinsichtlich seines anrechenbaren Einkommens im Sinne des § 29 AngG betrifft, die für die rechtliche Beurteilung unerheblich ist, ist auf sie nicht einzugehen.

Den Rechtsrügen beider Parteien ist entgegenzuhalten, daß es im vorliegenden Fall nicht entscheidend darauf ankommt, ob sie durch die einvernehmliche Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen ein (echtes) Arbeitsverhältnis im Sinne des § 1151 ABGB begründet haben (Kuderna, ASGG § 51 Erl. 14, 281; Arb. 8.030, 9.972 = SZ 54/75 = DRdA 1982, 191 !Strasser = ZAS 1982, 10 !Tomandl ; Arb. 10.005 = ZAS 1983, 29 !Wachter ; Arb. 10.060, 10.096 = DRdA 1985, 395 !Wachter ;

Arb. 10.529; JBl. 1987, 332; 14 Ob A 46/87; 9 Ob A 52/88 ua), oder einen sogenannten "freien Arbeitsvertrag" eingegangen sind (vgl. Gschnitzer, Schuldrecht-BT 72; Koziol-Welser, Grundriß8 I 367;

Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I 17;

Martinek-Schwarz, AngG6 27 f; auch Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 55; Krejci in Rummel, ABGB § 1151 Rz 83; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 105 f; Wachter, Der

sogenannte freie Dienstvertrag, DRdA 1984, 405; Arb. 9538 =

EvBl. 1977/112 = ZAS 1978/53; Arb. 9.714, 9.772, 10.055, 10.060, 10.096 ua). Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Kläger seine Honoraransprüche in sämtlichen Stadien des Verfahrens ausdrücklich und allein darauf gründete, daß er als freiberuflicher Rechtsanwalt für die Beklagte als Konsulent und Syndikus gearbeitet habe, und ebenso ausdrücklich ausschloß, daß er die aus freier Honorarvereinbarung zwischen Klient und Rechtsanwalt entstandenen Ansprüche etwa als seinerzeitiger Arbeitnehmer der Beklagten geltend machen wolle. Er sei lediglich durch die Nebenvereinbarung zum Konsulentenvertrag so gestellt worden, als ob er weiterhin im Angestelltenverhältnis zur Beklagten gestanden sei, so daß die Betriebsvereinbarung kraft ihrer Normwirkung (S 111 f) zu seinen Gunsten angewendet werden müsse. Auch die Beklagte wandte nie ein, daß der Konsulentenvertrag etwa nur zum Schein abgeschlossen worden sei, um ein standeswidriges Arbeitsverhältnis zu verdecken. Auch sie ging stets davon aus, daß der Kläger für sie eine typisch anwaltliche Tätigkeit entfaltet habe, ihm zwar eine Reihe von Begünstigungen eingeräumt worden seien, wie sie auch ihren Angestellten zugestanden wären, daß er aber keineswegs Arbeitnehmer gewesen sei und daher die Betriebsvereinbarung für ihn nicht gelte. Noch im Revisionsverfahren begründet der Kläger seine Ansprüche mit Werkleistungen aus einem Werkvertrag und verwahrt sich gegen die Annahme, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Auch wenn die rechtliche Qualifikation eines Rechtsverhältnisses an sich nicht vom Willen der vertragschließenden Parteien und der von ihnen gewählten Bezeichnung abhängt (Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages, 75 ff; Arb. 9.972; DRdA 1986/23 ua), entspricht es ständiger Rechtsprechung (vgl. SZ 42/138; RdW 1986, 271), daß dann, wenn die Klage lediglich auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt wird, das Gericht daran gebunden ist und es dem Begehren nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben darf. Erörterungen darüber, ob der Kläger entgegen seinem eindeutigen Klagevorbringen nicht doch Arbeitnehmer der Beklagten gewesen sei, haben daher zu entfallen. Es ist lediglich zu prüfen, ob das als Anspruchsgrundlage allein geltend gemachte Konsulentenverhältnis, das allenfalls als freies Arbeitsverhältnis anzusehen ist (vgl. Arb. 6.087, 6.487; 4 Ob 45/81), durch die vertraglich zugesicherten Vorteile und Rechte, wie sie einem Angestelltenverhältnis entsprechen, den Kläger auch hinsichtlich der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmern der Beklagten gleichgestellt hat. Einer solchen Annahme steht schon entgegen, daß eine direkte Anwendung von Vorschriften über die kollektive Rechtsgestaltung bei einem sogenannten freien Arbeitsvertrag nicht in Frage kommt, da sämtliche einschlägige Normen an das Vorliegen eines "echten" Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsvertragsrechts anknüpfen (vgl. Wachter, Der sogenannte freie Dienstvertrag, DRdA 1984, 405 ff !417 ). Konsulenten und ähnliche Personen, die - wovon nach den Klagebehauptungen auszugehen ist - bei Erbringung ihrer Arbeitsleistung ihre persönliche Selbständigkeit nicht einbüßen, fallen nicht unter den Schutzzweck des Arbeitsverfassungsgesetzes und damit auch nicht unter die Geltung des I. Teils (Floretta-Strasser, MKK ArbVG § 1 Erl. 4.2.3). Dem Kläger, der - aus welchen Gründen immer - selbst eine Arbeitnehmereigenschaft als Anspruchsgrundlage ausdrücklich ausschloß, hätten daher von der Beklagten nicht nur die Vorteile eines Angestelltenverhältnisses zugesichert werden müssen (vgl. etwa hinsichtlich Arbeitnehmer allgemein: Schrammel, Der Angestellte "ex contractu" im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, ZAS 1973, 163 ff, 166 f; hinsichtlich von Vorstandsmitgliedern: Arb. 9.371, 10.406), um sich auf die Geltung der Betriebsvereinbarung auch für ihn berufen zu können, sondern diese hätte durch einzelvertragliche Ergänzung Bestandteil seines Konsulentenvertrages werden müssen. Von der Normwirkung der Betriebsvereinbarung, deren Zulässigkeit und Wirksamkeit (vgl. Floretta-Strasser MKK ArbVG § 97 Erl. 5.17) er nicht bestreitet, wurde sein Vertragsverhältnis zur Beklagten jedenfalls nicht erfaßt. Eine Behauptung dahin, daß ihm der Inhalt der Betriebsvereinbarung überdies als Ergänzung seines Konsulentenvertrages angeboten worden sei und er diese Ergänzung zumindest schlüssig angenommen habe (14 Ob A 47/87), stellte der Kläger in den Vorinstanzen nicht auf. Er berief sich vielmehr stets auf die normative Wirkung der Betriebsvereinbarung. Die erst in der Revisionsbeantwortung aufgestellte Behauptung des Klägers, der Inhalt der Betriebsvereinbarung sei ihm auch gewissermaßen als Vertragsofferte zur Kenntnis gebracht worden, ist neu und daher unbeachtlich (§ 504 Abs. 2 ZPO). Abgesehen davon ergibt sich aus dem mit der Revisionsbeantwortung vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 20. Februar 1984 nur, daß die Betriebsvereinbarung auch dem Kläger zur Kenntnis gebracht wurde, was schon auf Grund seiner Stellung als Rechtsberater selbstverständlich gewesen sein dürfte, ohne daß er daraus allenfalls ein einzelvertragliches Offert zu seinem Konsulentenvertrag ableiten hätte können.

Da sich der Kläger in bewußter Beschränkung des Klagegrundes sohin lediglich auf sein Konsulentenverhältnis zur Beklagten stützte und demgemäß auch dessen Gleichstellung mit einem Angestelltenverhältnis nicht in dem Sinn geprüft werden kann, ob der Kläger nicht dennoch Arbeitnehmer der Beklagten geworden ist, kann ihm der in der Betriebsvereinbarung normierte Kündigungsverzicht, der nur für die (echten) Arbeitnehmer der Beklagten galt, nicht zugute kommen. Ebenso hat eine (nicht geltend gemachte) ergänzende Prüfung seines Begehrens dahin, ob ihm allenfalls aus einer zeitwidrigen Kündigung des Konsulentenvertrages selbst noch restliche Ansprüche zustehen, zu entfallen, da er eine fehlerhafte Kündigung des Konsulentenvertrags nie behauptete, sondern seine Ansprüche allein auf die "Nebenvereinbarung" und die Betriebsvereinbarung stützt.

Die Kostenentscheidungen sind in den §§ 41 bzw. 41 und 50 ZPO begründet.

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