European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00147.15F.0525.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs‑ oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0106298), es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen, wovon im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist.
2.1. Gemäß § 120 Abs 1 ArbVG darf ein Mitglied des Betriebsrats bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichts aus einem der in § 122 ArbVG normierten Gründe entlassen werden. Zu diesen Gründen zählt nach § 122 Abs 1 Z 3 ArbVG die Untreue im Dienst. Darunter ist ein vorsätzlicher und pflichtwidriger Verstoß gegen die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers zu verstehen, wobei der Vorsatz nicht nur auf das den Verstoß begründende Verhalten gerichtet sein muss, sondern auch die Richtung dieses Verstoßes – die Gefährdung der dienstlichen Interessen des Arbeitgebers – umfassen muss. Entscheidend ist, ob das Verhalten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise – also nicht nach dem subjektiven Empfinden des einzelnen Arbeitgebers, sondern nach objektiven Grundsätzen – als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal für die Dauer einer Kündigungsfrist zugemutet werden kann (RIS‑Justiz RS0106954).
2.2. Ob ein Verhalten in oder außerhalb des Dienstes gesetzt wurde, ist nicht rein zeitlich, sondern nach seinem Gegenstand zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0029429). Die Untreue verletzt zwar nicht die persönlichen Beziehungen der Vertragsteile, sondern nur die dienstlichen. Das bedeutet aber nicht, dass die Begehungshandlung während der Arbeitszeit erfolgt sein muss. Zwischen dem dienstlichen oder auch außerdienstlichen Verhalten des Arbeitnehmers und den dadurch gefährdeten Interessen des Arbeitgebers muss aber ein durch den Arbeitsvertrag und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten bestimmter Zusammenhang bestehen ( Kuderna , Entlassungsrecht², 83 mwN). Die Aufforderung an einen anderen Arbeitnehmer, durch Vortäuschung von Übelkeit eine Störung des fahrplanmäßigen Busbetriebs des Arbeitgebers zu bewirken, stellt unabhängig davon, wann sie ausgesprochen wurde, demzufolge ein dienstliches Verhalten dar.
2.3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Beklagte durch diese Aufforderung, die im Wissen um die mit einem solchen Kursausfall für den Arbeitgeber verbundenen Unannehmlichkeiten erfolgte, den Tatbestand des § 122 Abs 1 Z 3 erster Fall ArbVG erfüllt hat, ist nicht korrekturbedürftig.
3. Der Mandatsschutz des § 120 Abs 1 iVm § 115 Abs 3 ArbVG kommt einem Betriebsratsmitglied nur dann zugute, wenn sein Verhalten, aus dem der Kündigungs- oder Entlassungsgrund abgeleitet wird, von diesem in Ausübung des Mandats gesetzt wurde und unter Abwägung aller Umstände entschuldbar war. Durch diese Regelung soll erreicht werden, dass bei jenen Kündigungs‑ und Entlassungstatbeständen, denen ein Sachverhalt zugrunde liegt, der die Möglichkeit einer Kollision der arbeitsvertraglichen Pflichten eines Betriebsratsmitglieds mit dessen Aufgaben und Befugnissen als gewählter Vertreter der Arbeitnehmer des Betriebs in sich schließt, im Verfahren vor dem Gericht das Verhalten des betroffenen Betriebsratsmitglieds einer besonderen Prüfung unterzogen und abgewogen wird, inwieweit besondere Umstände für die Handlungsweise als kausal und als entschuldbar angesehen werden können (9 ObA 47/97w).
Wenn die Vorinstanzen dazu darauf verwiesen, dass der Kursausfall durch Vortäuschen einer Übelkeit nur der Schädigung des Arbeitgebers und nicht dem Anliegen der Arbeitnehmer auf Auszahlung vorenthaltener Überstundenentgelte diente, weshalb dem Beklagten insoweit kein Mandatsschutz zukommt, stellt dies ebenfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
4. Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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